Summer Kisses with Stracciatella

Summer Kisses with Stracciatella

Kajsa Arnold

Tresjoli

Inhalt

Zitat

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Danksagung

Bücher von Kajsa Arnold

Zitat

Ein Kuss ist eine Sache,

für die man beide Hände braucht.

 

Mark Twain

Kapitel 1

Die Schlange vor dem Laden nimmt heute kein Ende. Kein Wunder bei diesem schönen Wetter. Blau, so weit der Himmel reicht. So muss es Anfang Juni auch sein, sonst laufen die Geschäfte schlecht, hat Dad immer gesagt, als er noch selbst hinter dem Ladentisch stand.

»Vanille ist fast aus!«, kommt Rockys dröhnender Bass von der Theke. Ich gebe die Info an April weiter, die hinten in der Küche an der Eismaschine steht und für Nachschub sorgt.

»Das ist heute schon der dritte Kübel, den ich anrühre!«, ruft sie mir zu und lächelt glücklich. Nicht alle Eissorten gebe ich aus der Hand, aber bei Vanille kann man ja nicht viel falsch machen. Daher überlasse ich die Maschine bei den einfachen Sorten wie Schokolade, Erdbeere und eben Vanille meinen Angestellten. Bei Pistazie-Mandel-Creme oder Stracciatella-Maracuja-Juice sieht das schon anders aus.

Ich schnappe mir den Ultra-Fruchtbecher sowie das Walnuss-Bananen-Split und trage sie zu Tisch acht. Den meisten Umsatz machen wir mit der Laufkundschaft, die an der Theke bedient wird, trotzdem ist der Laden gut besucht, die elf Bistro-Tische sind immer besetzt.

»Maya, Cindy! Eure Bestellung!« Schwungvoll stelle ich die Becher vor den Kundinnen ab. Maya und Cindy kommen fast täglich hierher, seit dreißig Jahren. Natürlich essen sie nicht nur Eis, sonst würden sie wohl nicht mehr durch die Tür passen, sondern nutzen auch unser Angebot an warmen und kalten Getränken und die kleine Auswahl an Frühstück, die wir anbieten.

»Hmm, das sieht wie immer himmlisch aus. Joleen, du bist eine wahre Künstlerin.« Cindy, eine ältere Dame mit lila gefärbtem Haar, tätschelt meine Hand.“

»Bei Ihnen gebe ich mir immer besonders viel Mühe, liebe Cindy!« Ich zwinkere ihr zu und wende mich dem nächsten Tisch zu, um die Bestellung aufzunehmen.

»Geben Sie sich bei mir auch besonders viel Mühe?«

Die Frage lässt mich von meinem Notizblock aufschauen. Funktionieren meine Ohren richtig? Ich schaue in zwei graue Augen, die mich nicht mustern, sondern meinen Blick bannen.

Oh, wow! Wir starren uns an und spielen: Wer zuerst blinzelt, verliert.

Ich verliere. Denn diese Augen … also echt. Doppelt wow!

»Was meinen Sie?«, frage ich irritiert und räuspere mich, denn meine Stimme scheine ich vom einen zum anderen Tisch verloren zu haben.

Er lacht leise auf.

Oh Gott, dieses Timbre, es fährt mir in den Körper, und ich beginne leicht zu zittern. Der Mann trägt einen gut sitzenden Anzug mit einem weißen Hemd. Ein Look, der nicht in unser kleines Städtchen passt. Hier tragen alle Shorts, Shirts, Boots und möglicherweise noch einen Cowboyhut. Dieser Mann sieht so überirdisch gut aus, dass es mir gänzlich die Sprache verschlägt. Seine grauen Augen passen hervorragend zu den schwarzen Haaren, die er etwas länger trägt, als es zurzeit modern ist. Er hat eine gerade Nase und wunderschön geschwungene Lippen, wie in Stein gemeißelt. Sein Gesicht ist glatt rasiert. Obwohl er sitzt, kann ich erahnen, dass er groß und schlank ist. Seine Hände, die ruhig die Eiskarte halten, sind kräftig, mit kurzen, gepflegten Nägeln. Er sieht aus, als könne er gut zupacken, trotz der eleganten Kleidung.

