DONNERWETTER
AM MOUNT SCHMEVEREST
Über die Autoren:
Paluten ist einer der erfolgreichsten YouTuber Deutschlands. Mit seinem Minecraft-Projekt FREEDOM erschuf er eine komplette Welt, die Millionen von Zuschauern begeisterte. In »Donnerwetter am Mount Schmeverest« kehrt er in diese Welt zurück, um mit seinem besten Freund Edgar neue Abenteuer zu erleben!
Klaas Kern mag Raumschiffe, Segelschiffe und alle anderen Fortbewegungsmittel, die ihn zu fremden Orten bringen. In Minecraft ist er allerdings meist zu Fuß unterwegs - mit dem Pferd fällt man einfach zu oft in irgendwelche Schluchten. Wenn er nicht gerade durch FREEDOM wandert, dann lebt der freie Autor mit seinen Hunden in Berlin und denkt über neue Abenteuer nach.
Über die Illustratorin:
Irina Zinner ist freiberufliche Illustratorin aus Hamburg und illustriert alles, was ihr zwischen die Finger kommt. Dazu gehören eigene Comicprojekte und Illustrationen, die sie auf Instagram veröffentlicht, aber auch Auftragsarbeiten für Buchverlage, Trickfilme und Adventure-Games.
Originalausgabe
1. Auflage
© 2021 Community Editions GmbH
Weyerstraße 88–90
50676 Köln
Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk, Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger aller Art, auszugsweisen Nachdruck oder Einspeicherung und Rückgewinnung in Datenverarbeitungsanlagen aller Art, sind vorbehalten.
Die Inhalte dieses Buches sind von Autoren und Verlag sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung von Autoren und Verlag für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.
Dies ist kein offizielles Minecraft-Produkt. Es ist nicht von Mojang genehmigt oder mit Mojang verbunden.
»Minecraft« and all its graphics are trademark or registered trademark of Mojang Synergies AB.
© 2009–2021 Mojang.
Umschlaggestaltung und Illustration: © Irina Zinner
Abbildung Autorenfoto: © Boris Lehfeld
Redaktion: Katharina Altreuther
Satz: Achim Münster, Overath
Gesetzt aus der DINPro und der Yearbook Solid
Gesamtherstellung: Community Editions GmbH
ISBN 978-3-96096-163-5
eISBN 978-3-96096-183-3
Printed in Germany
www.community-editions.de
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
EPILOG
ANHANG
Moin, Leute!
Herzlich willkommen zurück in der Welt von Minecraft FREEDOM! Den Rucksack aufgeschnallt, und los geht’s, Freunde! Denn dieses Mal geht es hoch hinaus, und ihr dürft euch auf jede Menge … ach, lest einfach selbst. :D
Euer Pdizzle aka Palle aka Patrick :)
Es war ein friedlicher, sonniger Tag in Dorfd1, und Paluten langweilte sich zu Tode. Er saß vor seinem Haus und sah zu, wie eine der Wachen vergeblich versuchte, an einem Baum vorbeizugehen. Zuerst prallte der Mann mit der linken Schulter gegen den Stamm, dann mit der rechten und schließlich mit der Stirn.
Paluten seufzte. Diese Wachen wurden nicht schlauer. Aber ihnen zuzusehen vertrieb die Langeweile nicht.
Als sein bester Freund Edgar2 um eine Hausecke auf den Dorfplatz trottete, hellte sich seine Miene auf. »Hey, Edgar!», rief er. »Wollen wir zusammen was machen?«
Edgar hob den Kopf und rümpfte die Schweinenase. »Müssen wir dazu ins Weltall?«, fragte er misstrauisch.
Paluten konnte nicht verstehen, dass Edgar keine Lust hatte, ins All zurückzukehren. Ihre letzte Mission hatte sie auf die Hühner-Raumstation EI-FS geführt.3 Das war ein tolles Abenteuer gewesen. Zugegeben, es war nicht immer alles nach Plan gelaufen, aber wann tat es das schon?! Immerhin waren sie am Ende gesund und munter nach Hause zurückgekehrt.
