Inhalt

  1. Titel
  2. Zu diesem Buch
  3. Widmung
  4. Kapitel 1 – Falle
  5. Kapitel 2 – Kampf
  6. Kapitel 3 – Keine Wahl
  7. Kapitel 4 – Das hier ist kein Happy End
  8. Kapitel 5 – Hände
  9. Kapitel 6 – Berühr mich, Berühr mich nicht
  10. Kapitel 7 – Kompensieren
  11. Kapitel 8 – Leerstellen
  12. Kapitel 9 – Starkes Verlangen
  13. Kapitel 10 – Nicht so gut versteckte Gefühle
  14. Kapitel 11 – Stoß
  15. Kapitel 12 – Zu viele Gefälligkeiten
  16. Kapitel 13 – Unerfreuliche Zugeständnisse
  17. Kapitel 14 – Von Erinnerungen geohrfeigt
  18. Kapitel 15 – Ratschläge für das erste Date
  19. Kapitel 16 – Dessert
  20. Kapitel 17 – Was ich will
  21. Kapitel 18 – Nachglühen
  22. Kapitel 19 – Süchtig
  23. Kapitel 20 – Hineinstürzen
  24. Kapitel 21 – Spielchen
  25. Kapitel 22 – Wie viel Realität ist zu viel?
  26. Kapitel 23 – Liebesentzug
  27. Kapitel 24 – Die Vergangenheit ist die Zukunft
  28. Kapitel 25 – Wo wir anfangen
  29. Epilog – Für immer sind nicht nur zwei Worte
  30. Danksagung
  31. Leseprobe
  32. Die Autorin
  33. Weitere Bücher
  34. Impressum

HELENA HUNTING

Hot As Ice

Heißkalt verspielt

Roman

Ins Deutsche übertragen von
Michaela Link

Zu diesem Buch

Ich bin eine Legende. Ich bin derjenige, über den die Leute reden – auch wenn die Hälfte der Gerüchte über mich nicht wahr ist. Ich bin derjenige, auf den die Frauen stehen, die keine Hemmungen haben. Und ich hasse es.

Lance »Romance« Romero ist der berüchtigste Spieler der NHL. Er schläft mit zu vielen Frauen, feiert zu viele Partys und provoziert seine Gegner viel zu oft – auf dem Eis und auch privat. Als er wieder einmal in eine Schlägerei verwickelt ist und im Krankenhaus landet, schickt ihn sein Coach zur Physiotherapie, damit er schnellstmöglich wieder einsatzbereit ist. Doch was niemand weiß: Lance hat Schreckliches in seiner Vergangenheit erlebt, unaussprechliche Dinge, die ihn zu dem Mann gemacht haben, der er heute ist. Und er kann es nicht ertragen, berührt zu werden. Aber er hat nicht mit Poppy O’ Connor gerechnet. Die junge Therapeutin und der gebrochene Eishockey-Star kennen sich von früher. Lance sollte sich von Poppy fernhalten, das weiß er. Sie ist zu gut für ihn, zu unschuldig. Und doch lässt sein Herz ihm keine andere Wahl …

Für den erstaunlichsten Ehemann der Welt.

Danke, dass du mich liebst.

Kapitel 1

Falle

LANCE

Ich umklammere das Lenkrad und atme ein paarmal tief durch, versuche mich dazu zu bringen, den Rückwärtsgang meines Hummer einzulegen. Denn das sollte ich eigentlich. Aber ich tue es nicht. Stattdessen ziehe ich die Handbremse an und schalte den Motor aus. Doch ich bewege mich nicht. Mein innerer Kampf findet verflucht noch mal kein Ende. Das ist der allerletzte Ort, an dem ich sein sollte. Ich bin trotzdem hier. Obwohl ich es besser weiß, kann ich einfach nicht anders.

Einen Teufelskreis zu durchbrechen, ist schwer. Und das hier ist Teil meines Teufelskreises. Ich gehe immer wieder zu den Menschen, die mir wehtun, und lasse sie es wieder und wieder tun, immer in der Hoffnung, dass das Endergebnis eines Tages vielleicht anders ausfällt. Oder dass die Prozedur meine Schuldgefühle kuriert und mein Verlangen nach Sühne abmildert.

Das klappt nie. Und dennoch bin ich hier.

Ich checke mein Handy und scrolle durch die Nachrichten, die sich seit gestern am späten Abend angesammelt haben. Tash, meine Ex – oder was zum Kuckuck sie jetzt für mich ist –, ist in der Stadt. Bis vor einer Stunde habe ich sie ignoriert. Es sind zwanzig SMS. Jede Stunde eine. Ich scrolle an den ersten neun vorbei zu denen, die mich hergeführt haben, an diesen Ort, an dem ich nicht sein sollte:

Ich vermiss dich.

Es tut mir leid.

Ich will dich sehen.

Ignorier mich nicht.

Du weißt, warum es nie funktioniert hätte.

Wir können trotzdem Freunde sein.

Wir können trotzdem Sex haben.

Ich denke immer noch an dich.

Komm in mein Hotel.

Morgen früh reise ich ab.

Und so weiter und so weiter. Also sitze ich hier und starre auf die beiden letzten SMS – die mit ihrer Zimmernummer und die von vor einer Stunde, in der sie mir mitteilt, dass sie langsam ungeduldig wird und nicht mehr viel länger auf eine Antwort warten wird.

Ich hätte diese letzte Nachricht vielleicht ignorieren können, wenn meine Mannschaftskameraden und engsten Freunde, Randy Ballistic und Miller Butterson, mir beigestanden hätten. Aber sie haben sich festnageln lassen. Sie sind beide in festen Beziehungen, weshalb ein Anruf um neun Uhr abends mit einer Einladung zu einem spontanen Trip in die Bar nicht infrage kommt. Außerdem bekommt Millers Freundin bald ein Baby, daher hat er kein Interesse daran, irgendwo zu sein, wo sie nicht ist.

