Inge Seiffge-Krenke
Die Psychoanalyse des Mädchens
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Vorwort
Kapitel 1
Hurra – ein Mädchen?! Der Wunsch nach einem Mädchen und das Verhalten von Eltern gegenüber
Töchtern
1.1 Die Geburt eines Mädchens als Makel – in einigen Ländern
Sohnpräferenz in Indien und China
Auch Töchter sind »nützlich«
Mädchenopfer zu Ehren einer Kriegerin
»Töchter der Erde«: Mädchen in matrilinearen Kulturen
1.2 Wunschbaby Mädchen
Bis in die jüngste Zeit wirksam: Mädchen sind eine Belastung
Die moderne Medizin und der Baby-Geschlechtsrechner
Antiker Mythos: Mädchen kommen aus dem linken Hoden
In schlechten Zeiten werden mehr Mädchen geboren
Die Kommerzialisierung des Wunsches nach einer Tochter
1.3 Die psychoanalytische Sicht: Homme manque und naive Theorien bis 1960
Lang ersehntes Mädchen
1.4 Das imaginäre und das reale Mädchen: Betrauern des Geschlechts
Trauerarbeit bei der Mutter – und Wut bei den Geschwistern
Das imaginierte Baby erfüllt die Bedürfnisse der Eltern
1.5 Ein Mädchen wird »gemacht«
Genetische Ausstattung, Biologie und Einflüsse der Umgebung
Vom Baby X zum »Mädchen«: Der Einfluss der Kultur und der elterlichen Erwartungen
Gegenwärtige Praxis: Die Bildungsgewinner – Mädchen
Das Verhalten der Eltern gegenüber Töchtern
Kapitel 2
Konzepte über Weiblichkeit in der Psychoanalyse
2.1 Die frühe Sichtweise Freuds: Das kleine Mädchen als Mangelwesen
Sigmund Freuds Sichtweise des kleinen Mädchens als unvollständiger Junge
Die Unsicherheit Freuds und frühe Proteste
Fortsetzung des phallischen Monismus bei Helene Deutsch, Marie Bonaparte und Jeanne Lampl-de Groot
2.2 Diskrepanzen: Starke, souveräne Frauen um Freud – und dennoch keine eigenständigen Konzepte zur Entwicklung des Mädchens?
Freud und die Frauen: Männersolidarität vor Frauenverstehen
Frauen in der Familie Freud
Selbständige Frauen, die dennoch keine eigenständigen Konzepte über die Entwicklung des Mädchens vorlegten
2.3 Hier irrte Freud!
2.4 Weiterentwicklungen: Konzepte der narzisstischen Wunde, der Verleugnung der Vagina, des weiblichen Narzissmus und der weiblichen Schuldgefühle
Eine unabhängige Denkerin: Karen Horney
Weiblichkeit, Mütterlichkeit und die Beziehung zur Mutter
Die Verleugnung der Vagina und vaginale Ängste
Frühe Weiblichkeitstheorien als Abwehrformationen gegen die omnipotente Mutter
Die Idee der narzisstischen Wunde
Die weiblichen Schuldgefühle
2.5 Im Schatten der Mutter: Jokastes Tochter
2.6 Erstaunlich: Warum gibt es keine Psychoanalyse des Mädchens?
Kapitel 3
Die Entwicklung des Mädchens aus psychoanalytischer Sicht: Das Babymädchen
3.1 Von den Trieben zum Objekt, zum Selbst und zur Intersubjektivität: Ein wichtiger Schritt
3.2 Babymädchen – das Mädchen als Säugling aus der Sicht der Psychoanalyse: Von Klein zu Winnicott
Es gibt keinen Säugling ohne seine Mutter
Das Selbst und der Andere treten in Erscheinung: Mütterliche Bezogenheit und die Rücksichtslosigkeit des Säuglings
Wie aus der bösen Mutter und dem bösen Baby etwas Gutes entsteht
Spaltung, Aggression, Neid und Unruhe im Leben von Melanie Klein
3.3 Objektbeziehungen von Anfang an!? Die Entwicklung des Selbst und früher Objektbeziehungen aus der Sicht von Melanie Klein und Margaret Mahler
