cover.jpg

AUSSERDEM BEI PANINI ERHÄLTLICH

Spannende Abenteuer-Romane für MINECRAFTER

Karl Olsberg: DAS DORF Band 1: Der Fremde

ISBN 978-3-8332-3251-0

Karl Olsberg: DAS DORF Band 2: Kolle in Not

ISBN 978-3-8332-3252-7

Karl Olsberg: ZURÜCK IN DIE WÜRFELWELT

ISBN 978-3-8332-3249-7

Sean Fay Wolfe: DIE ELEMENTIA CHRONIKEN Band 1:
Die Suche nach Gerechtigkeit

ISBN 978-3-8332-3254-1

Winter Morgan: DIE SUCHE NACH DEM DIAMANTSCHWERT

ISBN 978-3-8332-3007-3

Winter Morgan: DAS GEHEIMNIS DES GRIEFERS

ISBN 978-3-8332-3008-0

Winter Morgan: DIE ENDERMEN-INVASION

ISBN 978-3-8332-3243-5

Winter Morgan: SCHATZSUCHER IN SCHWIERIGKEITEN

ISBN 978-3-8332-3244-2

Nacy Osa: DIE SCHLACHT VON ZOMBIE-HILL

ISBN 978-3-8332-3246-6

Nähere Infos und weitere Bände unter

www.paninicomics.de

Minecraft.tif

Roman für Minecrafter

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Copyright © 2016 Karl Olsberg. Alle Rechte vorbehalten. Minecraft is a registeded trademark of Notch Development AB. The Minecraft Game is copyright © Mojang AB.

Panini Verlags GmbH, Rotebühlstr. 87, 70178 Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.

Geschäftsführer: Hermann Paul

Head of Editorial: Jo Löffler

Marketing & Kooperationen: Holger Wiest (email: marketing@panini.de)

Produktion: Gunther Heeb, Sanja Ancic

Umschlaggestaltung: tab indivisuell, Stuttgart

Satz und E-Book: Greiner & Reichel, Köln

YDCUBE001E

ISBN 978-3-8332-3320-3

Gedruckte Ausgabe:

ISBN 978-3-8332-3248-0

1. Auflage, März 2016

Findet uns im Netz:

www.paninicomics.de

59345.jpg

PaniniComicsDE

Dieses Buch ist Notch gewidmet

Danke an Nik, der mich auf das Spiel hinwies, an Konstantin, der mir zeigte, wie es funktioniert, und an Leopold, den Architekten, der etliche Fehler in dieser Geschichte fand und mir half, sie zu verbessern.

In Wirklichkeit erkennen wir nichts;
denn die Wahrheit liegt in der Tiefe.

Demokrit

1.

Irgendetwas stimmt nicht, aber ich weiß nicht, was.

Ich weiß nicht einmal, woher ich weiß, dass etwas nicht stimmt. Da ist nur dieses merkwürdige Gefühl, dass die Welt nicht so ist, wie sie sein sollte.

Die Welt, das ist ein Strand, dahinter treppenartige, bewaldete Hügel. Wellen schwappen leise gegen den Sand. Ein kühler Wind weht vom Meer herein. Die Luft riecht salzig.

Die Bäume – Birken, den grauweißen, mit schwarzen Flecken gemusterten Stämmen nach zu urteilen – irritieren mich, ohne dass ich genau sagen könnte, warum.

Ich blicke an mir herab, und ein Schreck durchzuckt mich. Wo sind meine Hände?

Da, wo sie eigentlich sein müssten, enden meine Arme in rechteckigen Stümpfen.

Rechteckig. Das ist es, was mich stört: Die Welt ist eckig. Es gibt keine Kurven, keine sanften Übergänge. Die Hänge der Hügel vor mir steigen nicht allmählich an, sondern in exakt rechtwinkligen Treppenstufen. Auch die Blätter der Bäume sind in würfelförmigen Blöcken angeordnet.

Blöcke. Das Wort kitzelt mein Gedächtnis, doch als ich dort suche, finde ich nichts als Leere. In meinem Kopf sind Wörter, Konzepte, aber keine Erinnerungen. Ich weiß nicht, wo ich bin und wie ich hierhergekommen bin. Ich kenne nicht einmal meinen Namen.