Das ist verständlich, aber es bedeutet, dass ich keine Flügelmänner habe, die mich daran hindern, das hier zu machen. Wahrscheinlich könnte ich Randy schon anrufen. Aber ich habe keine rechte Lust dazu.

Ich öffne die Tür und begebe mich in die für die Jahreszeit ungewöhnlich warme Nacht. Während ich den Parkplatz überquere, das Hotel betrete und zu den Aufzügen gehe, überlasse ich mich dem Gefühl von Taubheit. Ich versuche, nicht daran zu denken, wie es bei meiner letzten Begegnung mit Tash gelaufen ist. Ich versuche überhaupt, nicht viel zu fühlen.

Als die Aufzugtüren sich im dreiundzwanzigsten Stockwerk öffnen, steige ich beinahe nicht aus. Beinah. Aber bei Tash bin ich schwach. Ich kann bei ihr einfach nicht Nein sagen, obwohl sie mir nicht guttut. Ich trete in den Flur hinaus. Meine Handflächen sind verschwitzt, und mein Magen beginnt zu schlingern, so wie er das, als ich jünger war, immer nach einem Spiel tat. So wie früher, wenn ich nicht so gespielt hatte, wie man es von mir erwartete, und meine Mom ihre Enttäuschung zum Ausdruck brachte.

Das verdiente ich auch. Ich habe ihr das Beste in ihrem Leben genommen.

Meine Füße fühlen sich an, als seien sie aus Blei, als ich den Flur entlang zu Tashs Zimmer gehe. Dort angekommen, schiebe ich die Hände in die Taschen und warte darauf, dass die Erinnerungen verblassen. Ich brauche einen Drink. Ich muss dafür sorgen, dass die Vergangenheit aufhört, mich zu verfolgen. Ich muss aufhören, das hier mit Tash zu machen.

Meine Hand fühlt sich nicht so an, als sei sie an meinem Körper befestigt, als ich sie hebe, um an die Tür zu klopfen. Das Klicken des sich öffnenden Schlosses zieht den Knoten meiner Unruhe noch fester zusammen. Dann geht die Tür auf, und da steht sie.

Tash trägt ein T-Shirt. Mein T-Shirt. Ich glaube nicht, dass sie noch etwas drunter hat. Ihr Haar fällt ihr offen über die Schultern. Ich weiß, wie es sich zwischen meinen Fingern anfühlt und auf meiner Brust. Sie verzieht den Mund zu einem Lächeln, das eher hinterhältig wirkt als freundlich.

»Hi.«

»Hey.« Ich schiebe die Hände wieder in die Taschen, damit ich Tash nicht anfasse, wie ich es gern tun würde.

»Ich bin so froh, dass du dich dazu entschlossen hast, herzukommen.« Sie streckt eine Hand aus und streicht mir über den Unterarm. Ich spanne alle Muskeln an, als ihre Finger sich um mein Handgelenk schließen und meine Hand aus meiner Tasche holen.

»Ich kann nicht lange bleiben.«

»Das sagst du immer.« Sie zieht mich durch die Tür, die mit einem metallischen Schlag hinter mir zufällt.

Tash streichelt mit den Händen an meinem Oberkörper hoch und es fühlt sich an, als würden Spinnen über meine Haut krabbeln. Sie weiß, dass ich das hasse; ich halte ihre Handgelenke fest. »Lass das.«

»Du bist so nervös. Ich tu dir nicht weh, Baby. Ich wollte dich nur sehen. Darf ich dich umarmen?«

Ich würde ihr gerne glauben, aber wir haben das hier im Laufe des letzten Jahres schon so oft durchexerziert. Es lässt sich schwer beurteilen, wann sie echt ist und wann sie Spielchen spielt.

Ich lasse ihre Handgelenke los, und sie schlingt die Arme um mich, tritt dichter an mich heran, bis ihr fester Körper sich gegen meinen presst. Ich versuche, mich nicht zu verkrampfen, aber meine Reaktion läuft genauso gewohnheitsmäßig ab wie das Gefühl, das sie hervorruft.

»Ist schon gut, Baby«, flüstert sie. »Entspann dich einfach.«

Ich lasse den Kopf sinken und drücke das Gesicht in ihr Haar. Es riecht nach meinem Shampoo. Das macht sie jedes Mal. Es sind die kleinen Manipulationen, die es einem so schwer machen, wegzugehen und wegzubleiben. Sie lässt mich glauben, dass ich ihr wirklich etwas bedeute, und dann findet sie einen Weg, das alles wieder zurückzunehmen.

»Ich hab dich vermisst.« Ich spüre ihre Lippen auf meinem Hals und hebe das Kinn.

Ich sage ihr nicht, dass ich sie ebenfalls vermisst habe. Ich wäre nicht hier, wenn es anders wäre. Vielleicht bin ich auch einfach dumm. Es spielt keine Rolle. Als sie sich meinem Mund nähert, öffne ich ihn ihr und lasse ihre Zunge hinein. Sie schmeckt nach Wodka. Ich frage mich, ob sie betrunken ist. Ich werde so oder so mit ihr schlafen, denn deshalb hat sie mich angerufen, und ich kann nun mal nicht Nein sagen. Ich streiche an ihrer Seite nach unten, bis ich den Saum ihres Shirts erreiche und lege meine Hand auf ihren nackten Hintern. Ich nehme mir fest vor, dass dies das letzte Mal ist.

Sie löst sich von mir, das gezierte, verschlagene Lächeln zieht ihre Mundwinkel nach oben.

»Komm mit. Ich muss dir etwas zeigen.« Sie flicht ihre Finger zwischen meine und führt mich durch den kurzen Flur zum Schlafzimmer.

Und in der Sekunde, in der wir den Raum betreten, weiß ich, dass ich reingelegt worden bin.

