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Inhaltsverzeichnis

Titel

Informationen zum Buch

Impressum

Widmung

Kapitel 1 – Liz

Kapitel 2 – Tony

Kapitel 3 – Liz

Kapitel 4 – Tony

Kapitel 5 – Liz

Kapitel 6 – Tony

Kapitel 7 – Liz

Kapitel 8 – Tony

Kapitel 9 – Liz

Kapitel 10 – Tony

Kapitel 11 – Liz

Kapitel 12 – Tony

Kapitel 13 – Liz

Kapitel 14 – Tony

Kapitel 15 – Liz

Kapitel 16 – Tony

Kapitel 17 – Liz

Kapitel 18 – Tony

Kapitel 19 – Liz

Kapitel 20 – Tony

Kapitel 21 – Liz

Kapitel 22 – Tony

Kapitel 23 – Liz

Kapitel 24 – Tony

Kapitel 25 – Liz

Epilog – Liz

ABSPANN

 

Fanny Bechert & B. E. Pfeiffer

 

 

Ich wette, du verliebst mich nicht

 

 

 

Romance

 

Ich wette, du verliebst mich nicht

Es gibt drei Dinge im Leben von Elizabeth Johnston, die sie noch mehr mag als Schokolade: schöne Männer, heißen Sex und ihre Event-Agentur ›Johnston & Martin‹, die sie zusammen mit ihrer Freundin Cynthia führt. Ebenjene hat genug von den vielen Affären ihrer Kollegin und schlägt ihr daher eine Wette vor: Liz soll mit einem Kerl vier Wochen lang eine Beziehung führen, ohne ihn ins Bett zu zerren. Kein Problem, denkt Liz, denn das Opfer dafür ist schnell in dem neuen Mitarbeiter gefunden, den sie ganz und gar nicht anziehend findet. Tony heißt der Gute und Liz wittert leichtes Spiel mit ihm. Allerdings schlummert in dem scheinbaren Nerd viel mehr, als sie zunächst annahm. Und bald schon ist Liz sich nicht mehr sicher, ob sie wirklich die Gewinnerin sein wird, wenn sie die Wette durchzieht.

 

 

 

Die Autorin

Wer die 1984 geborene Bettina E. Pfeiffer nach ihren Geschichten fragt, sollte Zeit mitbringen. Denn neben ihrer Familie sind ihre teils eigensinnigen Charaktere ihre große Liebe. Deswegen verbringt sie viel Zeit in mystischen Welten voller Magie, Dämonen, Göttern und Sagengestalten.

Fanny Bechert, gelernte Physiotherapeutin, fand mit Mitte zwanzig ihre Berufung, als sie begann, vereinzelte Fantasy-Episoden aufzuschreiben, die sich später zu ihrem Debütroman ›Elesztrah‹ zusammenfügten. Heute ist sie vollberuflich als Autorin und Hörbuchsprecherin tätig.

www.sternensand-verlag.ch

info@sternensand-verlag.ch

 

1. Auflage, Juni/Juli 2020

© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2020

Umschlaggestaltung: Juliane Schneeweiss

Lektorat / Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Martina König

Korrektorat Druckfahne: Sternensand Verlag GmbH | Jennifer Papendick

Satz: Sternensand Verlag GmbH

 

ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-136-9

ISBN (epub): 978-3-03896-137-6

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

F: »Ich habe viel darüber nachgedacht, wem ich dieses Buch widmen möchte, aber … ich möchte es eigentlich nur dir widmen, Betty.«

B: »Fanny, ich würde es auch nur dir widmen …«

F: »Ich weiß nicht, ob wir das tun können.«

B: »Oh ja, das können wir tun!«

 

 

 

 

 

Für Betty, die mich immer wieder zu schreiberischen Höchstleistungen antreibt

 

Für Fanny, deren sonniges Gemüt mich auch an Regentagen durchhalten lässt

 

 

Kapitel 1 – Liz

 

Ich lasse meine Hände über seinen Hosenbund streichen. Mit einer schnellen Bewegung löse ich den Gürtel und streife ihm die Jeans ab. Noch während ich vor ihm auf die Knie gehe, hole ich ein Kondom aus der Verpackung.

Tim … Oder war es Jim? Mist, mir fällt sein Name nicht ein. Dabei sind wir seit rund vier Wochen ein Paar. Na ja, wenn man es so nennen will.

Jedenfalls legt Tim oder Jim seinen Kopf in den Nacken und gibt dieses seltsame Grunzen von sich, das ich anfangs sexy fand und jetzt genauso nervtötend finde wie den Typen selbst. Das wird unser letztes Mal sein, er weiß es nur noch nicht.

Ich nehme das Latexteil zwischen die Lippen, weil die meisten Männer es total erotisch finden, wenn ich ihnen den Gummi mit dem Mund anlege. Und Jim … Tim? … braucht ein wenig Unterstützung. Denn obwohl er bereits stöhnt, als hätte ich ihn schon im Mund, ist sein Ständer gerade einmal auf halbmast.

Wie habe ich es noch gleich vier Wochen mit ihm ausgehalten, ohne fremdzugehen? Ich weiß es nicht mehr. Man sollte mir einen Orden verleihen.

Ich lege meine Hand an seinen Schaft und öffne meine Lippen etwas mehr, bevor ich sein bestes Stück in den Mund nehme und mit meinen Fingern den Gummi behutsam abrolle. Soll ja nicht reißen.

Die Behandlung wirkt, der Ständer wird fest.

»Oh Wahnsinn, Liz«, keucht Tim und versucht, meinen Kopf mit seinen Händen zu umfassen, damit ich ihn mit dem Mund befriedige.

Nein, heute ganz sicher nicht. Noch bevor seine Finger meine Haare berühren, stehe ich auf. Jim gibt einen seltsamen Laut von sich und legt seine Hände an meine Hüften. Er will mich vermutlich umdrehen, so wie er es immer macht. Er kann nämlich nur eine Stellung wirklich gut.

