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Copyright © 2020 Picus Verlag Ges.m.b.H., Wien

umfassend überarbeitete Neuausgabe

der Fassung von 2008

Alle Rechte vorbehalten

Grafische Gestaltung: Dorothea Löcker, Wien

Umschlagabbildung: © nickalbi/AdobeStock

ISBN 978-3-7117-1104-5

eISBN 978-3-7117-5430-1

Informationen über das aktuelle Programm

des Picus Verlags und Veranstaltungen unter

www.picus.at

Fabian von Poser, geboren 1969 in Hamburg, wuchs in München auf. Während des Studiums der Geschichte und der spanischen Sprachwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität jobbte er beim Lokalteil der »Süddeutschen Zeitung«. Seit 1997 arbeitet er als freier Autor für zahlreiche Tageszeitungen und Magazine. Im Picus Verlag erschien die Reportage Namibia. Gemeinsam mit Helge Sobik entstand die Lesereise Abu Dhabi und gemeinsam mit Agnés Kah die Lesereise Kamerun. 2020 erscheint die Lesereise Argentinien.

Fabian von Poser

Lesereise Argentinien

Tango, Steaks und Pampasgras

Picus Verlag Wien

Inhalt

Heilige Evita, ewige Evita

Eine Spurensuche in Buenos Aires

Mit Schirm, Charme und Mate-Tee

Wenn der Asphalt in Buenos Aires im Sommer vor lauter Hitze Blasen wirft, dann flüchten sich die »porteños« in Scharen nach Mar del Plata

Höhenrausch im Wolkenzug

Mit dem Güterzug vom nordargentinischen Salta über viertausendfünfhundert Meter hohe Andenpässe an die Grenze zu Chile

Der Glanz der Nacht

Im Januar und Februar verwandelt der Karneval das Provinzstädtchen Gualeguaychú im Nordosten Argentiniens in ein brodelndes Tollhaus

Neues vom Hexer

Niemand zähmt wilde Pferde so sanft und so geschickt wie er. Sogar gestandene Gauchos blicken in Ehrfurcht zu ihm auf

Aus Fleisch und Blut

Kaum etwas ist dem Argentinier so lieb und teuer wie sein »asado«. Wie man es zubereitet, ist eine Wissenschaft für sich

Die mit der Flosse tanzen

Mitte Juni beginnt auf der Halbinsel Valdés in der argentinischen Provinz Chubut die Walsaison

Hundert Jahre Traurigkeit

Ein gutes Jahrhundert nach seiner Geburt erlebt der Tango in den Straßen von Buenos Aires eine Renaissance

Argentiniens Arche

In den siebziger Jahren waren die Sümpfe der Esteros del Iberá durch illegale Jagd fast leer geschossen. Jetzt werden zahlreiche einst verschwundene Arten wieder angesiedelt – inklusive Südamerikas größter Raubkatze

Habemus Diegum

Vor fast zwanzig Jahren gründeten Fans in Rosario die Iglesia Maradoniana – die erste Kirche mit einem Fußballer als Heiligen. Eine Ode an den Fanatismus

Freuds Freuden

In keiner anderen Stadt auf der Welt ist die Dichte von Psychoanalytikern so groß wie in Buenos Aires. Eine Stadt auf der Couch

Wohin der Wind dich trägt

Eine Reise durch die Unermesslichkeit Patagoniens

Heilige Evita, ewige Evita

Eine Spurensuche in Buenos Aires

Es war ein finsterer Tag. Die Gehsteige der ansonsten so belebten Avenida Corrientes waren wie hochgeklappt. Der Nebel hatte die Dächer fest umschlungen. Der Himmel war fahl und grau. Hier und da fielen ein paar vereinzelte Regentropfen aus den Wolken und machten den Aufenthalt im Freien ungemütlich. Ein feuchter Wind wehte vom Río de la Plata durch die engen Häuserschluchten hinauf in die Stadt. Unten am Hafen suchten ein paar Heimatlose unter zusammengeschobenen Wellblechplanken Schutz. Einige Straßenkreuzungen weiter, im zweiten Stock des Gebäudes der Arbeitergewerkschaft CGT, waren die Rollläden heruntergelassen. Evita lag da wie eine Wachsfigur. Das blonde Haar fiel locker über ihre Schultern, das Gesicht sah beinahe jugendlich aus. Die porzellanfarbene Haut schimmerte, darunter konnte man die Zeichnung der Blutgefäße erkennen. Doch statt Blut flossen Formaldehyd, Paraffin und Zinkchlorid durch ihre Adern.

