Unser besonderer Dank gilt den betroffenen Frauen und Männern, die ihre persönlichen Erfahrungen eingebracht haben und damit entscheidend an der Entstehung dieses Buches mitgewirkt haben.
(Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen)
unter Mitarbeit von
(Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen)
(Klinik für Plastische Chirurgie, Hand- und Verbrennungschirurgie der Uniklinik RWTH Aachen)
(Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen)
(Humangenetisches Institut des Universitätsklinikums Erlangen)
(Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Frauenkliniken St. Louise und St. Josefs, Paderborn)
(Radiologisches Institut des Universitätsklinikums Erlangen)
Vorwort
KAPITEL 1
Krebs und Gene
KAPITEL 2
Funktion der Brust und Krebsformen
KAPITEL 3
Funktion der Eierstöcke und Krebsformen
KAPITEL 4
Genetische Beratung und Testung im Überblick
KAPITEL 5
Verschiedene genetische Beratungs- und Testungssituationen
KAPITEL 6
Verschiedene genetische Testergebnisse
KAPITEL 7
Wie kann sich eine genetische Beratung und Testung psychisch auf mich auswirken?
KAPITEL 8
Was sind die Folgen einer krankheitsverursachenden Mutation im BRCA1- oder BRCA2-Gen?
KAPITEL 9
Was sind die Folgen einer krankheitsverursachenden Mutation in einem anderen Gen als BRCA1 oder BRCA2?
KAPITEL 10
Wie kann ich mein Risiko für Brust- und Eierstockkrebs selbst verringern?
KAPITEL 11
Wie kann ich Brustkrebs selbst erkennen?
KAPITEL 12
Intensivierte Früherkennung der Brust
KAPITEL 13
Risiko-reduzierende prophylaktische Entfernung der Brust (Mastektomie)
KAPITEL 14
Wiederaufbau der Brust mit Prothesen
KAPITEL 15
Wiederaufbau der Brust mit Eigengewebe
KAPITEL 16
Spezielle Fragestellungen zum Wiederaufbau der Brust
KAPITEL 17
Brustwarzenerhalt oder Brustwarzenrekonstruktion?
KAPITEL 18
Welche Vorsorgemöglichkeiten für Eierstockkrebs gibt es?
KAPITEL 19
Risiko-reduzierende prophylaktische Entfernung der Eierstöcke und der Eileiter (Adnexektomie)
KAPITEL 20
Was sind die Folgen einer Entfernung der Eierstöcke?
KAPITEL 21
Operative Therapie und Strahlentherapie bei erblichem Brust- und Eierstockkrebs
KAPITEL 22
Medikamentöse Therapie bei erblichem Brust- und Eierstockkrebs
Chemotherapie
Antihormontherapie und Antikörpertherapie
Spezifische Therapie mit PARP-Inhibitoren
KAPITEL 23
Wissenschaftliche Studien und Forschungsprojekte
KAPITEL 24
Männer und Risikogene
KAPITEL 25
Meine Familie und Risikogene
KAPITEL 26
Gesprächsführung mit Kindern und jungen Menschen
KAPITEL 27
Familienplanung
KAPITEL 28
Rechtliche und finanzielle Aspekte
KAPITEL 29
Beratung und Unterstützung bei familiärem Brust- und Eierstockkrebs
ANHANG
Glossar
Impressum
Abbildungsverzeichnis
Brustkrebs ist der häufigste Krebs der Frau mit rund 80 000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Vielleicht haben Sie Verwandte oder Bekannte, die an Brustkrebs erkrankt sind, oder Sie sind selbst an Brustkrebs erkrankt. Eierstockkrebs tritt bei über 9000 Frauen pro Jahr auf und geht meist mit noch umfangreicheren Therapien einher als Brustkrebs. Die Diagnose Krebs kommt häufig plötzlich und unerwartet und verändert das Leben der Betroffenen schlagartig. Eine Vielzahl von Fragen, Unsicherheiten und Ängsten können aufkommen, was ihre eigene Person und ihre Familie betrifft.
In manchen Familien häufen sich Brustkrebs, Eierstockkrebs oder andere Krebsfälle, oder sie treten bereits in jungen Jahren auf. Dies kann auf einen familiären Hintergrund hinweisen. Vielleicht fragen Sie sich, ob der Krebs in Ihrer Familie erblich ist. Die Ungewissheit, ob Sie selbst oder Mitglieder Ihrer Familie hiervon betroffen sein könnten, wird oftmals bereits als belastend erlebt. Nicht nur für Ihre Familie kann eine erbliche Krebskomponente von Bedeutung sein, auch für Sie selbst können sich unterschiedliche Therapien sowie Vorsorge- und Nachsorgemaßnahmen ergeben.
Ob bei Ihnen eine familiäre Ursache vorliegt, kann in einer genetischen Beratung und gegebenenfalls einer genetischen Testung genauer eingegrenzt werden. Genetische Testungen haben daher einen hohen Stellenwert für die Vorsorge und Therapie bei Verdacht auf familiären Brust- und Eierstockkrebs. Für ratsuchende Personen stellen sich vor und nach einer genetischen Testung eine Vielzahl von Fragen: Habe ich eine Genveränderung mit einer Neigung zu Krebs? Was bedeutet eine solche Genveränderung für mich? Was bedeutet dies für meine Familie? Welche Vorsorgemöglichkeiten und Therapiemöglichkeiten gibt es? Wie sage ich es meinem Partner, meinen Geschwistern, meinen Kindern? Was bedeutet die Genveränderung für meine eigene Familienplanung? Gibt es Möglichkeiten, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen?
