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ISBN 978-3-86191-200-2

Inhalt

Einleitung

1: Ist Liebe nur ein Gefühl?

2: Liebe – die Begegnung mit dem Geheimnis des „Du“

3: Meine Frau / mein Mann gehört mir!

4: Liebe und Angst

5: Ich liebe mich selbst im Anderen

6: Liebe und Eifersucht

7: Vergleichen tötet die Liebe

8: Liebe und Freiheit

9: Braucht die Liebe eine feste Partnerschaft?

10: Liebe und Sex

11: Lieben im Alltag

12: Wer liebt, hat mehr vom Leben

Einleitung

Ein Buch über die Liebe zu schreiben, ist die einfachste Sache der Welt. Ein Buch über die Liebe zu schreiben, das kann doch jeder. Warum sollte dann den vielen, die bereits existieren, noch ein weiteres hinzugefügt werden?

Jede Frau weiß heutzutage, dass sie von der Venus und die Männer vom Mars kommen. Das ist doch schon einmal hilfreich! Außerdem hat sie gelernt, dass sie sich nur selbst zu lieben braucht, dann ist es völlig egal, wen sie heiratet. Gut zu wissen! Falls sie dennoch in ihrem Gefühlsleben nicht ganz zurechtkommt, dann sollte sie sich einfach vor Augen halten, dass Liebe ein unordentliches Gefühl ist. Das bringt doch wieder Ordnung in ihr Leben! Wenn sie trotzdem nach der Affäre mit dem Mann ihrer besten Freundin ein Anflug von schlechtem Gewissen plagt, dann sollte sie sich in Erinnerung rufen, dass selbst die bis dahin als vorbildlich monogam geltenden Bergfeldmäuse inzwischen zu Seitensprüngen neigen. Das hilft doch nun sicher weiter! Zumindest muss es Hunderttausenden weitergeholfen haben, sonst könnten bestimmte Bücher nicht monatelang auf den Bestsellerlisten gestanden haben. Jetzt fehlt nur noch der kleine Ratgeber mit den „21 Glücksregeln für die Liebe“ – und dann kann im Beziehungsleben nichts mehr schiefgehen.

Sie haben alle diese Meilensteine der Liebesfachliteratur gelesen? Und Sie sind immer noch unglücklich? Sie haben immer noch nicht verstanden, was es mit der Liebe wirklich auf sich hat? Sie stehen immer noch vor einem Mysterium, das für Sie immer geheimnisvoller wird, je älter Sie werden? Wunderbar! Es geht Ihnen wie mir! Lassen Sie sich von den „Alleserklärern“ nicht die Freude am Entdecken eines unendlichen Geheimnisses nehmen!

Natürlich wollen wir alle glücklich sein. Und natürlich glauben wir alle, dass wir glücklich sein werden, wenn wir die „große Liebe“ gefunden haben. Aber was ist Glück wirklich? Was ist „wahre Liebe“? Vielleicht müssen wir uns auf eine kleine Entdeckungsreise begeben, um Antworten auf diese Fragen zu finden. Fragen, die uns alle mehr oder weniger jeden Tag berühren. Nichts beschäftigt die Menschen mehr und intensiver als die Problematik ihrer Beziehungen. Von der Wiege bis zur Bahre stehen wir in Beziehungen – liebevollen und nicht-liebevollen.

Die Reise zur Erkundung des geheimnisvollen Wesens der Liebe ist lang, abenteuerlich und führt selten auf geraden Straßen. Sie erstreckt sich über gewundene Pfade, durch stacheliges Unterholz, an sonnigen Sandstränden vorbei und verschwindet manchmal in dunklen Höhlen. Aber sie ist eines nahezu nie – langweilig. Wenn Sie mögen, begleiten Sie mich auf dieser Reise, von der auch ich nicht weiß, wo sie enden wird. Ich glaube aber, wir werden gemeinsam eine interessante Zeit verbringen!

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Ist Liebe nur ein Gefühl?

Wenn man bedenkt, dass eine Beziehungsgeschichte (Adam und Eva) uns aus dem Paradies vertrieben, eine Liebesaffäre (Paris und Helena) den Trojanischen Krieg ausgelöst hat und aus ‘Liebe’ zahllose Menschen sich selbst oder andere umgebracht haben, dann scheint eines unbestreitbar – Liebe muss ein sehr starkes Gefühl sein!