»Wieso guckst du denn so böse?«, fragte er. »Wir hatten doch viel Spaß im Weltall.«
»Wir wären beinahe gestorben«, rief ihm Edgar ins Gedächtnis. Er konnte nicht glauben, dass Paluten das schon vergessen haben sollte.
Paluten zuckte mit den Schultern. »Aber abgesehen davon hatten wir viel Spaß.« Er wechselte rasch das Thema, bevor Edgar noch mehr einfiel, was bei dem Abenteuer nicht so gut gelaufen war. »Wenn du da nicht hinwillst, können wir ja eine alte Mine erkunden. Das ist praktisch das Gegenteil von Weltall.«
Edgar schüttelte so übertrieben den Kopf, dass seine Ohren wackelten. »Da gibt es vielleicht Hässlons oder Creeper oder sogar beides.«
»Hm.« Paluten dachte einen Moment lang nach, dann hatte er eine Idee. »Wir bauen ein Boot und fahren auf das Meer hinaus.«
»Und wenn wir untergehen?«
Paluten verschränkte die Arme vor der Brust. »Dann mach du doch mal einen Vorschlag, was wir gegen die Langeweile unternehmen könnten?«
»Einen Film ansehen«, sagte Edgar sofort. »Dabei kann man nicht ertrinken oder gefressen werden.«
Paluten musste zugeben, dass das eine gute Idee war. Manchmal machte es ebenso viel Spaß, anderen bei Abenteuern zuzusehen, wie sie selbst zu erleben. Doch dann fiel ihm etwas ein. »Hast du denn einen Fernseher? Meiner ist kaputt.«
»Leider nicht.« Edgar ließ die Ohren hängen. »Schade!«
»Vielleicht kann ich helfen«, sagte eine Stimme auf der anderen Seite des Dorfplatzes.
Paluten fuhr herum. »Professor Ente4!«, rief er und winkte dem dunkelhaarigen Mann zu. »Was machen Sie denn hier?«
»Dich suchen«, sagte der Professor, als er vor Paluten und Edgar stehen blieb. Sein weißer Laborkittel war von einer schmutzig grauen Staubschicht bedeckt und an einigen Stellen eingerissen.
»Haben Sie Labor69 noch nicht wieder komplett aufgebaut?«, fragte Paluten.
Professor Ente schüttelte den Kopf und seufzte: »Das ist viel Arbeit, mehr, als ich dachte. Und leider kommt es dabei auch immer wieder zu unschönen Überraschungen.«
Er griff in die Tasche seines Kittels und zog eine dünne graue Metallplatte heraus. Sie wirkte seltsam faltig, wie ein Stück Papier, das man erst zusammengeknüllt und dann wieder ausgebreitet hatte.
»Soll die so aussehen?«, fragte Edgar.
»Nein. Das ist Rubinerz5, ein sehr seltenes, silbern glänzendes Metall.« Professor Ente hob die Platte hoch und stupste sie an. Er durchschlug das Metall so mühelos, als wäre es dünnes Glas. »Und das sollte auch nicht passieren.«
Aus dem Augenwinkel sah Paluten, wie eine Wache mit entschlossenen Schritten über den Dorfplatz ging. Er wusste nicht, wohin der Mann wollte, aber er schien den großen Brunnen vor sich nicht zu bemerken.
»Pass …«, setzte Paluten an, aber es war zu spät. Der Mann stieß mit den Schienbeinen gegen den Brunnenrand und verlor das Gleichgewicht. Er ruderte wild mit den Armen, und einen Moment lang sah es so aus, als würde er sich noch fangen. Doch dann kippte er nach vorn und verschwand mit einem lauten »Aaaahhhh!« im Brunnen. Eine Sekunde später klatschte es laut. Wasser schwappte über den Rand des Brunnens.
Edgar und Professor Ente waren so sehr in ihr Gespräch vertieft, dass sie davon nichts mitbekommen hatten.
»Was meinst du?«, fragte Edgar und sah Paluten auffordernd an.