Dies sind nur einige Fragen, die Sie möglicherweise haben. Viele dieser Fragen werden Sie mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt persönlich besprechen. Nicht immer ist es jedoch möglich, alle Fragen im persönlichen Gespräch zu klären, und nicht immer werden Sie sich an alle Gesprächsinhalte genau erinnern.
Für Betroffene, die erfahren, dass sie eine Genveränderung in einem Risikogen für Brustkrebs, Eierstockkrebs, Prostatakrebs oder eine andere Krebserkrankung haben, kann dies belastend sein und Unsicherheiten und Fragen hinterlassen. Vielleicht fühlen Sie sich manchmal ängstlich, frustriert oder niedergeschlagen. Gegebenenfalls werden Sie auch vor Entscheidungen gestellt, die Ihr Körperbild verändern können.
Außerdem werden Sie damit konfrontiert, dass auch andere Familienmitglieder Ihre Genveränderung tragen können und damit ein erhöhtes Krebsrisiko haben. Wenn Sie die erste Person in der Familie sind, die von der Genveränderung weiß, ist es am ehesten Ihre Aufgabe, diese Information mit der Familie zu teilen. Es ist deshalb wichtig, dass Sie verstehen, was die Genveränderung für Sie bedeutet und welche Möglichkeiten sich durch dieses Wissen für Sie und Ihre Familie ergeben.
Dieses Buch gibt Ihnen einen aktuellen Überblick über die wichtigsten Aspekte des familiären Brust- und Eierstockkrebses. Das Buch ist in verschiedene Kapitel und Unterkapitel gegliedert. Es beginnt mit der Frage, was Gene sind und wie diese Krebs auslösen können. Die typischen Eigenschaften von Brust- und Eierstockkrebs werden beschrieben. Wir erklären Ihnen die Inhalte der genetischen Beratung mit verschiedenen Beratungssituationen und Testergebnissen, die unterschiedlichen Genveränderungen, die damit verbundenen Krebsrisiken und die Vererbung in der Familie. Die Möglichkeiten und der Ablauf von Vorsorgeuntersuchungen werden ausführlich behandelt. Für viele Betroffene mit einem hohen Krebsrisiko stellt sich die Frage nach einer prophylaktischen Operation der Brüste und/oder der Eierstöcke und Eileiter. Insbesondere diese Maßnahmen können große körperliche und psychische Veränderungen für die betroffenen Frauen bedeuten. Darum gehen wir detailliert auf die damit verbundenen Chancen und Risiken ein. Auch erklären wir Ihnen alle gängigen Formen des Wiederaufbaus der Brust sowie deren Vor- und Nachteile. Wir beschreiben die medikamentöse Behandlung bei erblichem Brust- und Eierstockkrebs und benennen etablierte und neuartige Therapien. Schließlich wird dargestellt, was eine Genveränderung rechtlich bedeuten kann und wie sich dies auf die Versicherung auswirken kann. Zudem gehen wir auf die Möglichkeiten bei der Familienplanung ein.
Neben den medizinischen Informationen widmet sich dieses Buch auch intensiv den möglichen psychischen Auswirkungen des familiären Brust- und Eierstockkrebses. Wir zeigen Möglichkeiten zum Umgang mit verschiedenen Risikosituationen auf und geben praktische Hilfestellungen, wie Sie mit Ihrer Familie und Ihren Kindern über das familiäre Risiko und genetische Testergebnisse sprechen können.
Der Schwerpunkt des Buches liegt auf den häufigsten und relevantesten Veränderungen im sogenannten BRCA1- und BRCA2-Gen. Daneben werden mittlerweile auch weitere Gene auf Veränderungen untersucht. Diese Gene sind seltener und gehen meistens mit einem geringeren Risiko für Brustkrebs und manchmal auch für andere Krebsarten einher. Das Buch enthält auch Informationen zu diesen Genveränderungen, geht jedoch etwas weniger detailliert auf diese Gene ein. Da diese Gene noch relativ neu in der genetischen Testung sind, kann es gut sein, dass sich in Zukunft besonders für diese Gene neue Empfehlungen ergeben. Ihre Ärztin/Ihr Arzt kann Sie hierzu beraten.
Unser Buch ist in erster Linie für Betroffene und Interessierte geschrieben. Daneben kann es auch für Ärztinnen und Ärzte eine Hilfe sein, die Familien mit einem erblichen Krebsrisiko beraten. Das Buch erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Sollten Sie als Patientin oder Patient weitere Fragen haben, wenden Sie sich an Ihre Ärztin/Ihren Arzt. Darüber hinaus gibt es zusätzliche Informationsmöglichkeiten in weiteren Ratgebern, im Internet, bei verschiedenen Gesellschaften und Organisationen sowie bei Betroffenen selbst. Wir haben entsprechende Kontaktadressen am Ende dieses Buches zusammengestellt.