In der Mitte des Doppelbetts liegt eine Rothaarige. Die Haarfarbe ist künstlich, aber Tash weiß, was ich mag. Sie trägt hellgrünen Satin, der, wäre ihr Haar von Natur aus rot, Sommersprossen und helle Haut zur Geltung bringen würde. Aber es ist nicht echt. Nichts davon ist echt. Es ist Tashs Art mir wieder einmal zu sagen, dass sie stets die Kontrolle hat. Über mich. Über diese Sache zwischen uns. Über ihre Gefühle. Über meine.

»Lance, das ist Erin. Sie brennt darauf, dich kennenzulernen«, stellt Tash das Mädchen vor. Als sei das ganz normal. Als wäre das zu erwarten, wenn wir uns wochenlang oder manchmal sogar monatelang nicht gesehen haben.

Meine Antwort klingt düster, als entlüde sich der Schmerz durch meinen Mund. »Hi, Erin.«

»Hi.« Sie beißt sich auf die Unterlippe und ihr Blick huscht von mir zu Tash und wieder zurück. Ihre Aufregung ist ebenso offensichtlich wie ihre Unsicherheit.

Ich bin eine Legende. Ich bin der Mann, über den die Leute tuscheln, obwohl die Hälfte der Gerüchte gar nicht wahr ist. Ich bin der Mann, den hemmungslose Frauen wollen. Und verdammt, ich hasse es. Aber das erwartet man mittlerweile von mir.

Meine Finger schließen sich fester um Tashs und ich trete hinter sie. Dann streichele ich mit meiner freien Hand über ihren Arm, ziehe die Finger durch das Haar in ihrem Nacken und schiebe es aus dem Weg, bis ich den Mund an ihr Ohr legen kann. »Du willst, dass ich es mit deiner Freundin mache?«

»Du magst sie?« Tashs Begeisterung weckt in mir den Drang, mich zu übergeben.

»Sie ist ganz okay.«

»Ich habe sie extra für dich ausgesucht.«

So läuft das zwischen uns. Ich, der ich immer nur sie will, und Tash, die mir immer irgendetwas anderes anbietet.

Ich fahre mit den Lippen ihre Kehle entlang und genieße den Schauer, der sie durchläuft. »Weiß sie denn, dass sie nur benutzt wird?«

»Wir werden alle nur benutzt, Lance. Manche von uns entscheiden sich einfach dafür, es zu nehmen, wie es ist.« Ich beiße sie, versenke die Zähne so tief in ihre Haut, dass ich ihr einen Aufschrei entlocke, aber nicht genug, um Schaden zu verursachen, der von Dauer wäre – im Gegensatz zu dem, was sie mit mir gemacht hat.

»Mach sie bereit für mich, wenn das der Grund ist, warum sie hier ist.«

Ich lasse Tash los und ihr Gesichtsausdruck ist so vertraut: Verwirrung, gemischt mit Erwartung. Sie weiß nicht, wie sie meine Stimmung deuten soll. Was gut ist. Ich will, dass sie angespannt ist, denn das ist das Gefühl, das sie mir immer gibt – totale Anspannung. Sie zieht sich das Shirt über den Kopf und entblößt feste Muskeln, von denen ich jeden Zentimeter kenne.

Ich hatte den Mund auf jedem Körperteil von ihr; ich bin in ihr gewesen, aber nicht auf die Weise, die zählt. Ich bin nie so in ihren Kopf gekommen, wie sie in meinen. Mein größter Fehler war, ihr meine Geheimnisse anzuvertrauen, denn jetzt setzt sie sie gegen mich ein.

Sie geht langsam zum Bett hinüber und kriecht auf Erin zu. Es ist lange her, seit ich so etwas gemacht habe. Ich suche nicht danach. Das letzte Mal war ebenfalls mit Tash.

Vor vier Wochen hat sie versprochen, dass sie mir das nie wieder antut, aber Tash ist eine Lügnerin.

Ich ziehe mich aus, während die beiden Frauen rummachen. Ich geselle mich erst zu ihnen, als Tash Erin hat kommen lassen. Und dann tue ich, was Tash von mir will: Ich ficke Erin. Ich lasse sie kommen, bis sie schreit. Ich weigere mich, Tash noch einmal zu küssen, sondern küsse Erin, bis ihr die Luft wegbleibt und mein Name mit einem gequälten Stöhnen über ihre Lippen kommt. Und als ich dem Orgasmus nah bin, ziehe ich mich zurück und sage Tash, dass sie mir einen blasen soll.

Ich umfasse ihr Gesicht mit beiden Händen. Ich bin nicht grob zu ihr, obwohl ich ihr irgendwie schon wehtun will, so wie sie mir wehtut. Stattdessen streichle ich ihre Wange und halte ihrem Blick stand, während ihre Lippen sich um die Spitze meiner Erektion schließen.

»Wer macht es dir am besten?«, fragt sie.

Ich schließe die Augen und knirsche mit den Zähnen angesichts dessen, was sie von mir hören will. Worte, die ich hasse. Sie weiß, dass ich sie von selbst nie aussprechen würde.

»Sag es mir, Lance.«

Ich kann es verdammt noch mal nicht ausstehen, dass sie das will, dass sie mich zwingt, das zu tun. Warum will sie das? »Du.«

Ihr Lächeln ist triumphierend, als sie die Lippen um mich legt und abwartet.

»Braves Mädchen. Saug fester.« Ich verabscheue die Worte, noch während ich sie ausspreche, vor allem weil ich nicht garantieren kann, dass sie wahr sind. Und ich hasse es, dass sie es liebt, wenn ich mit ihr rede, als sei sie eine Hure.

Ich kann den Moment festmachen, in dem sie versteht, dass ich mit ihr nicht auch noch schlafen werde, dass sie mich so weit getrieben hat, wie sie kann. Sie hat mich auf eine Weise gebrochen, wie das noch nie jemand getan hat.

Als ich nur noch Sekunden davon entfernt bin zu kommen, beuge ich mich vor, um Erin abermals zu küssen. Sie ist so warm und willig. Und nur eine Schachfigur in diesem Spiel, das Tash mit mir spielt.