Um dieses „Gefühl Liebe“ zu verstehen, müssen wir versuchen, uns grundsätzlich die Natur von Gefühlen zu verdeutlichen. Stellen Sie sich vor, an einem wunderschönen Tag in der Natur auf einer idyllisch gelegenen Bank zu sitzen. Sie beobachten, wie allmählich die Sonne über einer kleinen Hügelkette in orange-goldenem Glanz versinkt. Was empfinden Sie? Was fühlen Sie angesichts der untergehenden Sonne, die ihre letzten wärmenden Strahlen auf Sie ausgießt und alles in einen zauberhaften Lichtglanz hüllt. Sie sind geborgen in einem Meer aus Farben und Licht.

Versuchen Sie einmal, in einer solchen Situation innezuhalten und gleichsam die Zeit stillstehen zu lassen. Können Sie in einem Moment von Zeitlosigkeit den natürlichen Prozess – die Erde dreht sich um die Sonne – vergessen und ganz „eins“ werden mit dem Augenblick des Sonnenunterganges? Ist dieses Gefühl ein Erleben im JETZT oder noch ein vergängliches Geschehen in der Zeit? Ist es wirklich noch ein Gefühl oder schon ein SEINSZustand? Würden Sie sich selbst beim Eintauchen in die letzten Strahlen der Abendsonne sagen: „So fühle ich“ oder „So bin ich?“

Sie werden erahnen, dass diese kleine Geschichte natürlich nur als Analogie gedacht ist. Die Sonne steht gleichnishaft für die Liebe. Wenn wir die Liebe einmal – als Gedankenspiel – mit der Sonne gleichsetzen, dann können wir sagen, dass die Sonne unverzichtbarer Teil unseres Lebens ist. Ohne die Sonne gäbe es kein Leben auf Erden. Die Sonne umgibt uns stets und überall – selbst wenn sie sich hinter den Wolken verbirgt. Die Sonne erfüllt ihre ‘kosmische’ Funktion, ohne dass wir als Menschen den geringsten Einfluss darauf haben oder gar etwas dafür tun müssen. Sie scheint einfach und spendet Lebenskraft. Auch wenn wir mit unseren Gedanken und Gefühlen vollständig abgelenkt sind, geht die Sonne auf und unter – ohne das geringste Dazutun von unserer Seite. Alles geschieht einfach und vollkommen natürlich. Könnte es mit der Liebe nicht genauso sein?

Gehört die Liebe zu unserem Leben nicht so natürlich wie die Sonne? Umgibt sie uns nicht stets und überall – selbst wenn sie sich ‘hinter den Wolken’ verbirgt? Enthüllt die Liebe ihren Glanz nicht immer und immer wieder – ohne das geringste Dazutun von unserer Seite? Die Liebe ereignet sich einfach und vollkommen natürlich!

Gehen wir noch einen Schritt weiter. Jeder Mensch weiß, dass die Sonne für sein Überleben von existenzieller Bedeutung ist. Die Sonne ist die universelle Lebensquelle. Die Sonne geht auf und unter. Die Sonne zieht ihre Bahn, ohne wirklich beachtet zu werden. Die Menschen freuen sich zweifellos über einen schönen Tag, aber wer kommt auf die Idee, der Sonne für ihre ‘Arbeit zu danken? Was würde geschehen, wenn der Mensch jeden Tag die Sonne für den einen oder anderen Augenblick „bewusst“ wahrnehmen würde? Ihr eine stille Minute, ein kurzes Gebet oder ein achtsames Innehalten schenkte? Der Mensch würde sich in diesen Momenten der Stille eingehüllt in etwas Größeres fühlen. Er empfände eine Geborgenheit in einem kosmischen Ganzen.

Und wie ist es mit der Liebe? Ist die Liebe nicht ebenfalls immer gegenwärtig, gleichgültig ob wir sie bewusst wahrnehmen oder gar nicht beachten? Die Liebe wird nicht jeden Morgen neu erfunden, ebensowenig wie die Sonne. So wie die Sonne weiterexistiert, auch wenn sie ‘untergegangen’ ist, so existiert auch die Liebe weiter, selbst wenn sie im Herzen des einen oder anderen Menschen ‘untergegangen’ ist.

