Für meinen Bruder.
Seitdem du fort bist,
fehlt etwas.
Ich werde dich immer
vermissen.
Das Geschrei des Babys hallte über die Weiten des Ozeans. Er hörte es in jedem noch so leisen Meeresrauschen, jedem Windstoß, der über das Wasser hinwegsauste, und egal wie sehr er sich abzulenken versuchte, es ließ ihm keine Ruhe.
Er beobachtete den Säugling seit dem Tag seiner Geburt fast täglich, um sich zu vergewissern, dass es ihm gut ging, doch nie hatte er herzzerreißender geweint.
Seine Mutter hatte vor einer guten halben Stunde zum letzten Mal nach ihm gesehen und so wie er die junge Frau kannte, erledigte sie nun pflichtbewusst die angefallene Hausarbeit. Er vermutete, dass sie dafür kurz vor die Tür gegangen war, denn sicherlich würde sie es sonst hören und zu dem kleinen Geschöpf eilen. Doch das Weinen verstummte nicht. Niemand kümmerte sich um das Baby, es war ganz allein.
Es tat ihm in der Seele weh, dass dem Säugling nicht geholfen wurde. Eilig verließ er den Tempel des Orakels, in dem er das kleine Mädchen gesehen hatte, um schnellstmöglich dem Ursprung des Geschreis zu folgen.
Apollo, der Hüter der Orakelstätte, hatte ihm erlaubt, dort regelmäßig das Bild des Babys heraufzubeschwören. Es erschien stets an der hinteren Wand des Tempels, die von dem Licht je einer Feuerschale links und rechts angestrahlt wurde. Es war, als wüsste die Orakelstätte mit seinem Eintreten bereits, was er sehen wollte, und offenbarte ihm Einblick in das Leben des kleinen Mädchens.
Obwohl er dort nur sie und kaum etwas von ihrer Umgebung sehen konnte, hatte er sich nie Sorgen darum gemacht, was sich außerhalb ihres Zimmers abspielte, war sich immer sicher gewesen, dass ihre Mutter sich gut um sie kümmerte. Aber offenbar hatte er sich getäuscht.
Zum ersten Mal sah er einen Grund dafür, in ihr Leben einzugreifen, und er würde sich von nichts und niemandem aufhalten lassen. Sein Weg führte ihn über den Ozean, über Berge und durch Täler, bevor er das Haus erreichte, in dem sie lebte.
Die Tür war nicht abgeschlossen und während er durch den Flur ging, die Treppe emporstieg und sich in ihr Zimmer begab, bemerkte er, dass niemand sonst zu Hause war.
Da war nur sie, gekleidet in einen rosaroten Strampler. Auf ihrem Kopf kräuselten sich bereits die schwarzen Haare, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte und die ihr, wenn sie älter wurde, in schweren Locken über die Schultern fallen würden. Doch sie war noch so winzig, noch nicht mal ein Jahr alt.
Zärtlich betrachtete er ihr wunderschönes Gesicht und dachte an die Frau mit den gleichen braunen Rehaugen, der er vor knapp zwei Jahren begegnet war. Er dachte an ihr sorgenfreies Lachen, das ihn auf sie aufmerksam gemacht hatte, und an die vielen flüchtigen Blicke, nachdem er den Mantel der Unsichtbarkeit abgelegt hatte. Die Art, wie sie ihre Gefühle zur Schau stellte und nicht im Geringsten versuchte sie vor ihrer Umwelt zu verbergen, hatte ihn auf der Stelle fasziniert, sodass es ihm gar nicht anders möglich gewesen war, als sich in die junge Frau zu verlieben.
Er empfand Gefühle für das Baby, von denen er vorher nicht einmal ansatzweise geträumt hatte, aber nun, da er endlich die Möglichkeit bekam, es selbst in die Arme zu schließen, spürte er eine ganz neue Ebene der Verbundenheit.
Eine Liebe, die niemals erlöschen würde.
Augenblicklich verstummte ihr Weinen und das Mädchen sah ihn neugierig an. Er glaubte ein Lächeln in ihrem kleinen Gesicht zu erkennen. Sie war bezaubernd.
Und sie tat ihm so leid, denn auch wenn er es nicht wahrhaben wollte, wusste er doch tief in seinem Herzen, dass sie vergeblich nach ihrer Mutter rief. Sie würde nicht zurückkehren, denn sie war nicht mehr am Leben. Dessen war er sich sicher.
Dennoch musste er schmunzeln, als er sich in dem Kinderzimmer umsah. Ihre Mutter hatte es ganz in Rosa eingerichtet und auf der Tapete befand sich ein niedliches Herzchenmuster.
Wie passend, dachte er und fasste einen Entschluss. Er würde sie mitnehmen und für sie sorgen. Für dieses kleine Mädchen.
Für seine Tochter.
»Du hast in das Schicksal eingegriffen!«, hallte die Stimme von Lachesis in seinem Kopf wider.
Nun hatte auch die mittlere der drei Moiren beschlossen ihm seine Tat, die achtzehn Jahre zurücklag, nachzutragen. Sie war es, die das Leben der Menschen mit ihren Losen bestimmte, vergilbten Pergamenten, die sie aus einer simplen Tonschale zog. Ob Armut oder Reichtum, Erfolg oder Niederlage, Liebe oder Einsamkeit, all das hing von ihr ab.
Während ihre Schwestern ihm schon seit Jahren vorhielten, wie verantwortungslos er gehandelt hatte, war es nun das erste Mal, dass Lachesis selbst das Wort gegen ihn erhob.
Eros biss die Zähne zusammen, während er auf die Göttinnen zuschritt. Sie hatten ihn gerufen und selbst er als Gott der Liebe konnte einer Einladung des Schicksals nicht entfliehen.
»Hätte ich zulassen sollen, dass sie ewig nach ihrer Mutter schreit?«, antwortete er grob und sah die Moiren direkt an. Sie waren hübsch, ohne Frage, mit ihren langen dunkelblonden Haaren und den flatternden weißen Gewändern, die ihre schlanken Körper umhüllten und dabei gleichzeitig so viel Haut zeigten, um jeden Mann auf der Stelle schwach werden zu lassen. Aber Eros ließ sich nicht von ihrer Schönheit blenden.
Hinter den Moiren verbargen sich die grausamsten Göttinnen, die die Erde, der Hades und der Olymp je gesehen hatten. Sie bestimmten über das Schicksal, über Leben und Tod sowie alles, was dazwischenlag.
»Wir haben es dir schon so oft gesagt: Du hättest sie auf der Erde lassen sollen!«, fauchte die jüngste von ihnen, Klotho, die den Lebensfaden spann. »Sie war gerade erst geboren und hatte ihr ganzes Leben vor sich. Alles war für sie geplant!«
»Auch, dass ihre Mutter ums Leben kommt?«, spie er zurück und klang dabei genauso feindselig wie die Göttin vor ihm. Es ging um seine Tochter, sein eigen Fleisch und Blut. Da konnte er nicht ruhig bleiben.