Trotzdem habe ich keine Angst. Auch das ist seltsam. Diese Welt ist nicht die, in der ich eigentlich sein sollte, soviel ist klar. Und doch fühlt sie sich vertraut an. Es ist okay, hier zu sein.

Ich blicke nach oben. Eckige Wolken ziehen über einen blauen Himmel. Eine quadratische Sonne steht tief über dem Horizont. Ich kann direkt hineinsehen, ohne dass meine Augen schmerzen.

Habe ich überhaupt Augen? Ich bin nicht sicher. Ich kann nicht blinzeln, aber immerhin sehen.

Ich mache einen Schritt. Der Sand fühlt sich warm an, doch als ich zurückblicke, finde ich keinen Fußabdruck.

Kein Wunder, ich habe ja auch keine Füße. Meine Beine – viereckige Stangen, die ich nur an der Hüfte vor- und zurückbiegen kann – enden wie meine Arme in quadratischen Flächen.

Ein Bild blitzt aus den vernebelten Tiefen meines Gedächtnisses auf, transparent und flüchtig wie Wasserdampf. Ich bin auf einer Kostümparty. Ich trage eine Ritterrüstung. Das heruntergeklappte Visier meines Helms behindert meine Sicht, Arme und Beine stecken in Plastikröhren. Ich stolpere über einen am Boden liegenden Gegenstand (eine Bierflasche?) und schlage hin. Jemand lacht mich aus.

Das war in einer anderen Welt voller weicher, unvollkommener Formen. Damals hat sich die steife Rüstung fremdartig angefühlt, doch meine rechteckigen Gliedmaßen wirken so, als hätte ich nie andere besessen.

Was ist passiert? Die Frage beginnt, in meinem Hinterkopf zu pochen wie ein dumpfer Schmerz. Ein vages Gefühl der Bedrohung steigt auf. Etwas ist geschehen. Doch je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger kann ich den Gedanken fassen.

Grübeln bringt mich nicht weiter, hier herumstehen auch nicht. Immerhin scheint hier keine unmittelbare Gefahr zu drohen.

Ich gehe ein paar Schritte den Strand entlang, dann hopse ich eine der Stufen hoch, auf einen grünen Untergrund, der aussieht wie in fleckigen Grüntönen bemaltes Gummi. Soll das Gras darstellen?

Das Hopsen geht ganz leicht, fast als wäre ich schwerelos. Doch ich falle immer wieder auf den Boden zurück. Fliegen kann ich nicht.

Ich wandere unter Würfelbäumen hindurch, als ich vor mir eine Bewegung wahrnehme. Etwas huscht durch die Schatten der Bäume.

Ich gehe darauf zu und erblicke eine Art weiße Kiste mit vier eckigen Säulenbeinen. An einem Ende befindet sich ein kleinerer Würfel, dessen Front mit quadratischen Flecken in Braun, Rosa, Weiß und Schwarz bemalt ist. Die Pupillen der Augen (falls die schwarzen und weißen Kästchen Augen sind) scheinen in zwei verschiedene Richtungen zu glotzen. Das sieht ziemlich lächerlich aus, aber mir ist nicht nach Lachen zumute.

Ich bin mir nicht sicher, was ich da vor mir habe, bis das Ding „Määäh“ macht – ein eindeutig schafiger Laut. Es dreht den Würfelkopf kurz in meine Richtung, wendet sich um und stapft davon, wobei es ein weiteres Mal verdrossen blökt.

In dieser Welt gibt es also noch andere Bewohner, wenn sie auch ein bisschen unfertig wirken. Ich selbst bin da wohl keine Ausnahme – ich kann nur ahnen, dass mein eigenes Gesicht kaum intelligenter aussieht als das des Kastenschafs.

Während ich die Hügeltreppen hinaufklettere, stelle ich Theorien auf, die meine Lage erklären könnten.

Erstens: Ein Traum? Kann man nie wirklich ausschließen. Es gibt ja Leute, die behaupten, das ganze Leben sei nur einer und erst, wenn man stirbt, wache man in der richtigen Welt auf. Kneifen hilft nicht – ich könnte träumen, dass ich mich kneife. Außerdem habe ich keine Finger. Die Welt um mich herum wirkt allerdings sehr real. Wenn das ein Traum ist, dann ein sehr ungewöhnlicher.