»Entschuldigung, ich glaube, ich bringe Sie in Verlegenheit!« Während er spricht, entblößt er einen Satz perfekter weißer Zähne, und ich kann nichts weiter tun, als ihn anzustarren. »Ich hätte gerne einen Loveboot-Becher«, meint er unmissverständlich.

»Aber der ist für zwei Personen«, erkläre ich. War ja klar, dass dieser Mann nicht allein in ein Eiscafé kommt, um die Bedienung verrückt zu machen. Vermutlich wartet er auf sein Date. Nur, wen sollte dieser perfekte Typ in Boca Raton treffen? Denn wie ein Tourist sieht er nicht aus.

»Das ist kein Problem, ich bin ein großer Mann, ich schaffe das schon allein. Es sei denn, Sie wollen sich zu mir setzen.« Er zwinkert belustigt über seinen eigenen Scherz.

»Tut mir leid, ich arbeite«, meine ich entschuldigend, doch ein Lächeln mag mir nicht so richtig gelingen, dafür bin ich viel zu irritiert.

Der Loveboot-Becher beinhaltet unsere Spezial-Eissorten und die Soße, deren Rezept ich hüte wie andere das Gold in Fort Knox.

Bei der Zubereitung seines Bechers gebe ich mir tatsächlich besonders viel Mühe. Rocky kommt mit einem wissenden Lächeln auf mich zu. »Hat der Typ dich gerade angemacht?«, flüstert er.

Ich hebe nur die Schultern. »Ich würde sein Verhalten eher mit dem Wort freundlich beschreiben«, gebe ich vage Auskunft.

»Er war gestern schon hier und hat ein Eis an der Theke geordert.«

»Woher weißt du das?«

»Weil ich ihn bedient habe. So einer fällt eben auf. Er ist weder ein Tourist noch zu Besuch hier«, klärt Rocky mich auf.

Rocky ist mit mir zu Schule gegangen und hat Boca Raton auch nie verlassen. Sein kurzes blondes Haar steht ihm wie immer zu Berge, und seine blauen Augen sprühen vor Selbstsicherheit. Er ist ein heißer Typ, der jede Menge Mädchen in den Laden lockt. Nur für mich ist er der Bruder, den ich nie hatte.

»Was du so alles erkennst«, meine ich ironisch.

»Ich wette mit dir, dass dieser Typ dich um ein Date bitten wird«, raunt Rocky mir zu und grinst wissend.

»Du bist verrückt. Ich kenne ihn doch gar nicht und er mich auch nicht.«

»Aber er hat dich angegraben. Gib es doch zu. Zehn Dollar? Komm schon!«

Ich schnaufe entrüstet und schüttele den Kopf. »Das ist wirklich verrückt. Wenn du unbedingt zehn Dollar verlieren willst? Die Wette gilt.«

Rocky stößt mich mit dem Ellbogen an, und ich sehe zu, dass ich den Becher zu dem Gast bringe, dabei spüre ich Rockys Blick in meinem Rücken.

»Bitte schön. Einmal der Loveboot-Becher.« Mit verblüffend ruhiger Hand stelle ich das riesige Glas auf dem Tisch ab.

»Danke … darf ich nach Ihrem Namen fragen?« Zuversichtlich schaut er mir in die Augen.

»Ähm … Joleen Martini. Ich bin die Besitzerin des Cafés, so steht es auf dem Firmenschild«, erkläre ich nicht ohne Stolz.

»Joleen, also.« Er lässt sich meinen Namen auf der Zunge zergehen, als handele es sich um eine kostbare Zutat.

»Ja, genau.«

»Ein schöner Name. Sagen Sie, Joleen, ich hätte eine Frage.« Er macht eine kunstvolle Pause.

»Ja, bitte?« Ich trete einen Schritt näher an den Tisch.

Der Fremde zupft eine seiner Manschetten zurecht, die strahlend weiß unter seinem dunklen Sakko zum Vorschein kommen, und blickt mich dann aufmerksam an. »Würden Sie mit mir ausgehen?«

»Ha! Bingo!«, kommt es laut von der Theke, und ich versuche, Rockys Geräusch, das einer Registrierkasse ähnelt, zu ignorieren.