Wir können die Liebe also bewusst beachten oder unachtsam vernachlässigen. Auf die Liebe selbst hat dies nicht den geringsten Einfluss. Wohl aber auf uns! In oder mit der Liebe zu leben, gleicht einem Leben in oder mit der Sonne – oder einem Dasein im Schatten. Da die Sonne und die Liebe immer SIND, ist es ausschließlich eine Frage des Bewusstseins. Das zeigt sich auch im Sprechen über die Liebe. Ein Mystiker würde sagen: „Alles ist Liebe und wir sind immer in ihr geborgen.“ Ein Esoteriker würde etwas abgehoben erklären: „Öffne Dein Herz und schon spürst Du die Energie der Liebe.“ Ein Psychologe würde in seiner Sprache darauf hinweisen: „Überwinden Sie Ihren Schatten und Ihre unbewussten Blockaden – und die Liebe wird sich zeigen.“ Nur der Wissenschaftler bliebe wahrscheinlich eine Antwort auf die Frage nach der Liebe schuldig; denn er hat sie noch mit keinem Instrument messen können und daher keine mathematische Formel parat. Aber vielleicht hat er ja als Mensch schon etwas in seinem Inneren gespürt, das ihn erahnen lässt: „Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als die Schulweisheit zu verkünden weiß!“

LIEBE – seit dem Anbeginn der Zeiten beschäftigt sich die Menschheit mit diesem Thema. Die Bibliotheken in allen Ländern waren und sind voll von klugen und weniger klugen Büchern über dieses Thema. Was bewegt die Menschen und treibt sie an, sich so intensiv mit dem Thema „Liebe“ zu befassen? Geht es wirklich nur darum, ein einfaches Gefühl zu verstehen, oder geht es vielleicht um mehr? Um etwas viel Tieferes, Existenzielleres, Wesentlicheres?

Versuchen wir, der Liebe in den konkreten Situationen des Alltagslebens auf die Spur zu kommen. Wie zeigt sich das, was die Menschen mit „Liebe“ umschreiben, in ihrer Alltagswirklichkeit? Da findet sich eine riesige Bandbreite von Gefühlen und Empfindungen, eine bunte Palette, von leuchtenden Farben bis hin zu den depressivsten Grautönen. Wer gerade glücklich verliebt ist, schwebt auf einer Welle der Begeisterung und Glückseligkeit. (Wobei zu fragen wäre, was das „ver“ im Wort verliebt eigentlich meint!) Wer dagegen von einem Menschen, zu dem er in Liebe entbrannt ist, gerade ein „Nein“ bekommen hat, der schwankt vielleicht zwischen Enttäuschung, Frustration und blanker Wut.

Ver-liebte Menschen sehen bekanntlich alles rosarot. Das Leben ist voller Sonnenschein und jeder Tag mit dem geliebten Menschen ist perfekt, vollkommen und einfach himmlisch. Die Faszination des Verliebt-Seins liegt gerade darin, die Realität nicht als Realität wahrzunehmen, sondern von einem süßen Schleier umgeben. Dieser Schleier gaukelt den Verliebten eine andere Wirklichkeit vor, die schöner und unbeschwerter als die tatsächliche Welt ist. Eine wunderschöne Erfahrung! Ein wirkliches Hochgefühl! Aber warum bleibt es nicht? Der Schleier verblasst irgendwann. Das Hochgefühl verschwindet. Und was bleibt? Die Sehnsucht und daher die Suche nach diesem „Kick“. Es ist wie eine Droge, nach der die gesamte Menschheit sich zu sehnen scheint. Aber Drogen haben bekanntlich nicht unerhebliche Nebenwirkungen.

In dem Wort „ver“liebt sein wird auf seltsam deutliche Weise zum Ausdruck gebracht, dass mit der Liebe irgendetwas geschehen ist, was ihr wahres Wesen entstellt. Das „ver“ drückt in der Regel immer eine Entstellung, eine Unordnung aus: Ver-wirrt, ver-letzt, ver-fahren, ver-dorben, ver-fallen, ver-gehen – um nur einige Worte zu nennen. Es scheint ein Gesetz der Natur zu sein, dass sie danach trachtet, diese Unordnung wieder in eine neue Ordnung zu überführen. Das kann mitunter schmerzhaft sein. Im Fall der Liebe geschieht dies etwa, wenn die Verliebten von ihrer rosaroten Wolke herunterpurzeln. Der Geliebte oder die Geliebte erweist sich nach einiger Zeit plötzlich als ganz normaler Mensch, mit ganz normalen Schwächen. Der Alltag kehrt wieder ein. Die Realität hat den Traum eingeholt. Und die Liebe? Ist sie damit verschwunden? War sie nur eine schöne Illusion? War sie nur der beschriebene „Kick“, der das alltägliche Grau für Momente aufgehellt hat?