Ich habe die Schnauze voll davon. Ich habe die Schnauze voll davon, benutzt zu werden.

Tash ist sauer, als ich ihr in die Augen schaue, während ich in ihren Mund komme. Ich schlüpfe schweigend in meine Sachen, während sie mich anschreit, mir alle möglichen Beschimpfungen an den Kopf wirft und mir sagt, ich sei ein Nichtsnutz und ein Arschloch.

Da ich ganz ihrer Meinung bin, weiß ich nicht, warum sie mehr von mir erwartet. Ich will vielleicht mehr von ihr, aber ich gebe mir Mühe, es nicht zu erwarten.

Sie folgt mir zur Tür und stellt sich zwischen sie und mich. Sie ist immer noch nackt. »Du kannst nicht gehen.«

»Ich bin mir ziemlich sicher, dass es das ist, was ich gerade tue.«

Sie schlägt mir ins Gesicht.

Sie hat eine Menge schrecklicher Dinge zu mir gesagt – Dinge, die in mir den Wunsch geweckt haben, ich sei nicht ich. Dinge, die in mir die Frage aufgeworfen haben, ob das die Art Hass ist, die ich in meinem Leben immer auf mich ziehen werde. Aber die Ohrfeige ist eine Premiere.

Sie lässt ihr einen Schlag mit dem Handrücken auf die andere Wange folgen.

Für einen Moment bin ich wieder dreizehn, stehe in der Garage, entschuldige mich dafür, wieder kein Tor geschossen zu haben und erwarte – mit einer Art kranker Vorfreude – die erste Ohrfeige meiner Mom.

Ich packe Tashs Handgelenke und drücke sie gegen die Tür, presse mich mit meinem ganzen Gewicht an sie. Ihre Augen leuchten auf, als hätte sie genau das beabsichtigt und gewusst, dass ich nachgeben würde, wenn sie mich schlägt. Ich hasse, was sie mit mir macht. Ich hasse, dass sie mir das Gefühl gibt, schwach zu sein, und ich hasse es, dass sie das weiß.

»Sei nicht wütend auf mich, weil ich dir gebe, was du willst.« Sie streckt den Oberkörper vor, kämpft gegen meinen Griff an und reibt ihre Brüste an meinem Brustkorb.

»Ich wollte dich, Tash. Das war alles.«

»Komm schon, Lance. Du hast gewusst, worauf du dich mit mir einlässt.«

»Ich bin nicht länger dein Spielzeug.«

»Schön. Keine Spiele mehr. Du musst es mir nur noch besorgen, dann kannst du gehen.« Sie schlingt mir ein Bein um die Taille. Ich lache schnaubend. »Ich denke, du hast es mir schon genug besorgt, findest du nicht? Danke für das Geschenk. Ich bin mir sicher, Erin kann dir aushelfen, wo ich es nicht kann.« Ich lasse eine ihrer Hände los und greife nach dem Türknauf, damit ich machen kann, dass ich hier wegkomme.

»Du bist so eine verdammte Hure«, sagt sie zu mir. »Das weißt du, oder? Dein Schwanz ist das einzig Nützliche an dir.« Sie belohnt mich mit einer weiteren Ohrfeige.

»Ruf mich nicht an, wenn du das nächste Mal in der Stadt bist. Schick keine SMS. Keine E-Mails. Wir sind fertig miteinander, Tash. Diesmal wirklich. Es ist mir gleich, wie verkorkst dein Leben ist; du bekommst keine Gelegenheit mehr, das an mir auszulassen.«

Ich reiße die Tür auf, und Tash folgt mir in den Flur, immer noch nackt, immer noch schreiend. Ich wünschte, ich hätte einen guten Grund, mir das hier anzutun. Noch besser, ich wünschte, ich könnte mit Sicherheit sagen, dass dies wirklich das letzte Mal war. Dass ich es mir nicht noch einmal antue.

Aber das kann ich nicht.

Ich nehme die Treppe statt des Aufzugs, und sobald ich draußen bin, übergebe ich mich. Ich würde am liebsten auf etwas einschlagen. Ich will, dass die Gefühle nicht in mir drin, sondern außerhalb meines Körpers sind.

Sobald ich dazu in der Lage bin, steige ich in meinen Hummer und haue ab. Sonst weiß ich, dass Tash mir hinterherkommen wird, und am Ende werden wir Sex auf dem Vordersitz haben. Das ist schon passiert. Statt nach Norden zu fahren, wo ich wohne, fahre ich in südlicher Richtung aus dem Bezirk The Loop heraus. Ich fahre an allem vorbei, das mir bekannt vorkommt, bevor ich mir eine Bar suche. Ich muss den ganzen Scheiß in meinem Kopf ertränken. Ich muss bei mir selbst eine Lobotomie durchführen als Therapie für diese Nacht. Ich muss den Willen aufbringen, diese Sache mit Tash zu beenden.

Kapitel 2

Kampf

LANCE

Ich finde eine heruntergekommene Bar – irgendwo, wo ich kaum jemandem begegnen werde, den ich kenne. Wie ein Arschloch parke ich parallel zum Straßenrand, wobei ich gerade so viel Platz einnehme, dass niemand hinter mir parken und meinen Lack zerkratzen kann, was wahrscheinlich wäre, wenn man sich den Zustand der Autos auf dieser Straße ansieht.

Ich stecke mir das Handy in die Tasche, obwohl es eine viel bessere Idee wäre, es im Wagen zu lassen. Schlaglöcher säumen den Weg zum Eingang der Bar, das Schild flackert, und die beiden letzten Buchstaben sind außerstande, länger als eine Sekunde zu leuchten, bevor sie wieder dunkel werden.