»Nein, das war nicht geplant«, erklärte die älteste und grausamste von ihnen, Atropos. Sie war es, die den Lebensfaden durchschnitt und damit Menschenleben beendete. »Es ist einfach schrecklich, wie ihr Götter stets in die Bestimmung eingreift, doch das tut nichts zur Sache. Dein Verstoß gegen das Schicksal ist um einiges gravierender als das Ableben eines gewöhnlichen Menschen.«
Klotho nickte zustimmend. »Was der jungen Frau geschehen ist, hätte nie so passieren sollen, das ist wahr. Auch sie hatte noch ihr ganzes Leben vor sich, bevor man es vorzeitig beendet hat. Und doch ist das keine Entschuldigung für deine Tat.«
»Meinem Kind wurde die Mutter genommen. Ihr habt nichts dagegen getan, obwohl ihr das Schicksal in der Hand habt. Ihr hättet es verhindern und meiner Tochter ein schönes Leben ermöglichen können, aber ihr habt Alena sterben lassen und nun klagt ihr mich dafür an, dass ich Romina vor einem Leben ohne elterliche Liebe bewahrt habe?«, erwiderte er und seine Worte trieften nur so vor Sarkasmus.
»Eros, du verstehst das nicht. Wir haben viele Jahre tatenlos dabei zugesehen, wie du sie mit Idealen großziehst, die für sie unerreichbar sind, aber jetzt ist es genug. Sie ist erwachsen, es gibt keinen Grund mehr, sie länger hierzubehalten. Du hast damals schon gegen die Regeln verstoßen und kannst von Glück reden, dass Zeus dir gestattet hat sie großzuziehen. Aber deine Tochter ist längst kein Kind mehr. Achtzehn Jahre, das war die Bedingung. Du bekommst Zeit, um ihr ein Vater zu sein, bis sie achtzehn Jahre alt ist, bevor du sie zurück auf die Erde schickst. Sie ist fast neunzehn. Es ist allerhöchste Zeit. Vergiss nicht, dass ihre Seele sterblich ist. Sie hat immer auf die Erde gehört. Zu ihresgleichen. Auch wenn göttliches Blut durch ihre Adern fließt, ist es zu gleichen Teilen menschlich. Eine Halbgöttin ist alles, was sie jemals sein wird, und als solche verdient sie ein Menschenleben mit einer Familie«, erwiderte Lachesis und klang nun etwas einfühlsamer, aber nicht genug, um den Gott zu besänftigen.
»Sie hat eine Familie!«
»Eine menschliche Familie, Eros. Einen Mann. Kinder. Sie verdient Liebe, aber solange sie hierbleibt, wird sie nichts davon bekommen«, fuhr die Moira fort.
»Willst du, dass sie stirbt, ohne je richtig gelebt zu haben?«, ergänzte Atropos mit Endgültigkeit in der Stimme.
Genau so würde es kommen, wenn sie bei ihm blieb. Wenn er sie bei sich behielt.
»Natürlich nicht, aber in Romina steckt so viel mehr als in einer gewöhnlichen Halbgöttin. Ihre Kräfte sind vergleichbar mit meinen eigenen. Es fehlt ihr nicht viel zur wahren Göttlichkeit«, beharrte Eros.
Er hatte seine Tochter nicht umsonst zu seiner rechten Hand ausgebildet, ihr die Tricks und Kniffe mit dem Bogen gezeigt und den Umgang mit ihren Kräften beigebracht. Nur durch ihn war Romina so nah dran, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Er hatte doch von Anfang an bloß gewollt, dass sie zu einer starken, selbstbewussten jungen Frau heranwuchs, die eines Tages an seiner Seite stehen und gemeinsam mit ihm über die Liebe herrschen würde.
Nicht mehr und nicht weniger hatte er sich für sie gewünscht, doch nun brachten die Moiren alles in Gefahr, was er für seine Tochter aufgebaut hatte. Sie würde allein auf der Erde nie so glücklich werden wie hier bei ihm.
»Sie ist nicht dazu gemacht, eine Göttin zu sein. Willst du es nicht verstehen? Würde Zeus ihr die Unsterblichkeit schenken …« Lachesis brach ab und schüttelte den Kopf. »Willst du, dass die Ewigkeit ihre Seele zerstört, bis sie vollkommen den Verstand verliert?«, entgegnete sie dann unnachgiebig und Eros wurde angst und bange.
Nichts wäre schlimmer, als seiner Tochter dabei zuzusehen, wie sie an der Unsterblichkeit, die sie sich so sehr wünschte, zugrunde ging und vollkommen verrückt wurde. Nicht einmal, wenn er dafür in Kauf nehmen musste, sie zu verlieren. Und doch tat er sich schwer damit.
»Hier ist ihr Zuhause, der Ort, an dem sich ihr ganzes Leben abspielt. Sie wird nicht freiwillig gehen, wenn ich sie darum bitte«, seufzte der Gott.
»Dann bring sie dazu!«, verlangte Lachesis. »Denk daran, in letzter Instanz werden wir selbst dafür sorgen, dass alles kommt, wie es kommen muss. Willst du das? Sie wird einsichtiger sein, wenn du derjenige bist, der ihr den Grund ihrer Rückkehr erklärt.«
Eros wusste, dass es keine leeren Drohungen waren. Schon lange beharrten die Moiren darauf, dass er seine Tochter fortschickte. Seitdem Romina achtzehn Jahre zählte, war es schlimmer geworden.
Ihm war bewusst, dass er Zeus das Versprechen gegeben hatte, sie nach ihrem achtzehnten Geburtstag auf die Erde zurückzuschicken, aber jetzt, da die Zeit abgelaufen war, kam sie ihm doch viel zu kurz vor. Er wollte sich nicht von ihr trennen, aber ihm war klar, dass die Schicksalsgöttinnen nicht länger warten wollten.
Würde nicht er sie zurückschicken, würden sie es tun. Wie sie bei ihrem letzten Treffen bereits angedeutet hatten, würden sie seine Tochter ihrer Kräfte berauben, ihren Bogen zerbrechen, ihr die Flügel ausreißen und sie mutterseelenallein auf der Erde zurücklassen. Sie würde schreckliche Qualen durchleiden, und das nur, weil die Moiren die Geduld mit ihm verloren hatten. Trotzdem wollte er sich nicht geschlagen geben!
»Und wie soll ich das tun? Es wäre unverantwortlich, sie auf sich allein gestellt zurückzuschicken. Sie wird es niemals schaffen, wie ein Mensch zu leben. Sie hat die Gepflogenheiten der Erde nie verinnerlicht. Wie soll sie dort klarkommen? Sie wird nie wieder fliegen können. Das kann ich ihr nicht antun. Außerdem liebt sie es hier.«
Und Eros liebte seine Tochter. Er liebte sie mehr noch als an dem Tag, als er dieses kleine Baby zu sich geholt hatte. Inzwischen war sie erwachsen und er hätte stolzer nicht sein können.
»Schick sie fort!«
Kapitel 1
Es gab nicht vieles, was ich in meinem Leben als magisch und unglaublich bezeichnet hätte. Wenn man mit einem Haufen Göttern aufwuchs, wurde »magisch« und »unglaublich« ziemlich schnell zum Alltag. Aber ein paar Dinge gab es doch, die mich immer wieder zum Staunen brachten.
