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1. Auflage 2017

© 2017 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86 D-80636 München Tel.: 089 651285-0 Fax: 089 652096

© der Originalausgabe 2016 by Spartan Race, Inc. All rights reserved.

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2016 bei Houghton Mifflin Harcourt unter dem Titel Spartan Fit!

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Nicole Luzar

Redaktion: Simone Nörling

Umschlaggestaltung: Karen Schmidt

Umschlagabbildung: picture alliance / Westend61

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN Print 978-3-7423-0114-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-95971-534-8

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95971-533-1

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Den alten Spartanern gewidmet.

Für moderne Spartaner geschrieben.

INHALT

Prolog: Geknebelt und gefesselt

1 So gelangst du an den Start

2 Die Legende von Sparta

3 Agoge 2.0

4 Wettkampf-Basics

5 Die sieben Säulen

6 In 30 Tagen fit für ein Spartan Race

7 Eliteübungen

8 Ein Fall für Olympia

Epilog: Doppelter Tiefschlag

Trainingsprogramme für moderne Spartaner

Weiterführende Literatur

Glossar

Spartanische Rezepte

Danksagung

spar•ta•nisch adj.

  1. Über eiserne Selbstdisziplin verfügend.
  2. Einfach, genügsam oder enthaltsam.
  3. Üblicherweise nicht sehr beredt; lakonisch.
  4. Mutig angesichts von Schmerzen, Gefahr oder Widrigkeiten.

Spar•ta•ner m.

  1. Ein Bürger Spartas.
  2. Ein Mensch mit den Eigenschaften eines Spartaners.
  3. Jemand, der ein Spartan Race absolviert hat.

PROLOG: GEKNEBELT UND GEFESSELT

Jay Jacksons Augen waren verbunden, seine Hände hinter dem Rücken gefesselt, seine Füße ebenfalls zusammengeschnürt. Ein Waschlappen wurde ihm in den Mund gestopft und mit einem Kissenbezug an Ort und Stelle gehalten. Auf seinen Kopf war eine Pistole gerichtet.

Anderthalb Stunden zuvor hatte Jay in seinem Bett gelegen und war kurz vor dem Einschlafen — als ein Mann die Zimmertür öffnete, das Licht anschaltete und eine Waffe zog.

»Dreh dich um«, befahl der Fremde.

»Was haben Sie vor?«

»DREH. DICH. UM.«

Der Mann fesselte Jays Hände und Füße mit dicken Schnüren, die er aus seiner Tasche zog, sowie mit Schuhriemen, Krawatten und anderen Sachen aus Jays Garderobe. Dann verband er ihm die Augen. Der Knebel folgte später – nach mehr als einer Stunde gefüllt mit einer merkwürdigen Unterhaltung über banale Einzelheiten aus Jays Leben (über die der Mann bereits Bescheid wusste) bis hin zu so brisanten Fragen wieder, ob Jay in der Lage wäre, ihn bei einer Gegenüberstellung zu identifizieren. Dabei wurde es auf bedrohliche Weise immer deutlicher, dass der Mann nicht wegen Geld eingedrungen war und es nicht eilig hatte, wieder zu verschwinden.

Dann knebelte er Jay.

Danach wurde es still.

Das Gefühl von Orientierungslosigkeit und Beklemmung, das sich einstellt, wenn man nichts sehen kann, ist erschreckend. Menschen sind visuell orientierte Wesen. Um uns in der Welt zurechtzufinden, brauchen wir das Sehvermögen, den mit Abstand wichtigsten Sinn. Wohl jeder tappte schon einmal im Stockdunkeln ins Bad: Und was tagsüber ein Kinderspiel ist – Entfernung, Richtung und die eigene Position richtig einzuschätzen –, bereitet im Dunkeln größte Schwierigkeiten. Die einfachste Bewegung wandelt sich zum komplizierten Manöver, und man stößt sich schnell einen Zeh, stolpert und stürzt.

Eines allerdings fällt mit verbundenen Augen leichter: das eigene Leben im Geiste vorüberziehen zu sehen.

Jay dachte an seine Kindheit zurück, als er und sein älterer Bruder im Keller auf der Matte miteinander rangen – mit verbundenen Augen. Nur mithilfe von Tastsinn, Muskelgedächtnis und Intuition konnten sie versuchen, dem anderen ein Schnippchen zu schlagen und ihn auf den Boden zu zwingen.

Wrestling mit verbundenen Augen war die verrückte Idee ihres Vaters.

»Wenn ihr unter verschärften Bedingungen trainiert, kommt euch der Wettkampf leicht vor,« pflegte er zu sagen.

Dann erinnerte er sie zum wohl tausendsten Mal an Doug Blubaugh, den Goldmedaillengewinner im Wrestling bei der Olympiade 1960. Sein Sehvermögen war so schlecht, dass er offiziell als blind galt, wenn er vor dem Kampf seine Brille absetzte.

»Lernt, die Bewegungen eures Gegners zu erahnen, selbst wenn ihr ihn nicht sehen könnt«, wies ihr Vater sie an.