Ich gebe ihm nicht die Möglichkeit, mich über den Tisch zu beugen. Stattdessen küsse ich ihn stürmisch, was ihn aus dem Konzept bringt, und dränge ihn auf die Couch in meinem Büro. Ich drücke ihn auf die Kissen, hebe meinen Rock an und setze mich auf ihn.

»Du hast keine Unterwäsche an«, stöhnt er, als ich beginne, ihn zu reiten. »Wie heiß du bist …«

Ich habe nie Unterwäsche an, wenn ich mir einen Mann spätabends ins Büro einlade, denke ich.

Aber das muss er nicht wissen. Denn streng genommen verabschiede ich mich an etwa drei von vier Abenden im Büro von meinem Höschen.

Tim legt seine Hände an meinen Hintern und beginnt, ihn zu kneten. Ihm gefällt das, weil er dann wohl denkt, er kann mein Tempo bestimmen.

Falsch gedacht.

Ich verändere meine Position leicht, bis ich ihn dort spüre, wo ich ihn spüren will. Der Sex mit ihm war nie besonders, wenn ich kommen wollte, musste ich selbst dafür sorgen. Zumindest ist Jim gut bestückt, wenn er mal steif wird.

Vielleicht habe ich es deswegen vier Wochen ausgehalten. Immerhin bin ich fast jedes Mal gekommen, wenn ich ihn geritten habe. Deswegen und weil er mit seinen dunklen Haaren und dem Dreitagebart irgendwie sexy aussieht. Den Mund sollte er allerdings nicht aufmachen, und wenn, dann nur, um zu knutschen. Obwohl … das kann er auch nicht so richtig.

Ich bewege mich in meinem Rhythmus, auch wenn er versucht, mir seinen aufzuzwingen. Er fühlt sich gut an zwischen meinen Beinen, sodass es nicht lange dauert, bis ich heiser stöhne.

Jeder Stoß schickt eine kleine Welle der Lust durch meinen Körper, die sich in meiner Mitte sammelt. Noch wenige Stöße, dann darf sich die aufgestaute Lust entladen. Ich werde langsamer, genieße diesen Augenblick zwischen Verlangen und Erlösung und lege den Kopf in den Nacken, als ich komme.

Tim darf ruhig hören, dass ich fertig werde. Seinen Namen keuche ich nicht, weil ich ohnehin nicht weiß, wie er heißt, dafür gebe ich mir keine Mühe, mein Stöhnen zu unterdrücken.

Ich bewege mich noch langsamer, genieße das Nachbeben, bevor ich die Augen öffne. Jim grinst mich an.

»Du bist so heiß, wenn du kommst«, sagt er, setzt sich auf und platziert seine Lippen an meinem Ohr. »Aber jetzt will ich dich richtig ficken.«

Wortlos rutsche ich von ihm herunter, komme auf der Couch auf alle viere und warte, bis er mich – wie immer – in dieser Stellung nimmt. Er packt meine Hüften und stößt zu. Er versucht vermutlich, tief einzudringen, aber es gelingt ihm nicht. Obwohl ich gerade gekommen bin, nehme ich ihn kaum wahr. Ja, auch in dieser Stellung ist er eher schlecht, aber das ist nach diesem Abend nicht mehr mein Problem.

Mein Kopf ist schon längst bei den Dingen, die ich nachher noch für morgen vorbereiten will, während Tim zu keuchen beginnt. Seine Finger verkrampfen sich fast schmerzhaft in meiner Haut und er stößt langsamer, dafür fester zu. Endlich spüre ich etwas, aber es ist nicht besonders erregend.

»Oh Gott, Liz«, brüllt er fast, als er kommt.

Das ist auch so etwas, das mich an ihm nervt. Er kommt immer, als hätte er gerade vierzig Tage enthaltsam gelebt.

Jim sinkt auf mich und ringt noch um Atem, da rücke ich bereits von ihm ab. Er grunzt wieder und gleitet aus mir heraus.

»Das war gut.« Er grinst mich an und verknotet das Kondom. »Gehen wir für die zweite Runde zu dir oder zu mir?«

Ich streiche meinen Rock glatt und versuche, von meiner Aufsteckfrisur zu retten, was noch zu retten ist. Aber ich werde sie wohl öffnen, sobald er weg ist.

»Weißt du, Jim«, beginne ich und sehe ihn an. Er widerspricht mir nicht. Offenbar ist Jim sein Name. »Ich habe nachgedacht. Wir beide wissen doch, dass wir nicht wirklich zusammenpassen.«

Jim hat sich gerade die Hose angezogen und hält beim Versuch, den Gürtel zu schließen, inne. »Wie meinst du das? Wir haben doch echt tollen Sex!«

Du vielleicht, schnaube ich gedanklich und schenke ihm mein Geschäftslächeln, das ich störrischen Kunden meiner Eventmanagement-Agentur gern schenke, wenn sie behaupten, sie hätten für etwas bezahlt, das nie zur Debatte gestanden hat, und es nun fordern.

»Ich denke, wir sind als Paar nicht kompatibel«, versuche ich es diplomatisch.

Ich möchte ihm nicht erklären, dass ich ihn für dumm halte und ernsthaft überlege, ob ich jemanden kommen lassen soll, der mein Haus ausräuchert, weil ich Jims Geruch nach Fast Food und Tabak in meinen eigenen Wänden nicht ertrage. Ab jetzt sollte ich die Typen lieber in einem Hotel oder bei ihnen ficken und nicht mehr zu mir mitnehmen …

Er reißt die Augen auf. »Was? Aber … aber der Sex!«, stammelt er.

Ich frage mich erneut, wie ich es überhaupt vier Wochen mit ihm ausgehalten habe. An dem Abend, als wir uns kennenlernten, muss ich ziemlich betrunken gewesen sein.