Eins davon war, wenn zwei Liebende einander zum ersten Mal in die Augen blickten und ihnen klar wurde, dass sie in diesem Moment ihrer anderen Hälfte gegenüberstanden. Mal dauerte es länger und manchmal war nur ein Augenblick vonnöten, bis zwei Seelen zueinanderfanden. Und in diesem einen entscheidenden Moment war ich zur Stelle.
Jeder liebte anders, das hatte ich in den letzten Jahren gelernt, aber wenn zwei Menschen einander fanden, dann war es wie eine perfekte Symbiose. Sie ergänzten und vervollkommneten sich gegenseitig und eine Bindung entstand, die stark genug war, um allen Widerständen zu trotzen.
Für mich war es das Allerschönste, die Menschen auf ihrem Weg zu der einzig wahren Liebe zu begleiten, mochte er noch so lang und steinig oder kurz und leicht sein. Wenn ich das goldene Tor des Olymps durchschritt und mich auf den Weg zur Erde machte, konnte ich gar nicht anders, als mich auf das zu freuen, was mich erwartete. O ja, ich hatte definitiv den besten Job der Welt und würde ihn für nichts eintauschen.
Jeden Tag war es eine andere Umgebung, die mich empfing. Heute befand ich mich im regen Großstadttrubel irgendwo im Westen der USA. Hochhäuser reihten sich abseits der breiten und viel befahrenen Straße aneinander und auch auf dem Gehweg tummelten sich Menschen. Erwachsene in eleganten Anzügen und Kostümen, die hektisch zu ihren Terminen eilten. Teenager, die auf dem Schulweg trödelten. Junge Mütter mit ihren Kindern.
Die Schnelllebigkeit der Stadt hatte ich noch nie verstanden, aber wer war ich, diese zu beurteilen? Ich war aus einem ganz anderen Grund hier.
Ich sah mich suchend um, wusste bloß, dass ich heute hier war, um zwei Menschen Liebe zu schenken, aber weder, wer die beiden Glücklichen waren, noch, wo genau sie sich begegnen würden. So war es immer. Ich ließ mich voll und ganz von meinem Herzen leiten. Schlussendlich brachte es mich immer ans Ziel.
Es dauerte nicht lange, bis ich ihn erblickte. Gekleidet in einen adretten marineblauen Anzug, mit weißem Hemd und Krawatte in einem etwas helleren Blauton, lief der junge Mann den Fußweg entlang. In einer Hand hielt er eine Aktentasche, in der anderen ein kleines Gerät, das die Menschen Handy nannten. Während er damit beschäftigt war, auf den Bildschirm zu starren, manövrierte er sich geschickt durch die Menge an Passanten. Hin und wieder rempelte er jemanden an, aber die bösen Blicke schienen ihn nicht zu interessieren. Er wurde nicht einmal langsamer.
Doch gleich würde er ihr begegnen, der Frau, die sein Leben für immer verändern sollte. Es war dieses Gefühl tief in meinem Herzen, das mir genau das sagte. Wie immer hatte es mich zur richtigen Zeit an den richtigen Ort geführt, um zwei Liebende zusammenzubringen. Als ich noch ein Kind gewesen war, hatte ich mich oft gefragt, wie es funktionierte, dass mein Herz mich so zielgenau führte, aber ich hatte nie eine zufriedenstellende Antwort erhalten. Nur ein geheimnisvolles Lächeln meines Vaters, der mir riet mir nicht allzu viele Gedanken darüber zu machen.
Schlussendlich hatte ich mich damit zufriedengegeben. Bis heute hatte mein Herz, mein Instinkt, mich nie im Stich gelassen und das würde es auch jetzt nicht.
Ich landete in einer schmalen Seitengasse und ließ mit einem einzelnen Gedanken meine Flügel in den feinen Narben an meinem Rücken verschwinden. Dann heftete ich mich an die Fersen des jungen Mannes und zog routiniert meinen Bogen aus der Halterung an meinem Rücken. Kaum dass ich ihn in der Hand hielt, spürte ich, wie sich die niedlichen sechzig Zentimeter ausdehnten, bis er das Doppelte maß. Nun war er nur noch dreißig Zentimeter kleiner als ich.
Ich schlängelte mich zwischen all den Geschäftsleuten und Schülern hindurch, wich Kinderwagen aus und manövrierte mich an Stühlen und Tischen vorbei, die gerade vor einem kleinen Eis-Café aufgestellt wurden. Niemand sah mich komisch an, weil ich mit einem Bogen durch die Straßen lief. Das konnte ich glücklicherweise verhindern.
Unsichtbarkeit war eine feine Sache, eine Gabe, die mir von den Göttern verliehen worden war, als ich mit sechs Jahren zum ersten Mal meinen Vater auf die Erde begleitet hatte. Damals war er noch regelmäßiger hierhergekommen, um Menschen mit seinen Pfeilen zu beglücken. Mittlerweile kam ich aber auch ziemlich gut allein klar und brauchte seine Hilfe nicht länger. Er hatte mir genug Verantwortung übertragen, um mich selbstständig arbeiten zu lassen.
Es war ungemein praktisch, dass die Menschen mich nicht wahrnahmen, und ersparte mir eine Menge Erklärungen. Ich musste aber trotzdem aufpassen, dass ich nicht aus Versehen jemanden anrempelte oder selbst angerempelt wurde. Unsichtbar zu sein hieß schließlich nicht, dass man einfach durch mich hindurchgehen konnte.
Ich blieb abrupt stehen, als ich sie sah. Die junge Frau mit einem Leinenbeutel und einem Kaffee to go in den Händen wirkte ein wenig planlos und maßlos überfordert. Sie blickte sich um, als würde sie etwas suchen oder nach jemandem Ausschau halten. Unsicherheit spiegelte sich in ihrer Mimik wider, während sie versuchte sich zu orientieren. Ihre braunen Haare hatte sie zu einem lockeren Dutt gebunden, wobei einige Strähnen lose im Wind wehten. Ihre offene Jeansjacke schützte sie nur notdürftig vor den niedrigen Temperaturen.
Die beiden passten vom Kleidungsstil und der Ausstrahlung her nicht zueinander, dennoch war es ihnen vorherbestimmt, zusammen zu sein. Das hatte nicht ich entschieden, sondern das Schicksal höchstpersönlich, was aber nicht hieß, dass ich der Entscheidung der Moiren nicht in jedem Punkt zustimmte. Selbst wenn es anders wäre, lag es nicht an mir, das Schicksal infrage zu stellen. Wenn die Moiren etwas beschlossen hatten, dann musste man sich fügen. So hatte mein Vater es mir beigebracht.
Mit einer flinken Handbewegung zog ich ein Pfeilpaar aus meinem Köcher und erwischte auf Anhieb zwei goldene Pfeile. Genau richtig.
Normalerweise waren es Silberpfeile, die ich nutzte, aber das hier sollte mehr werden als eine gewöhnliche Beziehung, die sich nur vielleicht zu mehr, zu etwas Beständigem entwickelte. Das hier war die wahre Liebe und dafür waren Goldpfeile auf jeden Fall gerechtfertigt. Vater würde auch so handeln, dessen war ich mir sicher. Schließlich hatte er mir heute Morgen neue Goldpfeile aus Hephaistos' Schmiede geholt.
