Herzog von Ragusa.
Procoli Caboga, ein edler Ragusaner.
Marino Caboga, ein edler Ragusaner.
Marina.
Crook, holländischer Gesandter am türkischen Hofe.
Cornelia Crook, seine Tochter.
Mitrovich, ein morlackischer Kriegsmann.
Czirich, ein morlackischer Kriegsmann.
Hitrov und andere Morlacken.
Kassuba und Polo, Ragusaner.
Carofilli, ein Weber.
Bettler.
Ratsherren, Wachen, Mönche, Volkshaufen.
Ort: Ragusa. Zeit: 1667.
Books
(Gefängnis auf dem Laurenz-Kastell. Caboga angekettet.)
Caboga: Freiwillig gab ich mich gefangen – dennoch haben die Ehrlosen mich angekettet wie den zehnfach entlaufenen Dieb. Alle meine Reichtümer und Güter sind in den Händen dieser regierenden Toren, und doch haben sie mir noch alle kleine Schätze aus meinen Taschen gestohlen, die mir durch Erinnerung so lieb waren. Nur dies schmutzige kleine Liederblatt ist mir geblieben, das mir der Bettler reichte, und das mir damals zu traurig anhob. O, du ahndungsvoller alter Knabe! (Er liest.)
Seh ich aus der feuchten Höhle
Meiner Augen in die Welt,
Die so recht mit ganzer Seele
In die Sonne sich gestellt:
Ach, womit soll ich mich stählen
Bei dem Quälen?
Es klirren die Ketten durch Zitherklang,
Es rufen die Wachen im Felsengang,
Es zimmern viel Äxte an meinem Schafott,
Gnade mir Gott!
Ja, so ist es wirklich. Ihr Todesurteil hat mich losgesprochen von allem Edelmute; sie haben Gericht gehalten über mich gegen das Recht unsrer edlen Häuser, sie haben aus Furcht keine öffentliche Verteidigung mir gestattet; sie sind ihrem eigenen Gesetze verfallen. Und was könnte mich hindern, wenn dieses Wasserfaß mit Pulver gefüllt wäre und meine Augen sprühten Feuer, mich und diese Kerkerwände in die Luft zu sprengen? – Sie würde erschrecken, die dort im Marmorgiebel unter den Flügeln des Vogel Greif wohnt, vielleicht auf den Tod erschrecken, mit mir sterben, – Himmel und Hölle! (Er liest.)
Feuern fern des Waldes Blätter
Froh zur Sonne herbstlich rot,
Rings umher ist schönes Wetter,
Nur bei mir ist Schattennot;
In des Zugwinds kühlem Brausen
Muß ich Hausen:
Es hauchen die Wände so fieberkrank,
Sie tropfen hernieder versteinernden Trank,
Es schleichen die Kröten am schimmelnden Grund,
Greuliche Stund'!
(Zitherspiel draußen.) Und Zitherspiel begleitet solche Worte, die herbe mir die ernste Wahrheit sagen. (Er liest.)
Vor dem Gitter Äpfel wiegen
Sich am Zweig im Sonnenschein
Und am Zweig sich zu mir biegen;
Blick ich hin und denke dein,
Ach, so rötlich deine Wangen
Immer prangen:
Es duften die Blumen, die du mir gesandt,
Als wär' es ein Sträußlein aus himmlischer Hand,
Du schnittest sie ab, und doch schimmern sie rot,
Seliger Tod.
Das Lied lügt; statt der goldnen Äpfel mit roten Wangen sind bleiche Pilze am Gitter gewachsen, und Marina sandte mir keine Blumen, auf die ich blicken kann, wenn mich der Zweifel plagt.
(Er wirft das Blatt fort und spricht heftig.)
Treu und ehrlich willst du scheinen,
Und ich traute dir so gern;
Doch ich muß in Zweifeln weinen,
Seh ich dort dein Haus von fern,
Ach, du schläfst in seinem Hause,
Und ich grause:
Ich schlag mit den Ketten an Felsenwand,
Es gibt noch ein andres, ein bessres Land,
Da lohnet die Treue mit Lust und mit Freud',
Hier ist nur Leid.
Felsen kann der Sonn' verwehren,
Daß sie mich mit Lust bescheint,
Doch dem Tau muß er's gewähren,
Der von meinem Auge weint,
Daß er wie ein Demant prange
Beim Gesange:
Es leichtert den Busen der offene Schmerz,
Es schauet schon dreister das wachsende Herz,
Ergibt sich dem Schrecken, ergibt sich dem Tod,
Gnade mir Gott.
Zwischen uns die Ströme fließen,
Zwischen uns strömt Zeit und Schmerz,
Und je härter ich muß büßen,
Bald je wen'ger fühlt mein Herz,
Härtet sich an meinen Tränen,
Kühnem Wähnen:
Ich wähne, es klirren die Ketten so weit,
Sie klingen erweckend durch schlummernde Zeit,
Es rieselt mein Blut nicht umsonst in den Kot,
Es färbet die Fahnen der Freiheit so rot,
Sie führt euch im Kampfe, sie führt aus der Not,
Umsonst ist kein Tod.
(Mitrovich ist mit der Zither eingetreten.)
Mitrovich: Caboga, edler Kamerad, dir kann man doch noch mit Vergnügen etwas vorklimpern; du singst so frisch noch, als wenn dir nichts fehle.
Caboga: Warst du's? Meine Stimme zitterte doch zuweilen bei deiner Zither.