»Hör mal, Tim … ich meine, Jim«, sage ich mit meiner schmeichelndsten Stimme, verschränke aber die Arme, als er mich hoffnungsvoll ansieht. »Man soll mit manchen Dingen aufhören, wenn es am schönsten ist.« Dass ich dabei nicht zu würgen beginne, ist eine Meisterleistung. Ich bin stolz auf mich. »Also würde ich sagen, wir hatten eine gute Zeit, aber diese ist nun vorüber. Wir haben uns doch nichts zu sagen.«

Er nickt und ich habe fast Mitleid mit ihm. Bis er aufsteht und auf mich zukommt. »Aber wir könnten uns trotzdem hin und wieder treffen, um uns gegenseitig zu verwöhnen. Ich kenne kaum eine Frau, die so heiß ist wie du, Liz, und noch nie hat mir eine so einen geblasen wie du.«

Er beugt sich nach vorn und scheint mich küssen zu wollen. Ich mache einen Schritt zurück und er grunzt.

»Danke für das Angebot. Aber ich denke, wir sollten einen sauberen Schnitt machen.«

Jim nickt wieder und fährt sich durch die Haare. »Schade. Aber falls du deine Meinung änderst, meine Nummer hast du ja.«

»Ja, danke«, murmle ich und nehme mir vor, diese Nummer sofort zu blockieren, wenn er fort ist. »Du findest den Fahrstuhl allein?«

Jim nuschelt etwas und verlässt das Zimmer. Ich atme erleichtert durch, reiße die Fenster auf und überlege, auch mein Büro ausräuchern zu lassen.

Noch während ich auf dem Handy Jims Nummer blockiere, klopft es an der Tür. Er wird doch nicht …

»Na, bist du ihn losgeworden?«, fragt Cynthia, meine Geschäftspartnerin. Sie hat eine Flasche Sekt und zwei Gläser in der Hand. Ein lieb gewonnenes Ritual, wenn ich eine meiner Bettgeschichten abserviere.

»War einfacher, als ich gehofft hatte«, erwidere ich und bestätige das Blockieren der Nummer. »Ihm ging es wohl auch nur um den Sex.«

»Wie den meisten, Süße«, meint Cynthia und entkorkt den Sekt.

Sie ist optisch so ziemlich das Gegenteil von mir. Mit ihrer blonden Mähne und den hellblauen Augen wirkt sie wie ein Engel, weswegen sie auch unsere Kunden bezirzt. Ich komme erst ins Spiel, wenn es um den Vertrag geht. Meine brünetten, meist aufgesteckten Haare und mein Make-up, das mir einen Femme-fatale-Look verleiht, flößen wohl Respekt ein. Denn ich schließe fast jeden Vertrag ab. Mit einigen der Kunden sogar mehr.

»Wovon sprichst du?«, frage ich gereizt, als ich den Sekt entgegennehme.

»Liz, du reißt dir Typen auf, die in Wahrheit nur ein schnelles Abenteuer sind. Und weil du dir manchmal beweisen willst, dass du nicht nur für kurze Affären zu haben bist, gehst du mit ihnen Alibibeziehungen ein.«

»Das stimmt doch gar nicht …«, brumme ich.

»Nein?« Cynthia zwinkert. »Wann warst du zuletzt mit einem Mann zusammen, mit dem du nicht am Abend davor ziemlich betrunken gevögelt hast?«

Ich räuspere mich. »Ist vermutlich länger her.«

»Quod erat demonstrandum«, belehrt Cyn mich, die eine Jura-Ausbildung hat und deswegen manchmal mit Latein um sich wirft. Ich glaube, dieser Satz heißt in etwa so viel wie »Was zu beweisen war«.

Ich strecke ihr die Zunge heraus. »Ich mag Sex. Wenn ein Mann gut vögelt, behalte ich ihn eben ein wenig.«

»Jim fandest du vom ersten Moment an schrecklich«, fährt Cyn ihre Belehrung fort. »Trotzdem warst du fast vier Wochen mit ihm zusammen, weil es wieder einmal so weit war mit deinem ›Ich kann auch eine Beziehung führen‹-Tick. Nebenbei gesagt sind vier Wochen auch die längste Zeit, die du mit einem Typen aushältst.«

Wir stoßen an und ich trinke das Glas in einem Zug leer. »Besser, als in einer Beziehung zu versauern, in der nichts mehr läuft. Ich meine, wozu mehrere Wochen Dates haben und vielleicht eine Verbindung aufbauen, wenn es dann im Bett nicht läuft? Soll ich dann fremdgehen oder die Beziehung beenden?«

Cyn schnaubt. »Hast du überhaupt schon mal versucht, einen Mann kennenzulernen, bevor du mit ihm schläfst?«

Ich zucke mit den Schultern. »Wozu? Kennst du einen, kennst du alle.«

»Das heißt, du kannst das gar nicht«, überlegt meine Geschäftspartnerin laut.

»Wenn ich wollte, könnte ich eine Beziehung mit einem Mann beginnen, ohne mit ihm geschlafen zu haben.«

Cyn hebt eine Augenbraue. »So? Denkst du, du könntest mit einem Mann tatsächlich Gespräche führen, die weder schmutzig noch geschäftlich sind? Ihn richtig kennenlernen, über einen Zeitraum von … sagen wir, vier Wochen? Und erst dann mit ihm schlafen?«

Ich zucke erneut mit den Schultern. »Wenn ich wollte …«

Sie grinst und ich ahne Schlimmes. »Wollen wir eine Wette abschließen, Liz?«

»Welche?«

»Dass du nicht in der Lage bist, dir einen Typen auszusuchen, mit dem du eine Beziehung führst. Eine richtige, mit Dates, die Abende zusammen verbringen, ihm körperlich nahe sein, mit ihm reden … ohne vier Wochen lang mit ihm Sex zu haben?«

Ich schenke mir Sekt nach. »Was ist der Wetteinsatz?«

Ihr Grinsen wird breiter. »Du erinnerst dich an dieses Hochzeitsbankett, das du nicht ausrichten wolltest, weil Hochzeiten nicht dein Ding sind?«

»Ja, das war letzte Woche. Soll grauenhaft gewesen sein. Den Wedding Planner hätte ich verklagt.«

»Genau. Ich möchte, dass wir ab jetzt sehr wohl Hochzeiten ausrichten.« Sie hält mir ihr Sektglas hin und ich schenke auch ihr nach. »Wenn du verlierst, erwarte ich, dass du artig mitmachst, sobald ich einen Kunden habe. Du schläfst nicht mit dem Bräutigam oder mit dem Trauzeugen, sondern planst den schönsten Tag der Braut gemeinsam mit mir.«