Oft ging ich lieber auf Nummer sicher, denn wenn mir doch mal ein Fehler unterlaufen sollte, konnte Vater meine Missgeschicke mit Silberpfeilen doch sehr viel leichter wieder hinbiegen, als wenn er eine ewige Liebe auslöschen musste.
Es war beinahe zu einfach, denn jahrelange Erfahrung hatte meine Treffsicherheit geschult. Ich drehte meinen Oberkörper so, dass ich seitlich zu dem Mann stand, und spannte die Sehne, bis die goldene Befiederung fast an meinem Kinn anlag. Dann zielte ich und schoss. Als ich mir sicher war, dass der Pfeil ihn genau an der beabsichtigten Stelle getroffen hatte, drehte ich mich um, legte den zweiten Pfeil an und zielte auf die Frau. Ich ließ die Sehne los und der Pfeil schoss nach vorn, direkt in ihr Herz. Meine Mission war erfüllt.
Die beiden wussten nicht, wie ihnen geschah, aber ich wusste es umso besser. Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen, als beide den Blick des jeweils anderen fanden. Sie wirkten leicht verklärt, als würden sie die Welt nun durch andere Augen sehen, und in gewisser Weise traf das auch zu.
Ich seufzte glücklich und beobachtete gespannt, wie sich diese neuen, unbekannten Gefühle zeigten und ihr Handeln beeinflussten.
Zögerlich, aber mit einem Lächeln auf den Lippen näherte sich die junge Frau ihrem Gegenüber und gewann mit jedem Schritt mehr Selbstvertrauen, während auch er von seinem regulären Weg abkam, um auf sie zuzugehen. Er lächelte ebenfalls und wirkte entspannt. All der Stress, aus dem sein Leben bestanden hatte, war verschwunden.
»Brauchen Sie Hilfe?«, begrüßte er sie charmant.
»Ähm …« Die junge Frau suchte nach Worten, wandte den Blick Richtung Boden und nuschelte etwas, das ich nicht verstehen konnte. Es dauerte einen Augenblick, bevor sie den Kopf wieder hob und dabei den leichten Rotschimmer auf ihren Wangen enthüllte. »Ich bin neu hier und kenne mich nicht so gut aus. Können Sie mir den Weg zu Franklin & Sons erklären?«, fragte sie verlegen.
Mit einem Mal wurde das Lächeln des Mannes breiter. »Das ist die Kanzlei, in der ich arbeite. Ich bin gerade auf dem Weg dorthin und es wäre mir eine Freude, wenn Sie mich begleiten.«
»Ach wirklich? Dann nehme ich das Angebot gern an, Herr Kollege. Ich bin die neue Assistentin von Mr Hobbs. Ich heiße Emily. Emily Stone. Es freut mich sehr.«
Sie hielt ihm eine Hand zur Begrüßung hin und merkte dabei nicht, dass sie ihren Kaffeebecher darin hielt, aber der junge Mann schmunzelte bloß darüber, nahm ihr den Kaffee ab und schüttelte ihre Hand, bevor er ihr den Becher zurückgab.
Seinen Namen hörte ich nicht mehr, denn da waren die beiden schon zu weit weg, aber das war auch nur eine Nebensache. Was zählte, war, dass sie sich gefunden hatten. Auch wenn ihnen das noch nicht bewusst war.
Vater hatte mir erklärt, dass Menschen die Pfeile nicht spüren konnten, weil sie sich auflösten, sobald die Spitze gegen ein Hindernis stieß, und aus keinem festen Material bestanden, sondern nur diese Form annahmen, weil pure Gefühle sich so schlecht mit dem Bogen verschießen ließen. Trotzdem beschlich mich ab und an die Vermutung, dass das nicht auf jeden Menschen zutraf. Manchmal zuckten sie kaum merklich zusammen, als hätte es ihrem Herzen einen Stoß versetzt, und einfach so … waren sie verliebt.
Dafür lebte ich. Für diese kleinen und doch wunderschönen Momente, die es auf dieser Welt, gezeichnet von Terror und Krieg, leider viel zu selten gab. Wenn ich es könnte, würde ich dafür sorgen, dass es keinen Hass und keine Verachtung mehr auf der Erde gäbe, aber das lag nicht in meiner Macht. Wo es Liebe gab, musste es auch Hass geben, genauso andersherum. Also musste ich mich damit begnügen, einige ausgewählte Menschen glücklich zu machen.
Ich hatte mein Leben der Liebe gewidmet und es seither nie bereut. Das hier war meine ewige Aufgabe und auch wenn die Menschheit mich niemals so ehren würde wie meinen Vater, es niemals Sagen über mich geben oder Menschen meinen Namen kennen würden, ich war damit zufrieden, jeden Tag auf der Erde für ein wenig mehr Liebe zu sorgen.
Jeder Tag bot neue Abenteuer. Jeder Besuch auf der Erde war wie ein Abtauchen in eine andere Welt.
Schön.
Aufregend.
Aber nur von kurzer Dauer.
Auf keinen Fall für immer.
Und weil ich spürte, dass meine Aufgabe für heute erledigt war, beschloss ich auf den Olymp zurückzukehren. Ich ließ es mir aber nicht nehmen, vorher in meinem Lieblingsladen vorbeizuschauen. Dieser befand sich nicht einmal ansatzweise in der Nähe, aber das war nichts, was mich aufhalten konnte.
Auf direktem Weg schlängelte ich mich durch die Menschenmassen zurück in die kleine Seitengasse. Hier hatte ich genug Platz, um meine Flügel wieder zu entfalten.
Sie sprossen aus den feinen Narben zwischen meinen Schulterblättern und breiteten sich auf ihre beachtliche Spannweite von gut zwei Metern aus. Dieser Prozess dauerte nicht lange und wenngleich ich in meiner Anfangszeit Schmerzen dabei verspürt hatte, war ich nun so daran gewöhnt, dass ich diese kaum noch wahrnahm.
Für mich zählte eines viel mehr: das Gefühl, in die Luft aufzusteigen. Jeder Flügelschlag trug mich höher und höher, während die Menschen unter mir immer kleiner wurden.
Ich flog gen Osten und ließ mich vom Wind davontragen. Einige Strähnen meiner Locken wehten mir ins Gesicht, aber das ignorierte ich. Das Gefühl, durch die Luft zu fliegen, den Wind von allen Seiten zu spüren und die grenzenlose Freiheit zu fühlen, war zu unglaublich, als dass ich mich um Kleinigkeiten gekümmert hätte.
Je näher ich meinem Ziel kam und je mehr Zeitzonen ich passierte, desto stärker wurde der Wind, der mich einmal fast vom Kurs abbrachte. Chione, die Göttin des Winters und des Winterwindes, musste viel Spaß daran haben, mich zu ärgern, denn schon bald wichen die grünen Waldflächen einem Winterwunderland. Schnee bedeckte ganze Landstriche und zeigte mir das, was mir bisher nur das Datum bestätigt hatte: Es war Winter. Und im Gegensatz zur Westküste bemerkte man ihn hier. Das hieß: kurze Tage, lange, dunkle Nächte, niedrige Temperaturen, die ich glücklicherweise dank meiner Kälteresistenz nicht spürte, und natürlich Unmengen von Schnee.