Drinnen sieht der Laden noch trauriger aus als von außen. Das schwache Licht kann den heruntergekommenen Zustand der Räumlichkeiten nicht verbergen. Eine Gruppe älterer Männer in abgewetzten Jeans und fadenscheinigen T-Shirts sitzt bei den Dartscheiben in der Ecke. Sie sehen für einen Moment in meine Richtung, tuscheln miteinander und wenden sich mit einem Hüsteln wieder ihrem Gespräch zu.

An den beiden anderen Tischen sitzen Paare, die billiges Bier aus Flaschen trinken. Ganz hinten in der Bar spielen zwei Frauen in engen Jeans und knappen Tops Billard. Hier wird mich niemand erkennen.

Es ist der perfekte Ort, um sich volllaufen zu lassen. Ich gehe zum anderen Ende der Theke, dicht bei den Billardtischen und weit weg von der Gruppe der alten Typen. Hier drüben ist es dunkel und ich falle weniger auf. Ich lasse mich auf einen Barhocker fallen und warte auf den Barkeeper. Er braucht eine Minute, um zu mir zu kommen, aber es ist schön, ab und zu einmal wie ein Niemand behandelt zu werden. Es erinnert mich daran, dass ich nur in meiner eigenen kleinen Blase etwas Besonderes bin.

Ich deute auf das Regal mit dem Schnaps. »Ich nehme ein Glas und den Rest aus der Flasche Walker.« Es ist das am wenigsten Abstoßende, das sie in der Whiskeyabteilung haben, und es sieht aus, als sei die Flasche ungefähr zu drei Vierteln voll.

Der Barkeeper klopft auf die Holztheke, und ich öffne meine Brieftasche und ziehe zwei Scheine heraus.

Er schaut mich nicht an, als er das Geld nimmt. »Möchten Sie Eis?«

»Nein, danke.«

Er steckt sich das Geld in die Tasche, legt einen Bierdeckel auf die Theke und stellt ein Glas vor mich hin, bevor er nach der Flasche greift.

»Sagen Sie Stopp«, fordert er mich auf, während er den ersten Drink eingießt.

Ich klopfe an den Rand, als ungefähr drei Finger hoch Whiskey im Glas ist. Dann leere ich es in einem Zug. Wir wiederholen diese Prozedur noch zweimal, bevor er die Flasche auf die Theke stellt.

»Sie werden mit einem Taxi nach Hause fahren.«

Ich salutiere. »Aye, Trainer.«

Er lacht und schüttelt den Kopf. »Sie muss Ihnen ja wirklich übel mitgespielt haben.«

Ich schenke mir einen weiteren ordentlichen Drink ein und hebe mein Glas. »Das hat sie.«

Er überlässt mich meinem Selbstmitleid. Mein Telefon vibriert ständig in meiner Tasche. Ich ziehe es heraus und lasse es auf die Theke fallen, dann sehe ich, wie das Display aufleuchtet. Der Kontakt heißt: GEH VERDAMMT NOCH MAL NICHT DRAN. Ich wünschte, ich wäre klug genug, meinen eigenen Rat zu beherzigen, aber anscheinend bin ich es nicht.

Ich habe elf neue Nachrichten und bin mir sicher, dass sie alle ziemlich reizend sind. Natürlich ist mir völlig klar, dass ich sie mir nicht ansehen sollte, aber ich weiß nicht, wie lange ich meine Neugier noch bezähmen kann.

Tash wird morgen nach L. A. zurückkehren. Wenn ich warten kann, bis sie im Flugzeug sitzt, laufe ich nicht Gefahr, sie wiederzusehen. Ich hasse die Panik, die dieser Gedanke mit sich bringt. Ich hasse es, dass ich es beinahe bereue, nicht mit ihr geschlafen zu haben. Ich hasse es, dass ich ihr bereits verziehen habe, mir ins Gesicht geschlagen zu haben.

Ich drehe mein Telefon um, sodass ich die Benachrichtigungen nicht sehen kann, wenn weitere SMS hereinkommen. Im Fernseher über der Theke läuft ein Kampf, daher konzentriere ich mich stattdessen darauf. Ich wünschte, ich hätte einen Ort, an dem ich all diese Wut abladen könnte. Da ich den nicht habe, breitet sich dieses Gefühl im Rückgrat aus – ein Kribbeln, das sich in ein Brennen verwandelt. Alles fühlt sich heiß an, als sei ich ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch.

Ich schenke mir einen weiteren Whiskey ein und hoffe, dass er das Feuer abmildern wird. Manchmal weiß ich nicht, was ich tun soll, wenn ich in dieser Stimmung bin. Und Tash macht alles noch schlimmer. Ich weiß das. Immer wenn ich sie treffe, brauche ich ein paar Tage, um die Situation wieder unter Kontrolle zu bringen. Das letzte Mal habe ich in meinem Schlafzimmer einen Schaden von fünftausend Dollar angerichtet.

Eins der Mädchen vom Billardtisch kommt angeschlendert. Sie trägt ihr hartes Leben in schwachen Linien auf ihrem jungen Gesicht. Ich schaue in dem Moment hinüber, als ihre Freundin sich zwischen uns drängelt.

Sie schenkt mir ein schiefes Lächeln und schaut sich in der Bar um, vielleicht auf der Suche nach einem Drink, den sie schnorren könnte, während sie mich einer Musterung unterzieht.

»Hi.« Sie setzt sich auf den Hocker neben mir und stößt gegen meinen Ellbogen, als ich mein Glas ansetze.

Der Drink verfehlt meinen Mund und läuft mir am Unterarm herunter.

»Oh Gott! Es tut mir so leid!« Sie beugt sich über mich und greift nach einer Serviette.

Ich glaube nicht, dass sie betrunken ist – dafür hat sie weder die glasigen Augen noch den spannungslosen Körper –, daher muss ich annehmen, dass sie entweder ungeschickt ist oder es mit Absicht getan hat, um meine Aufmerksamkeit zu erregen. Was unnötig war. Sie hatte sie in der Sekunde, in der ich dieses Lokal betreten habe, da sie und ihre Freundin die einzigen Frauen sind, die ohne Typen hier sind.