Der kratzte sich an seinem Kürbiskopf. Es war ihm ein bisschen peinlich, dass er nicht zugehört hatte. »Äh, wozu jetzt genau?«
Edgar verdrehte die Augen. »Professor Ente braucht dringend neues Rubinerz, um die Klonmaschine zu reparieren.«
Der Professor nickte. »Das Labor war wohl noch etwas verstrahlt, und dadurch ist das empfindliche Metall so porös geworden. Ohne Rubinerz keine Klonmaschine.«
»Können Sie keins kaufen?«, fragte Paluten.
Ente schüttelte den Kopf. »Rubinerz ist sehr selten und wertvoll. Soweit ich weiß, kommt es nur an einem einzigen Ort vor.«
Ein Stück entfernt kletterte die Wache prustend und tropfnass aus dem Brunnen. Doch dieses Mal ließ sich Paluten nicht ablenken. Er konnte das bevorstehende Abenteuer im Tonfall des Professors förmlich hören.
»An welchem Ort?«, fragte er neugierig.
Professor Ente machte eine kurze Pause. »Dem Gipfel von Mount Schmeverest«, verkündete er dann.
»Der höchste und gefährlichste Berg von ganz Freedom«, fügte Edgar hinzu.
»Höher als der Himmelsfelsen?«, fragte Paluten. Auf dem Berg hatte der Freedom-Squad schon zweimal gegen Mega-Tumore gekämpft6. Das war gefährlich, aber auch aufregend gewesen.
Professor Ente nickte. »Viel höher als der Himmelsfelsen. Ich glaube nicht, dass du schon mal einen so hohen Berg gesehen hast.«
»Und den sollen wir besteigen?« Palutens Augen leuchteten, und sein Herz klopfte schneller. Das klang nach einem großartigen Abenteuer!
Professor Ente schien seine Begeisterung jedoch für Angst zu halten, denn er sagte: »Ich weiß, dass ich viel von euch verlange. Deshalb möchte ich euch eine Belohnung anbieten. Wenn ihr ausreichend Rubinerz besorgt, baue ich euch nach der Reparatur der Klonmaschine einen Fernseher.«
»Wie groß?«, stießen Paluten und Edgar gleichzeitig hervor.
Professor Ente dachte einen Moment über die Frage nach. »Achtzig Zoll müssten gehen.«
Achtzig Zoll?! Paluten rechnete im Kopf aus, wie groß das war. Seine Augen weiteten sich. »Das sind ja drei Edgar-Längen!«
»Edgar-Längen?« Ente runzelte die Stirn.
Paluten nickte eifrig. »Ja. Wenn man drei Edgars hintereinanderstellen würde, wären sie zusammen so lang, wie der Fernseher breit ist.«
Edgar drehte den Kopf und warf einen Blick an seinem Rücken entlang bis zum Ringelschwanz. Dann weiteten sich auch seine Augen. »Das ist wirklich breit.«
Professor Ente lächelte. »Dann sind wir uns einig?«
Paluten warf Edgar einen kurzen Blick zu. »Du bist dabei, oder?«
»Mount Schmeverest ist der höchste Berg von Freedom«, sagte Edgar zweifelnd und verzog das Gesicht. »Und der gefährlichste. Ich war noch nie Bergsteigen …«
»Edgar!«, unterbrach ihn Paluten. »Es geht um einen Achtzig-Zoll-Fernseher!«
Ente räusperte sich. »In erster Linie geht es um die Reparatur der Klonmaschine.«
»Natürlich, das ist das Allerwichtigste«, stimmte Paluten rasch zu. Er wollte ja nicht, dass es sich der Professor anders überlegte. Dann kehrte sein Blick zurück zu seinem besten Freund. »Professor Ente braucht uns. Wir werden ihn nicht im Stich lassen, richtig?«
Edgar ließ die Ohren hängen und seufzte. »Also gut, ich komme mit.«
»Juchu!« Paluten grinste breit und sah den Professor an. »Wir werden gleich aufbrechen.«
»Vielen Dank, Paluten und Edgar«, sagte Ente. »Meldet euch, wenn ihr so weit seid. Dann …«
Mehr hörte Paluten nicht, denn er war schon auf dem Weg nach Hause. Seine Gedanken überschlugen sich. Er musste noch so viel packen. Und eine Wand für seinen neuen, drei Edgar breiten Fernseher frei machen.