Ziel unseres Buches ist es, Ihnen die Informationen zum familiären Brust- und Eierstockkrebs umfassend und übersichtlich an die Hand zu geben. Wir hoffen, dass Ihnen dieses Buch bei Ihren Fragen hilft und Sie und Ihre Familie dabei unterstützt, die Entscheidungen zu treffen, die für Sie gut und richtig sind.
Einige Frauen, die neu erfahren, dass sie Brust- oder Eierstockkrebs haben, stellen sich die Frage, warum ausgerechnet sie an Krebs erkrankt sind und ob sie daran Schuld haben. Dies kann verneint werden. Oft ist es unklar, warum eine Person an Brust- oder Eierstockkrebs erkrankt, und es gibt keine klare Ursache. Eine Vielzahl von Faktoren spielt eine Rolle. Ein entscheidender Schritt bei der Krebsentstehung ist die Veränderung der Gene in den Zellen der Brustdrüse oder des Eierstocks. Dies führt dazu, dass sich die veränderten Zellen unkontrolliert teilen, schneller wachsen und sich ausbreiten, ohne die Grenze von Organen zu berücksichtigen. Die Folge sind Krebsgeschwulste, die normale Körperzellen verdrängen.
[1] Chromosomensatz des Menschen. Dargestellt sind 22 Chromosomenpaare sowie bei Frauen ein zusätzliches Chromosomenpaar XX und bei Männern ein zusätzliches Chromosomenpaar XY.
Unsere Erbinformation ist in Form von Genen gespeichert. Die Gene befinden sich auf den Chromosomen, und diese sind in unseren Körperzellen im Zellkern speziell verpackt. Insgesamt hat der menschliche Körper 23 Chromosomenpaare. Bei Frauen besteht das 23. Chromosomenpaar aus zwei X-Chromosomen, bei Männern besteht das 23. Chromosomenpaar aus einem X- und einem Y-Chromosom. Insgesamt hat der Mensch somit 46 einzelne Chromosomen. Die Chromosomen verfügen jeweils über einen kürzeren und einen längeren Arm, die in der Mitte zusammengehalten werden.
Die Gene auf den Chromosomen stellen den Bauplan dar, damit die Körperzellen wissen, was sie machen müssen. Jeder Mensch besitzt etwa 20 000 verschiedene Gene und hat jeweils zwei Kopien eines Gens, das heißt, jedes Gen ist zweimal vorhanden. Das eine Gen wird von der Mutter, das andere vom Vater vererbt. Die Erbinformation ist innerhalb der Gene in Form der DNS (Desoxyribonukleinsäure) bzw. DNA (Desoxyribonucleic Acid, Englisch) gespeichert.
Die DNA besteht aus einem Doppelstrang, der aussieht wie eine Leiter und der wie eine Schraube um sich selbst gedreht ist. Das äußere Gewinde der Leiter ist eine Aneinanderreihung von Zucker- und Phosphatmolekülen. Die Sprossen der Leiter setzen sich aus den Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin zusammen – abgekürzt als A, G, C, T. Die Basen gehen untereinander stabile Bindungen ein und bilden ein Basenpaar. Dabei bindet immer Adenin an Thymin, und Guanin bindet an Cytosin. Aus dieser Abfolge ergibt sich ein Code von Buchstaben, der von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist und der den individuellen Bauplan jedes Menschen ausmacht ( Abb. 3). Einzelne Abschnitte der Aneinanderreihung von Basenpaaren auf der DNA werden als Gene bezeichnet. Sie üben bestimmte Funktionen im Körper aus. Die kürzesten Gene umfassen wenige 100 Basenpaare, die längsten Gene über 50 000 Basenpaare.
[2] Zelle mit Chromosomen. Man sieht eine Zelle mit Zellkern und den sich darin befindenden Chromosomen. Das Chromosom besteht aus einem aufgewickelten DNA-Doppelstrang. Bestimmte Abschnitte des DNA-Doppelstrangs bezeichnet man als Gen.
Jedes Gen hat spezielle Funktionen und beeinflusst wichtige Prozesse in den Körperzellen. Dies machen die Gene, indem sie eigene Proteine (= Eiweiße) bilden. Die Übersetzung der genetischen Information in die Bildung von Proteinen ist kompliziert. Für interessierte Leser wird dies im Folgenden vereinfacht dargestellt.
Die vom Körper gebildeten Proteine sind sehr vielfältig in ihren Funktionen und helfen, dass der Körper normal funktioniert und wächst. Zum Beispiel tragen sie zum Aufbau von Zellstrukturen, Gewebeverbänden und Organen bei. Sie bilden Enzyme aus, die an chemischen Reaktionen beteiligt sind wie dem Abbau von Kohlenhydraten, Eiweißen, Fetten und anderen Stoffen, die mit der Nahrung aufgenommen werden. Die körpereigenen Proteine sind Bestandteil der Immunabwehr. Sie dienen als Transportmittel für Sauerstoff und andere Stoffe. Sie steuern als Hormone Stoffwechselvorgänge und regulieren die Zellteilung.