»Kein Problem.« Ich nehme ihr die Serviette ab, damit sie aufhört, mich zu berühren.

Das erste Mädchen, das aussieht, als sei das Leben nicht allzu freundlich mit ihr umgegangen, sagt etwas zu ihrer Freundin und lächelt mich entschuldigend an. Das Lächeln verblasst nach einem Moment, und ihre Augen werden eine Spur schmaler und lodern dann auf.

»Sie kommen mir so bekannt vor.«

»Ich glaube nicht, dass wir uns schon mal begegnet sind.« Ich schalte mein Grinsen und meinen Charme ein, obwohl mir nicht danach ist, freundlich oder charmant zu sein. »An dieses hübsche Lächeln würde ich mich erinnern.«

»Ich habe auch ein hübsches Lächeln«, wirft die Ungeschickte ein. Dann zeigt sie auf meine Flasche. »Hey, wollen Sie mir und meiner Freundin einen Drink spendieren?«

»Barbie!«, tadelt das andere Mädchen sie.

Natürlich ist ihr Name Barbie, obwohl sie im traditionellen Sinn nicht so aussieht, mit ihrem braunen Haar und ihren braunen Augen. Ihre Freundin, der das Ganze peinlich ist, sieht mehr nach einer Barbie aus, mit strohblondem Haar und Augen, die blau oder grün sein könnten, je nachdem, wie die Beleuchtung in dieser Ecke der Bar sich auswirkt.

»Was denn? Er hat eine ganze Flasche. Er kann sie sich mit uns teilen.«

»Na klar. Haben Sie ein Glas?« Diese beiden scheinen mir die Ablenkung zu sein, die ich dringend brauche. Außerdem sollte ich diese Flasche wahrscheinlich wirklich nicht allein austrinken, es sei denn, ich will, dass das Training morgen die Hölle wird.

»Da drüben.« Barbie zeigt mit dem Daumen über ihre Schulter. »Sie könnten sich zu uns setzen.«

Wieder summt mein Telefon auf der Theke. Ich drehe es um. Ich habe jetzt zwanzig Nachrichten von Tash. Scheiß auf sie.

»Ja, klar. Kann ich machen.«

Barbie hilft mir, indem sie nach der Flasche greift, und ich folge den beiden an ihren Tisch. Er steht praktischerweise in der dunkelsten Ecke der Bar.

Barbie setzt sich neben mich auf die Bank, und ihre Freundin nimmt schräg gegenüber von ihr Platz. Sie schenkt sich beiden einen großzügigen Whiskey ein und füllt auch mein Glas wieder auf.

Dann stützt sie die Wange auf die Hand und presst das Gesicht hinein. »Sie kommen mir wirklich bekannt vor.«

»Oh mein Gott! Ich weiß, wer Sie sind!« Das andere Mädchen kreischt und schlägt auf den Tisch. Ich winde mich und schaue mich im Raum um. Glücklicherweise ist es ziemlich laut hier drin. Ihre Stimme wird von der dröhnenden Country-Musik übertönt.

Sie beugt sich dichter zu mir vor. »Spielen Sie nicht Eishockey für Chicago?«

Ich lege einen Finger an die Lippen und zwinkere ihr zu. »Scht. Wir wollen doch nicht, dass alle es erfahren.«

»Oh mein Gott!« Sie hüpft auf ihrem Platz auf und ab und schlägt Barbie gegen den Arm. »Ich wusste es! Ich habe es dir doch gesagt! Wow. Was für ein Zufall, dass Sie ausgerechnet hier sind!«

»Ich bin auch nur zufällig vorbeigekommen. Ein Glücksfall, was?« Ich bin im Moment nicht in der nettesten Verfassung, daher kommen die Worte mit ein wenig Sarkasmus heraus. Doch sie scheint es gar nicht zu bemerken.

»Vielleicht wird das mein Glücksabend.« Barbie wirft mir einen koketten Blick zu, als versuche sie, süß zu sein, während sie mich anbaggert. »Darf ich ein Foto mit Ihnen machen?«

»Natürlich.«

Die Blondine kommt auf meine andere Seite, und sie drängen sich zusammen, damit wir alle auf das Foto passen. Beide Mädchen berühren mich. Ich hasse es, wie sich das anfühlt, aber ich versuche trotzdem zu lächeln. Ich will, dass diese Bilder in den sozialen Medien landen, damit Tash sieht, wie verdammt wenig es mir ausmacht.

Mein Telefon summt schon wieder, und ich muss mit mir kämpfen, nicht darauf zu schauen. Barbie mit dem braunen Haar ist kein allzu übler Anblick. Sie ist nicht betrunken, daher ist es noch nicht vom Tisch, dass ich vielleicht im Bett mir ihr lande.

Ich bin in so schlechter psychischer Verfassung, dass ich, wenn sie mir noch einmal Avancen macht, wahrscheinlich dafür sorgen werde, dass das hier ihr Glücksabend wird. Und wenn ihre Freundin interessiert ist, auch ihrer. Ich würde sie sogar dazu bringen, es zuerst miteinander zu tun. Nur um mich an Tash zu rächen, weil sie mich Hure nennt, und sie diejenige ist, die mich erst dazu gemacht hat. Das wäre dann eine echte Ablenkung von diesem elenden, leeren Gefühl in meiner Brust.

Ich klopfe gegen die Flasche. Wenn ich den Rest trinke, werde ich das Bewusstsein verlieren. Diese Mädchen sind eine weitere Möglichkeit, mit der gottverdammten Schwärze umzugehen, die mich auffrisst. Weder das eine noch das andere ist eine kluge Wahl, aber meine Entscheidungsmöglichkeiten sind begrenzt.

