Inhalt

Die Kita zukunftsfähig machen

1.Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)

1.1Was bedeuten Nachhaltigkeit und BNE?

1.2Das Nachhaltigkeitsdreieck

1.3Fehlende Nachhaltigkeitsstandards

2.Wo stehen wir heute?

2.1Von der industriellen Revolution zum Turbokapitalismus

2.2Die Verletzlichkeit der Natur

2.3Unser Blick auf die Welt

2.3.1Unser Verhältnis zu Tieren

2.3.2Unser Verhältnis zur Mitwelt

2.4Werte im Wandel

2.5Kindheit in unserer modernen Konsum gesellschaft

3.Der Lebenspraktische Ansatz – Grundlage einer wertebasierten Pädagogik

3.1Abkehr von einer individualistisch geprägten Pädagogik

3.2Hin zu einer Tätigkeitspädagogik

4.Das Team auf neuen Wegen

4.1Selbstreflexion: mein ökologischer Fußabdruck

4.2Das Team zukunftsfähig machen

4.3Den Kita-Alltag gestalten: erleben statt konsumieren

5.Wertebildung als Basis gelebter Nachhaltigkeit.

5.1Was bedeutet Wertebildung?.

5.2Welche Werte brauchen wir?.

5.3Pädagogische Fachkräfte als Wertevorbilder.

6.Verantwortung für die Zukunft.

6.1Was bedeutet Verantwortung für die Zukunft?.

6.2Perspektivwechsel: die Welt sprechen hören.

6.3Diesen Wert im Kita-Alltag leben.

7.Achtsamkeit und Fürsorge.

7.1Was bedeuten Achtsamkeit und Fürsorge?.

7.2Zugänge zur beseelten Mitwelt und zu Nah-Erlebnissen

7.3Diese Werte im Kita-Alltag leben.

8.Sparsamkeit und Genügsamkeit.

8.1Was bedeuten Sparsamkeit und Genügsamkeit?.

8.2Der Wert der Dinge.

8.3Diese Werte im Kita-Alltag leben.

9.Dankbarkeit und Demut

9.1Was bedeuten Dankbarkeit und Demut?

9.2Dankbarkeit gegenüber der Natur.

9.3Diese Werte im Kita-Alltag leben.

10.Disziplin.

10.1Was bedeutet Disziplin?.

10.2Disziplin als Voraussetzung für Nachhaltigkeit.

10.3Diesen Wert im Kita-Alltag leben.

Was ich noch sagen wollte …

Quellen

Autorinnenvita

Die Kita zukunftsfähig machen

Fast täglich konfrontiert uns die Wirklichkeit mit neuen Hiobsbotschaften: Dürre, Waldbrände, Überschwemmungen, Stürme und nun auch noch die Corona-Pandemie. Umso wichtiger ist in diesen Zeiten dieses Buch. Denn gelebte Nachhaltigkeit hat Auswirkungen auf die Lebensräume der Menschen und der nichtmenschlichen Mitwelt.

„Wir dringen in tropische Wälder und wilde Landschaften ein, die so viele Tier- und Pflanzenarten beheimaten – und in diesen so viele unbekannte Viren. Wir fällen Bäume, töten Tiere oder karren sie eingepfercht auf den Markt. Wir zerrütten Ökosysteme und schütteln Viren aus ihren natürlichen Wirten. Wenn das passiert, brauchen die Viren einen neuen Wirt. Oft sind es dann wir“, schrieb der Wissenschaftsjournalist David Quammen im Januar in der New York Times (Quammen 2020). Die Pandemie ist auch eine Folge des immer tieferen Eindringens des Menschen in die Lebensräume von Wildtieren. Experten und Expertinnen nehmen an, dass die Häufigkeit von Pandemien in Zukunft sogar noch zunehmen könnte. Darum müssen wir gegensteuern! Ein nachhaltiger Lebensstil, der diesen Namen verdient und mit einer geringeren Ausbeutung von Ressourcen einhergeht, kann nicht nur den Klimawandel dämpfen, sondern führt auch zur Schonung von Lebensräumen von Wildtieren.