Leichter gesagt als getan. Jays Bruder ging in Position, verdrehte Jays Arm, warf ihn zu Boden und drückte ihn nieder. Obwohl Jay letztlich der bessere Wrestler wurde, war sein älterer Bruder damals stärker und erfahrener.

»Wehr dich«, ermutigte ihn sein Vater. »Mach immer weiter.«

Ihr Vater ließ sie bis zur Erschöpfung weiterkämpfen (oder bis ihre Mutter dazwischenging). Wrestling-Kämpfe im Keller, nicht selten mit verbundenen Augen, resultierten daraus, dass ihr Vater Sportlehrer an der Highschool war.

Alle anderen Schüler fanden, dass Jays Vater deutlich zu hart zur Sache ging: ein strenger Typ, der keine Entschuldigungen gelten ließ, stets vollen Einsatz verlangte und Taten mehr schätzte als Worte. Er legte großen Wert auf harte Arbeit, erzwang sie aber nie durch äußere Disziplin, sondern ermutigte jeden dazu, Selbstdisziplin zu üben und zu kultivieren. Außerdem gehörte er dem Sonderkommando der US-Streitkräfte der Green Berets an, was Jay nicht weiter überraschte – mit Ausnahme der Tatsache, dass er es erst in der achten Klasse von einem Schulkameraden erfuhr. Als Jay nach Hause kam, fragte er seinen Vater, ob es stimme. »Ja«, sagte dieser in seiner nonchalanten Art. Ein Green Beret hatte es nicht nötig, jedem alles auf die Nase zu binden.

Diszipliniert, tough, lakonisch, bescheiden – so war Paul Jackson. Und vielleicht wirkte er auch etwas verrückt in der sicheren Umgebung eines gehobenen Wohnviertels, ein Ort, an dem seine strenge Disziplin im besten Fall antiquiert und im schlimmsten Fall überzogen schien. Ein Mann für härtere Einsätze. Ein Mann, der seinen Kindern beibrachte, jedes Hindernis als Herausforderung zu sehen. Ein Mann, der verrückt genug war, seine Söhne mit verbundenen Augen gegeneinander wrestlen zu lassen.

Aber in diesem Augenblick wäre alles Training wertlos, wenn Jay seine Hände nicht frei bekäme; sie waren noch immer mit Shirts, Krawatten, Schuhriemen und Schnüren gefesselt. Seine Füße waren ebenfalls zusammengebunden, er hatte einen Knebel im Mund, ein Tuch über den Augen, und ein Mann bedrohte ihn mit einer Pistole. Aus dieser Situation würde sich selbst ein Houdini nicht befreien können.

Jay wusste, dass sein Leben auf dem Spiel stand. Aber anstatt in Panik zu geraten oder aufzugeben, hörte er die Stimme seines Vaters. Er beschloss, die Herausforderung anzunehmen – seine Situation als ein Hindernis zu sehen, das es zu überwinden galt. Quasi ein Spiel.

Leise und unmerklich gelang es Jay, zunächst die Shirts und Krawatten um seine Hände zu lockern, doch dann musste er innehalten, weil seine Hände im Sichtfeld des Eindringlings waren.

Bevor er die Fesseln lösen konnte, musste Jay eine Möglichkeit finden, seine Hände zu bedecken. Er gab also vor zu frieren. Zu seiner Überraschung schluckte der Mann den Köder und legte eine Decke über Jay – und somit auch über seine Hände. Dann schlug der Fremde vor, das Licht im Zimmer zu löschen. Die meisten Menschen wären zu Tode erschrocken gewesen. Würde der Mann den Abzug drücken? Aber Jay, der an seine Wrestling-Übungen aus Kindertagen dachte, wusste, dass die Dunkelheit für ihn von Vorteil sein würde. Er nickte. Jetzt waren also nicht nur seine Hände verborgen, sondern auch sein Peiniger war im Dunkeln.

Dann eine schreckliche Geste von Intimität: Der Mann legte sich neben Jay aufs Bett. Er konnte seinen Atem hören.

Aber Jay konzentrierte sich ganz auf den nächsten Schritt: seine Hände zu befreien. Der nächste Schritt war alles, was zählte. Jeder kleine Fortschritt ließ das Überleben ein bisschen wahrscheinlicher werden. Zum Glück hatte er, als der Mann seine Hände fesselte, die Geistesgegenwart gehabt, diese ein wenig auseinanderzuhalten, so dass etwas Platz zwischen den Handflächen blieb. Platz für Befreiungsmanöver. Wären seine Hände stramm gefesselt gewesen, hätte er sie niemals befreien können.

Dieses Vorgehen hatte Jay gelernt, als er im College schikaniert wurde. Dort war er in seinem ersten Jahr der einzige und somit jüngste Neuzugang im Wrestling-Team der Schule, und die älteren Mannschaftskollegen machten sich regelmäßig einen Spaß daraus, ihn zu fesseln und auf den Billardtisch zu legen. Nie im Leben hätte Jay gedacht, dass er ihnen eines Tages dafür dankbar sein würde. Es hatte ihn stärker gemacht.