Zweitens: Drogen? Ich habe keine Ahnung, was sie mit dem Verstand anstellen können – ich habe nie welche genommen. Glaube ich jedenfalls.

Drittens: Die versteckte Kamera? Nein.

Viertens: Eine … wie nannte man das noch gleich? Irgendwas mit S. Hat was mit Illusion zu tun, und mit … Maschinen … Seltsam, die Wörter scheinen vor meinem Geist regelrecht in die hintersten Ecken meines Bewusstseins zu flüchten. Es ist, als sei da etwas in mir, das mich daran hindern will, klar zu sehen. Unwillkürlich versuche ich, mein Gesicht anzufassen, nach etwas zu tasten, das vielleicht vor meinen Augen befestigt ist, mir den Blick auf die Wirklichkeit versperrt. Aber ohne Hände ist das schwierig.

Fünftens: Vielleicht ist ja alles um mich herum ganz real, und etwas Merkwürdiges ist mit der Welt passiert. Ein schiefgegangenes Experiment am Kernforschungszentrum CERN, ein physikalisches Phänomen, das die bekannten Naturgesetze außer Kraft setzt und alles in Würfel verwandelt, was vorher … anders war. Okay, ich verstehe nichts von Physik, und das klingt wirklich ziemlich unwahrscheinlich. Andererseits hab ich mal gelesen, dass die Wissenschaftler nicht wissen, woraus siebzig Prozent der Materie im Universum besteht. Aus Würfeln vielleicht?

Spekulieren bringt mich nicht weiter. Ich kann diese Erklärungsmöglichkeiten weder beweisen noch widerlegen. Höchstwahrscheinlich liege ich mit allen daneben. Besser, ich konzentriere mich auf die unmittelbaren Dinge, ob sie nun rechteckig sind oder nicht.

Die Sonne ist inzwischen ein gutes Stück den Himmel hochgeklettert. Ganz schön flott kommt mir das vor. Ein vages Unbehagen befällt mich. Keine Ahnung, warum.

Ich erreiche den Gipfel des Hügels und sehe mich um. Links erstreckt sich eine sandige Wüste mit einzelnen Würfelkakteen, dahinter erhebt sich ein Gebirge mit absurd steilen Felshängen. Rechts setzt sich der Wald fort, bevor in der Ferne die Bäume ausdünnen und das Gelände in etwas übergeht, das wie eine Grasebene aussieht. Dort laufen eine Menge Kastenwesen herum: Schwarz-weiß gefleckte, die ich unzweifelhaft als Kühe einordnen kann, und rosafarbene Schweine.

Ich beschließe, die Wüste in Richtung des Gebirges zu durchqueren. Von einem der Gipfel habe ich bestimmt eine noch bessere Aussicht.

Ich bin nicht sicher, wonach ich eigentlich suche. Einem Ausgang vielleicht? Aber woraus? Und wohin sollte er führen?

Wieder diese sinnlosen Gedanken, die sich so schnell im Kreis drehen, dass mir übel wird. Ich verdränge sie und setze einfach einen Fuß vor den anderen – bildlich gesprochen, denn Füße habe ich ja nicht.

Am Rand der Wüste begegnet mir ein weiteres Wesen. Es ist wesentlich kleiner als das Schaf. Sein würfelförmiger weißer Körper steht auf zwei dürren Beinchen. Der Kopf hat vorn eine Art rechteckigen Entenschnabel, aus dem eine rote Zunge herauszuhängen scheint. Das Geräusch, das es von sich gibt, ähnelt allerdings eher dem Gackern eines Huhns.

Als ich mich ihm nähere, hüpft das Wesen davon. Doch es lässt etwas zurück: ein Ei.

Es ist das erste nicht rechteckige Objekt, das ich in dieser Welt entdecke. Das stimmt mich hoffnungsvoll. Doch als sei seine Rundheit nicht mit den Grundprinzipien dieser Welt vereinbar, liegt das Ei nicht etwa auf dem Sandboden, sondern schwebt dicht darüber.