Wenn diese Situation eingetreten ist, beginnt ein wichtiger Prozess. Oder vielleicht sollte man zutreffender sagen, in dieser Situation kann ein wichtiger Prozess beginnen. Es ist jener Prozess, in dem herauszufinden ist, worin der Unterschied zwischen Verliebtheit und Liebe besteht. Das nächste Kapitel wird sich diesem Geschehen noch vertieft widmen. Hier gilt es festzuhalten, dass in fast allen Fällen nach der Phase der Verliebtheit ein schmerzhafter Moment der Ernüchterung eintritt. Das geliebte Gegenüber, das „Objekt der Vergötterung“, ist aus dem Olymp herab auf die Erde gestürzt, was für beide Beteiligte mit einem heftigen Aufprall verbunden ist. Leider tritt nun etwas ein, was den wichtigen Prozess der Bewusstwerdung von Liebe im Gegensatz zum Verliebtsein verhindert: Die Schuldzuweisung. Der aus seiner himmelhoch jauchzenden Verliebtheit Gerissene kommt nur in den seltensten Fällen auf die Idee, einmal bei sich selbst nachzuschauen, was in ihm vorgegangen ist. Stattdessen sucht er die ‘Schuld’ für seine Enttäuschung, seine Ernüchterung beim vor kurzem noch so über alle Maßen geliebten Gegenüber. Dieses hat die in es gesetzten Erwartungen nicht erfüllt und ist somit schuld an der so schmerzhaften Ernüchterung. Wieso kommt eigentlich niemand auf die Idee, sich zu hinterfragen, ob der Irrtum vielleicht im eigenen Bewusstsein liegt? Vielleicht ist das Gegenüber noch immer dieselbe/derselbe wie zuvor, nur die Wahrnehmung ist eine andere geworden.

Dieser kritische Punkt in einer Beziehung ist gleichsam die Grenzscheide zwischen „emotionaler“ und „wahrer“ Liebe. Hier müsste ein Erkenntnisprozess einsetzen, inwiefern man den Anderen als „sie selbst“ oder „ihn selbst“ gesehen hat und inwieweit er nur das Objekt der eigenen Projektionen war. Wenn dieser Schritt vollzogen wird, fallen übergangslos alle Schuldzuweisungen in sich zusammen. Das Gegenüber wird dann nicht mehr als Gegenstand des eigenen Verliebtseins betrachtet, sondern als geliebter Mensch. Verdeutlichend möchte man hier hinzufügen: Nur dann! Wenn keine Rückbesinnung auf die eigenen Projektionen erfolgt, bleibt der von seinem einstigen Versliebtsein Enttäuschte in seiner illusionären Wirklichkeit zurück. Mit der Konsequenz, dass er sich sofort auf die Suche nach einem neuen „Objekt“ begibt, mit dem sich der gleiche Kreislauf wiederholt.

Es könnte, beim Blick auf dieses seltsame Geschehen, der Verdacht aufkeimen, hier einem Trick der Natur auf die Spur gekommen zu sein. Möglicherweise ereignet sich an dieser Grenzscheide die Konfrontation zwischen Biologie und Bewusstsein. Hier stoßen eventuell der Fortpflanzungsimpuls und die Willensfreiheit aneinander. Wer nicht lernt, aus einem wachen Bewusstsein heraus über seine Beziehungen zu reflektieren, der unterliegt weiterhin der biologischen Dynamik. Er wird gleichsam von der universellen Evolution fremdbestimmt. Er treibt im Strom des Lebens und versäumt es, selbst zum Steuermann/zur Steuerfrau seines Lebens zu werden.

Die Kräfte der Fortpflanzung sind von der Evolution geschickt gewählt. Vielleicht war das auch notwendig, um den Fortbestand der Menschheit zu sichern. Doch inzwischen ist der evolutive Prozess möglicherweise an einem Punkt angelangt, wo die Entscheidung über den eigenen Lebensweg nicht mehr unbewussten Triebkräften überlassen werden muss, sondern frei und selbstbestimmt getroffen werden kann. Dies sagen auch die Schriften der großen Weisen und Seher der Neuzeit aus. Wir stehen vielleicht an der Schwelle zu einem „neuen Menschen“. Dieser wird Liebe in einer ganz neuen, reiferen Form zu leben vermögen. Er wird nicht mehr der Illusion des „Verliebtseins“ anheimfallen, sondern lernen, im Gegenüber ein „Du“ zu erschauen und es nicht mehr als Gegenstand der eigenen „Ich-Will-Projektion“ zu missbrauchen. Damit erspart sich der Mensch die Phase der Ent-täuschung, die ja nur eintreten kann, wenn man sich vorher über das Wesen des geliebten Menschen ge-täuscht hat.