»Ähm … wie bitte? Ich meine, ich habe Sie verstanden, aber Sie kennen … mich doch überhaupt nicht.« Oh Gott, ich stammele wie ein Schulmädchen.

»Darum würde ich ja gerne mit Ihnen ausgehen, damit ich Sie besser kennenlerne.«

»Ich meine, ich kenne Sie nicht«, verbessere ich mich und fahre mir nervös durch die langen blonden Haare. Im Moment weiß ich noch nicht mal, wohin mit meinen Händen.

»Du solltest nicht mit fremden Männern ausgehen«, meint Cindy vom Nebentisch aus.

»Warum denn nicht?«, mischt sich auch noch Maya ein, »er sieht sehr seriös aus.«

»Oh, glauben Sie mir, ich verfüge über einen ausgezeichneten Leumund. Was halten Sie davon, wenn wir uns heute Abend zum Essen im Steakhouse die Straße hinunter treffen, das …« Er sucht nach dem Namen.

»Ruth’s Steakhouse«, ruft Rocky vom Tresen aus in unsere Richtung.

Ich drehe mich um und werfe ihm einen wütenden Blick zu.

»Also, wie wäre es? Sagen wir zwanzig Uhr?«

»Oh, da arbeite ich noch, das Café ist bis …«

»Du hast heute Abend keinen Dienst und morgen erst Spätschicht.«

Ich könnte Rocky eigenhändig erwürgen. Unsicher suche ich nach einer Antwort. »Das ist etwas kurzfristig.«

»Bitte, es wäre mir eine Ehre.«

Er schaut mich fast flehend an, sodass ich ihm diese Bitte kaum abschlagen kann. Ob ich ihm je etwas verweigern könnte, wenn er diesen Blick aufsetzen würde?

»Ich werde dort auf Sie warten, Joleen.«

»Gut, Mister …« Mir fällt auf, dass ich seinen Namen nicht kenne.

»Barber, mein Name ist Blue Barber. Entschuldigung, wie unhöflich, ich hätte mich vorstellen müssen.« Er reicht mir die Hand, und ich ergreife sie zögerlich.

»Mister Barber«, murmele ich leise.

»Blue reicht vollkommen. Wir sehen uns, Joleen.« Er legt eine Zehndollarnote auf den Tisch und verschwindet, ohne von dem Eis probiert zu haben.

»Wow! Wenn das mal nicht eine erstklassige Anmache war, dann weiß ich auch nicht.« Rocky folgt mir in die Küche, wo ich mich über den unangetasteten Eisbecher hermache. Ich hasse es, Lebensmittel zu vergeuden. Mein Freund hält die Hand auf, und ich hole eine Zehndollarnote aus der Tasche meiner Jeans.

»Wie konntest du dich nur einmischen?«, fahre ich ihn ungehalten an. »Jetzt habe ich ein Date am Hals, das ich nicht wollte. Ich werde eine Stunde früher Feierabend machen, weil ich mich noch umziehen muss. Du bist also selbst schuld, wenn du dich überall einmischst und nun allein aufräumen musst.«

»Ich mache gern Überstunden, wenn du endlich mal wieder ausgehst. Du kommst einfach zu wenig unter Menschen – also privat, meine ich. Dieser Typ ist genau das, was dir guttun wird. Ich wette, er kommt aus einer Großstadt. New York wäre toll, aber ich glaube, er kommt aus dem Süden. Möglicherweise Dallas oder Houston.«

»Warum aus dem Süden?«, frage ich neugierig.

»Er ist braun gebrannt und hat einen breiten Akzent.«

»Er könnte auch aus Miami stammen.«

Rocky schüttelt den Kopf. »Nein, er ist ein Cowboy, glaub mir. Da kann er noch so einen schicken Anzug tragen.« Rocky zwinkert mir zu und schwingt seinen Hintern zur Theke, wo neue Kunden auf ihr Eis warten, während ich mit einem mulmigen Gefühl weiter das Eis des Cowboys löffle.