Ich mache vorsichtig einen Schritt darauf zu, um das Phänomen genauer zu betrachten, da geschieht etwas Merkwürdiges: Es macht „Plopp“, und das Ei verschwindet wie eine geplatzte Seifenblase. Ich sehe mich verwirrt um. Ein paar Blöcke entfernt steht das Huhn und schaut mich an, als würde es mir Vorwürfe machen, weil ich nicht vorsichtig genug mit seinem Nachwuchs umgegangen bin.

Das Ei hat sich nicht in Luft aufgelöst, das spüre ich. Es ist noch da.

Es ist in mir.

Nicht in dem Sinn, dass ich es verschluckt hätte oder so. Es ist eher – ein Gedanke. Wenn ich die Welt um mich herum ausblende und mich auf mein Inneres konzentriere, sehe ich es ganz deutlich vor mir. Und da ist noch etwas: Ein Kastenmännchen mit einem türkisblauen Oberkörper, dunkelblauen Beinen und einem schielenden Gesicht, das dem des Schafs an Dümmlichkeit ebenbürtig ist. Das bin doch nicht etwa ich?

Erschrocken blicke ich an mir herab. Tatsächlich: Meine Arme und Beine haben dieselbe Farbe.

Was hat das zu bedeuten? Und warum habe ich das Gefühl, dass das Ei in mir mehr ist als nur ein Gedanke?

Mich befällt auf einmal Ekel. Ich will dieses Ding wieder loswerden. Und es funktioniert: Plötzlich fliegt das Ei aus mir heraus, als hätte mein Gehirn es ausgespuckt. Mit einem Plopp beschreibt es einen Bogen durch die Luft und schwebt schließlich über einem Sandquadrat neben mir.

Cooler Trick!

Ob das wohl auch mit dem Entenschnabelhuhn funktioniert? Das Wesen ist ganz zutraulich und hat keine Angst vor mir, als wüsste es, dass es nichts zu befürchten hat. Und tatsächlich – es ploppt nicht.

Ich sehe mich um. Vielleicht kann ich ja noch mehr Dinge in Gedanken verwandeln? Wie wäre es zum Beispiel mit etwas Sand?

Ich will danach greifen, doch ich habe ja keine Hände. Frustriert schlage ich nach einem der Sandwürfel vor mir. Es macht ein knirschendes Geräusch, und so etwas wie Sprünge erscheinen in der Oberfläche. Nach einem Augenblick verschwinden sie wieder. Seltsam! Ich schlage ein paar Mal zu, es macht Plopp, und der Sandwürfel ist verschwunden. Dafür habe ich jetzt einen klaren Gedanken an ihn in mir.

Ich drehe mich um neunzig Grad und denke, dass ich den Würfel gern dort platzieren würde. Eine verkleinerte Version des Sandwürfels erscheint dort, wo eigentlich meine rechte Hand sein sollte. Jetzt bedarf es nur noch eines zweiten Gedankens, um aus dem kleinen Würfel in meiner Hand einen großen auf dem Boden zu machen.

Ich kann nicht nur durch diese Welt wandern, ich kann sie verändern!

Probehalber sammle ich noch ein paar Sandblöcke ein und schichte sie aufeinander, bis ich eine kleine Säule errichtet habe. Es ist ein bisschen irritierend, dass der Sand nicht herabrieselt und zu einem Haufen zusammenfällt. Aber das ist nicht die merkwürdigste Eigenschaft dieser Würfelwelt.

Das Licht verändert sich. Während ich hier im Sand gespielt habe, ist die Sonne ein ganzes Stück über den Himmel gewandert. Jetzt nähert sie sich bereits dem Horizont und taucht die Welt in orangerotes Licht.

Fasziniert betrachte ich den Sonnenuntergang, der weniger als eine Minute dauert. Schon erscheinen Sterne am Himmel. Ein quadratischer Mond erhebt sich und färbt die Landschaft blaugrau.

Ich fühle mich plötzlich unbehaglich.

Ein dumpfes, stöhnendes Geräusch, das wie „Unngh“ klingt, lässt mich herumfahren. Eine Gestalt kommt mit ausgestreckten Armen auf mich zu. Sie sieht mir nicht unähnlich – dieselben Kastenarme, dasselbe türkisblaue Hemd, dieselbe dunkle Hose – doch ihre Haut ist olivgrün.