Wie einen Schatz hatte Dr. Pedro Ara, der Einbalsamierer, sie gehegt und gepflegt, die schmächtige Gestalt, die bei ihrem Ableben kaum mehr als dreißig Kilo wog. Hatte immer wieder ihre Haut gereinigt, Fixiermittel aufgetragen, sorgfältig die Zimmertemperatur geprüft. Drei Jahre lang tagein, tagaus dieselbe Prozedur. Durch das Gemisch der ätherischen Öle, die Ara täglich neu auftrug, verströmte der Körper einen angenehmen Duft. Eine halbe Ewigkeit war seit ihrem Tod vergangen, doch Evita sah unversehrt aus. Trotz des ständigen Zwielichts, trotz der fast drei Jahre währenden Einsamkeit lag die Hoffnung der descamisados, der Hemdlosen, beinahe lächelnd da. Jetzt selbst nur noch mit einem Hemd bekleidet: dem Totenhemd.

Lorenzo Olarte schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. »Dort lag sie«, sagt der untersetzte Mann mit der rechteckigen Hornbrille und deutet auf den mächtigen Holztisch in der Mitte des Raumes. »Bis man sie fortschaffte.« Das Gebäude der CGT in der Calle Azopardo 802 hatte Evita am Höhepunkt ihres Wirkens 1950 der Arbeitergewerkschaft als Geschenk vermacht. Drei Jahre lang war sie nach ihrem frühen Krebstod im Juli 1952 in dem kleinen Saal im zweiten Stock aufgebahrt, bis die Leiche von den Militärs, die ihren Ehemann, den Präsidenten Argentiniens, Oberst Juan Domingo Perón, 1955 zur Flucht zwangen, entwendet wurde und für fast zwei Jahrzehnte verschollen blieb.

Lorenzo Olarte ist ein Peronist der ersten Stunde. Seit der Gründung der Partido Justicialista, der peronistischen Partei, im Jahr 1946 ist er ihr Mitglied. Heute genießt der gedrungene Mann, dessen spärliches Haar sich wie eine Schleife um die Halbglatze legt, ein großes Privileg: Auf seine alten Tage wurde ihm die Verantwortung für die »Sala Evita« in der CGT übertragen. Zwar kommen kaum Besucher in das winzige Museum, das nur aus zwei Räumen besteht. »Weil diesen Ort keiner kennt«, sagt Olarte. Trotzdem ist das Innere bis heute stets mit frischen Blumen geschmückt. An den Wänden hängen alte Zeitungsausschnitte und Fotos, die Vitrinen sind gefüllt mit Utensilien aus dem Leben Evitas: ein paar Stifte, ein Schreibblock, einige Kopftücher. Auf dem Tisch, auf dem die Leiche einst aufgebahrt war, thronen zwei argentinische Fahnen. Dazwischen liegt liebevoll hindrapiert das Banner der Arbeitergewerkschaft CGT. Selbst die Rollläden sind an diesem Nachmittag hochgezogen und das kühle Licht des argentinischen Winters dringt in den Raum.

Wie kaum eine andere Person berührte Eva Perón die Seele eines ganzen Volkes. Der Engel der Armen, die Hoffnung der Hemdlosen wurde von großen Teilen der argentinischen Bevölkerung wie eine Göttin verehrt. Und von anderen bitter gehasst. 1919 als uneheliches Kind eines Großgrundbesitzers und einer Köchin im Pampa-Kaff Los Toldos geboren, machte sich Eva María Duarte schnell auf, um der Tristesse ihrer Heimatstadt zu entfliehen. Bereits im Alter von fünfzehn Jahren verließ sie im Schlepptau des Tango-Sängers Agustín Magaldi die Provinz in Richtung Buenos Aires. Ihr Ziel war klar: Sie wollte ganz nach oben kommen. Um das zu erreichen, bändelte sie mit allen an, die ihr irgendwie hilfreich sein konnten. Mit Tänzern und Schauspielern, mit Künstlern und Geschäftsleuten, mit Militärs und anderen wichtigen Personen oder solchen, die sie dafür hielt.