Die Erfahrung von Liebe, in ihrer kreativen Kraft und ihrer inspirierenden Lebensenergie, wird dann auf einer höheren Stufe erfahren. Der geliebte Partner, die geliebte Partnerin wird dann nicht länger als Objekt wahrgenommen, sondern als gleichberechtigt gegenüberstehendes Subjekt. Zwischen zwei „Subjekten“ kommt es dann zu einem lebendigen, freien, verantwortungsbewussten und respektvollen Austausch. Die Liebe hat dann nicht mehr gleichsam „therapeutischen“ Charakter, um auf die eigenen unbearbeiteten Schattenseiten hinzuweisen oder die nicht erkannten Projektionen deutlich zu machen, sondern sie wird zu einer wahren, echten und tiefen BEGEGNUNG. Die Liebe zwischen zwei Menschen wird dann zu einer Liebe, weil der andere „da“ ist, nicht mehr zu einer Verliebtheit, weil der andere „so“ ist. Es geht um Annehmen, Vertrauen, Austausch und innere Berührung, nicht länger um Habenwollen, Besitz und Verlangen.

Es wäre nun zweifelsfrei illusorisch zu glauben, dieser tiefgreifende Schritt über die Grenzscheide zwischen Verliebtsein und wahrer Liebe ließe sich einfach, schnell und unproblematisch vollziehen. Gleichsam nach der Lektüre dieses Buches durch ein Gespräch oder ein Telefonat. Wir sprechen hier von einer Aufgabe, die möglicherweise ein Leben ausfüllen kann! Hier müssen uralte Rollenmodelle und jahrtausendealte, sich tief eingeprägt habende Traditionen überwunden werden. Hier geht es um existenzielle Ängste, um Eifersucht, um Zweifel, um Sicherheiten und Erwartungshaltungen. Jeder einzelne dieser Punkte ist schwergewichtig und erfordert hohe Achtsamkeit und Wachheit, wenn man ihn überwinden will.

Diese Herausforderungen wären leichter zu bewältigen, wenn die Gesellschaft ihre Bewältigung fördern würde. Doch leider ist weitgehend das Gegenteil der Fall. Die Medien aller Schattierungen stürzen sich mit Begeisterung auf das Phänomen des „Verliebtseins“. Jede neue Affäre wird breitgetreten. Die Artikel des „Wer mit wem“ erfreuen sich in den einschlägigen Publikationen oder TV-Magazinen hoher Einschaltquoten. Dadurch wird der Eindruck erweckt: „Verliebtsein ist in.“ Es gibt ein gutes Gefühl, verliebt zu sein. Verliebtsein ist cool! Um nicht das noch üblere „geil“ zu verwenden. Es scheint kaum jemandem aufzufallen, in welch hohem Maße hier eine Fremdbestimmung vorliegt. Vielleicht haben alle diese gesellschaftlichen Kräfte aber auch ein vehementes Eigeninteresse, große Teile der Gesellschaft in dieser Illusion verharren zu lassen. Wer in der illusionären Welt verbleibt, ist leicht zu manipulieren. Wer leicht zu manipulieren ist, gibt ein dankbares Objekt für den Kauf der eigenen Produkte ab. Und ‘Liebe’ – als Gefühl – ist in den modernen Gesellschaften schon lange zu einem Produkt verkommen.

Haben Sie einmal darauf geachtet, wie viele Artikel von „frisch verliebten Paaren“ auf Berichte über stabile, langfristige Partnerschaften kommen? Die Relation ist erschreckend! Verliebt zu sein, ist sexy und modern. Die Artikel darüber in Hochglanz-Magazinen gaukeln die Leichtigkeit des Seins und die angebliche Schönheit des Lebens vor. Eine verlockende Illusion für alle, die in einer strukturierten Gesellschaft nur ein Leben aus „zweiter Hand“ leben. Leider ist es gerade diese Illusion, welche die alten Strukturen der Unfreiheit und Täuschung zu zementieren hilft!

Es dürfte keine Schwarzmalerei sein, wenn hier die Vermutung ausgesprochen wird, dass wir in nicht ferner Zeit von der „Wissenschaft“ Präparate angeboten bekommen werden, in denen mittels bestimmter Hormone „Liebesgefühle“ künstlich hergestellt werden können. Gleichsam die Pille für das permanente Verliebtsein! Die moderne Gehirnforschung weiß viel über Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin, Serotonin oder den tiefgreifenden Einfluss von Endorphinen. Und sie weiß, wie man dieses Wissen vermarkten kann! Leider schenkt dieses Wissen keine Weisheit. Zu verstehen, wie der „Apparat Mensch“ funktioniert, heißt noch lange nicht, zu verstehen, was der Mensch in seinem Wesen ist. Starke Emotionen können aufrütteln, erschüttern, Glücksgefühle vorgaukeln oder Zufriedenheit vortäuschen. Über das Geheimnis von Liebe sagen sie gar nichts aus.