„Hallo!“, sage ich. „Wer bist du?“

„Unngh!“, macht der Kastenmann. Als sein ausgestreckter Arm mich berührt, durchfährt mich eine Art elektrischer Schlag. Es tut nicht sehr weh, ist aber verdammt unangenehm.

Ich will Reißaus nehmen, doch jetzt kommen von allen Seiten Wesen auf mich zu. Einige sehen so aus wie der Kerl mit der grünen Haut. Andere gleichen Abstraktionen von menschlichen Skeletten, die mit Pfeil und Bogen auf mich schießen. Das am freundlichsten aussehende Wesen erinnert mich an eine rechteckige Gurke auf vier würfelförmigen Stummelbeinchen. Als ich darauf zulaufe, stößt es zur Begrüßung ein leises Zischen aus. Ich bleibe erschrocken stehen. Ein Pfeil trifft mich und sendet einen erneuten Stromstoß durch meinen unförmigen Körper, während die Wesen von allen Seiten auf mich zulaufen.

Der Gurkenmann hat mich fast erreicht, als eine gewaltige Explosion die Welt erschüttert und mein innerstes Wesen zerreißt.

2.

Irgendetwas stimmt nicht, aber ich weiß nicht, was.

Ich weiß nicht einmal, woher ich weiß, dass etwas nicht stimmt. Da ist nur dieses merkwürdige Gefühl, dass die Welt nicht so ist, wie sie sein sollte.

Die Welt, das ist ein Strand, dahinter treppenartige, bewaldete Hügel. Wellen schwappen leise gegen den Sand. Ein kühler Wind weht vom Meer herein. Die Luft riecht salzig.

Die Tatsache, dass alles um mich herum aus Würfeln zu bestehen scheint, kommt mir seltsam vor, ohne dass ich genau wüsste, warum. Es ist anders, als es sein müsste, aber irgendwie auch vertraut. Es ist okay, hier zu sein.

Ich wandere unter Kastenbäumen hindurch, klettere Hügeltreppen hinauf. Ich begegne einem Kastenschaf und erreiche den Gipfel des Hügels. Links erstreckt sich eine sandige Wüste, dahinter ein steiles Gebirge. Rechts schließt sich an den Wald eine Ebene an, auf der schwarz-weiß gefleckte und rosafarbene Kastenwesen herumlaufen.

Ohne, dass ich genau wüsste, wonach ich eigentlich suche, beschließe ich, die Wüste in Richtung des Gebirges zu durchqueren. Von einem der Gipfel habe ich vielleicht eine noch bessere Aussicht.

Ich treffe in der Wüste auf ein Entenhuhn, das ein Ei legt. Endlich etwas, das nicht rechteckig ist! Ich finde heraus, dass ich es als Gedanken in mich aufnehmen und wieder materialisieren kann. Cool!

Die Sonne neigt sich dem Horizont zu. Plötzlich durchzuckt mich ein starkes Déjà-vu-Gefühl: Ich war schon einmal hier. Es ist nicht gut, hier zu sein, jedenfalls nicht nachts.

Ich sammele ein paar Sandblöcke auf und speichere sie in meinem Bewusstsein. Ich versuche, daraus ein Haus zu bauen, aber das funktioniert nicht – ich kann den Sand zwar zu Wänden aufschichten, aber kein Dach anfertigen. Jetzt höre ich ein dumpfes „Unngh“ in der Nähe. Ein Wesen, das so ähnlich aussieht wie ich, kommt mit ausgestreckten Armen auf mich zu, gefolgt von einer Art Gurke auf kleinen Stummelbeinchen. Von der anderen Seite kommen Skelette.

Nicht gut. Gar nicht gut.

In Panik versuche ich, auf die Mauer aus Sand zu klettern, die ich gerade gebaut habe. Das gelingt mir, nachdem ich einen Sandblock entferne, sodass sich eine Treppe bildet.