In Deutschland gibt es 56.700 Kitas (Destatis 2019), die wichtige zukunftsfähige Impulse setzen können. In diesem Buch finden Sie die dazu notwendigen Informationen und Praxisanregungen. Es geht um nicht weniger als eine wertegeleitete, nachhaltige Pädagogik und deren Umsetzung auf der Grundlage des Lebenspraktischen Ansatzes. Wir dürfen beispielsweise lernen, uns in Bescheidenheit zu üben, Dinge wertzuschätzen, Lebensnischen für Tiere und Pflanzen anzulegen und zu pflegen: in Innenräumen, im Außenbereich und im Umfeld der Kita. Wer in der Kita konsequent die in diesem Buch beschriebenen Werte Verantwortung, Achtsamkeit, Sparsamkeit, Dankbarkeit und Disziplin (s. Kapitel 6 bis 10) lebt, leistet im Rahmen seiner Möglichkeiten einen Beitrag zum Erhalt einer lebenswerten Welt – für den Menschen und alle Mitgeschöpfe auf unserer Erde.

Die Kita ist ein verantwortungsethischer Lebens- und Lernort, der Veränderungsprozesse anstoßen und Kinder und Eltern mitnehmen kann auf diesem sicher nicht immer einfachen, aber absolut lohnenswerten Weg. Um das zu erreichen, müssen wir zu einem beseelten Naturverständnis zurückkehren und uns für die Natur öffnen, die um uns herum auch leben will. Als Familien, aber auch als Pädagogen und Pädagoginnen kommt uns die schöne Aufgabe zu, kindgerechte Wege dahin zu finden. Auch dazu finden Sie in diesem Buch motivierende Gedanken und praktische, gut umsetzbare Anregungen.

Dabei geht es immer darum, die Zukunft im Blick zu behalten. Zwei oder drei Grad Celsius Klimaerwärmung? Das hängt auch von unserem pädagogischen Handeln ab. Wer in die hoffnungsfrohen Gesichter der Kinder blickt, kommt nicht umhin, den gelebten Kita-Alltag ehrlich auf seine Zukunftsfähigkeit hin zu hinterfragen. Der gegenwärtig praktizierten Pädagogik fehlt es in weiten Teilen an einer sinngebenden, zukunftsgerichteten Orientierung. Ebenso fehlt die Problematisierung tragfähiger Werte. Welche Tugenden müssen wir leben, damit wir eine lebenswerte Welt erhalten? Damit wir den nachfolgenden Generationen und ihrer Mitwelt ein gutes Leben ermöglichen? Mir ist es ein Anliegen, durch dieses Buch dazu beizutragen, dass sich in Kitas ein wertebasierter Nachhaltigkeitsbegriff etabliert. Werden auch Sie dafür zu Zukunftsgestaltern und -gestalterinnen!

„Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“

Mahatma Gandhi

1.Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)

1.1Was bedeuten Nachhaltigkeit und BNE?

Die Verwendung des Begriffs Nachhaltigkeit lässt sich erstmals 1713 nachweisen und kommt aus der Holzwirtschaft. „Nachhaltigkeit“ beschreibt in seiner ursprünglichen Verwendung das forstwirtschaftliche Prinzip, in einem Wald nicht mehr Bäume zu fällen als nachwachsen können. So bleibt die Größe des Waldes erhalten. Bevor dieses nachhaltige Prinzip in der Waldwirtschaft berücksichtigt wurde, waren – besonders im Mittelalter – viele Wälder vernichtet worden. Deshalb hat Deutschland keine Urwälder.

Was heißt nun aber BNE in der Kita? Vergeblich sucht man nach einer systematischen Einbettung des Begriff s im Bereich der frühkindlichen Bildung. In den Erziehungs- und Bildungsplänen der Bundesländer fi nden sich wenige grundlegende Überlegungen und eher allgemein gehaltene Zielformulierungen. Was fehlt, sind darum länderübergreifende, wertebasierte Leitlinien als Basis für einrichtungsspezifische Curricula. Stattdessen überlässt man die Schwerpunktsetzungen und die Ausgestaltung von Themen und Aktionen den Trägern und pädagogischen Fachkräften. Das ist mit Blick auf die Erfordernisse eines grundlegenden Umdenkens im Angesicht des fortschreitenden Klimawandels schlichtweg unverantwortlich und, was den Arbeitsaufwand der Kitas angeht, auch unökonomisch.