Damit der Körper aus Genen eigene Proteine bilden kann, wird zunächst durch spezielle Enzyme eine Kopie des entsprechenden Gens angefertigt. Die Sprossen der Leiter des DNA-Doppelstrangs werden hierzu entwunden und getrennt, sodass zwei DNA-Einzelstränge entstehen. Die Erbinformation ist damit frei zugänglich für weitere Enzyme, die diese Information nun weiter übersetzen. Im nächsten Schritt binden passende Basen an den freiliegenden DNA-Einzelstrang. Wenn sich die passenden Basen angelagert haben, werden sie miteinander zu einem neuen Einzelstrang verbunden. Dieser wird als RNA-Strang bezeichnet. Der RNA-Strang stellt weitestgehend eine Kopie des DNA-Strangs dar – mit dem kleinen Unterschied, dass an die Zuckermoleküle des RNA-Strangs im Gegensatz zum DNA-Strang ein zusätzliches Sauerstoffmolekül angehängt ist: RNA = Ribonukleinsäure, DNA = Des-Oxy (ohne Sauerstoff)-Ribonukleinsäure. Ein weiterer Unterschied ist, dass die DNA-Base Thymin durch die RNA-Base Uracil ersetzt wird. Somit ergeben sich für die RNA die Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Uracil mit dem Buchstaben-Code A, G, C, U ( Abb. 4). Der kopierte RNA-Strang wird vom DNA-Strang abgelöst und kann nun als Vorlage benutzt werden, um körpereigene Proteine zu bilden. Ein Protein setzt sich aus mehreren Aminosäuren zusammen. Damit die richtigen Aminosäuren zu einem Protein zusammengefügt werden, müssen die einzelnen Aminosäuren zunächst an den RNA-Strang binden. Dabei passt zu einer bestimmten Basenabfolge des RNA-Strangs immer eine bestimmte Aminosäure (
Abb. 5, S. 16).
[3] DNA-Doppelstrang. Außen in Grün sind die beiden Zucker-Phosphat-Ketten dargestellt. Diese sind in einander verdreht und werden durch die Basen Adenin (rosa), Guanin (türkis), Cytosin (blau) und Thymin (gelb) zusammengehalten.
[4] Herstellung von RNA aus DNA. Links entwindet das erste Enzym den DNA-Doppelstrang. Das zweite Enzym trennt den DNA-Doppelstrang in zwei DNA-Einzelstränge. RNA-Basen lagern sich an den oberen DNA-Einzelstrang und werden durch das dritte Enzym zu einem RNA-Strang verbunden.
[5] Herstellung eines Proteins aus RNA. Passende Aminosäuren binden an die Basen des RNA-Strangs und werden zu einer Aminosäurekette (= Protein) zusammengefügt.
Je nachdem, wie die Abfolge der Basen auf dem RNA-Strang ist, binden die entsprechenden Aminosäuren an die RNA. Anschließend werden die Aminosäuren perlenartig zusammengefügt. Durch die Aneinanderreihung verschiedener Aminosäuren entsteht schließlich ein Protein. Auf diese Weise wird die Information von Genen in Proteine umgesetzt, die den Körper steuern.
Wenn der Körper wächst und neue Körperzellen entstehen, müssen sich Zellen teilen. Aus einer alten Körperzelle entstehen dann zwei neue Körperzellen. Damit die Zellen nach der Zellteilung ihre normalen Funktionen ausüben können, muss die Erbinformation in einer alten Zelle zunächst verdoppelt werden. Anschließend wird die alte Zelle in zwei neue Zellen geteilt, und die verdoppelte Erbinformation wird auf die beiden neuen Zellen aufgeteilt. So ist gewährleistet, dass nach der Zellteilung dieselbe genetische Information wie vorher in den beiden neuen Körperzellen vorhanden ist.
Bei dem Prozess der DNA-Vervielfachung können Fehler auftreten. Zusätzlich können Schäden in der DNA durch Zufall oder durch äußere Einflüsse entstehen. Die möglichen Veränderungen in der DNA sind vielfältig. Häufig betreffen sie die einzelnen Basen, die den genetischen Code der DNA darstellen. Diese Veränderungen werden als Mutationen bezeichnet, was im nachfolgenden Kapitel erklärt wird.
Wenn bestimmte Veränderungen in der DNA auftreten, können sie die Funktion der DNA beeinträchtigen. Dann wird die Information der DNA nicht mehr oder nicht mehr richtig abgelesen. Es entstehen entweder fehlerhafte Proteine oder gar keine mehr. All dies kann die Zellfunktion verändern, sodass die Zellen nicht mehr richtig wachsen und absterben. In einem anderen Fall kann die Zellfunktion so beeinflusst werden, dass Krebszellen entstehen.
Der Begriff „Mutation“ kommt aus dem Lateinischen (mutare: verändern) und bezeichnet allgemein eine Veränderung des Erbguts. Die Begriffe „Mutation“ und „Genveränderung“ werden in diesem Buch synonym verwendet. Sehr oft treten Genveränderungen in den Körperzellen ohne einen klar erkennbaren Grund zufällig auf. Ursache von Genmutationen können jedoch auch äußere Faktoren wie Rauchen, eine hohe Menge an Strahlung oder ein intensiver Kontakt mit schädigenden Substanzen der Umwelt oder in der Nahrung sein. Diese Genveränderungen werden als somatische Mutationen bezeichnet (Altgriechisch: Soma = Zelle). Somatische Mutationen entstehen neu im Laufe des Lebens und betreffen einzelne Körperzellen. Sie können nicht an die Nachkommen weitervererbt werden.