Es dauerte sechs oder sieben Minuten, bis seine Hände frei waren. Dann führte Jay sie langsam vor seinen Körper. Er würde wahrscheinlich nur eine einzige Chance haben, den Mann zu packen, zu überwältigen und ihm die Pistole abzunehmen. Aber noch immer waren Jays Füße gefesselt, er war geknebelt und konnte nichts sehen. Somit kannte er auch nicht die genaue Position des Fremden. Aber er konnte immerhin hören, wo er war.

Also murmelte Jay etwas.

»Was ist?«, fragte der Mann.

Jay murmelte wieder etwas.

»Was hast du gesagt?«, fragte der Eindringling.

Das reichte Jay aus, um seine Position zu bestimmen. Er warf sich auf den Mann, schlang seine Arme um dessen Oberkörper und versuchte direkt danach, seine Handgelenke zu packen. Völlig überrascht rief der Mann, dass er eine Pistole hätte, aber Jay fühlte schon die Handgelenke und leeren Hände des Gegners – er bluffte. Hatte er die Waffe fallen lassen oder beiseitegelegt?

Gott sei Dank bin ich ein Wrestler und kein Tennisspieler.

Sobald er die Handgelenke zu packen bekam, verklemmte Jay den Kopf des Mannes zwischen der Bettkante und einem Stuhl, rollte ihn vom Bett auf den Boden, setzte sich auf seinen Körper und fixierte ihn so. Dann schaffte er es, Knebel und Augenbinde loszuwerden. Aber er hatte keine Möglichkeit, seine Füße zu befreien, solange er den Mann niederdrückte. Und der Gegner wehrte sich natürlich! Er trat nach Jays Fußfesseln, so dass dessen Knöchel brannten und bluteten. Aber Jay ignorierte den Schmerz. Wenn es dem Mann gelänge aufzustehen, wäre alles vorbei.

Jay müsste ihn k. o. schlagen, aber er hatte nie einen echten Kampf geführt. Er begann also, dem Mann einen Kopfstoß nach dem anderen zu versetzen, immer wieder und wieder, bis ihre Gesichter blutüberströmt waren.

Während der nächsten Viertelstunde rangen sie am Boden miteinander. (Ein Wrestling-Kampf am College dauert nicht länger als sieben Minuten.) Sie hatten sich dabei auf die andere Seite des Bettes bewegt, wo der Mann ein Telefonkabel zu fassen bekam – das Jay ihm aber entriss, um den Hals wickelte und mit einer Hand festzog, während er den Arm des Gegners mit dem Ellbogen niederdrückte und mit der anderen Hand das Telefon aufhob und den Notruf wählte.

Anfangs schienen die Polizisten ihm nicht zu glauben. Es war etwa vier Uhr nachts, und in Palo Alto passierte so etwas nicht alle Tage. Dennoch stand fünf Minuten später ein Einsatzwagen vor der Tür.

Der Notrufstellenleiter am Telefon bat Jay, die Tür zu öffnen.

Aber Jay war verständlicherweise etwas kurz angebunden.

»Sagen Sie ihnen, dass sie die Tür einschlagen sollen!«

Die Antwort des Notrufstellenleiters klang einfach unglaublich für jemanden, der einen Eindringling mit bloßen Händen abwehrte, er sagte, die Polizei könne die Tür nicht einschlagen. Dazu wäre die Zustimmung durch ihren Vorgesetzten nötig. Dies wiederum erforderte weitere 20 Minuten. In dieser Zeit hing Jays Leben davon ab, dass er einen erwachsenen Mann in Schach hielt, während seine Füße gefesselt und vermutlich eine Pistole in Reichweite waren. Das Ganze dauerte insgesamt 35 Minuten. Schließlich stürmten die Polizisten mit gezogenen Waffen das Zimmer, und der Spuk war vorbei.

Für Jay begann ein neues Leben. Er nahm den Telefonhörer zur Hand, rief seinen Vater an und bedankte sich bei ihm. Später erfuhr er, dass er es bei den Sanitätern zum Heldenstatus gebracht hatte: Nie zuvor hatten sie jemanden erlebt, der in Notwehr trotz Fußfesseln und Dunkelheit seinen Peiniger so überwältigen konnte.

Der Wrestling-Kampf seines Lebens fand für Jay nicht im Ring statt. Es gab keinerlei Regeln, keinen Schiedsrichter mit einer Pfeife, keine Zeitlimits und keine Trinkpausen. Die Umstände waren unvorhersehbar und unfair, jeder Augenblick konnte alles ändern. Und wie Jay (und letztlich auch sein Gegner) lernte, besteht ein riesiger Unterschied zwischen einem Trainingskampf und einem Kampf auf Leben und Tod.

Auf alles vorbereitet zu sein, was sich dir im Leben entgegenstellt, heißt, Spartan fit zu sein.