»Ich bin kein Wedding Planner«, brumme ich. »Ich organisiere Geschäftseröffnungen, Weihnachtsfeiern und Jubiläumsfeste. Hin und wieder lasse ich mich zu einer Bar-Mizwa hinreißen, aber nur weil ich dort gute Kontakte knüpfe. Mit so einem Mist wie Gefühlen oder Romantik habe ich wirklich nichts am Hut.«

»Aber du hast die besten Kontakte zu Cateringfirmen, Blumenhändlern und Co. Außerdem bist du die Kreative von uns. Ich bin nur das nette Mäuschen, das niemand als Bedrohung wahrnimmt und deswegen die Aufträge bekommt.« Sie hält mir ihre freie Hand hin. »Gewinnst du die Wette, fange ich nie wieder mit Hochzeiten an. Gewinne ich, nehmen wir ab jetzt auch solche Aufträge an.«

»Wir regeln das vertraglich?«, frage ich skeptisch. Nur ein schriftlicher Vertrag ist in meiner Welt bindend.

»Natürlich. Du darfst dir den Kerl sogar aussuchen, mit dem du dich auf diese Herausforderung einlässt. Allerdings muss ich zustimmen, also musst du ihn mir vorher zeigen. Ab dem Moment beginnen die vier Wochen zu laufen. Und das innerhalb der nächsten sechs Monate. Ich will schließlich nicht erst mit siebzig Hochzeiten ausrichten.«

Ich hebe mein Sektglas und sie stößt lächelnd mit mir an, bevor wir uns die Hände reichen. »Was man nicht alles macht, um nichts mehr von Hochzeiten zu hören. Diese Wette wird so einfach zu gewinnen sein …«

»Oh, wir werden sehen.« Cyn schmunzelt. »Wir werden sehen.«

Kapitel 2 – Tony

 

»Verdammte Scheiße«, brumme ich, als mir der dicke Wälzer zum Thema IT-Management von dem Stapel anderer dicker Wälzer über Computertechnik rutscht und aufgeschlagen und mit umgeknickten Seiten auf dem Boden landet. Als ich mich bücke, um ihn aufzuheben, reiße ich zudem meine Notizen vom Tisch, sodass sich zu dem Buch noch ein Stapel beschriebener Blätter gesellt.

Dass ich nicht zusätzlich meine Tasse Tee umkippe, grenzt an ein Wunder …

Ich schiebe meinen Stuhl zurück, hebe die Sachen auf und versuche, halbwegs Ordnung auf meinem Schreibtisch zu schaffen.

Vielleicht sollte ich es für heute lassen, mich in ein Gebiet einzulesen, von dem ich so gut wie keine Ahnung habe, nur um irgendwann einen Job zu bekommen, den ich hassen werde – soweit ich das nach der bisherigen Lektüre einschätzen kann.

Vielleicht sollte ich tun, was alle Single-Männer Anfang dreißig an einem Freitagabend tun: in irgendeiner Bar ein paar Cocktails kippen und mit ein bisschen Glück eine halbwegs heiße Blondine aufgabeln, die einen mit noch etwas mehr Glück mit zu sich nach Hause nimmt.

Vielleicht reicht es aber auch schon, mich einfach mit einem Bier vor den Fernseher zu knallen, um den Kopf frei zu kriegen. Für mich ist selbst das schon etwas Besonderes, schließlich ist es noch nicht mal acht Uhr.

Ich schnappe mir die Teetasse, schlurfe in die kleine Küche und denke dabei an die Worte meiner Mutter: »Anthony«, sagt sie, wann immer sich die Gelegenheit bietet, »wenn du nicht endlich aus deinem Schneckenhaus kriechst, werde ich niemals Enkel bekommen. Such dir einen Job und eine Frau und fang endlich an, zu leben!«

Sie hat nicht unrecht, das weiß ich.

Leider habe ich mich dazu entschieden, mit dem Job anzufangen. Das kam mir leichter vor – ich bin deutlich schlauer als schön und auf meinem Gebiet, der Softwareprogrammierung, macht mir keiner was vor.

Allerdings habe ich noch keinen Job gefunden, der mich fesselt. Die großen Konzerne mit echten Herausforderungen haben keine freien Stellen und um für irgendeine Rumpelbude das Kassensystem zu warten, bin ich mir einfach zu schade.

Also versuche ich, mein Wissen derart zu erweitern, dass die Großen nicht mehr an mir vorbeischauen können und lieber jemand anderen entlassen, als mich abzuweisen. Geklappt hat das bisher … na ja, eher semioptimal.

Zumindest bin ich nicht fest in einer dieser Rumpelbuden beschäftigt, auch wenn ich ab und zu kleinere Aufträge übernehme, um überhaupt Geld zu verdienen. Die großen Konzerne hingegen ignorieren mich immer noch.

Semioptimal, sag ich ja.

Im Bereich Frauen sieht es nicht anders aus. Ist ja nicht so, dass ich es nicht versucht hätte. Aber es geht schon damit los, überhaupt eine geeignete Kandidatin kennenzulernen. Ich bin kein Typ, der sich in Diskotheken oder auf Konzerten rumtreibt. Und auch vom Wutschen und Wedeln auf diversen Dating-Apps halte ich nicht viel. Das läuft ohnehin alles nur auf schnelle Vögelei hinaus und einen Orgasmus kann ich auch gut mit mir allein haben, danke. Da kann ich mir den Small Talk sparen.

Klar läuft auch mir ab und an mal eine gut aussehende Frau über den Weg. Das kann überall passieren: an der Tankstelle, beim Bäcker, in der Bibliothek. Nur … Dass ich sie bemerke, heißt noch lange nicht, dass es andersrum auch der Fall ist.

Rein optisch bin ich nicht gerade auffällig: kurzes schwarzes Haar, ein Gesicht ohne jeden markanten Zug, abgesehen von meinen Lachgrübchen, die ich gut zu verbergen weiß, und ein schlanker Körper mit Muskeln, die unter Kleidung irgendwie unsichtbar werden. Noch dazu bin ich etwas … na ja, ich bezeichne es liebevoll als zurückhaltend, meine Mutter nennt es schüchtern, mein Mitbewohner Owen schimpft mich einen Hosenscheißer.