Demgegenüber stehen die Keimbahnmutationen. Sie liegen bereits in der Keimbahn vor, also in der Eizelle oder Samenzelle eines Elternteils, aus denen sich das Kind entwickelt. Da alle Zellen des neuen Organismus aus diesen beiden elterlichen Zellen entstehen, kann man eine Keimbahnmutation auch in allen Zellen des Körpers finden. Keimbahnmutationen können von den Eltern an die Nachkommen weitervererbt werden ( S. 22–23).
In Bezug auf ihre Ausprägung gibt es unterschiedliche Formen von Mutationen. Manchmal führen sie dazu, dass nur einzelne Basen ausgetauscht werden, manchmal werden ganze Genabschnitte verschoben oder in der Anzahl verändert. Mutationen können dazu führen, dass ein Gen vermindert, verstärkt oder verändert aktiv ist. Eine veränderte Genfunktion kann bestimmte Proteine in ihrer Funktion beeinflussen. Dies kann wiederum die Zellfunktion verschlechtern und gegebenenfalls zu Krebs führen. Mittlerweile kennt man eine Vielzahl von Veränderungen in Genen für Brust- und Eierstockkrebs. So sind pro Gen teilweise 1000, 2000 oder mehr verschiedene krankheitsverursachende Mutationen bekannt. Diese einzelnen Mutationen sind in der Regel sehr selten, und sie kommen in der Normalbevölkerung bei deutlich weniger als 1 von 100 Personen vor.
Es gibt auch bestimmte Genveränderungen, die sich bei vielen Menschen häufiger wiederholen. Treten die gleichen Genveränderungen bei mehr als 1 von 100 Personen einer Bevölkerungsgruppe auf, spricht man von einem Polymorphismus (Altgriechisch: Vielgestaltigkeit). Polymorphismen sind Normvarianten. Sie haben keinen oder keinen größeren Krankheitswert und sind verantwortlich für die genetische Vielfalt. So kann man zum Beispiel erklären, warum sich Menschen von anderen Menschen etwa in der Körpergröße, im Aussehen oder in den angeborenen geistigen Fähigkeiten unterscheiden. Bestimmte Polymorphismen können jedoch auch einen Einfluss darauf haben, ob man anfälliger gegenüber bestimmten Krankheiten ist, oder sie können das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen geringfügig erhöhen.
Genveränderungen treten im menschlichen Körper natürlicherweise sehr oft auf. Damit sich diese nicht negativ auf den Organismus auswirken, gibt es verschiedene Mechanismen, um die Fehler in der DNA zu reparieren. So existieren auch mehrere Gene, die nur dafür zuständig sind, neu auftretende Veränderungen der DNA zu reparieren. Durch die Reparaturgene wird verhindert, dass sich DNA-Schäden anhäufen und Krebszellen entstehen.
Es kommt jedoch auch vor, dass Mutationen die Reparaturgene selbst treffen, sodass in einer betroffenen Zelle die Reparaturfunktion beeinträchtigt ist. Wenn in einer solchen Zelle die DNA-Fehler nicht mehr repariert werden, sammeln sich mit der Zeit mehr und mehr DNA-Schäden an. Eine andere Möglichkeit ist, dass Mutationen in Genen vorkommen, die kritische Schaltstellen der Zelle regulieren. Hierzu gehören Gene, die das Zellwachstum und den Zelltod beeinflussen. Wenn also entweder die Reparaturfunktion in Zellen verschlechtert ist oder Zellen unkontrolliert wachsen, können normale Zellen immer weiter entarten und am Ende Krebszellen entstehen. Krebszellen zeigen ein unkontrolliertes Zellwachstum, das die übliche Begrenzung eines Organs überwindet und auf andere Organe übergreift. Dieses Wachstum unterscheidet sich von der normalen kontrollierten Zellteilung, die bei der Embryonalentwicklung, Organentwicklung oder Wundheilung stattfindet. Bis es zur Entstehung von Krebs kommt, müssen mehrere Hürden überwunden werden, da die Zelle erst nach mehreren genetischen Veränderungen zu einer Krebszelle entartet.
[6] Entstehung von Krebszellen in der Brust: (1) Brustdrüsenzelle mit beginnender Zellveränderung. (2) Weiteres Zellwachstum und zunehmende Entartung. (3) Weiteres Zellwachstum und zunehmende Entartung im Sinne eines Carcinoma in situ - die Basalmembran ist hier noch intakt. (4) Weiteres Zellwachstum und zunehmende Entartung im Sinne eines invasiven Brustkrebses - die Basalmembran ist durchbrochen, sodass eine Metastasierung stattfinden kann.
Bei Brust- und Eierstockkrebs führen einzelne Mutationen zunächst zu geringfügigen Veränderungen in den Zellen, sodass diese verstärkt wachsen. Kommen weitere Genveränderungen hinzu, entstehen krebsartige Vorläuferzellen. Die Zellen bleiben zunächst dort, wo sie entstanden sind, und sie berücksichtigen noch die Grenzen des umliegenden Gewebes. Man spricht bei Brustkrebs deswegen von sogenannten Carcinoma-in-situ-Zellen, also Zellen, die am gleichen Ort bleiben. Weitere Mutationen führen dazu, dass diese Zellen die begrenzende Membran (sogenannte Basalmembran) durchbrechen und in die Blut- und Lymphgefäße einwandern. Sie haben sich jetzt zu invasiven Krebszellen entwickelt. Über die Blutbahn und die Lymphbahn können sich die invasiven Krebszellen unkontrolliert ausbreiten und neue Geschwulste (sogenannte Metastasen) in den Lymphknoten und in anderen Organen bilden.