Kapitel 2

Ich betrete das Steakhouse genau zehn Minuten nach acht. Der Fremde soll nicht denken, dass ich mich auf dieses Date freue und es gar nicht mehr abwarten kann, ihn wiederzusehen. Er muss ja nicht wissen, dass ich mich mindestens sechs Mal umgezogen habe, bis ich mich für eine dunkle, enge Hose mit einer schwarz-beigefarbenen, durchsichtigen Tunika im Ethno-Stil und einem schwarzen Bustier drunter entscheiden konnte. Es hat ewig gedauert, bis ich etwas fand, das nicht zu sexy und trotzdem elegant aussah. Schließlich soll er nicht denken, dass ich mich extra für ihn aufgehübscht habe.

Er wartet an der Bar und hält ein Glas mit brauner Flüssigkeit in der Hand.

»Scotch?«, frage ich ihn, und er schüttelt den Kopf.

»Bourbon. Ich mag die leichte Süße«, erklärt er mir. »Danke, dass Sie gekommen sind. Ich habe nicht damit gerechnet.«

Er trägt immer noch denselben Anzug wie heute Mittag. Als ich ihm nahe komme, riecht er sauber und aromatisch. Wie machen es diese Typen nur, immer so frisch zu wirken, als wären sie gerade aus der Dusche gesprungen? Ich könnte schon wieder eine vertragen und wische meine feuchten Hände heimlich an meiner Hose ab.

Bevor ich etwas erwidern kann, werden wir unterbrochen. »Mister Barber, Ihr Tisch ist jetzt bereit.« Ein junger Kellner führt uns in einen Bereich, der abseits liegt, in eine der Sitznischen am Ende des Raums, sodass wir vor den Blicken der übrigen Gäste geschützt sind. Wir sitzen eng beieinander. Ob er das so organisiert hat?

»Ich habe bereits einen Wein für uns ausgesucht, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«

Der Kellner schenkt zwei Gläser ein und reicht uns danach die Speisekarte.

»Sie haben also doch damit gerechnet, dass ich kommen werde?«, frage ich unverblümt.

»Sagen wir, ich habe es gehofft und bin gerne vorbereitet«, erwidert er und lächelt mich herausfordernd an. Er sitzt schräg neben mir, unsere Knie berühren sich, und ich weiß nicht, ob ich wegrücken soll. Wäre es unhöflich, wenn ich es täte? Es ist ja nicht so, dass er mir unsympathisch ist, die Situation ist einfach sehr verwirrend. Keine Ahnung, wie ich mich verhalten soll. »Ich bin neugierig«, gebe ich unumwunden zu.

»Worauf?«

»Auf die Antwort, warum Sie mich eingeladen haben.«

Er hebt sein Glas, hält es mir entgegen. »Lassen Sie uns auf einen angenehmen Abend trinken, Joleen.«

Ich stoße mit ihm an und nippe einen kleinen Schluck.

Oh, dieser Wein ist toll. Nicht, dass ich etwas davon verstehe, aber er schmeckt rund und voll, sehr angenehm, und erinnert mich an – Blue Barber.

»Nun«, er streicht nachdenklich über die Stoffserviette, »ich bin neu in der Stadt, und wenn sich hier jemand auskennt, dann ist es wohl die Besitzerin des besten Eiscafés.«

Er will mir schmeicheln, doch dafür bin ich wenig empfänglich.

Der Kellner tritt wieder an den Tisch, und ich habe noch nicht einmal in die Karte geschaut. Da ich hier jedoch schon häufiger gegessen habe, entscheide ich mich schnell für den frischen Hummer mit Babyspinat. Barber wählt das Cowboy-Ribeye mit Baked Potato. Mir fällt dabei Rockys Kommentar ein, dass er Barber für einen Cowboy hält, und ich muss unweigerlich grinsen.