Seufzend stelle ich die leere Tasse in die Spüle, öffne den Kühlschrank und löse ein Bier aus dem Sixpack, das im untersten Fach liegt.

Ja, okay – ich habe vielleicht ein kleines Problem damit, Frauen anzusprechen, die mir gefallen. Aber was soll’s. Ich kann damit leben, also sollten es alle anderen auch.

Im Vorbeigehen schnappe ich mir die Fernbedienung vom Tisch und lasse mich auf den grauen Ohrensessel fallen, in dem schon meine Tante Agatha ihre Groschenromane gelesen hat. Unschlüssig beginne ich, durch das Freitagabendprogramm zu zappen, während ich einen Schluck von meinem Bier nehme.

Pretty Woman … Romantikschnulze, pfui.

Schluck Nummer zwei und weiter.

The Living Desert … So langweilig bin noch nicht mal ich, dass ich mir jetzt einen Dokumentarfilm reinziehe.

Schluck Nummer drei, weiter.

Late Night with … Ich habe nicht die geringste Ahnung, wer der Typ ist, der dort gerade irgendeinen C-Promi interviewt.

Schluck vier und nächster Sender.

Als ich gerade zum fünften Schluck ansetzen will, um auch die aktuellen Musikcharts vom Bildschirm zu kicken, höre ich Stimmen im Hausflur. Die Wände in dem Mehrfamilienhaus, in dem unsere geräumige Vierzimmerwohnung liegt, sind nicht gerade schallisoliert und ich begreife sofort, dass es Owen ist, der gerade vor meiner Tür steht und einer weiblichen Kichererbse erklärt, dass er sie nun ins Paradies entführen werde.

Ich stöhne auf. Echt jetzt? Es ist gerade mal dunkel draußen und er bringt bereits seine heutige Trophäe nach Hause?

Keine zwei Sekunden später geht auch schon die Tür auf und Owen kommt herein. Seine braunen Locken stehen wirrer denn je von seinem Kopf ab, so als wären sie einmal kräftig durchgewuschelt worden. Sein von Protein-Shakes und täglichem Jogging geformter Körper steckt wie immer in Klamotten, die besser zu einem College-Studenten gepasst hätten. Böse Zungen würden behaupten, er versuche, jünger auszusehen, als er ist.

Ich habe keine böse Zunge. Vielleicht böse Gedanken, aber die behalte ich für mich.

Hinter ihm schlüpft eine groß gewachsene Blondine in die Wohnung, die meinen Mitbewohner selbst ohne ihre High Heels um fast einen Kopf überragen dürfte.

Ich komme mir ein bisschen vor wie Blofeld, James Bonds Erzfeind, während ich in meinem Sessel dem Eingang gegenübersitze und die zwei mustere. Nur dass ich meine Bierflasche an die Lippen setze, statt eine weiße Perserkatze zu streicheln.

»Ich habe Sie erwartet, Mr. Bond«, kann ich mir nicht verkneifen, zu sagen, als Owen mich angrinst.

»Bond? Ich dachte, du heißt Owen?«, fragt seine Begleitung mit quietschiger Stimme. Es klingt ein wenig, als würde man eine Kiste mit rostigen Scharnieren öffnen.

Rostig ist wohl auch ihr Hirn, den Witz hat sie zumindest nicht verstanden.

»Hallo, Sandy«, grüße ich und proste der Blondine zu.

Owens Eroberungen bekommen bei mir grundsätzlich Namen nach ihrer Haarfarbe. Alle blonden heißen Sandy, alle Brünetten Chantal und die Rothaarigen Foxy. Kreativ, ich weiß, aber da ich selten eine von ihnen zweimal sehe, lohnt es nicht, sich ihre echten Namen zu merken.

Sandy sieht mich noch irritierter an als zuvor, doch bevor sie nachfragen kann, wen ich damit meine, wende ich mich an Owen.

»Ihr seid früh dran«, meine ich mit einem Blick auf meine imaginäre Armbanduhr. »Ist die Party schon vorbei, auf die du wolltest?«

»Nee …« Sein Grinsen wird noch breiter. »Daisy und ich wollen uns gerade dafür fertig machen. Ich will noch mal duschen, bevor wir losziehen.« Er zwinkert mir zu und die Frau hinter ihm kichert.

Daisy also – na ja, da kann ich auch bei Sandy bleiben.

Owen zieht sie weiter in die Wohnung hinein und schiebt sie am Fernseher vorbei in Richtung Badezimmer. »Geh schon mal vor, Babe, ich bin sofort bei dir«, schnorrt er ihr ins Ohr, was ihr abermals dieses aufgesetzte Kichern entlockt.

Sie wirft mir einen kurzen Blick zu, der mir zeigt, dass es ihr peinlich ist, dass ich hier im Wohnzimmer sitze, während sie gleich mit gespreizten Beinen unter unserer Dusche stehen wird. Dann schüttelt sie diese Hemmung jedoch ab und verschwindet im Bad.

»Heißes Teil, oder?« Owen wackelt mit den dichten Brauen und funkelt mich mit seinen grünen Augen verschwörerisch an.

»Wenn man auf viel Möpse statt Hirn steht, bestimmt …«, erwidere ich abwertend, richte meine Aufmerksamkeit wieder auf den Fernseher und schalte durch die Programme, als würde mich die Anwesenheit meines Freundes und dieser Püppi überhaupt nicht interessieren.

Einerseits tut es das auch nicht, nichts läge mir ferner, als so eine Möchtegern-Grazie abzuschleppen. Andererseits bin ich auch nur ein Mann und komme nicht umhin, mir vorzustellen, wie sie in ebendiesem Augenblick aus ihrem schwarzen Röckchen und der grünen Bluse schlüpft … Kann es sein, dass die Zimmertemperatur gerade steigt?!