Ich seufzte. Zumindest war ich angekommen. Vor mir befand sich ein kleines Geschäft, es lag am Rand einer größeren Stadt. Tannen und Kiefern erhoben sich hinter dem Haus und gingen in einen dichten Nadelwald über. Es sah mystisch aus. Das war aber nur einer der Gründe, wieso ich gern hierherkam.
Nachdem ich mich wieder sichtbar gemacht hatte, betrat ich die kleine Buchhandlung, meinen absoluten Lieblingsort auf der Erde. Ich konnte es jedes Mal kaum erwarten hierherzukommen, den vertrauten Duft von Papier einzuatmen und mich mit neuen Büchern einzudecken.
Sie halfen mir, mich während meiner Arbeit zurechtzufinden. Viele der Romane, die es mir angetan hatten, erzählten von den Menschen, die zu meiner Zielgruppe gehörten. Menschen, die sich zum ersten Mal verliebten und die wahre Liebe kennenlernen durften. Da ich nicht wusste, was es hieß, verliebt zu sein – und das auch gern dabei belassen würde –, konnte ich durch die Bücher besser nachvollziehen und verstehen, wie Menschen in einer solchen Situation handelten. Dazu kam, dass die meisten Bücher in der Gegenwart spielten und mir damit auch das eine oder andere Detail über die technologischen Dinge beibrachten, die man hier für selbstverständlich hielt. Viel verstand ich davon nicht, das musste ich zugeben, aber es reichte für die Zeit, die ich hier verbrachte, aus.
Außerdem gab es auf dem Olymp schrecklich wenige gute Bücher, was vor allem daran lag, dass Athene ihre Errungenschaften der letzten Jahrhunderte in ihrer Bibliothek bunkerte, als wären sie wertvolle Schätze. Als Göttin der Weisheit hegte und pflegte sie jedes einzelne Buch, sei es eine antike Schrift oder ein gerade erschienenes Fachbuch, und natürlich hatte niemand außer ihr Zugriff auf ihre Bibliothek. Nicht einmal ich, dabei liebte ich das geschriebene Wort so sehr wie sie. Ich wusste nicht sicher, wieso das so war, aber die Geschichte, in der Dionysus betrunken in der Bibliothek gelandet war und dort Unordnung verbreitet hatte, war selbst mir bekannt, dabei war das ungefähr zweihundert Jahre vor meiner Geburt geschehen.
Die meisten Kunden in dem kleinen Buchladen waren Stammgäste. Stets sah ich dieselben Gesichter, wenn ich ihn betrat und einen Blick in die gemütliche Leseecke warf. Bei meinem ersten Besuch hier war ich unsichtbar gewesen, aber inzwischen hatte ich das aufgegeben. Bei der Inhaberin, Mrs Amanda, hatte meine Gabe ohnehin nicht funktioniert.
Ich erinnerte mich noch gut an den Tag, an dem ich diese niedliche Buchhandlung entdeckt hatte. Einige Minuten war ich unsichtbar durch den Laden geschlichen. Es war ganz still gewesen, während ich mich bei den Neuerscheinungen umgesehen hatte, bis ich auf einmal Schritte vernahm. Für mich war das nicht weiter von Bedeutung gewesen, schließlich hatte ich nicht damit gerechnet, dass mich jemand sah. Das merkte ich erst, als ich ihr »Wie kann ich dir helfen?« gehört hatte und zusammengezuckt war.
Es hatte einige Augenblicke gedauert, bis ich meine Sprache wiedergefunden hatte, um zu antworten.
Danach hatte sie mich ganz lieb beraten und mich eingeladen, noch etwas zu bleiben, weil der Laden an diesem Abend so leer gewesen war und sie sich etwas Gesellschaft gewünscht hatte.
Seitdem schaute ich regelmäßig vorbei. Nicht nur, um Bücher zu kaufen, sondern auch, um Mrs Amanda zu besuchen. Am Anfang hatte sie mich noch gefragt, wieso ich stets meine flatternden Gewänder trug und offenbar keine »normale« Kleidung besaß, aber sie hatte sich daran gewöhnt, so wie ich mich daran gewöhnt hatte, meine Unsichtbarkeit aufzulösen, bevor ich den Laden betrat. Nicht, dass es für die anderen Kunden so aussah, als würde sie mit der Luft reden.
Was meinen Bogen betraf, so war er nach wie vor nicht für das menschliche Auge als solcher zu erkennen. Apate, meine Großtante und Göttin der Täuschung, hatte ihn vor einigen Jahren mit einem Zauber belegt, der sein Erscheinungsbild für die Menschen veränderte. Was sie an seiner Stelle sahen, konnte ich nicht sagen. Vermutlich einen Rucksack oder etwas Ähnliches, wenn ich ihn auf dem Rücken trug. Etwas in ihren Augen vollkommen Normales.
Schon als Mrs Amanda mich sah, winkte sie mir mit einem breiten Grinsen zu. Sie war in etwa so groß wie ich, um die sechzig und hatte kurzes graues Haar. Früher war es schwarz gewesen, aber das gehörte der Vergangenheit an. Einige Falten hatten sich an ihrer Stirn und an den Mundwinkeln gebildet, was ebenfalls für ihr Alter sprach, sie aber nicht weniger sympathisch wirkten ließ.
»Romina, Liebes, ich habe mir schon gedacht, dass du heute wieder vorbeischaust«, begrüßte sie mich herzlich.
In dem Moment, als sie die Worte aussprach, übersetzten sie sich in meinen Kopf in meine Muttersprache – Altgriechisch. Egal, wo auf der Erde ich mich befand, ich verstand, was man mir sagte, und wurde im Gegensatz auch verstanden. So war es mit jeder Sprache und ein Geschenk, das Athene mir gemacht hatte. Nur beim Schriftlichen war das etwas komplizierter. Lesen war noch nie ein Problem für mich gewesen. Es war egal, in welcher Sprache oder in was für einer Schriftart der Text verfasst war, ich konnte ihn lesen und verstehen. Nur wenn ich selbst schreiben wollte, war ich an mein Erbe gebunden. Das Wissen über die einzelnen Buchstaben war zwar da, aber ich schaffte es nicht, sie so auf Papier zu bringen, wie ich es wollte. Schlussendlich waren sie immer altgriechisch. Da ich auf der Erde aber sowieso nicht schreiben musste, konnte ich dieses Defizit verschmerzen.
»Heute erscheint ja auch der neue Roman, auf den ich schon lange warte«, erwiderte ich fröhlich. Das Buch war bereits für mich vorbestellt, seitdem ich in der Leseecke der Buchhandlung in den Vorschauen geblättert hatte.
Mrs Amanda holte ihn mir gleich aus dem Regal und rückte ihre Lesebrille zurecht, um meinen Namen aus der Liste der Bestellungen zu streichen.
»Und da hast du es, Liebes« In einer weißen Plastiktüte hielt sie mir das Buch hin, das ich mit meinem Taschengeld bezahlte.
Obwohl die Götter nun wirklich nicht sparen mussten, hatte sich das monatliche Taschengeld bei meinem Vater und mir etabliert. So konnte ich mir ab und an Dinge kaufen, die ich auf dem Olymp nicht bekam, aber das meiste von dem Geld lag noch immer in der untersten Schublade meiner Kommode. Woher die Götter so viel Geld hatten, dass Vater mir jeden Monat einen beachtlichen Teil davon abgeben konnte, wusste ich nicht. Gern hätte ich mehr darüber erfahren, aber wenn die eigenen Fragen oft genug auf taube Ohren stießen, bemühte man sich irgendwann nicht mehr.