Für Brustkrebs ist die hier beschriebene Entwicklung der Krebszellen typisch. Man findet deshalb nicht selten Carcinoma-in-situ-Zellen und invasive Krebszellen nebeneinander. Manchmal entstehen auch nur Carcinoma-in-situ -Zellen, die sich nicht weiter zu Krebszellen entwickeln. Außerdem ist es möglich, dass nur invasive Krebszellen und keine Carcinoma-in-situ-Zellen gefunden werden. Gerade bei erblich bedingtem Brustkrebs können Krebszellen schnell auftreten und wachsen. Auch bei der Entstehung von Eierstockkrebs kommt es zu ähnlichen Zellveränderungen.
Bei rund 8 von 10 Patientinnen ist Brust- und Eierstockkrebs nicht erblich bedingt. Auch bei nicht erblichem Brust- und Eierstockkrebs sind Genveränderungen zu finden. Diese somatischen Mutationen entstehen jedoch ohne eine Vererbung, das heißt, diese Mutationen werden weder von den Eltern geerbt noch an die Kinder weitervererbt ( S. 17).
Die Genveränderungen bei nicht erblichem Krebs treten von selbst im Laufe des Lebens in einer einzelnen und zunächst gesunden Zelle der Brustdrüse oder des Eierstocks auf. Wenn sich verschiedene Mutationen in einer solchen Zelle anhäufen, entsteht hieraus eine Krebszelle. Da sich die Krebszelle anschließend unkontrolliert teilt, gibt sie ihre veränderten Gene auch auf alle neuen Krebszellen weiter, die aus ihr durch Zellteilung entstehen. Die Genveränderungen bei nicht erblichem Krebs finden sich daher nur in dieser mutierten Körperzelle, die zu einer Krebszelle wird, und in all den weiteren Krebszellen, die aus dieser mutierten Ursprungszelle hervorgehen.
[7] Krebsentstehung bei nicht erblichem Krebs. Dargestellt sind die Chromosomenpaare von Mutter und Vater, jeweils mit einem kurzen und einem langen Arm (kurzer und langer Kasten). Bei beiden liegt keine vererbbare Keimbahnmutation vor. (1) Es wird jeweils das helle Chromosom ohne eine Mutation von Mutter und Vater auf den Nachkommen vererbt, sodass auf den geerbten Chromosomen zunächst auch keine Mutation zu finden ist. (2, 3) In einer Körperzelle werden im Laufe des Lebens somatische Mutationen (roter Balken) in den Genen der beiden Chromosomen erworben. Daraufhin wächst und entartet die Zelle zunehmend, sodass Krebs entsteht.
In der Regel muss eine Vielzahl an genetischen Veränderungen in einer Zelle zusammenkommen, bevor Krebs entsteht. Zusätzlich sind Faktoren bekannt, die das Krebsrisiko erhöhen können. Hierzu gehören eine frühe erste und eine späte letzte Periodenblutung, späte oder keine Schwangerschaften, Übergewicht, die Einnahme einer Hormonersatztherapie nach den Wechseljahren, ein hohes Lebensalter und der Kontakt mit Erbgut schädigenden, Krebs auslösenden Substanzen. Bestimmte Faktoren des Lebensstils wie Sport, eine kalorienarme und ausgewogene Ernährung mit Vermeidung von Übergewicht, frühe und mehrere Schwangerschaften sowie Stillen können einen gewissen schützenden Effekt haben.
Abbildung 7 zeigt vereinfacht, dass somatische Mutationen, die zu nicht erblichem Krebs führen, im Laufe des Lebens ausschließlich erworben werden. Die Krebsentstehung ist damit seltener und häufig langsamer als bei erblichem Krebs, da bei nicht erblichem Krebs mehr erworbene Mutationen zusammenkommen müssen.
Bei rund 2 von 10 Patientinnen entsteht Brust- und Eierstockkrebs durch vererbbare Faktoren. Hierzu gehören Mutationen der Keimbahn, die bereits vom Vater oder der Mutter vererbt wurden. Lebewesen entstehen durch Zellteilung, die mit der Teilung einer befruchteten Eizelle beginnt. Wenn zum Zeitpunkt der Befruchtung bereits Genveränderungen in dem Chromosomensatz der Eizelle oder der Samenzelle der Eltern vorliegen, so werden diese Genveränderungen auf das Kind weitervererbt. Da diese Vererbung die Keimbahn betrifft, spricht man von Keimbahnmutationen. Eine Keimbahnmutation wird bei der weiteren Entwicklung zum menschlichen Organismus von einer Zelle auf die nächste Zelle übertragen. Dadurch ist die Keimbahnmutation in allen Zellen des Körpers enthalten und kann so auch bei einer Blutabnahme in den Blutzellen nachgewiesen werden. Es wird zwischen Mutationen in verschiedenen Genen unterschieden:
Es kann eine Mutation in einem Gen mit einem hohen Krebsrisiko vorliegen.