»Nicht neidisch sein, Tony«, meint Owen und wirft etwas auf meinen Schoß. »Dir hab ich auch was mitgebracht.«

Ich unterdrücke ein Zischen, als etwas auf meinem Halbsteifen landet. So ein Arsch, da hat er doch mit Absicht hingezielt!

Er geht zum Badezimmer und schlüpft ohne anzuklopfen hinein. Ein gespielter Aufschrei des Entsetzens ertönt, gefolgt von Owens kehligem Brummen, das ich schon so oft gehört habe.

Die Wände sind wirklich viel zu dünn. Aber ich weiß jetzt, dass ich mit meiner Vorstellung von dem, was Sandy da drinnen tut, vermutlich richtiggelegen habe.

Während im Badezimmer die Dusche angeht und sich die Geräusche paarungswilliger Tiere mit dem Plätschern von Wasser vermengen, betrachte ich den Gegenstand auf meinem Schoß.

Es ist eine Zeitung, genauer gesagt der Teil mit den Stellenanzeigen aus dem ›Daily Express‹. Ich überfliege die Angebote, bis mein Blick auf eines fällt, das Owen mit rotem Lippenstift eingekreist hat.

Eine Event-Agentur sucht Verstärkung für ihr Team zur Verbesserung ihres Online-Auftrittes. Gutes Gehalt, flexible Arbeitszeiten und ein angenehmes Klima werden versprochen. Kenntnisse im Online-Marketing, Programmierung und texterische Fertigkeiten sind Voraussetzung.

Ich ahne, was mein werter Herr Mitbewohner vorhat. Wir sollen uns gemeinsam auf diese Stelle bewerben. Ihm dürfte es als studierter Journalist kaum schwerfallen, ein paar hübsche Texte zu verfassen, noch dazu, wenn es um Partys und Sex geht.

Websites zu erstellen und diese suchmaschinentauglich zu gestalten, ist wiederum für mich so einfach wie das Umschalten von Fernsehprogrammen – allerdings auch genauso langweilig.

Noch dazu würde es bedeuten, dass ich mindestens doppelt so viel Arbeit haben würde wie er, den Lohn würde Owen aber mit Sicherheit Hälfte-Hälfte aufteilen. Ich kenne ihn doch …

Nichts da, Kumpel!

Ich schütte den letzten Rest des Bieres in mich hinein und springe auf. Eine Sekunde brauche ich, um mich zu fangen – ich vertrage echt keinen Alkohol! Dann gehe ich mit großen Schritten auf die Badezimmertür zu.

Ein gekeuchtes »Ohhh-Ohhhhwen« lässt mich kurz innehalten.

Manchmal frage ich mich, ob mein Mitbewohner wirklich so heißt oder sich selbst diesen Namen gegeben hat, weil er sich von Frauen besonders gut stöhnen lässt.

Ich atme tief durch, wappne mich für den gleich folgenden Anblick und reiße die Tür auf.

Warmer Wasserdampf drängt mir entgegen und es dauert einen Moment, bis ich in dem stickigen, fensterlosen Raum etwas erkennen kann.

Owen und Sandy stehen tatsächlich unter der Dusche. Beide nackt, versteht sich.

Ein kindlicher Verstand würde meinen, die Blondine hätte etwas verloren und Owen würde sie freundlicherweise am Becken festhalten, während sie danach sucht. Aber tatsächlich nimmt er sie gerade ordentlich von hinten, während sie sich an der gläsernen Duschwand abstützt.

Ja, sie hat wirklich so viel Busen, wie es ihr an Hirn fehlt. Und ich bin in diesem Moment echt neidisch auf Owen, wie mir der plötzlich schwindende Platz in meiner Hose suggeriert.

Die beiden haben mein Eintreten nicht bemerkt oder es ist ihnen schlichtweg egal, denn Sandy stöhnt unverhohlen auf, als Owen noch zweimal kräftig in sie hineinstößt.

Okay, das reicht. Ich bin zwar nicht prüde, aber Owen zuzusehen, wie er mit seiner läufigen Hündin spielt, bringt mich doch an eine gewisse Grenze.

»Alter, das ist nicht dein Ernst?!«, unterbreche ich die beiden mit barscher Stimme.

Sandy quietscht überrascht auf und will sich aufrichten. Owen lacht jedoch nur und macht keine Anstalten, sich aus ihr zurückzuziehen oder sie loszulassen.

»Willst du mitmachen, Tony?«, fragt er herausfordernd.

Auch Sandy hat den ersten Schreck überwunden und grinst mich schief an.

»Weder bei dem einen noch bei dem anderen«, erwidere ich kühl und halte die Zeitung in die Luft. »Glaub ja nicht, dass ich den Wordpress-Affen für irgend so eine Schmuddelagentur mime, damit du eine Plattform bekommst, um dich über all deine Abenteuer auszulassen.«

Owen lacht erneut. »Alter, das ist eine Event-Agentur, kein Escortservice!«

Hups …

»Also nur die Partys. Reicht ja auch«, grummle ich zurück.

»Ach komm schon, lass uns doch mal unverbindlich anhören, was genau die suchen, und vor allem, was sie zahlen. Ich wette, da verdienst du mit weniger Arbeit viel mehr als bei diesen blöden Abrechnungsdingern, die du sonst machst. Und es kommt regelmäßig Geld rein, was wollen wir mehr?«

»Ich würde gern endlich einen Orgasmus haben«, wirft Sandy ein. »Also entweder kommst du her und machst mit oder du verschwindest.« Dabei sieht sie mir unverhohlen auf den Schritt und fährt sich mit der Zunge über die Lippen.

Okay, nun wird mir die ganze Situation doch peinlich. Ich spüre, wie mein Kopf heiß wird, und bin mir sicher, dass meine Ohren so rot glühen wie die untergehende Sonne.

Welcher Teufel hat mich geritten, einfach so hier reinzuplatzen? Diese Diskussion hätte wirklich warten können, bis Sandy ihr finales ›Ohhhhhweeeeeeeen‹ gebrüllt hat … Verdammter Alkohol!

»Vergiss das hier einfach«, sage ich kurz an Owen gewandt und werfe die Zeitung auf den bereits feuchten Fliesenboden.