Nachdem ich das Buch endlich mein Eigen nennen konnte, wurde mein Tag gleich noch etwas besser, aber bevor ich Mrs Amandas Laden wieder verließ, blieb ich noch ein paar Minuten, um mit ihr zu plaudern. Die alte Dame erzählte mir zum gefühlt hundertsten Mal, wie schön sie meinen Namen und wie außergewöhnlich sie meine Kleidung fand.
Ich trug heute wie fast immer einen einfachen Chiton und sah damit aus, wie man sich eine griechische Halbgöttin vorstellte. Das weiße Tuch mit dem goldenen Saum hatte ich locker um meinen Körper geschlungen und an den Schultern mit zwei goldenen Broschen befestigt. Eine Kordel in derselben Farbe diente als Gürtel und brachte den Chiton in Form. Er reichte fast bis zum Boden und verdeckte meine hochgeschnürten Sandalen. An meinen Oberarmen trug ich passende goldene Armreifen, aber auf den Haarreif mit den Lorbeerblättern hatte ich heute verzichtet.
Zweifelsohne würde ich viele seltsame Blicke kassieren, wenn die Menschen auf der Straße mich tatsächlich sehen könnten, aber Mrs Amanda hatte meinen Kleidungsstil akzeptiert und mit ihr auch ihre Stammbelegschaft. Wenn doch mal jemand in den Laden kam, den ich noch nicht kannte, warf man mir meistens verwunderte Blicke zu, aber damit hatte ich zu leben gelernt. Ich kam einfach zu gern hierher, um das wegen solchen Kleinigkeiten aufzugeben.
Lächelnd hörte ich Mrs Amanda zu, obwohl ich die Geschichte von ihrer ältesten Enkelin, die in der Grundschule einen Buchstabierwettbewerb gewonnen hatte, schon so oft gehört hatte. Es gefiel mir, dass sie so gern mit mir redete. Außer ihr gab es keine Menschen, mit denen ich mich unterhalten konnte, und obwohl ich zu Hause Freunde hatte, war es doch etwas anderes. Manchmal hatte ich sogar das Bedürfnis, ihr Dinge aus meinem Leben zu erzählen, aber schlussendlich brachte ich nie den Mut dazu auf. Nein, es war besser, wenn außerhalb dieses Ladens kein Mensch von meiner Existenz wusste.
Ich blieb bei Mrs Amanda, bis der nächste Kunde die kleine Bücherstube betrat. Der ältere Herr war mir nicht unbekannt. Wie ich kam auch er regelmäßig hierher, um sich die Empfehlungen der Inhaberin anzuhören, neue Bücher zu entdecken und mit ihr zu plaudern.
»Guten Tag, Mr Flannigan«, begrüßte ich ihn freundlich und räumte den Platz am Tresen.
»Ebenso, junge Dame«, erwiderte er und lächelte mich freundlich an. »Mal wieder auf dem Weg zum … Theater, richtig?«
Ich wusste nicht mehr, wann er angefangen hatte mich für eine Schauspielerin zu halten, die auf dem Weg zu einer Probe oder einem Auftritt hier vorbeikam, aber ich hatte damals nicht widersprochen.
»Genau, und wenn ich mich nicht langsam auf den Weg mache, komme ich zu spät«, entschuldigte ich mich, verabschiedete mich und trat die Heimreise an.
Ich stellte meine Unsichtbarkeit her, ließ meine Schwingen aus meinem Rücken wachsen, stieß mich mit drei kräftigen Flügelschlägen vom Boden ab und gewann schnell an Höhe. Ich kam dem Himmel immer näher und als ich schließlich durch die dichte Wolkendecke brach, atmete ich tief durch. Oh, wie liebte ich es zu fliegen, schwerelos zu sein, diese unfassbare Freiheit zu spüren. Nach meinem Besuch bei Mrs Amanda war es das Highlight meines Tages.
Mein Heimweg dauerte nicht lange. Wie immer bemerkte ich erst, dass ich die Grenze zwischen den Welten übertreten hatte, als es bereits geschehen war. Das Blau des Himmels war auf einmal heller als zuvor und nicht eine Wolke sah ich über und neben mir. Es war, als würde die Welt für einen Moment stillstehen und mich jeden Tag aufs Neue die Schönheit, die sich vor mir erstreckte, genießen lassen.
Bis ich sie schließlich sah: die goldene Pforte, die im Schein der Sonne förmlich zu leuchten schien.
Normalerweise hatten Halbgötter keinen Zugang zum Olymp. Nur Götter und andere Wesen wie Nymphen und Satyrn, die die Menschen als Teil der Mythologie sahen, konnten ihn betreten, aber für mich wurde stets eine Ausnahme gemacht. Schließlich war der Olymp mein Zuhause, das einzige, das ich je gekannt hatte.
Kapitel 2
Ich liebte alles an diesem magischen, beinahe surrealen Ort. Direkt hinter dem gewaltigen Tor, das den Eingang zum Olymp darstellte, begann die breite, gepflasterte Straße. Auf dieser landete ich, ließ meine Flügel verschwinden und setzte meinen Weg zu Fuß fort.
Schon nach wenigen Metern tauchten die ersten prunkvollen Paläste auf, die von den Göttern bewohnt wurden, die nicht zu den Olympischen Zwölf gehörten. Meterhoch erhoben sich die Wände und Säulen aus hellem Sandstein links und rechts von mir in unregelmäßigen Abständen und sorgten dafür, dass ich mich noch kleiner fühlte, als ich ohnehin schon war.
Je weiter ich lief, desto größer wurden die Paläste, bis ich schließlich den großen Platz in der Mitte unserer Stadt erreichte. Von hier gingen sternförmig weitere Straßen ab, von denen eine auf einen Hügel führte, der den größten und eindrucksvollsten Palast trug. Den, in dem mein Urgroßvater Zeus mit seiner Frau Hera lebte.
Die Wände schienen aus purem Gold anstelle von gewöhnlichem Stein zu sein und ich wusste, dass sich dieser Prunk auch in der edlen Einrichtung zeigte.
Doch ich schlug einen anderen Weg ein, bog nach rechts ab und folgte dem Weg. Zunächst passierte ich einen kleinen Tempel, den meine beste Freundin Artemis sich selbst gewidmet hatte. Vier Säulen, knapp zwei Meter hoch, trugen das Dach. Die Seitenwände wurden durch Sträucher ersetzt, die Artemis als Göttin des Waldes hatte wachsen lassen.
Jedes Mal, wenn ich an dem Tempel vorbeilief, musste ich schmunzeln, erinnerte ich mich doch noch zu gut an den Tag, an dem sie beschlossen hatte, dass sie genau an dieser Stelle einen Tempel wollte.