Mitrovich: Beim Element, nein! Es tat mir wohl, als ich dir zuhorchte, als wär's Trommelschlag gewesen.
Caboga: Bringst du mir etwas von ihr? – schnell heraus damit, ich flehe dich an. Wie bist du zu mir geschlichen? Das heißt Treue, mich hier im kalten Erdenschoß aufzusuchen.
Mitrovich: Nichts von ihr – und deinen Dank verdiene ich auch nicht, und geschlichen bin ich auch nicht, sondern mit großem Lärmen, mit vollständiger Janitscharenmusik ward ich bewillkommt. Mit einem Worte, ich bin heute Kommandant.
Caboga: Laß scherzen, die zu leben denken, wir müssen uns ernsten Gedanken ergeben.
Mitrovich: Kein Scherz, der ist mir heute fast vergangen. Ich merke schon, du kennst noch nicht unsre tolle Weisheit, seit dem Verrate der Cassoris eingeführt. An jedem Tage wird ein andrer Mann auf freier Straße von den Ungarn, die uns dienen, bald hier, bald dort eingefangen, lebt hier einen Tag in Ehren als Kommandant, der Wachtmeister sagt ihm, worauf zu achten, er braucht nur nachzusehen, steht aber mit seinem Leben für seine Wachsamkeit. So ging es mir, als ich von dem Platze kam, wo wir die Morlacken niedertraten: ich dachte schon, daß ich hängen sollte, und trank den letzten Schluck aus meiner Flasche, – und statt dessen hängen sie mir hier ein großes Bandolier um mit dem Degen und setzen mir die Zobelmütze auf. Ich kann in zehn Tagen nicht aufessen, was sie mir auftragen und einschenken.
Caboga: Der Himmel wollte mir noch Freundestrost gewähren! Dachtest du, daß ich so enden würde, als ihr mich triumphierend als Knabe umhergezogen? Du sollst ihr meinen letzten Gruß bringen, ihr zusichern, daß ich im letzten Augenblicke ihrer dachte!
Mitrovich: Nichts von letzten Grüßen und Sterbestunden; selbst am Weine ärgert mich nichts als die Neige. Wenn das Letzte da ist, je nun, es kann's keiner zum Ersten umdrehen; doch wie du da kräftig vor mir stehst, magst du mir recht viel vom Liebchen, nichts vom Tode erzählen. Ich mache dich frei, das verlangt die Ehre unserer jugendlichen Kameradschaft. Du hast dich in Raserei freiwillig ergeben, sie wollen deiner um so weniger schonen, du scheinst ihnen um so gefährlicher, weil du dem Tode trotzest, von dem sie sich um Ehre und Gewissen loskaufen würden. Du mußt entfliehen.
Caboga: Ich mag nicht fliehen. Zwar ist's ein sündig Blut, das ich vergossen habe, doch drückt's so schwer, als wär's mir in das Herz geflossen. Unstät und flüchtig auf der Welt zu irren, ist langsamer Tod. Es war mein nahverwandtes Blut, das ich vergossen, mein Vater wird's in Ewigkeit mir nicht verzeihen.
Mitrovich: Das hindert dich! Auf, frisch, dir lös ich gleich die Fesseln mit meiner alten Schlösserpraktik. Der Procoli steht wieder auf den krummen Beinen, der Aderlaß hat ihm recht wohl getan, er leidet an dem Übermaß der Säfte. Der Schrecken mehr als die Gewalt des Stichs hat ihn im Rat ohnmächtig hingestreckt. Du hast gewiß noch keinen umgebracht, der in so vielen Wämsern, wie Procoli, sich eingezwiebelt trägt, um wohlbeleibt zu scheinen. Der Procoli, so sagten mir die Leute hier, geht schon umher, dein Eigentum sich in Beschlag zu nehmen; er meint, als ob er sich das Geld mit seinem Schreck recht schwer verdiente. Das schlechteste deiner Häuser will er zu milder Stiftung für seine abgedankten Liebschaften einrichten.
Caboga: Mein Geld, ich wollt's ihm gönnen, wenn ich dafür Marina von ihm kaufen könnte. Weißt du denn nichts von ihr?
Mitrovich: Hier weiß niemand von ihr. Bist du frei, so brechen wir ein bei ihr, wir nehmen sie mit uns ins Türkenland. Ich bin da wohlbekannt, und günstig ist dir Crook und seine Tochter, sie werden uns in Konstantinopel empfehlen. Leute von unserm Schlage kommen überall durch, wir brauchen nicht viel und sind zu allem zu gebrauchen.
Caboga: Was du möglich glaubst, ich kann es wagen, habe nichts zu verlieren; aber, Mitrovich, dein Leben setze ich nicht für mich aufs Spiel.
Mitrovich: Mein Leben? – Wenn ich von meinem Leben ein Wort weiß, laß ich mich hängen; wie sieht's aus, wo steckt's? ich habe gar kein solches Werkzeug in mir. Ich tue, was ich nicht lassen kann, und zwingt mich einer zu etwas, so renne ich mir den Kopf ein, und will mich einer davon abhalten, so ringe ich darum, bis mir die Arme brechen. Ich will dich retten, ich will mit dir gehen, du kannst mich nicht davon abhalten, und der Lumpenstaat Ragusa mag sich einen andern Kommandanten greifen. Fort mit den Ketten! (Er öffnet die Schlösser.) Müßig träumend bleibst du sitzen? Marina ruft dich, Procoli droht ihr.
Caboga:(Er springt auf.)