Er spürte seinen Herzschlag bis in die Kehle. Endlich war die Langeweile vorbei! Ein neues Abenteuer stand bevor, und Paluten konnte es kaum erwarten.
Eine halbe Stunde später klopfte es an der Tür.
»Komm rein!«, rief Paluten, während er versuchte, die Riemen seines Rucksacks festzuzurren. Wieso war der so voll? Er hatte doch nur das Nötigste eingepackt.
Die Tür wurde geöffnet, dann klapperten Hufe auf den Holzdielen.
»Ich bin gleich fertig«, sagte Paluten. »Dieser blöde Rucksack geht …« Er sah auf und vergaß den Satz. »Wie siehst du denn aus?«, fragte er stattdessen.
Edgar zog beleidigt die Mundwinkel nach unten. Zumindest glaubte Paluten das, denn der dicke, mit Herzchen bestickte Schal, den sich sein bester Freund um den Hals gewickelt hatte, bedeckte seinen Mund und einen Teil der Nase.
Doch das war nicht das einzige Kleidungsstück, das Edgar angelegt hatte. Seine Beine steckten bis zu den Knien in Stulpen, und auf seinem Kopf saß eine Pudelmütze mit zwei Löchern, aus denen die Ohren ragten. Zum Glück, denn die Wolle sah so dick aus, dass er sonst wahrscheinlich nichts hätte hören können.
»Meinst du nicht, dass du etwas übertreibst?«, fragte Paluten.
Edgar schüttelte den Kopf. Der Bommel auf seiner Mütze wackelte hin und her. »Auf dem Mount Schmeverest kann es sehr kalt werden. Ich will doch nicht frieren.«
»Hm.« Das war ein gutes Argument. Frieren wollte Paluten auch nicht. Er betrachtete seinen vollen Rucksack und runzelte die Stirn. »Vielleicht sollte ich umpacken.«
Edgar trabte heran. Die Enden seines Schals schleiften über den Boden. »Du nimmst ganz schön viel mit. Was ist denn da alles drin?«
»Nur das Nötigste«, sagte Paluten und fing an, sein Gepäck an den Fingern abzuzählen. »Zwanzig Äpfel, zehn Brote, sechzig Karotten …«
Edgar ließ ihn nicht ausreden. »Da ist nur Proviant drin?«
»Natürlich nicht.« Paluten sah ihn empört an. »Ich habe auch eine saubere Unterhose dabei. Ich bin doch kein Sch…« Er unterbrach sich im letzten Moment, bevor er »Schwein« sagen konnte. »… kein Schmutzfink«, beendete er den Satz.
Edgar schien den Ausrutscher nicht zu bemerken. »Ich würde die Hälfte von allem rausschmeißen und ein bisschen warme Kleidung mitnehmen.«
»Und Flaschi!« Paluten schlug sich mit der flachen Hand auf den Kopf. »Die hätte ich ja beinahe vergessen.«
Er lief rasch zum Regal und nahm seine geliebte blaue Trinkflasche heraus. Sie hatte ihn schon auf vielen Wanderungen und Abenteuern begleitet und war zu einem Glücksbringer geworden. Solange er Flaschi dabeihatte, würde ihnen nichts zustoßen. Da war er sich sicher.
Er hängte Flaschi an seinen Gürtel, dann packten er und Edgar zusammen den Rucksack um. Als sie fertig waren und zur Tür gingen, warf Paluten einen sehnsüchtigen Blick auf die Kisten voller Äpfel, Brote und Karotten.
Edgar hatte das Haus schon verlassen, und Paluten wollte ihm folgen, lief aber noch mal rasch zurück und steckte sich zwei Äpfel in die Hosentaschen. Dann schloss er die Haustür hinter sich.
Professor Ente wartete schon. Edgars Frau Claudia7 und sein Sohn Edgar Junior8 waren ebenfalls gekommen, um sich zu verabschieden.