In der Hauptstadt angekommen, trat die junge Evita zunächst als Kleindarstellerin in verlotterten Theatern und als Statistin in unbedeutenden Filmen auf. Nach einigen kleineren Rollen folgte eine Anstellung beim Radio. Das Radio war es auch, das sie mit Oberst Perón zusammenbrachte. Er hatte sich gerade mit einigen Offizierskollegen an die Staatsspitze geputscht und zog als Arbeits- und Kriegsminister die Fäden hinter der neuen Regierung. Sie war das kleine Sternchen, das sich mit seiner täglichen Radiosendung und der forschen Art in die Herzen der Zuhörer spielte. Sie begegneten einander 1944 bei einem Benefizkonzert für die Opfer des Erdbebens von San Juan, bei dem zahlreiche Menschen ums Leben gekommen waren. »Vielen Dank, dass es Sie gibt, Herr Oberst«, soll sie zu ihm zur Begrüßung gesagt haben. Nach der Veranstaltung küsste sie zum Abschied seine Hand. Kurze Zeit später waren die beiden ein Paar, ein Jahr darauf heirateten sie.

Doch es war nicht nur die Liebe, die das Mädchen aus der Provinz und den General zusammenbrachte. Selbst Freunde Peróns waren von der Zielstrebigkeit der neuen Frau an seiner Seite überrascht. Als der Oberst 1946 die Macht in Argentinien übernahm, wurden Eva Aufgaben im Arbeits- und Sozialministerium übertragen. Schnell gewann sie an Einfluss. Mit großem Enthusiasmus setzte sie sich für die Armen ein, mit Begeisterung kämpfte sie für die Rechte der Arbeiterschaft. Noch größer war ihr Ehrgeiz in Bezug auf die Stärkung der Position der Frau in der argentinischen Gesellschaft. Einer ihrer größten Erfolge war die Einführung des landesweiten Frauenwahlrechts 1947.

Perón, dessen Gerechtigkeitspartei, angelehnt an das faschistische Italien, wo er zwei Jahre als Militärattaché gedient hatte, einen Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus suchte, unterstützte sie bei allen ihren Vorhaben. Und sie war ihrerseits die perfekte Frau für den machtbesessenen Oberst. In einfachen Verhältnissen aufgewachsen, wurde Evita schnell zur Botschafterin der mittellosen Bevölkerung. Zu Tausenden gingen sie für sie auf die Straße, um gegen das Großkapital zu demonstrieren und für die Rechte des kleinen Mannes einzutreten. Auf dem Höhepunkt ihrer Popularität forderten die Massen sogar die Ernennung Evitas zur Vizepräsidentin. Im August 1951, ein Jahr vor ihrem Tod, akzeptierte sie das Geheiß in einer flammenden Rede auf der Avenida 9 de Julio. Wegen des Widerstands großer Teile der Militärregierung musste sie das Amt am Ende aber doch ablehnen.

Evita und die Arbeiterschaft, das ist so etwas wie eine Liebesgeschichte. Jahrelang schmückte ihr Gesicht die ganze Stadt, es zierte Plakatwände und Häuserfronten. Tausende erhielten von Evita Essen, Kleider, ja sogar Möbel. Die Kinder bekamen Schulsachen. Wochenlang tingelte sie über das Land und verschenkte, was der Staatssäckel hergab. Unzählige Mädchen ließen sich in dieser Zeit auf den Namen Eva umtaufen, noch mehr junge Damen trugen wie sie das wasserstoffgebleichte Haar streng nach hinten gekämmt. Doch es war nur ein Teil der Bevölkerung, der sie so wahrnahm, wie sie es sich wünschte. In Wahrheit trieb Evita einen Keil in die argentinische Gesellschaft, der bis heute existiert. Während die Massen sie vergötterten, wurde sie vom Geldadel verachtet. Jahrzehntelang hatte die argentinische Elite, reich geworden durch Rinderzucht, die Staatsgeschäfte gelenkt. Nun hatte der populistische General Perón mit seiner Militärregierung im Land das Sagen – und seine Frau verteilte die Staatsschätze an die Armen.