Das bringt mich auf eine Idee. Ich entferne den Sandblock, der die unterste Treppenstufe bildet. Obwohl meine Arme eigentlich viel zu kurz sind, um ihn zu erreichen, geht es ganz leicht – ich muss es nur wollen. Der Sandwürfel verschwindet jedoch nicht völlig, sondern verwandelt sich in einen viel kleineren Würfel, der ein Stück über dem Boden schwebt und sich dabei langsam dreht.

Ich habe keine Zeit, mich darüber zu wundern. Die grünen Typen können mich zwar jetzt nicht mehr erreichen, aber die Skelette schießen Pfeile auf mich ab.

Probehalber hüpfe ich in die Luft und versuche, im selben Moment einen der Sandblöcke, die ich in meinen Gedanken festhalte, unter mir zu materialisieren.

Es klappt! Ich stehe nun auf einer drei Blöcke hohen Sandsäule. Die grünen Kastenmänner drängen sich frustriert darum und stoßen empörte Unnghs aus.

Ein Schlag durchzuckt mich, als mich ein Pfeil trifft, dann noch einer. Ich fühle mich plötzlich sehr schwach. Ein weiterer Treffer, und ich bin erledigt.

Ich springe ein paar Mal hoch und schichte Blöcke unter mir auf, bis ich keine mehr in mir habe. Auf diese Weise gelingt es mir, eine zwölf Blöcke hohe Sandsäule zu bauen und mich außer Reichweite der Skelettbogenschützen zu bringen.

Mir wird schwindelig, als ich hinunterblicke. Tief unten hat sich ein kleiner, wütender Mob versammelt. Empörte Unnghs und das Klappern von Knochen dringen zu mir herauf. Jetzt bloß keine falsche Bewegung machen! Wenn ich von der Sandsäule falle …

Ich bleibe still auf der Stelle stehen und sehe mich um. Von hier oben habe ich einen hervorragenden Überblick über die Umgebung. Ich erkenne in der Ferne eine Insel auf dem Meer. Hinter dem Gebirge sehe ich ein schwaches, irgendwie einladend wirkendes Leuchten. Was mag das sein?

Ich stehe auf der Säule wie eine Bronzestatue. Hinsetzen kann ich mich nicht, aber das Stehen ermüdet mich auch nicht.

Allmählich fühle ich mich wieder kräftiger. Die Wirkung der Stromstöße, die die Berührungen der Grünlinge und die Pfeile der Skelette verursacht haben, scheint nachzulassen. Doch die Anstrengung des Säulenbaus hat mich hungrig gemacht.

Unvermittelt drängt sich ein Bild in mein Bewusstsein, das nicht aus der Würfelwelt stammt. Es ist ein Gesicht. Der Mund ist verzerrt, die Unterlippe zittert leicht. Die Wimperntusche ist verschmiert, die Augen glitzern vor Tränen.

„Amelie.“

Ich habe den Namen laut ausgesprochen. Ich kann nicht sagen, dass er mir über die Lippen gekommen ist, denn ich glaube nicht, dass ich welche habe, aber sprechen kann ich trotzdem. Probehalber sage ich es noch einmal: „Amelie!“

Ich spüre einen Schmerz, dumpf und drängend, ganz anders als die Elektroschocks der Nachtmonster. Es tut mir weh, dass sie so traurig ist. Dabei weiß ich nicht einmal, wer sie ist, diese Amelie. So sehr ich auch versuche, mich daran zu erinnern, in meinem Geist wabert bloß Nebel.

Langsam zieht der Mond über den Himmel. Die Monster tief unten haben offensichtlich nichts Besseres zu tun, als weiterhin die Säule zu belagern. Ich frage mich, wie ich jemals heil hier herunterkommen soll.

Das Problem erledigt sich teilweise von selbst, als endlich die Sonne aufgeht: Die grünen Typen und die Skelette gehen plötzlich in Flammen auf. Sie stoßen verzweifelte Unnghs und Klicklaute aus, sodass sie mir beinahe leidtun. Kurz darauf sind sie verschwunden. Nur zwei Gurkenwesen stehen noch neben der Säule und blicken erwartungsvoll zu mir hoch. Im Unterschied zu den Skeletten und den grünen Männern machen sie keine Geräusche. Sie wirken eigentlich recht harmlos, aber ich traue ihnen nicht.