»Sie sollten öfter lächeln, es steht Ihnen.«

»Mister Barber, ich habe keine Ahnung, was Sie von mir wollen, doch diese Art von Anmache zieht bei mir nicht.«

»Sie verstehen mein Anliegen vollkommen falsch, und bitte … nennen Sie mich doch Blue.«

Ich weiß, dass der Blick in diese Augen ein Fehler war. Sie sind so grau, so groß und so nah. Ein Kranz dunkler Wimpern, die mich magisch anziehen, schließen dieses perfekte Bild ab. Ich kann meinen Kopf nicht abwenden, es ist ein Ding der Unmöglichkeit.

»Blue«, flüstere ich, weil ich Angst habe, dass dieser Name, sobald er mir laut über die Lippen kommt, einen Orgasmus in meinem Körper auslöst. So, wie es bei einem Tsunami plötzlich vollkommen still wird, bis die Welle über einen hereinbricht und einen verschlingt.

»Schon besser«, meint er ebenso leise.

Ein Räuspern unterbricht unsere Faszination füreinander, und der Kellner bringt das Essen. Ich kann nicht glauben, dass es schon fertig ist. Wo ist die Zeit geblieben?

»Vielen Dank, Berry«, sagt Blue.

Er kennt sogar den Namen des Kellners. Dieser Mann ist unglaublich. »Ich dachte, Sie würden hier niemanden kennen? Berry scheinen Sie zu kennen.«

»Ich würde Sie gern besser kennenlernen«, meint er ungerührt, steckt sich ein Stück von seinem Steak in den Mund und kaut nickend. »Das ist ausgezeichnet!«, lobt er anerkennend. »Wie ist Ihr Hummer?« Ich komme kaum zum Essen, so fasziniert beobachte ich ihn. Das Essen ist, wie gewohnt, erstklassig, doch ich kann mich nicht richtig darauf konzentrieren. »Verraten Sie mir, wie man es schafft, das beste Eiscafé im ganzen Bundesstaat zu führen?« Er hört sich wie ein Unternehmensberater an.

»Keine Ahnung. Einfach nur das beste Eis herstellen. Wir machen alles selbst. Nicht wie diese großen Ketten mit ihren künstlichen Stoffen und den obskuren Namen.«

Blue lacht laut auf. »Ich weiß nicht, woher Sie Ihr Wissen beziehen, aber ich denke, selbst große Ketten arbeiten heute mit Bioerzeugnissen.«

Er sagt es mit solch großer Überzeugung, als wüsste er, wovon er spricht.

»Kennen Sie diese Ketten?«, frage ich neugierig.

»Also, wie schmeckt Ihr Hummer? Los, schließen Sie die Augen, und sagen Sie mir, was Sie schmecken.«

»Warum soll ich die Augen schließen?«, frage ich verblüfft.

Er mustert mich intensiv und beugt sich vor, um mir etwas ins Ohr zu flüstern: »So empfindet man alles intensiver.«

Ich schlucke hart und presse meine Beine zusammen. Dieser Typ ist gefährlich, zu gefährlich für mich. Ich fühle mich wie ein Hase in der Falle.

»Also, Blue, wie genau kann ich Ihnen helfen? Doch wohl nicht damit, dass ich Ihnen meine Eisrezepte verrate!« Ich lache hell auf. »Sie sind geheim. Die bekommt niemand. Auch nicht ein gut aussehender Cowboy, der in die Stadt geritten kommt und mir einen … Hummer spendiert.«

Jetzt lacht er ebenfalls. »Sie halten mich für einen Cowboy?«

»Nein, aber Rocky hält Sie dafür, und ich glaube, er hat die Wette gewonnen. Wo kommen Sie her, Blue?«

Er trinkt einen Schluck Wein und überlegt eine Sekunde. »Gestern bin ich aus New York angereist. Doch eigentlich komme ich aus Houston.«

»Also sind Sie wirklich ein Cowboy, Rocky hatte recht«, meine ich grinsend.

»Und Sie halten mich für gut aussehend?«

»Wie kommen Sie denn darauf?«

»Das haben Sie gerade selbst gesagt. Wenn ich Sie zitieren darf: … ›auch nicht ein gut aussehender Cowboy, der in die Stadt‹ …«

Ich winke ab. »Ist ja gut. So war das nicht gemeint.«

»Dann halten Sie mich nicht für gut aussehend?« Er blickt mich so verblüfft an, dass ich wieder lachend den Kopf schüttele. Auf eine besondere Art ist er sehr witzig.