Frühe Objektbeziehungen aus der Sicht von Melanie Klein
Ist das Baby autistisch? Die Sicht von Margaret Mahler
3.4 Die Sicht auf das Babymädchen: Die Urangst vor der Beschädigung des Körperinneren
3.5 Ergebnisse der ersten Säuglingsbeobachtungen: Lächeln, Fremdeln und Second Skin – René Spitz und Esther Bick
3.6 Daniel Stern: Koordinierte Interaktionen zwischen Mutter und Baby als Grundlage des Selbstempfindens
3.7 Was können Babys und wie passt das zur Genese der Intersubjektivität beim kleinen Mädchen?
Viele Belege für eine frühe Beziehungsfähigkeit beim Babymädchen
3.8 Eine neue Sicht des Babymädchens: Aktiv, differenziert und besonders beziehungsfähig
Kapitel 4
Die Psychoanalyse des Kindergartenmädchens
4.1 Prägenitalität – ist diese heute bei der psychoanalytischen Sicht auf das kleine Mädchen noch von Bedeutung?
Objektbeziehungen in der oralen Phase: Das »Hemd der Mutter«
Anale Phase: Einverleibung, Ausstoßung, Macht und Kontrolle als Beziehungsmodalitäten
Urethrale Phase: Wichtig für Mädchen, aber wenig beachtet
Psychosexuelle Entwicklung: Unmentalisiert – oder doch durch die Eltern bestätigt?
Die frühe genitale Phase und ihre Beziehung zu Mahlers Individuationskonzept
4.2 Die heutige Sicht auf den weiblichen Ödipuskomplex: Primäre Weiblichkeit, problemlosere Identitätsentwicklung – aber kein Begehren?
Primäre Weiblichkeit des kleinen Mädchens
Problemlosere Identitätskonstitution durch fehlenden Objektwechsel
Empathie ja – aber kein Begehren?
4.3 Der vollständige Ödipuskomplex: Ein Tagtraum der Liebe, der in Enttäuschung und Verzicht enden muss
Differenzierungsprozess und ödipales Begehren: Genuin weibliche Interessen führen zum Objektwechsel
4.4 Metapher des Mangels: Was ist dran am Penisneid?
4.5 Ein wichtiger Lernfortschritt in der Triade: Das Erleben der elterlichen Paarbeziehung und das Akzeptieren des Ausgeschlossenseins
4.6 Anerkennung von Grenzen, Strukturbildung und die Identifizierung mit beiden Eltern
4.7 Wenn der Ödipuskomplex schiefläuft: Die Schwierigkeit der Integration oraler, analer und urethraler Impulse und der Bezug zu den Eltern als Paar
4.8 Entwicklungspsychologische Befunde: Zunehmende kognitive Reife, beschleunigte Empathie- und Schamentwicklung und die Ausweitung des sozialen Raumes
Komplexe sozial-kognitive Fertigkeiten
Beschleunigte Empathieentwicklung und die Bedeutung der Scham
Interaktion im Kindergarten: Intime, kleine Mädchengruppen
Kapitel 5
Latenzmädchen: Das Mädchen in der mittleren Kindheit
5.1 Die Latenzphase – doch keine Phase, in der die Sexualität ruht?
Freuds Sicht auf die Latenz: Eine »Pause« mit viel Sublimierung und mildem Über-Ich
Die Sicht von Anna Freud, Edith Jacobson und Winnicott: Gute Ich-Leistungen, Angstbewältigung und stabile Identifizierungen
Die heutige Sicht: Sexuell gebremst aktiv, relativ unabhängig von den Eltern
5.2 Nochmals »das Hemd der Mutter« und das Fortbestehen ödipaler Themen
5.3 Selbsterleben, Gefühlswelt und Intersubjektivität des Latenzmädchens
Wahrnehmung des Selbst durch die Augen anderer
Stolz, Scham und Schuld und die Entwicklung zum Selbst als Beobachter
Warum werden ambivalente Gefühle so spät verbalisiert?