Selbst sieben Jahrzehnte nach Evitas Tod ist Buenos Aires noch zweigeteilt. Geteilt in die ewigen Romantiker wie Lorenzo Olarte und die lautstarken Evita-Gegner. Zieht man durch die Cafés von Buenos Aires und spricht mit Evita-Gegnern, dann wird man eine Meinung immer wieder hören: Die schlimmste Eigenschaft der Peronisten sei ihre Verschwendungssucht. Diese ziehe sich durch die argentinische Geschichte der vergangenen siebzig Jahre. Seit Perón lebe Argentinien über seine Verhältnisse, seit damals plünderten Regierungen ohne Rücksicht die Staatskassen, hört man sie in den Bars und an den Theken schimpfen. Umso verwunderlicher ist es, dass das Phänomen Perón derzeit seine gefühlt hundertste Renaissance am Río de la Plata erlebt. Seit Dezember 2019 regieren in Argentiniens capital federal mal wieder die Peronisten. Am 10. Dezember 2019 übernahm der neue Staatschef Alberto Fernández sein Amt, in seinem Gefolge Vizepräsidentin Cristina Fernández de Kirchner. Fernández de Kirchner, Frau des verstorbenen Ex-Präsidenten Néstor Kirchner, gelangte 2007 an die Macht. Im Herbst 2007 übernahm die postmoderne Evita das Präsidentenamt von ihrem Mann, den sie wegen seiner Herkunft aus der Provinz Santa Cruz in Patagonien auch den »Pinguin« nannten – ein aberwitziges Schauspiel, das viele an die filmreifen Präsidentenwahlen in den USA erinnerte. Manch einer glaubte in der Wahl Fernández de Kirchners sogar die Fortschreibung der Geschichte von einst zu erkennen.

Während ihrer Amtszeit präsentierte sich Fernández de Kirchner stets als eine Art legitime Nachfolgerin von Eva Perón. Sie zitierte die Volksheldin bei ihren Reden, trat vor Evitas Konterfei auf und ließ 2012 ihr Bild auf die damals neuen Hundert-Peso-Scheine drucken. Fernández de Kirchner startete umfassende Sozialprogramme, legte sich mit den Großgrundbesitzern und sogar mit der katholischen Kirche an, und das im Heimatland von Papst Franziskus. Nach zwei Amtszeiten – Kirchner durfte verfassungsgemäß nicht noch einmal kandidieren – wurde 2015 der Wirtschaftsliberale Mauricio Macri, Sohn einer reichen Unternehmerfamilie und damit Teil der alten Eliten, zum Präsidenten gewählt. Doch trotz der Korruptionsermittlungen, die Macri gegen Fernández de Kirchner einleitete, weil sie sich während der Amtszeit ihres inzwischen verstorbenen Ehemanns bei dubiosen Immobiliengeschäften bereichert haben soll, ist die moderne Evita jetzt zurück. Als Vizepräsidentin und starke Frau hinter Alberto Fernández.

Und genau das zeigt das Problem Argentiniens: Seit Jahrzehnten wechseln sich in Buenos Aires zwei radikale Wirtschaftsmodelle ab, je nachdem, welche Seite gerade das Zepter schwingt. Wird ein Staatschef gewählt, macht er alles rückgängig, was sein Vorgänger veranlasst hat. Auf der einen Seite steht die protektionistische Handelspolitik des ehemaligen Oberst Juan Domingo Perón, der nach den Wirren der Weltwirtschaftskrise von 1929 und ihren Folgen den Freihandel ab Mitte der vierziger Jahre einschränkte und hohe Schutzzölle verhängte. Diese sollten Argentinien helfen, eine eigene Industrie aufzubauen. Das Land sollte nicht mehr von Importen abhängig sein. Zudem ließ er Betriebe wie die Bahngesellschaft verstaatlichen und legte umfassende Sozialprogramme auf, für die ein Teil der Argentinier Perón und seine zweite Frau Evita bis heute verehren.