»Tony, komm schon«, bettelt Owen, als ich mich bereits umdrehe und das Bad verlasse.

»Lass ihn doch«, säuselt Sandy. »Reicht doch, wenn ich für dich komme.«

Als ich die Tür hinter mir zuziehe, schüttle ich mich. Ob ich dieses Bild jemals wieder aus dem Kopf bekomme, ist fraglich.

»Ich brauche dringend einen Therapeuten«, murmle ich und gehe zum Kühlschrank.

»Hallo, Dr. Budweiser, mein Name ist Anthony, ich bin einunddreißig, Single und habe gerade meinem Mitbewohner dabei zugesehen, wie er es einer Blondine, die mich zu einem Dreier eingeladen hat, unter der Dusche besorgt.«

Ich bekomme ein Zischen zur Antwort, als ich den Verschluss der Bierflasche öffne.

»Wie nett, dass Sie mir helfen werden, diesen Anblick zu vergessen«, bedanke ich mich bei meinem Getränk und nehme einen großen Schluck, ehe ich mich in mein Zimmer zurückziehe, begleitet von einem lauten »Oh-Oh-Owen«.

Kapitel 3 – Liz

 

Ich wippe nervös auf meinem Schreibtischstuhl hin und her. Diesmal werde ich der Versuchung nicht nachgeben. Nein, ich werde stark bleiben. Ich kann das. Ich …

Ach verdammt, wem mache ich etwas vor? Natürlich werde ich nicht widerstehen können, also kann ich mir die nächsten fünf Minuten voller Willenskraft auch sparen und die Lade öffnen, um die Verpackung rauszuholen und meinem Verlangen nachzugeben.

Genau das mache ich auch. Ich ziehe die Schreibtischschublade auf und hole eine Schachtel Gummis raus. Auf diese Süßigkeit habe ich aber heute keine Lust, ich will die Trüffelpralinen, die ich mir nur bei besonders schweren Anrufen erlaube. Und einen solchen hatte ich gerade.

Seit Wochen suchen wir einen Webdesigner, der unsere etwas überholungsbedürftige Website in Schuss bringt. Aber bisher waren nur Luschen dabei, die keine selbstständigen Texte zustande brachten oder deren Designs so grottenschlecht waren, dass ich wirklich überlegte, ein Kindergartenkind statt sie mit dem Auftrag zu betrauen.

Ich öffne die Pralinenschachtel und seufze beglückt, als der Duft nach edler Schokolade aufsteigt. Das ist wirklich mein einziges Laster. Ich nasche gern. Süßes und Männer.

Während die erste Praline in meinem Mund schmilzt und sich der reichhaltige Geschmack nach Kakao und Whiskey auf meiner Zunge ausbreitet, versuche ich, das Gespräch von vorhin zu vergessen. Immerhin hat dieser Kandidat noch nicht einmal meinen Namen aussprechen können. Ich heiße Elizabeth Johnston. Nicht Bronston. Wenn man sich bei einer Agentur bewirbt, die ›Johnston & Martin‹ heißt, sollte man die Namen der beiden Chefinnen kennen und aussprechen können.

Da war das Gespräch eigentlich schon gelaufen, aber der Kerl musste noch einen draufsetzen und mir erklären, wie ich mein Geschäft zu leiten hätte. Ich sollte doch Sexpartys ins Programm aufnehmen, das wäre der Hit.

Ich bin keine Zuhälterin! Es gibt Grenzen. Als er mir dann auch noch ein Angebot gemacht hat, von wegen, ich könne ihn ja anders bezahlen, wenn ich mir seine Dienste nicht leisten kann, habe ich mit meinem Anwalt gedroht.

Ich seufze erneut, als ich mir die zweite Praline gönne. Schokolade versteht mich einfach.

Eigentlich sollte ich mich längst auf den heutigen Abend vorbereiten. Die Eröffnungsfeier für eine Zweigniederlassung einer bekannten Luxusmöbelkette steht an. Es ist der Abschluss für diesen Auftrag und damit breche ich keine meiner eigenen Regeln mehr, wenn ich …

»Liz?« Cynthia klopft, öffnet die Tür einen Spalt und tritt ein, ohne auf meine Antwort zu warten. Als ihr Blick auf mich fällt, hebt sie eine ihrer viel zu perfekten Augenbrauen und mustert die Pralinenpackung vor mir. »Ich hatte eigentlich erwartet, dass du bereits die Unterwäsche für heute Abend probierst.«

»Deswegen bist du ohne Aufforderung reingekommen?«, ziehe ich sie auf und halte ihr die Pralinen vor die Nase.

Sie setzt sich, greift zu und hebt einen Mundwinkel. »Na ja, heute ist doch der Abend, an dem du dich mit unserem Auftraggeber vergnügen willst, oder?«

»Ach, war das so offensichtlich?« Ich schmunzle und rufe mir das Bild von Tiziano Salvini vor Augen.

Er ist Halb-Italiener, stammt angeblich aus altem Adel in Europa. In den USA hat er sich durch seine exquisiten Möbelstücke, die in einer kleinen Manufaktur hergestellt werden, einen Namen gemacht. Der Mann sieht verboten gut aus mit seinem dunklen Teint, den mokkafarbenen Haaren und diesen unnatürlich blauen Augen. Dass er ein Playboy ist, weiß ich, so wie er wissen sollte, dass auch ich nichts anbrennen lasse.

Der Balztanz, den wir die letzten Monate umeinander aufgeführt haben, lässt aber nur einen Schluss zu: Wir sind aneinander nicht nur beruflich interessiert. Allerdings habe ich eine Regel: Ich schlafe mit Kunden erst, wenn der Auftrag abgeschlossen ist. Was heute der Fall wäre.