In gewisser Weise macht mich das zu genauso einem Menschen wie Tash. Ich benutze diese Mädchen für ein oder zwei Stunden, um mich abzulenken und Tash genauso wehzutun, wie sie mir wehtut. Nicht, dass es funktionieren wird, denn ich bin mir nicht sicher, ob irgendetwas von dem, was sie empfindet, überhaupt echt ist.

»Was wollen Sie, wenn Sie mit Ihrem Drink fertig sind?« Barbie sieht sich in der Bar um, dann richtet sie den Blick wieder auf mich.

Ich befühle die Spitzen ihrer Haare. Sie sind trocken und brüchig, ganz anders als die von Tash. Ihr Haar ist immer weich, und es riecht nach meinem Shampoo, weil sie mich gern denken lässt, dass sie mich ebenso sehr will, wie ich sie will – wollte.

Ich lächle trotzdem. »Dich, Baby.«

Das Lächeln, mit dem sie mir antwortet, ist gleichzeitig aufgeregt und nervös, durchmischt mit einem Hauch Furcht, als denke sie, dass sie möglicherweise einen Fehler macht.

Das tut sie.

»Was ist mit deiner Freundin?« Ich deute mit dem Kopf auf die Blondine, deren Namen ich immer noch nicht kenne.

»Was?« Sie schaut über ihre Schulter, als hätte sie die Anwesenheit ihrer Freundin vollkommen vergessen.

»Was wird sie tun, während ich mir dich vornehme?«

»Du meinst Mindy? Ähm … ich …« Sie berührt ihr Haar, verwirrt durch die Frage. »Ich weiß nicht …«

Ich lege den Arm über die Rückenlehne ihres Stuhls und rücke den Träger von Mindys Top zurecht. »Ihr zwei seid gute Freundinnen, nicht wahr?«

Sie sehen einander an, und Mindy antwortet für Barbie. »Sie ist meine beste Freundin. Wir bedeuten einander viel.«

»Wirklich?« Ich ziehe Mindy das Haar über die Schulter und streiche mit den Fingern über ihre Kehle, was sie erzittern lässt. Doch sie zuckt nicht zurück. »Macht ihr alles zusammen?«

Mindy sieht Barbie an. »Wahrscheinlich schon.«

Ich beuge mich vor und streife mit der Nase Barbies Kinn, bis ich ihr Ohr erreiche. »Wollt ihr euch mich nicht teilen?«

Sie stößt ein keuchendes Lachen aus und weicht ein wenig zurück, vielleicht um festzustellen, ob ich scherze. Ihr Gesichtsausdruck zeigt teils Aufregung, teils Fassungslosigkeit.

Ich ziehe eine Braue hoch. Ich hasse mich im Moment so sehr. Mir ist übel bei dem Gedanken, zwei Paar Hände ertragen zu müssen. Aber ich werde es tun, um mich an Tash dafür zu rächen, dass sie mir diesen Scheiß angetan hat. Wieder einmal.

»Oh mein Gott, du meinst das ernst. Du willst, dass wir beide mit zu dir nach Hause kommen?« Sie legt die Finger an die Lippen.

Ich kenne diesen Gesichtsausdruck. Sie denkt darüber nach.

»So eine Art von besten Freundinnen sind wir nicht«, sagt Mindy etwas ungläubig.

»Woher wisst ihr das? Habt ihr es schon mal ausprobiert?«

»Na ja, nein, aber …«

Ich befingere immer noch den Träger von Mindys Top, während ich weiter auf Barbie einrede, die sich immer noch ganz dicht zu mir rüberbeugt, sie kann dieser Idee also nicht allzu abgeneigt sein.

»Aber was? Küss sie doch mal; stell fest, ob es dir gefällt.«

Ich sollte das nicht tun. Ich sollte sie nicht verarschen. Diese Mädchen sind keine Groupies. Sie sind nicht mit dem Vorsatz zu meiner Party gekommen, jeden zu reiten, der dazu bereit ist, damit sie in ihren Online-Groupie-Gruppen damit prahlen können.

Diese beiden Mädchen kriegen nur meine üble Stimmung ab Ich fühle mich hundeelend, daher neige ich dazu, Dinge zu tun, die nicht besonders nett sind. Manchmal fasziniert es mich, was Menschen zu tun bereit sind, nur um erzählen zu können, sie waren mit jemand Berühmtes im Bett.

Barbie dreht sich zu ihrer Freundin um und flüstert ihr etwas ins Ohr. Ich sehe, wie Mindys Augen sich weiten, als sie zwischen uns hin und her schaut. Sie zögert für einen Moment, bevor sie sich dichter zu Barbie vorbeugt und ihr eine Hand auf die Schulter legt. Sie küsst sie schnell auf den Mund.

Ich lache. »Doch nicht so.« Ich beugte mich ebenfalls vor, als wollte ich Barbie küssen, aber stattdessen greife ich an ihr vorbei nach Mindy, der Unsicheren. Ich streichle ihre Wange. Als sie nicht zurückzuckt, lege ich ihr die Hand in den Nacken und ziehe sie zu mir, sodass wir uns über der Ecke des Tisches treffen, mit Barbie zwischen uns. »So wird das gemacht.«

Ich berühre ihre Lippen mit meinen und warte darauf, dass ihre sich öffnen. Als sie es tun, lasse ich die Zunge hineingleiten. Sie schmeckt nach Whiskey und riecht ein wenig nach dem Rasierwasser eines Mannes. Ich komme nicht dazu, nach der Quelle dieses Rasierwassers zu fragen.

»Was, verdammt noch mal, tust du da?« Eine laute Männerstimme beendet die Party.

Mindy stößt mich mit vor Panik aufgerissenen Augen weg, und als wir uns umdrehen, sehen wir uns einem menschlichen Panzer gegenüber.

»Kevin? Was machst du denn hier?«

»Ich suche nach dir«, schnauzt er und richtet seinen zornigen Blick auf mich.