Andererseits kann ich nicht ewig auf dieser Säule bleiben. Ich nehme den Sandwürfel direkt unter mir in meinen Geist auf, indem ich darauf einprügele. Auf diese Weise verkürze ich die Sandsäule unter mir Block für Block, bis ich dicht über den Köpfen der beiden Gurkenwesen stehe. Sie blicken mich immer noch stumm an, mit reglosen Gesichtern, die irgendwie missmutig aussehen. Um sie herum liegen – nein, schweben – einige Pfeile und faulige Fleischfetzen, offenbar die Überreste der anderen Monster.

Was jetzt?

Ich nehme all meinen Mut zusammen und springe von der Säule. Ein leises Zischen ertönt. Das macht mir Angst. Ich hopse los, so schnell mich meine steifen Beine tragen. Das Zischen wird lauter, dann gibt es einen gewaltigen Knall. Ein Schock trifft mich, und ich fühle mich wieder sehr schwach. Ich bleibe stehen und sehe mich um.

An der Stelle, wo die Gurkenwesen waren, ist jetzt ein rechteckiges Loch im Boden. Kleine Sandwürfel schweben überall herum. Im Nachhinein wird mir klar, dass das leise Zischen ein wenig wie die Lunte einer Dynamitstange klang, so wie es in Zeichentrickfilmen dargestellt wird.

Vorsichtig nähere ich mich dem Loch. Eine Gefahr scheint davon nicht mehr auszugehen. Als ich auf einen der schwebenden Sandwürfel zugehe, verschwindet er ganz von selbst mit einem Plopp und manifestiert sich als Gedanke in mir.

Ich klettere in das Loch und sammele zwölf Sandwürfel, zwei Pfeile und drei Fetzen fauligen Fleischs ein. Letztere lösen in mir ein solches Ekelgefühl aus, dass ich sie sofort aus meinem Geist verbanne.

Ich werfe einen Blick zum Himmel. Die Sonne ist schon ein ganzes Stück in Richtung Zenit geklettert. Besser, ich trödele hier nicht länger herum.

Mir fällt das Leuchten ein, das ich in der Nacht von der Spitze meiner Sandsäule aus gesehen habe. Vielleicht ist es eine gute Idee, herauszufinden, was es damit auf sich hat. Aber dazu muss ich erst mal das Gebirge vor mir überwinden.

Die Kletterpartie ist leichter, als ich sie mir vorgestellt habe. Ich kann immer nur einen Würfel hochhüpfen, aber der Sprung selbst ist nicht anstrengend. Meistens finde ich einen schrägen Treppenhang, an dem ich mühelos emporsteigen kann. Wenn nicht, mache ich mir eine Treppe, indem ich auf die Erde vor mir einprügele. Einmal versuche ich es mit einem Steinblock, der mir im Weg ist, und auch das funktioniert, allerdings dauert es ziemlich lange, bis er endlich verschwindet. Seltsamerweise materialisiert sich der Steinblock dabei nicht in meinem Geist – er löst sich einfach in Nichts auf.

Als ich den Gipfel des Gebirges erreiche, steht die Sonne schon wieder ziemlich niedrig. Doch mein Herz schlägt höher: Hinter grasigen Hügeln erkenne ich etwas, das eindeutig von Menschenhand, beziehungsweise von Kastenmann-Arm, geschaffen worden sein muss. Es handelt sich um eine kleine Hütte aus Holzblöcken mit einem gestuften Holzdach. Sie hat sogar eine richtige Tür mit einem Fenster daneben.

Aufgeregt hüpfe ich den Gebirgshang hinab. Als ich die Ebene erreiche, fällt mein Blick auf ein rosa Schwein, das fröhlich grunzend in der Nähe herumhopst. Genau in diesem Moment knurrt mein Magen. Nein, er knurrt nicht wirklich, und ob ich überhaupt einen Magen habe, weiß ich nicht so genau – mit Metaphern muss man in dieser Welt vorsichtig sein. Jedenfalls wird mir mit einer gewissen Dringlichkeit bewusst, dass ich etwas essen muss, wenn ich überleben will. Und das Würfelschwein sieht eindeutig essbar aus.