Es kann eine Mutation in einem Gen mit einem mittleren Krebsrisiko vorliegen.
Es kann eine Mutation in einem Gen mit einem niedrigen Krebsrisiko vorliegen.
Es können Mutationen in verschiedenen Genen gleichzeitig vorliegen, die zusammen das Krebsrisiko erhöhen, was eher selten ist.
Selbst wenn eine Hochrisikomutation in einem krebsrelevanten Gen vom Vater oder der Mutter vererbt wurde und somit von Geburt an in allen Körperzellen vorliegt, reicht diese eine Keimbahnmutation alleine noch nicht aus, um Krebs entstehen zu lassen; denn von jedem Gen gibt es immer zwei Kopien, und die eine Kopie funktioniert noch. Im Laufe des Lebens muss daher eine zweite Mutation in der zunächst funktionierenden Genkopie erworben werden.
Bei erblichem Brust- und Eierstockkrebs tritt diese zweite Mutation üblicherweise in der Brustdrüse oder in den Eierstöcken bzw. den Eileitern auf. Es können jedoch seltener auch andere Organe betroffen sein ( S. 78–79). Wenn beide Genveränderungen zusammenkommen, die angeborene Keimbahnmutation und die erworbene Mutation, dann entsteht Krebs. Man spricht von erblichem Krebs, da die Veranlagung für die Krebsentstehung von Geburt an besteht. Die erbliche Krebsentstehung wird in Abbildung 8 vereinfacht dargestellt. Dadurch, dass eine Mutation bereits angeboren ist, tritt Krebs hier häufiger und schneller auf als bei nicht erblichem Krebs.
[8] Krebsentstehung bei erblichem Krebs. Dargestellt sind die Chromosomenpaare von Mutter und Vater, jeweils mit einem kurzen und einem langen Arm (kurzer und langer Kasten) Bei der Mutter liegt auf einem Chromosom eine vererbbare Keimbahnmutation vor, beim Vater nicht. (1) Es wird jeweils das helle Chromosom mit einer Mutation von der Mutter und das helle Chromosom ohne eine Mutation vom Vater auf den Nachkommen vererbt, sodass auf einem der beiden geerbten Chromosomen eine Keimbahnmutation zu finden ist (roter Balken). (2) In einer Körperzelle wird zusätzlich eine zweite somatische Genmutation auf dem vom Vater geerbten Chromosom erworben. Die Zelle wächst und entartet zunehmend, sodass Krebs entsteht.
Wenn man eine Keimbahnmutation hat, kann man diese mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % an seine Kinder weitervererben. Statistisch erbt damit jedes zweite Kind die Mutation. Eine genetische Veranlagung für Brust- und Eierstockkrebs kann nach heutigem Kenntnisstand durch Gendefekte in verschiedenen Erbanlagen verursacht werden. Vererbte Genveränderungen müssen nicht zu Krebs führen, das Krebsrisiko kann jedoch je nach Genveränderung erhöht sein. Obwohl mittlerweile zahlreiche Gene bekannt sind, kann auch in vielen Familien die Ursache der Krebserkrankungen noch nicht erklärt werden.
Wenn man eine erbliche Komponente für Brust- und Eierstockkrebs feststellen möchte, führt man am einfachsten an einer Blutprobe eine Untersuchung von Keimbahnmutationen durch. Hierzu sind bereits 2–3 ml Blut ausreichend. Dies funktioniert sowohl bei Personen, die nicht erkrankt sind, als auch bei an Krebs erkrankten Patienten.
Die Brust besteht aus Drüsenläppchen und Drüsengängen, die in der Brustwarze münden. Das Drüsengewebe ist eingebettet in Binde- und Fettgewebe, welche eine stützende Funktion haben. Die hintere Begrenzung zur Brustwand hin bildet der große Brustmuskel. Altersabhängig, hormonabhängig sowie je nach Körpertyp hat die Brust eine unterschiedliche Größe, Form und Konsistenz. Schmerzen, Irritationen und Brustspannen können zyklusabhängig auftreten, je nachdem, welche Hormone in welcher Menge im Körper vorhanden sind. In der Schwangerschaft und Stillzeit wächst die Brust unter dem hormonellen Einfluss, und die Drüsenläppchen werden angeregt, Milch zu produzieren.
Die Brust enthält zahlreiche Blutgefäße, Lymphgefäße und Nervenäste. Über arterielle Blutgefäße wird das Brustgewebe mit Blut versorgt, über venöse Blutgefäße erfolgt der Abtransport des Blutes und über die Lymphgefäße der Abtransport von überschüssiger Flüssigkeit, die aus den Blutgefäßen in das Gewebe gelangt. Tritt Brustkrebs auf, können sich die Krebszellen entlang der Lymphgefäße in die nachgeschalteten Lymphknoten ausbreiten, die Filterstationen für den Lymphabfluss sind. Über die Blutgefäße können die Krebszellen auch in den Blutkreislauf gelangen und Metastasen in anderen Organen wie Knochen, Lunge und Leber bilden.
[9] Weibliche Brust in der Ansicht von vorne und von der Seite.