»Hörst du mir eigentlich zu?«, reißt Cyn mich aus meinen Gedanken. »Oder überlegst du gerade, wie du es Tiziano gleich vor den Cocktails besorgen kannst?«

Ich winke ab. »Ich mache so etwas immer spontan.«

»Wer’s glaubt«, hustet Cyn. »Wie auch immer. Ich habe hier eine neue Bewerbung auf unsere Anzeige im ›Daily Express‹.«

Ich stöhne und stopfe mir noch eine Praline in den Mund. »Muss das sein? Ich habe gerade ein höchst nervtötendes Gespräch geführt.«

»Ja, das hat man im ganzen Haus gehört.«

»Du übertreibst«, brumme ich, frage mich aber gedanklich, wie laut ich wirklich geworden bin und wie viel man von meiner Drohung, dem Typen erst meinen Anwalt und anschließend meinen Tierarzt zur Kastration auf den Hals zu hetzen, wohl verstanden hat. »Warum muss ich mich eigentlich um alle Bewerber kümmern? Ich habe genug mit dem Event heute und den Reservierungen für die ganzen Weihnachtslocations zu tun.«

»Es ist April.« Meine Geschäftspartnerin rollt mit den Augen, was mich auf die Palme bringt.

»Die besten Locations sind kurz nach Weihnachten bereits für das Folgejahr ausgebucht, Cyn. Das weißt du so gut wie ich. Ich grase gerade alles ab, was wir noch bekommen können.«

»Dann sieh dir diese Bewerbung an und falls sie dir zusagt, kann ich mich ja mit den Herren treffen.«

Bei dem Plural werde ich hellhörig. »Herren?«, hake ich nach.

»Ja, sie bewerben sich zu zweit.« Cyn wirft mir die Akte hin.

Ich hebe sie auf und kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Wer auch immer diese Bewerbungsfotos gemacht hat, hat eine strahlende Karriere als Polizeifotograf vor sich. Wie kann jemand auf Fotos so unvorteilhaft getroffen sein?

Mein Blick schweift über den Lebenslauf von einem Owen Sanders. Mit den braunen Locken, die wild in alle Richtungen stehen, erinnert er mich an diese Figur aus der Fernsehserie ›Die Simpsons‹, die ich als Kind gern gesehen habe. Obwohl die Figur rote Haare hatte. Egal. Er ist jedenfalls nicht ernst zu nehmen, obwohl dieser Blick schon etwas hat. Offenbar hat er Journalismus studiert, also sollte er mit Worten umgehen können. Das Anschreiben, das fehlerlos und wirklich kreativ ist, stammt vermutlich aus seiner Feder. Gut, schreiben kann er.

Der zweite Lebenslauf gehört einem Anthony Evans. Seine schwarzen Haare sind dicht und kurz, seine blauen Augen wirken müde. Überhaupt sieht er aus, als hätte man ihn zu dem Foto gezwungen. Er hat wohl Informatik studiert, aber bisher keine großartigen Erfahrungen gesammelt. Ebenso wenig wie Owen Sanders.

Ich schlage die Mappe zu und sehe Cyn an, bevor ich ihr die Unterlagen zurückgebe. »Ehrlich, das sind zwei ewige Studenten! Die sind älter als wir und haben kaum Erfahrung in ihren Berufen gemacht.«

»Deswegen müssen sie nicht schlecht sein«, wirft meine Partnerin ein und schnappt sich noch eine Praline. »Das Anschreiben war wirklich kreativ und die Referenzen, die sie angegeben haben, stimmen. Außerdem brauchen wir dringend Hilfe und ich denke, die beiden könnte man sich zurechtbiegen.«

Ich schnaube, nehme mir die letzte Praline und werfe die Packung in den Mülleimer. Ich muss mir dringend mehr Schokolade besorgen. Gleich nachdem ich eine Stunde auf dem Laufband verbracht habe, um diese hier abzutrainieren.

»Lass sie uns doch ansehen, Liz. Was kann schon passieren?« Cyn schiebt ihre Unterlippe vor. Das macht sie immer, wenn sie mit Argumenten nicht gegen mich ankommt. Weil ich dann Schwierigkeiten habe, ihr etwas abzuschlagen.

»Du kannst sie dir ja gern einladen«, brumme ich, weil ich wirklich keine Lust habe, diese zwei Loser zu treffen. »Ich denke, die beiden glauben, wir führen einen Escortservice und suchen den schnellen Spaß mit unseren Angestellten.«

»Klingt in der Bewerbung nicht so. Außerdem sind sie süß. Einer für dich, einer für mich?« Meine Geschäftspartnerin zwinkert.

»Oh bitte, was fange ich mit denen an?« Genervt hebe ich meine Hände und lasse sie wieder auf den Tisch knallen. »Ich brauche nicht noch einen Tim in meinem Leben.«

Cyn hebt verwirrt eine Augenbraue. »Du meinst Jim, richtig? Der Kerl, den du letzte Woche abserviert hast …«

»Jim, genau, Jim. Wieso merke ich mir den Namen nicht?«

Sie zuckt mit den Schultern. »Ist vielleicht ohnehin besser, wenn du mit keinem von denen was anfängst. Immerhin arbeiten sie dann für uns.«

»Na, wir waren uns doch einig, vorläufig nur einen Beratervertrag zu vergeben, bis wir sicher sind, dass die Person zu uns passt.«

»Richtig, Berater können wir ja vögeln, nicht wahr?« Cyn zwinkert und steht auf. »Möglicherweise ist ja einer von ihnen der eine, mit dem du deine Wette antreten willst? Den Italiener heute Abend legst du ja flach, damit ist er schon mal kein Wettmaterial.«

»Das wäre er sowieso nicht«, erwidere ich.

Tiziano mag vieles sein, aber kein Beziehungstyp. Wobei, es könnte einfacher mit ihm werden, da er nie da sein wird. Allerdings will ich mir diese Nacht voller Leidenschaft nicht entgehen lassen. Nach den vier Wochen mit Jim-Tim brauche ich dringend richtig guten Sex mit einem Mann.

»Ich rufe diesen Owen Sanders jetzt an und vereinbare einen Termin für heute Abend«, verkündet Cyn und bevor ich sie anschnauzen kann, dass ich an diesem Abend beschäftigt bin, hebt sie die Hände. »Ich treffe sie allein. Zu einem Cocktail. Klopfe sie ab. Und wenn ich zustimme, wirst du ihnen eine Chance geben?«