»Ich habe noch etwas für euch«, sagte der Professor und zeigte auf zwei Stoffbündel, die neben ihm auf dem Boden lagen. »Das sind Wingsuits. Ich habe sie extra für euch angefertigt. Wenn ihr den Mount Schmeverest aus irgendeinem Grund schnell verlassen müsst, könnt ihr mit denen nach unten fliegen.«
»Warum fliegen wir mit denen nicht gleich nach oben?«, fragte Paluten.
»Weil ein Wingsuit keinen Antrieb hat«, erklärte Professor Ente. »Er bremst euch ab wie eine Fallschirm, lässt sich aber besser steuern. Und selbst wenn er einen Antrieb hätte, wäre es bei den schwierigen Windverhältnissen viel zu gefährlich, den Berg hinaufzufliegen. Er ist wirklich nur für den Notfall gedacht.«
»Was denn für ein Notfall zum Beispiel?«, fragte Edgar misstrauisch. »Gibt es auf dem Berg etwas, das Sie uns verschweigen?«
»Nein, nein«, sagte Professor Ente hastig. »Ich möchte nur, dass ihr auf alles vorbereitet seid.«
»Verstehe.« Edgar schob die beiden Anzüge in eine der beiden Satteltaschen, die er sich auf den Rücken geschnallt hatte. Sie waren sehr leicht und würden ihn nicht behindern. »Ich hoffe, dass dieser Notfall nicht eintritt«, sagte er. »Ich glaube nicht, dass Schweine so gut fliegen können. Wir sind nicht gerade windschnittig.«
»Wie kommt ihr eigentlich zum Mount Schmeverest?«, fragte Claudia auf einmal.
Paluten öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder, als ihm einfiel, dass er es nicht wusste.
Professor Ente lächelte. »Ich habe euch eine Karte gezeichnet. Der Weg ist ganz einfach, und wenn ihr den Berg erst mal seht, könnt ihr euch an ihm orientieren.« Er reichte Paluten ein zusammengefaltetes Blatt Papier. »Ich schätze, dass ihr zwei Tage bis zum Mount Schmeverest brauchen werdet.«
»Ist der Weg gefährlich?«, fragte Edgar Junior mit großen Augen.
Der Professor schüttelte den Kopf. »Solange dein Papa und Paluten auf der Straße bleiben, sind sie sicher. Banditen trauen sich nicht so weit aus dem Wald raus. Sie haben nicht vergessen, was Paluten mit den Misset-Banditen gemacht hat.«
Paluten klopfte auf den Griff des Schwerts, das an seiner Hüfte hing. »Wenn die uns sehen, machen die sich vor Angst in die Hose.«
»Mir wäre es lieber, wenn sie uns erst gar nicht sehen würden«, widersprach Edgar. »Und das werden sie auch nicht, weil wir ja auf der Straße bleiben. Richtig?«
Paluten faltete die Karte auseinander. Die Straße, die Professor Ente eingezeichnet hatte, führte von Dorfd nach Nordosten durch den Wald, machte einen Knick und ging dann geradewegs nach Norden hinauf. War das nicht ein Umweg? Wenn sie direkt nach Norden gingen und durch den Wald abkürzten, würden sie mindestens einen halben Tag einsparen. Und Professor Ente hatte gesagt, dass die Banditen Angst vor dem Freedom-Squad hatten. Dann waren die doch gar nicht gefährlich.
»Wir bleiben auf der Straße, richtig?«, wiederholte Edgar und sah Paluten scharf an.
Der nickte eifrig. »Aber klar. Wir werden die Straße nicht verlassen. Keine Minute. Ach was, keine Sekunde. Wir bleiben auf der Straße wie ein Minecart auf den Schienen. Wie ein Fluss in seinem Bett. Wie eine Banane in der Schale. Wie …«
»Brecht lieber auf«, unterbrach ihn Professor Ente. »Sonst verliert ihr zu viel vom Tag. Ich wünsche euch eine gute und erfolgreiche Reise.«
Edgar küsste Claudia zum Abschied auf die Nase und Edgar Junior auf die Stirn. Dann schloss er sich Paluten an, der bereits ungeduldig am Dorfrand auf ihn wartete.