»Sie sollten mir nicht die Worte im Mund umdrehen. Was führt Sie nach Boca Raton, Blue?«, will ich wissen.

»Geschäfte. Ich suche eine Unterkunft für die nächsten Monate. Können Sie mir etwas empfehlen? Eventuell ein kleines Haus? Oder eine Pension? Ich werde länger bleiben und will nicht in einem Hotel wohnen. Ich mag keine Hotels.«

»Hm, es gibt einige Pensionen, aber ich denke, das wird auf die Dauer ein wenig teuer.« Obwohl, wenn ich ihn mir genau ansehe, scheint Geld kein so großes Problem zu sein. »Kann die Unterkunft auch ein wenig außerhalb liegen?«

Blue nickt und kaut andächtig. »Warum fragen Sie?«

»Weil mein Vater ein kleines Ferienhaus besitzt, das er gelegentlich vermietet. Ich könnte ihn fragen, ob es zurzeit frei ist. Es liegt ungefähr drei Meilen außerhalb. Wenn Sie ein Auto haben, ist es kein Problem.«

»Ich habe ein Auto«, bestätigt er, als wäre das selbstverständlich. »Wenn Sie das für mich organisieren könnten, wäre das wundervoll.«

Ich ziehe mein Handy aus der Handtasche und schicke meinem Dad eine SMS. Er betreibt eine kleine Ranch, nicht weit von der Stadt entfernt. Wenige Sekunden später geht eine Antwort ein.

»Das Häuschen ist frei. Sie können es sich morgen früh ansehen. Geben Sie mir Ihre Nummer, dann schicke ich Ihnen die Adresse meines Vaters.«

Er zückt sein Smartphone und nennt mir seine Nummer.

Ein Signal ertönt. »Vielen Dank«, murmelt Blue. Er tippt kurz auf seinem Gerät herum, da geht eine Nachricht bei mir ein.

Ich öffne sie und entdecke einen blinzelnden Smiley mit dem Text: Danke für Ihre Handynummer.

Plötzlich weiß ich nicht, ob es eine gute Idee ist, dass er das Ferienhaus mietet. Schließlich steht es in direkter Nachbarschaft zum Privathaus meines Vaters, den ich dreimal die Woche besuche.

»Möchten Sie noch einen Nachtisch?«

Ich lehne dankend ab. Wir trinken noch unsere Gläser leer, und Blue bezahlt die Rechnung.

Als wir vor die Tür treten, ist es angenehm frisch. Den ganzen Tag hat mir die Schwüle zugesetzt, doch jetzt weht ein leichter, warmer Wind.

»Haben Sie schon den Strand gesehen?«, frage ich und gehe langsam die Straße entlang.

»Nein, ich hatte noch keine Zeit. Würden Sie mich begleiten?«

Ich schaue auf die Uhr. Es ist bereits nach zehn. »Ich muss früh raus, weil ich das Café aufschließen muss …«

»Wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Kommen Sie, nur eine Viertelstunde. Ich bringe Sie auch bis zur Tür. Das ist Ehrensache.«

Er legt mir die Hand auf den Rücken, und ich kann nicht anders als zustimmen. Ich bin noch nicht bereit, ihn gehen zu lassen. Seine Begleitung ist angenehm, und vermutlich werden wir dieses Date nicht wiederholen, also warum es nicht noch ein wenig auskosten.

Blue bleibt vor einem silbergrauen Zweisitzer stehen. Das Verdeck ist geöffnet. Es ist ein Ford Mustang Convertible. Ich weiß es deshalb so genau, weil Rocky mir seit Wochen in den Ohren liegt, wie sehr er dieses Auto liebt. Ein Geschoss mit mehr als 400 PS.

»Das ist Ihr Wagen?«, fragte ich ein wenig ängstlich. Zu Fuß ist es zu weit zum Strand, aber ich will nicht in dieses Ungetüm einsteigen müssen.