Ich bin groß. An einem leichten Tag wiege ich bei fast eins neunzig 100 Kilo. Dieser Mann muss 115 Kilo wiegen, und er ist wahrscheinlich genauso groß wie ich. Gemessen daran, wie flach seine Nase ist, wage ich zu sagen, dass sie ihm schon mehrfach gebrochen worden ist.

»Scheiße, wer ist dieser Typ?« Der Panzer packt Mindy am Arm und zerrt sie von ihrem Platz hoch. »Verdammte Hure.«

Na ja, diese unfreundliche Bezeichnung mag ja durchaus zutreffend sein, ich habe keine Ahnung. Aber diesen Scheiß habe ich noch nie toleriert und das werde ich auch nie. Nicht mal, wenn Tash mich gebeten hat, sie zu beschimpfen, konnte ich sie so bezeichnen. Außerdem stehen Misshandlungen einer Frau in einer Bar ebenfalls ganz oben auf meiner Liste Dinge, die man verdammt noch mal nicht tut.

»Er hat uns nur einen Drink spendiert. Stimmt doch, oder?«, sagt Barbie, als erkläre das, was ihre Freundin mit meiner Zunge in ihrem Mund gemacht hat.

Ich habe das Gefühl, dass hier mit mir gespielt worden ist, was nur gerecht ist, weil ich vorhatte, mit diesen Mädchen zu spielen. Mindy hat einen Ausdruck auf dem Gesicht, den ich gut kenne. So habe ich als Kind auch regelmäßig geguckt. Die Treffer, die ich auf dem Eis kassiert habe, waren nur eine Aufwärmübung für die Abreibungen, die es gab, wenn ich den Erwartungen nicht gerecht wurde, die man zu Hause an mich stellte.

»Wir haben ein einziges blödes Missverständnis, und du hurst mit dem ersten Typen rum, der dir ein bisschen Aufmerksamkeit schenkt?«, sagt der Panzer zu Mindy.

Sein Griff um ihren Arm ist sehr fest, und sie gibt einen Laut von sich, in dem sich Schmerz mit Furcht vermischt.

Ich stemme mich von meinem Platz hoch. Adrenalin schießt durch meine Adern und verbrennt genug von dem Alkohol, um mir mein Koordinationsvermögen zurückzugeben. Ich gehe um Barbie herum, die versucht, nach meinem Arm zu fassen, vielleicht um mich aufzuhalten, aber dafür ist es zu spät. Ich brauche eine Möglichkeit, all die Schwärze loszulassen, mit der Tash mich angefüllt hat.

Ich lasse die Schultern kreisen. »Nimm deine verdammten Hände von dem Mädchen.«

»Scheiß auf dich und scheiß auf sie.« Doch er lässt sie los, und das ist es, was ich will.

Wir haben die Aufmerksamkeit des Barkeepers und einiger der Männer in der Ecke auf uns gezogen. Der Barkeeper ruft den Namen des Panzers, aber das scheint nicht zu ihm durchzudringen.

Dieser Typ ist stinksauer – nicht nur wütend, sondern betrunken, betrunkener als ich. Das verraten mir seine trägen, dunklen Augen. Während ich seine gewölbte Stirn betrachte, wird mir klar, dass es gut sein kann, dass er Bodybuilder ist und dass sein Zorn und meiner nicht gut zusammenpassen werden. Mein Rot und seins sind auf völlig verschiedenen Ebenen. Trotzdem, das heiße Kribbeln, das mir über den Rücken läuft, feuert mich nur noch mehr an.

Ich werde wahrscheinlich nicht unversehrt aus dieser Begegnung hervorgehen, und das darin enthaltene Karma macht mich glücklicher als angemessen. Auf den ersten Schlag bin ich vorbereitet und blocke ihn mit dem Unterarm ab, spüre, wie der scharfe Schmerz bis hoch zu meiner Schulter und meinem Hals fährt.

Ich schlage nicht sofort zurück, weil mir klar ist, dass es dann nicht länger Selbstverteidigung ist. Aber es steckt mehr dahinter – ich will diesen Schmerz. Ich hätte diese beiden Mädchen gevögelt und sie vielleicht dazu gebracht, etwas zu tun, das sie unter anderen Umständen niemals auch nur in Erwägung gezogen hätten. Dies ist Vergeltung für das, was hätte passieren können.

Als Mindy sich zwischen uns wirft, muss ich den dritten Schlag – ans Kinn – zulassen, damit sie ihn nicht abbekommt. Es fühlt sich an, als sei seine Faust aus Titan. Ich schwanke und stolpere rückwärts, pralle gegen einen Tisch und werfe ein paar Stühle um, als ich zu Boden gehe. Der Panzer ist auf mir, bevor ich mehr tun kann, als schützend einen Arm zu heben.

Ich bin über das Stadium hinaus, ihm den Vorteil zu lassen, aber wenn man unten liegt, ist es schwer, die Oberhand zu gewinnen. Er packt mich am Hemd und reißt mich wieder hoch, dann schmettert er mich gegen den Tisch, während schrilles Mädchengeschrei in meinem Kopf widerhallt. Es gesellt sich ein hohes Klingeln dazu, als mein Kopf ein zweites Mal gegen die hölzerne Tischplatte schlägt. Seine Faust trifft auf mein Gesicht, und ich schmecke Blut. Ein Ellbogen in die Rippen, und der darauf folgende, brennende Schmerz sagen mir, dass es morgen wehtun wird.

Ich rolle mich auf die Seite, und Mindy läuft mit rudernden Armen auf den Panzer zu und schreit, dass er aufhören solle.

Ganz egal, wie Tash mit mir umgesprungen ist, egal, wie schlimm es zwischen uns war, es gibt mir nicht das Recht, jemand anders mit reinzuziehen, rufe ich mir ins Gedächtnis.

Aber ich bin nicht bereit, noch weitere Treffer zu kassieren. Vor allem jetzt, da der Panzer sich mit einem Stuhl auf mich stürzt. Doch er kommt nicht sehr weit, denn in diesem Moment taucht die Polizei auf.