»Und wir bleiben wirklich auf der Straße?«, hakte Edgar noch einmal nach.
Paluten wackelte am Bommel seiner Pudelmütze und wechselte das Thema. »Kennst du eigentlich ein paar schöne Wanderlieder?«
Edgar seufzte und trottete neben ihm her aus Dorfd und hinein in ein neues Abenteuer. Ob er wollte oder nicht.
»Aber guck doch! Das ist viel kürzer.« Paluten ging in die Hocke und breitete die Karte auf einem Stein aus.
Edgar schüttelte den Kopf, ohne hinzusehen. »Du hast versprochen, dass wir auf der Straße bleiben«, sagte er stur.
»Na ja, versprochen ist vielleicht etwas hoch gegriffen«, wandte Paluten ein. »Außerdem ist die Abkürzung doch auch eine Straße. Nur eine kleinere.« Er zeigte auf den schmalen Pfad, der in den Wald hineinführte.
Sie hatten Dorfd so weit hinter sich gelassen, dass von den Mauern nichts mehr zu sehen war. Bisher waren sie der breiten Straße in Richtung Nordosten gefolgt, doch nun hatte Paluten einen Pfad entdeckt. Der verlief anscheinend genau nach Norden durch den dichten Wald. Und Mount Schmeverest lag auch im Norden. Professor Ente hatte die Stelle auf der Karte mit einem großen roten X markiert, auf das ein Pfeil zeigte, neben dem »Mount Schmeverest« stand.
Edgar warf einen misstrauischen Blick auf den Pfad. Hohe Bäume säumten ihn, und die Nachmittagssonne konnte ihr Laub kaum durchdringen. Paluten musste zugeben, dass er ein bisschen unheimlicher aussah als die breite, helle Straße.
»Wenn wir den Pfad nehmen, sparen wir uns die Hälfte des Wegs«, sagte er trotzdem. Da die Riemen seines schweren Rucksacks ihm schon in die Schultern schnitten, hielt er das für ein sehr gutes Argument. Schließlich mussten sie ja auch noch den Berg besteigen. Je weniger sie vorher laufen mussten, desto besser.
»Und was ist mit den Banditen?«, fragte Edgar. Es war so warm, dass er seinen Schal, die Mütze und die Stulpen in seine Satteltaschen gesteckt hatte. »Vor denen hat uns Professor Ente doch ausdrücklich gewarnt.«
Paluten hob den Zeigefinger. »Er hat aber auch gesagt, dass sie Angst vor dem Freedom-Squad haben. Und ich bin zumindest ein Teil davon.«
Paluten konnte ja auch nichts dafür, dass sich GermanLetsPlay, maudado und Zombey gerade auf einer supergeheimen Mission befanden.
Edgar zog die Augenbrauen hoch. Er schien nicht wirklich überzeugt zu sein.
»Außerdem war Professor Ende ja noch nie selbst hier und weiß gar nicht, wie es hier ist.« fügte Paluten noch rasch hinzu.
Edgars Blick glitt zur Karte und dann zum Pfad. »Hm, das stimmt. Und der Weg ist wirklich viel kürzer.«
»Dann sind wir uns ja einig.« Paluten bog sofort in den Pfad ein.
»Warte!«, rief Edgar, aber er blieb nicht stehen. Einen Moment später hörte er das Trappeln kleiner Hufe neben sich.
»Versprich mir, dass wir umkehren, wenn es hier auch nur ein kleines bisschen unheimlich wird«, forderte Edgar.
Paluten nickte. »Das verspreche ich.«
Er meinte es ernst. Ein Versprechen zu brechen war gemein, das hätte er niemals getan. Man belog Freunde nicht.
Edgar schien das zu verstehen, denn er lächelte zufrieden.