Ich lief weiter und fand fast an jeder Straße eine wunderhübsch aufpolierte Marmorstatue von einem griechischen Gott. Die Männer wurden meist spärlich bekleidet in einer heldenhaften Pose oder mit ihrem göttlichen Attribut gezeigt, während die Frauen die in Stein gehauene Grazie darstellten. Wunderschön. Erhaben. Mächtig. Und irgendwann würde auch mein Ebenbild hier verewigt werden. Daran glaubte ich ganz fest. Es war mein größter Wunsch. Dass ich dazu fähig war, eine Göttin zu sein und mir eine solche Ehre zu verdienen, hatte ich schon einige Male bewiesen.
Nur wenige Meter vor meinem Zuhause fand sich ganz passend die Statue von meinem Vater. Sein Abbild trug nur einen Chiton, der zum Glück die wichtigsten Stellen, aber nicht sonderlich viel mehr verdeckte, und hatte gerade den Bogen mit einem Pfeil gespannt. Wenn es dunkel war, sah man den Unterschied zwischen Original und Statue kaum.
Ich passierte den steinernen Gott der Liebe und hielt auf den Palast zu, in dem ich mit meinem Vater und dessen Frau, meiner Stiefmutter, lebte. Im Vergleich zu den Behausungen der anderen Götter wirkte unsere eher winzig, aber ich mochte es so. Von außen sah mein Zuhause wie eine kleinere Version des Pantheons aus. Das steinerne Vordach wurde von mehreren Säulen in regelmäßigen Abstanden gehalten. Erst dahinter begann der eigentliche Wohnraum, der sich in Form einer sicherlich fünf Meter hohen Kuppel erhob.
Allerdings ließ bloß die äußere Erscheinung darauf schließen, dass hier eine griechische Gottheit lebte. Im Vergleich zu der Einrichtung der heutigen Zeit auf der Erde musste unser ganzer Palast sehr altmodisch, geradezu spartanisch wirken, aber was brauchte man schon mehr als zwei Liegen, ein bequemes Sofa und einen Tisch im Wohnzimmer? Selbst in meinem Zimmer befand sich neben dem Bücherregal und meinem Himmelbett nur ein Kleiderschrank, aber ich hatte auch nicht das Bedürfnis nach mehr.
Meine Stiefmutter hingegen hatte seit einigen Jahren eine Sucht nach überflüssigen Dekorationen entwickelt. Prunkvolle Vasen, kleine Keramikfiguren oder auch Beistelltische, die zu niedrig und zu klein waren, um sie wirklich zu nutzen – was auch immer es war, Psyche war die Erste, die es haben wollte. Wenn es nach mir ging, brauchten wir nichts von dem Krempel, aber Vater konnte ihr natürlich keinen Wunsch abschlagen. Ich für meinen Teil war glücklich mit dem, was ich besaß, und konnte mich nur fragen, warum Psyche eine solche Freude daran hatte, unser Zuhause mit diesem unnötigen Zeug vollzustellen. Zumindest ließ sie die Finger von meinem Zimmer, sodass ich dort Ruhe vor ihr hatte.
Ich hatte die Säulen fast erreicht, als ich hörte, wie jemand nach mir rief.
»Romina! Du bist schon wieder zurück?«
Es war die Stimme von Apollo, der von den Menschen vor allem als Gott der Kunst und Musik sowie als Sonnengott verehrt wurde, während seine Schwester Artemis die Rolle der Mondgöttin übernommen hatte.
Ich drehte mich lächelnd zu ihm um.
Apollo sah trotz der Jahrtausende, die er schon zählte, wie ein Teenager aus. Dunkles, etwas zerzaustes Haar fiel ihm in die Stirn, aber ohne seine strahlenden himmelblauen Augen zu verdecken, und passte hervorragend zu seiner glatten, gebräunten Haut. Von dieser sah ich – dem Chiton, den er trug, sei Dank – eine Menge. Der weiße Stoff endete oberhalb seiner Knie und über die Brust spannte sich bloß eine Schärpe. So gab der Chiton den Blick auf seinen muskulösen Körper frei und, bei den Göttern, der konnte sich wirklich sehen lassen!
Apollo bemerkte, wie ich ihn von oben bis unten musterte – es war wirklich schwer, sich ihm zu entziehen –, und setzte ein schelmisches Lächeln auf, das sein jugendliches Aussehen noch besser zur Geltung brachte. Oh, er wusste genau, was für einen Effekt er auf Frauen hatte.
»Hey, Apollo«, begrüßte ich ihn. »Ja, ich bin heute früher aufgebrochen und mein Auftrag hat nicht so lange gedauert. Da hatte ich genug Zeit, um bei Mrs Amanda vorbeizuschauen und immer noch recht früh nach Hause zu kommen«, erklärte ich schmunzelnd und natürlich verstand Apollo den Wink.
»Heute ist dein neues Lieblingsbuch erschienen, oder?«
Ich kicherte. »Wenn es wirklich so gut ist, wie es angepriesen wird, dann ja. Gleich heute Abend werde ich damit anfangen«, bestätigte ich mit einem Nicken.
»Oh«, bekam ich zurück. Er klang irgendwie … enttäuscht. Damit hätte ich nicht gerechnet.
Apollo und ich waren seit Jahren Freunde. Vermutlich verstanden wir uns deshalb so gut, weil er mir zusammen mit Artemis und meinem Vater das Bogenschießen beigebracht hatte. Schließlich war Apollo nicht umsonst der Gott der Bogenschützen. Das war der Anfang unserer Freundschaft gewesen. Wenn ich nun jemanden zum Reden brauchte, zum Herumalbern oder einfach nur Gesellschaft, konnte ich mich immer an die Zwillinge wenden und es verging nicht ein Tag, an dem ich nicht dankbar für meine besten Freunde war.
»Ich dachte, du hättest vielleicht Lust, heute Abend mit mir auf das Fest zu kommen. Dionysus ist nach Feiern zumute.«
Okay, damit hatte ich noch viel weniger gerechnet.
Mal ganz davon abgesehen, dass ich nicht wusste, was Dionysus schon wieder für einen Grund ausgegraben hatte, um sich zu betrinken, war jedem hier klar, dass ich solche Veranstaltungen meistens mied. Vielleicht musste man eine richtige Gottheit sein, um Spaß dabei zu haben, aber als Halbgöttin stieg mir der Nektar zu Kopf und sorgte dafür, dass mir den ganzen nächsten Tag schlecht war.
Dazu kam, dass früher oder später alle anfingen über die alten Zeiten zu schwadronieren, die ich nicht miterlebt hatte. Also konnte ich nicht mitreden, verstand die Insider-Witze nicht und landete am Ende immer allein in einer Ecke, während die anderen sich köstlich amüsierten. Das war dann meistens der Zeitpunkt, zu dem irgendjemand Mitleid mit mir hatte und mir einen Krug mit Nektar in die Hand drückte. Und obwohl ich wusste, was das Zeug mit mir anstellte, trank ich es doch und bereute es am nächsten Tag.
»Oh, das … ehrt mich wirklich sehr, aber du weißt doch, dass ich …«
»… dass du keine Feiern magst? Ja, das weiß ich. Ich dachte nur … Du bist jetzt nicht mehr das kleine Mädchen, das du noch vor ein paar Jahren warst, und wir könnten …«
Mir war natürlich klar, worauf er hinauswollte, und ich hob eine Braue. »Wir sind schon so lange Freunde, Apollo. Und jetzt willst du mich in dein Bett bekommen? Tut mir leid, aber das wird nicht passieren.«
Er zog daraufhin eine Grimasse, als würde er damit seine Enttäuschung ausdrücken wollen.