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung der Frau. Im deutschen Sprachraum erkranken jährlich rund 80 000 Frauen an Brustkrebs. Bis zu jede 8. Frau erhält in ihrem Leben die Diagnose Brustkrebs. Es ist darum nicht ungewöhnlich, Verwandte zu haben, die ebenfalls an Brustkrebs erkrankt sind. Oftmals findet sich kein erblicher Zusammenhang. Bei Brustkrebs liegt das mittlere Erkrankungsalter in der Normalbevölkerung bei 63 Jahren. Dies heißt jedoch auch, dass es Frauen gibt, die erheblich jünger sind, wenn sie erstmalig erkranken, oder wesentlich älter. Jede 3.–4. Frau ist zum Zeitpunkt der Diagnosestellung jünger als 55 Jahre, und jede 10. Frau ist jünger als 45 Jahre. Es wird davon ausgegangen, dass bei etwa 2 von 10 Frauen mit Brustkrebs eine familiäre bzw. eine erbliche Komponente vorliegt. In dieser Situation tritt Brustkrebs durchschnittlich 10–20 Jahre früher auf, kann bei bestimmten Genveränderungen aber auch bereits vor dem 30. Lebensjahr vorkommen.
Um Brustkrebs zu diagnostizieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wie Sie selbst Brustkrebs erkennen können und wie dies mittels der Bildgebung erfolgen kann, wird in den Kapiteln 11 und 12 ab S. 93 erklärt. Wenn der Verdacht auf einen Brustkrebs oder eine Brustkrebsvorstufe besteht, sollte die Verdachtsdiagnose mit Hilfe einer Gewebeprobe gesichert werden. Die Gewebeprobe kann minimal-invasiv mittels Stanzbiopsie oder Vakuumbiopsie oder durch eine operative Gewebeentnahme durchgeführt werden. Die meisten verdächtigen Befunde können heutzutage mittels minimalinvasiver Methoden abgeklärt werden, bei der eine Einstichstelle in der Brust von weniger als 5 mm entsteht. Die Wahl der Biopsiemethode hängt von der Sichtbarkeit des Befundes in den verschiedenen diagnostischen Methoden ab. Es gibt zum Beispiel Befunde, die deutlicher in der Mammografie als im Ultraschall zu sehen sind und umgekehrt. Es wird diejenige Biopsiemethode gewählt, mit der man den Befund am besten findet und die am wenigsten belastend ist.
[10] Allgemeines Lebenszeitrisiko (etwa bis zum 80. Lebensjahr) für Brustkrebs.
Am häufigsten wird eine Ultraschall-gestützte Stanzbiopsie des auffälligen Befundes durchgeführt. Das auffällige Gebiet wird zunächst in der Bildgebung aufgesucht. Nach Desinfektion und lokaler Betäubung werden mit einer Hohlnadel mehrere Proben aus dem auffälligen Gewebe entnommen. Der biopsierte Befund wird zudem oft mit einer Markierung versehen, um ihn im Verlauf besser wiederzufinden. Hierzu dienen sogenannte Clipmarkierungen mit wenigen Millimetern im Durchmesser. Den eingebrachten Clip werden Sie nicht merken und nicht sehen. Nach der Biopsie wird die Einstichstelle mit einem Pflaster und einem kleinem Druckverband versorgt. Der Eingriff wird unter ambulanten Bedingungen durchgeführt, sodass Sie am selben Tag wieder nach Hause gehen können.
Das Gewebe wird anschließend in einem pathologischen Institut untersucht. Das Ergebnis erhalten Sie innerhalb weniger Tage. Manchmal müssen noch spezielle Untersuchungen und Färbungen des Gewebes durchgeführt werden, sodass das endgültige Ergebnis dann erst etwa nach einer Woche vorliegt.
Das pathologische Institut kann in der Gewebeprobe feststellen, ob es sich bei dem entnommenen Gewebe um eine gutartige Veränderung, eine Brustkrebsvorstufe oder Brustkrebs handelt. Wenn Brustkrebs gefunden wird, so wird dieser weiter genau beschrieben. Folgende Tumoreigenschaften werden unterschieden, die anschließend genauer erklärt werden:
Histologischer Typ
Ausbildung von Rezeptoren
Grad der Differenzierung
Wachstumsgeschwindigkeit
[11] Häufigste histologische Brustkrebstypen.
Die Histologie ist die Wissenschaft von den biologischen Geweben. Der häufigste Brustkrebstyp geht von den Milchgängen aus (duktaler Brustkrebs, mehr als 80 %), der zweithäufigste Typ geht von den Drüsenläppchen aus (lobulärer Brustkrebs, 10 %). Daneben gibt es noch weitere seltenere Typen, die hier nicht gesondert aufgeführt sind.
Der Grad der Differenzierung beschreibt, wie stark sich eine Brustkrebszelle von einer normalen Brustdrüsenzelle unterscheidet. Man nennt dies auch Entartung. G1 bedeutet eine geringe Entartung, G2 bedeutet eine mittlere Entartung, G3 bedeutet eine starke Entartung. Je höher der Grad der Entartung angegeben wird, umso aggressiver ist der Brustkrebs.
Die für Brustkrebs relevanten Rezeptoren befinden sich auf der Oberfläche oder innerhalb einer Brustkrebszelle. Sie stellen eine Art Anker dar, an den