Gemeinsam gingen sie weiter. Der Pfad schlängelte sich zwischen Bäumen hindurch, führte aber weiter nach Norden. Vögel saßen zwitschernd auf den Ästen und Zweigen. Das Unterholz rechts und links des Wegs war so dicht, dass dort bestimmt keine großen Tiere lebten. Und schon gar keine Banditen. Paluten entspannte sich mit jedem Schritt mehr. Es war also doch nur ein Gerücht gewesen.
»Wir hätten Fackeln mitnehmen sollen«, sagte er, als es so dunkel wurde, dass man den Pfad kaum noch erkennen konnte.
»Ich bin eh müde«, erwiderte Edgar. »Und Hunger habe ich auch.«
Wie auf Kommando knurrte Palutens Magen. Er hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen, und jetzt war es fast schon Nacht. »Dann lass uns nach einer Stelle suchen, an der wir übernachten können.«
Nur wenig später stießen sie auf eine kleine Lichtung rechts neben dem Pfad. Sie legten ihr Gepäck ins Gras, und Paluten setzte sich auf einen Baumstumpf. Er war froh, dass er den schweren Rucksack endlich abnehmen konnte.
»Ich suche Brennholz«, sagte Edgar. »Ich bin kleiner als du und passe besser durch das Unterholz.«
»Gute Idee. Ich kümmere mich ums Essen.«
Mit einem Rascheln verschwand Edgar zwischen den Bäumen. Paluten öffnete seinen Rucksack und nahm einige Karotten heraus. Edgar mochte sie geschnitten lieber als am Stück, deshalb wollte Paluten sie für ihn klein schneiden. Doch dazu musste er im Rucksack unter all den Äpfeln und Karotten erst einmal sein Taschenmesser finden.
Er steckte mit Kopf und Schultern im Rucksack, als es hinter ihm raschelte. »Das ging aber schnell, Edgar«, sagte er. »Die Karotten sind noch nicht fertig.«
»Kein Problem«, sagte eine raue, tiefe Stimme. »Die mögen wir sowieso nicht.«
Paluten zuckte zusammen und zog den Kopf aus dem Rucksack. Vor ihm auf der Lichtung standen zwei Männer. Einer von ihnen hatte einen dicken Bauch und einen langen, zotteligen Bart. Der andere war groß, dürr und blass. Beide trugen schmutzige, zerrissene Kleidung und hielten einen alten, rostigen Dolch in der Hand.
Das waren zwar Banditen, aber wohl keine erfolgreichen, dachte Paluten.
»Dann könnt ihr ja wieder gehen«, sagte er. »Hier gibt es nur Karotten.«
Der Bandit mit dem Bart grinste. »Wir gehen, aber nur mit deinem Rucksack. Der ist schön voll. Da sind bestimmt ’ne Menge toller Sachen drin.«
»Und dein Schwert wollen wir auch«, fügte der dürre Bandit hinzu. Er hatte eine hohe, krächzende Stimme.
»Ihr wisst nicht, wer ich bin, oder?«, fragte Paluten. Er nahm die Hand nicht aus dem Rucksack, sondern tastete darin herum. »Mein Name ist Paluten.«
Die beiden Banditen sahen sich kurz an und zuckten mit den Schultern. »Ja, und?«
Paluten hielt inne. Das konnte doch nicht sein. Er konnte nicht glauben, dass die Banditen noch nie von ihm gehört hatten. »Paluten vom Freedom-Squad«, half er ihnen auf die Sprünge.
Die Männer runzelten die Stirn. »Was für ein Squad, Denno?«, fragte der Bärtige.
»Keine Ahnung, Benno«, sagte Denno, der dürre Bandit.
»Freedom-Squad«, wiederholte Paluten genervt. »Von dem müsst ihr doch gehört haben. Wir haben die Misset-Banditen verjagt.«
Die Banditen reagierten nicht so, wie er gehofft hatte. Dennos Augen wurden schmal, und er fletschte die Zähne. »Das waren unsere Freunde. Seit sie weg sind, trauen wir uns nicht mehr in die Dörfer. Wir sind ja nur zu zweit.«
Benno trat vor und hob seinen Dolch. »Wenigstens können wir uns jetzt rächen.«