»Nimm es bitte nicht persönlich. Ich bin nur einfach …«
»… nicht bereit dein Leben mit Liebe zu vergeuden, obwohl du eigentlich nichts anderes tust, als anderen Liebe zu geben?«, vermutete er.
»Genau«, bestätigte ich leise und lächelte.
»Das heißt aber nicht, dass ich es nicht immer wieder versuchen werde. Und so lange, bis du Ja sagst, gebe ich mich damit zufrieden, deine Sätze zu beenden.«
Ich kicherte.
»Na, ist doch so. Wir harmonieren einfach miteinander«, beharrte er scherzhaft und nun lachten wir beide.
Ich hatte noch immer nicht damit aufgehört, als ich mich von ihm wegdrehte und endlich die Tür öffnete. »Mach's gut, Apollo.«
»Du auch, Romina«, erwiderte er, ließ es sich aber nicht nehmen, noch ein Stück auf mich zuzukommen, um mich zum Abschied zu umarmen. »Irgendwann wirst du meine Gefühle erwidern.«
»Gefühle? Apollo, du hast keine Gefühle für mich. Du willst nur mit mir schlafen«, korrigierte ich ihn, nahm es ihm aber nicht übel. Wer eine ganze Ewigkeit vor sich hatte, der wollte sich eben nicht binden. Konnte ich verstehen, trotzdem würde ich mich nie auf so ein Angebot einlassen. Nicht einmal, wenn es von meinem besten Freund kam.
»Hey, das ist nicht wahr. Es ist vielleicht keine Liebe, aber Gefühle sind es trotzdem. Das solltest gerade du doch wissen.«
Ich wandte mich um und öffnete die Tür. Bevor ich allerdings hindurchtrat, warf ich ihm über die Schulter ein mildes Lächeln zu. »Das sind keine Gefühle, sondern nur körperliche Triebe. Nicht mein Spezialgebiet. Damit musst du schon zu meiner Schwester gehen. Hedone hilft dir sicher gern aus.«
Mit diesen Worten verabschiedete ich mich von ihm und schloss die Tür hinter mir.
»Bin wieder da!«, rief ich so laut, dass es durch das ganze Haus hallte, doch ich bekam keine Antwort. Mein Vater machte sich immer bemerkbar, sofern er zu Hause war. Und um diese Zeit sollte er das sein. Er hatte mir heute Morgen erzählt, dass er mit den Moiren sprechen musste. Das war nichts Besonderes, immerhin arbeitete er sehr eng mit ihnen zusammen, wenn es um Liebesdinge ging. Danach hatte er für heute nichts mehr geplant, also sollte er eigentlich zu Hause sein.
Irritiert von der ungewohnten Stille, hing ich den Bogen und meinen Köcher an die dafür vorgesehenen Haken im Eingangsbereich, direkt neben den von meinem Vater. Wenn er seinen Bogen hiergelassen hatte, konnte er nicht weit sein oder er hatte mich einfach nicht gehört. Vielleicht war er aufgrund des Gesprächs mit den Moiren damit beschäftigt, die Bestellung für Hephaistos fertig zu machen, damit wir genug Pfeile für die nächsten Wochen hatten. In diesem Fall ließ ich ihn besser in Ruhe und machte mich auf den Weg in mein Zimmer in der oberen Etage. Doch kaum hatte ich die Treppe erreicht, als …
»Romina, kommst du mal bitte?« Das war mein Vater und seine Stimme kam eindeutig aus dem Wohnzimmer. Er war also doch zu Hause. Wusste ich es doch.
Ich machte kehrt, lief unseren Flur entlang, an der Küche vorbei und erreichte unser Wohnzimmer, wo er bereits auf mich wartete.
Mein Vater trug einen Chiton, der mehr verdeckte als das Exemplar seines steinernen Ebenbildes. Er hatte kurze blonde Haare, wie man sie ihm in den verschiedenen griechischen Sagen angedichtet hatte, und war gut gebaut, nicht schlaksig, aber auch nicht allzu muskulös. Außer an seinen Armen, da war deutlich zu erkennen, wie viel das regelmäßige Bogenschießen ausmachte. Auch ich merkte immer mehr, wie viel Kraft ich in den Armen hatte, obwohl man mir diese nicht ansah.
Eros saß auf unserem roten Sofa mit dem weichen Samtbezug gegenüber der Tür und hatte die Arme vor der Brust verschränkt, als hätte er schon lange auf mich gewartet. Seine Augen wirkten streng, als hätte ich etwas ausgefressen und er wäre dahintergekommen. Allerdings konnte ich mich nicht daran erinnern, etwas angestellt zu haben.
»Vater?«, begrüßte ich ihn vorsichtig und trat einige Schritte näher. »Du hast nach mir gerufen?«
Er nickte und bedeutete mir mich zu ihm zu setzen. Was auch immer er mir zu sagen hatte, es fiel ihm nicht leicht.
»Es gibt etwas, über das wir sprechen müssen.«
Bei seinem Ton bekam ich Angst. In seiner Stimme lag eine unheilvolle Ruhe, diese ganz bestimmte Art von Endgültigkeit. Es klang nach schlechten Nachrichten. Wir sprachen immer offen über alles, aber heute hatte ich das Gefühl, dass ich gar nicht hören wollte, was er zu sagen hatte.
Langsam fügte ich mich seiner Aufforderung und lief auf ihn zu, als hinter mir auf einmal seine Frau, meine Stiefmutter Psyche, erschien. Das Klackern ihrer Absätze machte es für sie unmöglich, ungehört irgendwo reinzuplatzen, trotzdem konnte sie ihre Nase nicht mal für ein paar Minuten aus anderer Götter Angelegenheiten lassen.
Sie war zwar die Frau von Eros, aber das hieß noch lange nicht, dass sie mir irgendetwas zu sagen hatte. Eigentlich war sie sogar noch weniger göttlich als ich. Aufgewachsen war sie als Mensch und erst durch ihre Heirat mit meinem Vater hatte sie auf den Olymp gedurft, obwohl meine Großmutter Aphrodite absolut dagegen gewesen war. Sie hatte sich Sorgen gemacht, dass Psyche ihr den Platz als schönste Olympierin wegschnappen könnte, aber mittlerweile war sie nur noch genervt von ihrer arroganten Art. Konnte ich verstehen. Diese eingebildete Schnepfe ging mir auf die Nerven, wann immer es nur ging.
Es kam mir so vor, als hätte sie jeden Tag eine neue Idee, um mir das Leben schwer zu machen. Mal war es der tolle Plan, dass sie unbedingt noch ein Baby mit meinem Vater wollte und beschlossen hatte, mein Zimmer zum Babyzimmer umzugestalten. Ein anderes Mal fand sie meine Pfeile zu hässlich und hatte sie, während ich mit Artemis unterwegs gewesen war, pink lackiert. Ich konnte danach nicht mehr zuordnen, welcher Pfeil wie seine Wirkung entfaltete und durfte früh am Morgen noch bei Hephaistos, dem Gott der Schmiedekunst, neue Pfeile besorgen.