Das Duo Fernández/Fernández de Kirchner führt diese Politik fort. Das Land soll unabhängiger von Rohstoffexporten und industriellen Importen sein, so das Credo der Peronisten, und lieber selbst wichtige Güter herstellen, als sie zu importieren. Mit Preiskontrollen und Quotenregelungen für Exporte verschreckte Fernández de Kirchner bereits in ihren ersten beiden Amtszeiten zwischen 2007 und 2015 ausländische Investoren. Doch die einheimische Industrie profitierte. Eine Zeit lang zumindest. Die erhobenen Zölle und Steuern flossen in Sozialprogramme. Fernández de Kirchner subventionierte Wasser, Strom und Gas und die heimische Industrie. 2012 ließ sie den Öl- und Gaskonzern YPF verstaatlichen und verdonnerte ausländische Unternehmen, die ihre Produkte an den Río de la Plata brachten, argentinische Güter in ihre Länder zu importieren – bis die Rohstoffpreise für Weizen, Soja und Metalle sanken. Dann brach alles zusammen.

Das andere Modell ist das weniger protektionistische, wirtschaftsliberale, das ab 1989 Carlos Menem für einige Jahre Erfolg bescherte. Es setzt genau auf das Gegenteil von dem, was die Peronisten wollen: Menem gab die Wirtschaft frei, koppelte den Peso an den US-Dollar, privatisierte unter anderem die Bahngesellschaft und kürzte die Sozialausgaben. Doch alles endete nach einigen Jahren des Booms im Staatsbankrott von 2001, weil die argentinischen Produkte sich auf dem Weltmarkt als nicht konkurrenzfähig erwiesen, der argentinische Peso als hoffnungslos überbewertet galt. Der abgewählte Konservative Mauricio Macri verfolgte ein ähnliches Modell. Ab 2015 hatte er den Argentiniern versprochen, die Inflation zu stoppen und die Armut zu reduzieren. Im Jahr seiner Abwahl, also 2019, war die Inflation jedoch die zweithöchste weltweit, ein Drittel der Argentinier lebte unterhalb der Armutsgrenze. Für einen US-Dollar zahlte man vor der Wirtschaftskrise von 2001 noch einen argentinischen Peso, 2019 waren es sechsundsechzig.

Buenos Aires heute, das ist eine Stadt voller mächtiger Hochhaustürme, verspiegelter Glasfronten und klimatisierter Büros. Kurzum: eine moderne Stadt. Aber auch siebzig Jahre nach ihrem Tod kommt man nicht so einfach an Evita vorbei. Fast jede Ecke erzählt eine Geschichte der Volkstribunin. Im Hafenviertel La Boca steht sie als Plastikfigur winkend neben Fußballstar Diego Maradona und Tango-Ikone Carlos Gardel auf einem Balkon. Die Buchläden in der Avenida Corrientes sind vollgestopft mit Titeln über den Peronismus, an vielen Postkartenständen und Kiosken prangt Evitas Konterfei: als Anstecker, als Aufnäher oder als Magnet für den Kühlschrank. Mittlerweile haben auch die Touristiker erkannt, dass sich mit dem großen Namen vortrefflich Geld verdienen lässt. Organisierte Touren führen auf den Spuren von Evita durch die Stadt, vorbei an der Casa Rosada, dem Regierungsgebäude, von dessen Balkon sie einst ihre großen Reden schwang, über die Avenida 9 de Julio, auf der mehrere Millionen Menschen an jenem denkwürdigen Augusttag des Jahres 1951 der Bekanntgabe der Kandidatur Evas als Vizepräsidentin beiwohnten, und zu dem kleinen Park an der Avenida del Libertador. Stolz thront Evita dort, den Blick nach vorne gewandt, vor dem Gebäude der Nationalbibliothek. Der argentinische Bildhauer Ricardo Gianeti entwarf die bronzene Statue 1999.