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)

Bildung für nachhaltige Entwicklung umfasst den Bildungsauftrag, Kindern „zukunftsfähiges Denken und Handeln“ näherzubringen. Durch die Förderung eigenständigen Denkens und die Sichtbarmachung globaler Zusammenhänge erleben sie, dass ihre Handlungen konkrete Auswirkungen auf die Welt haben. Diese Verantwortung, die jeder und jede Einzelne für die ganze Welt hat, kann mit „global denken – lokal handeln“ zusammengefasst werden (vgl. Faas; Müller 2019, S. 11).

1.2Das Nachhaltigkeitsdreieck

Das Nachhaltigkeitsdreieck zeigt die Verbindung der Bereiche Ökologie, Ökonomie und Soziokulturelles. Legt man diesen Nachhaltigkeitsbegriff zugrunde, kann Nachhaltigkeit nur verwirklicht werden, wenn alle drei Aspekte im gleichen Umfang berücksichtigt werden. Die Bundesregierung hat diese Gewichtung in der Nachhaltigkeitsstrategie 2002 („Perspektiven für Deutschland. Unsere Strategie für eine nachhaltige Entwicklung“) bekräftigt und festgelegt, dass die umwelt-, wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele gleichermaßen berücksichtigt werden müssen. In der Neuauflage von 2016 heißt es: „Dem Leitprinzip der nachhaltigen Entwicklung zu folgen bedeutet für die Bundesregierung daher, darauf hinzuarbeiten, mit ihrer Politik gleichermaßen den Bedürfnissen der heutigen sowie künftiger Generationen gerecht zu werden […]. Dafür bedarf es einer wirtschaftlich leistungsfähigen, sozial ausgewogenen und ökologisch verträglichen Entwicklung, wobei die planetaren Grenzen unserer Erde die absolute äußere Beschränkung vorgeben“ (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2016, S. 21).

In allen drei Bereichen oder Dimensionen gibt es im 21. Jahrhundert Problembereiche, die hier nur beispielhaft und stichwortartig aufgeführt werden können.

Ökologische Aspekte

Ökonomische Aspekte

Soziale Aspekte

1.3Fehlende Nachhaltigkeitsstandards

1992 hat sich die Weltgemeinschaft auf der UN-Konferenz „Umwelt und Entwicklung“ in Rio de Janeiro auf das neue Leitbild der nachhaltigen Entwicklung geeinigt. Fast alle internationalen Organisationen und Nationalstaaten erkennen dieses Leitbild aus dem sogenannten Erdgipfel an. Was bis heute jedoch fehlt, ist eine diesem Leitbild entsprechende nachhaltige Wirtschaftslehre. Es reicht eben nicht, das Leitbild anzuerkennen, wenn daraus keine grundlegenden, für alle Staaten verbindlichen Standards für eine nachhaltige Wirtschaftslehre abgeleitet werden. So bleibt das unterzeichnete Entwicklungsleitbild „Sustainable Development“ eine inhaltslose Worthülse, die allenfalls geeignet ist, der Zivilgesellschaft vorzugaukeln, dass es mit nachhaltigem Wirtschaften vorangeht.

Auch ist die Betonung der Gleichrangigkeit der drei Nachhaltigkeitsdimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziokulturelles nicht zukunftstauglich, wenn vergessen wird, dass die Säule Ökologie die Grundlage allen Lebens und Handelns auf der Erde bildet. In diesem Sinne verwässert das Nachhaltigkeitsdreieck das Prinzip Nachhaltigkeit. Die inflationäre Verwendung des Begriffs Nachhaltigkeit bildet ein Einfallstor für wirtschafts- und sozialpolitische Zielsetzungen, die sich gerne das Etikett „nachhaltig“ anheften, ohne der Erhaltung unseres Planeten zu dienen (Bsp.: „nachhaltiges“ Wirtschaftswachstum, „nachhaltiger“ Ausbau von Autobahnen). Besonders ein wirtschaftliches Modell, das auf stetes Wachstum setzt, ist dabei fatal und steht dem Nachhaltigkeitsgedanken entgegen. Die Ökologie muss Leitwissenschaft werden. Denn Nachhaltigkeit, die diese Bezeichnung verdient, wird es wohl erst geben, wenn die drei Säulen nicht nur in der Theorie unter dem absoluten Primat der Ökologie zusammengeführt werden.

2.Wo stehen wir heute?

2.1Von der industriellen Revolution zum Turbokapitalismus