»Ja, gefällt er Ihnen nicht? Leider habe ich hier kein anderes zur Verfügung.«

Das hört sich so an, als hätte er einen ganzen Fuhrpark. Er hält mir die Tür auf, und jetzt kann ich nicht mehr zurück. Ich steige ein und schnalle mich sofort an.

»So ängstlich?«, fragt er schmunzelnd und startet den Wagen. Der satte, ruhige Ton des Motors hört sich wahnsinnig gut an. Fast wie Sex, denke ich und schüttele leicht den Kopf über mich selbst. Woher kommt denn jetzt dieser Gedanke?

»Nein, nur halte ich mich gern an die Regeln«, gebe ich zu.

»Safety first!« Er nickt anerkennend.

Blue hat den Wagen im Griff. Einmal gibt er kurz Gas, und der Wagen scheint zu fliegen. Ich werde in die weichen Lederpolster gedrückt, und in meinem Magen breitet sich ein angenehmes Kribbeln aus. Wow!

Er wirft mir das Lächeln eines kleinen Jungen zu. Männer und ihre Spielzeuge!

Er ist gut erzogen und hält mir wieder die Tür auf. Ich weiß nicht, ob es je einen Mann in meinem Leben gab, der das für mich getan hat.

Ich bedanke mich mit einem Lächeln, und wir laufen am South Beach Park zum Strand hinunter. Mittlerweile ist es hier menschenleer, und ich frage mich, ob es eine gute Entscheidung war, mit ihm allein an den Strand zu gehen.

Ich klammere mich an meine Handtasche, als könnte sie mich vor dem großen, bösen Wolf beschützen. Ich habe mein Handy dabei, zumindest kann meine Leiche geortet werden, wenn ich das hier nicht überlebe.

»Sie brauchen keine Angst zu haben. Wenn ich Ihnen etwas antun wollte, wäre ich mit Ihnen ins Landesinnere gefahren, nicht an den Strand, wo man mich überraschen könnte.«

»Ah, Gedanken lesen können Sie also auch. Sie scheinen viele Talente zu haben, Mister Ripley!« Ich halte mich an seinem Oberarm fest, um meine Schuhe auszuziehen, um sie nicht im Sand zu ruinieren.

Er grinst vielsagend. »Ich habe viele Talente, Gedankenlesen ist keines davon, aber das Lesen von Körpersprache. Sie wirken ein wenig ängstlich, dabei besteht kein Grund dazu. Vielleicht kann ich Sie bei Gelegenheit von meinen anderen Talenten überzeugen.«

Er schenkt mir diesen gewissen Augenaufschlag, sodass ich genau weiß, was er meint.

»Was ist Ihr Beruf?«, will ich wissen, um das Gespräch auf sicheres Terrain zu bringen. Er weiß so viel über mich, und ich tappe immer noch im Dunkeln.

»Ich bin im Verkauf tätig. Das hat mich hierher verschlagen, und es gefällt mir so gut, dass ich eine Weile bleiben will.« Dabei schaut er mir so tief in die Augen, dass mir heiß wird. Ob die romantische Umgebung dafür verantwortlich ist, der helle Mond, die Brandung des Ozeans … ich weiß es nicht, doch wir bleiben stehen, und er hebt eine Hand, berührt meine Wange und streichelt sie leicht. »Es gefällt mir hier mehr als nur gut.« Dann beugt er sich zu mir herunter und küsst mich.

Leicht. Sanft. Seine Berührung ist wie der Flügelschlag eines Schmetterlings. Als er den Kopf wieder hebt, blickt er mich immer noch an, ein Grübchen bildet sich auf seiner rechten Wange.

»Na dann … willkommen in Boca Raton«, flüstere ich atemlos.

Rocky gibt keine Ruhe!

Seitdem ich den Laden am Mittag betreten habe, rennt er hinter mir her, um mich über den Abend mit Blue auszuquetschen.

»Ich werde dir nichts erzählen, weil es nichts zu erzählen gibt. Möchtest du wissen, was wir gegessen haben?«, frage ich ein wenig gereizt.