5.4 Die Bedeutung der Schamaffekte für die Identitätsentwicklung und die Selbst-Objekt-Differenzierung
5.5 Stärkere Emotions- und Verhaltenskontrolle und stärkere Beschämung als Konsequenz einer starken intersubjektiven Bezogenheit
Der »Schub an Abwehr«: Starke Verhaltenskontrolle und stärkere Beschämung
Die Berücksichtigung des Erlebens anderer und Fortschritte in der Kontrolle von negativen Emotionen
5.6 Strenge soziale Normen, starke Geschlechtstypisierungen in der Gruppe der Mädchen
Eine andere soziale Welt: Mädchengruppen
5.7 Die tüchtigen Mädchen: Kognitive Entwicklung, Schulleistungen und zweierlei Hirn
Gedächtnisleistungen, kognitive Entwicklung, Schulleistung und sprachliche Fertigkeiten
Zweierlei Hirn, hormonelle Unterschiede, Unterschiede im Reifungstempo
5.8 Auf der Suche nach der Lebenswelt der »Lückemädchen«
Wie beschreiben die Mädchen im Interview ihre Lebenswelt?
GPS-Tracking und Begehung wichtiger Plätze: Wo halten sich Mädchen auf und was tun sie dort?
Kapitel 6
Die weibliche Jugendliche: Kind bleiben oder Frau werden?
6.1 Die Adoleszenz: Mehr als eine Neuauflage des Ödipuskomplexes
Die Mädchenentwicklung in der Pubertät: Große Verdrängungswelle in der »zweiten ödipalen Phase«
Anna Freud: Entidealisierung der Eltern, Trauerarbeit und jugendspezifische Abwehrmechanismen
6.2 Was sagt das Fünfphasenmodell der Adoleszenz von Peter Blos über Mädchen aus?
6.3 Die heutige Sicht auf die Entwicklung der weiblichen Identität
Die Identitätsentwicklung: Ist Erikson noch von Bedeutung?
Verlängerung der Identitätsentwicklung
Identitätsherausforderungen durch die körperliche Reife, Bedeutung der Körperscham
Spannungsbogen zwischen Verfrühung der körperlichen Reife und Verspätung der Identitätsentwicklung
6.4 Weitere sozial-kognitive Reife, adoleszenter Egozentrismus und eine immer noch nicht ganz abgeschlossene Hirnreifung
6.5 Ein neuer Blick auf das Selbst: Die relationale Identität der Mädchen
Freunde und Partner als Entwicklungshelfer für die Identitätsentwicklung
6.6 Eine zweite Chance für die Eltern – trotz Separationsangst
Eltern als Identitätsbremse?
In ganz normale Familien: Separationsangst von Mutter und Vater
6.7 Veränderungen in den familiären Beziehungen, schulische Belastungen und Zukunftsängste
Ängstliche Eroberung: Hinaus in die Welt und die Angst bei der Trennung von der Mutter
Aushandeln von Autonomie durch Zunahme von Konflikten
Individuation innerhalb der Familie
Zunehmende Belastungen in der Schule, Zukunftsangst
Schulstress ist auch Beziehungsstress
6.8 Ritenarmut und der adoleszente Initialtraum: Kind bleiben oder Frau werden?
Das Fehlen von Markern und Riten für den Übergang zur Frau
Der adoleszente Initialtraum
6.9 Selbstexploration in Tagebüchern, Blogs, WhatsApp,
»... die sweet sixteen ist ein Alter, wo man meist sehr verdreht ist«
Mädchenwelt in Tagebuchaufzeichnungen
Selbstexploration im Dialog: Durch Homepages, Foren, Instagram und Blogs
Kapitel 7
Mütter und Töchter
7.1 Die Anfänge der Beziehung: Regression, Affektabstimmung und ein Gefährdungspotential
Die Leere nach der Geburt: Im Strudel der Regression und primäre Mütterlichkeit
Was passiert, wenn die Mutter den Hautkontakt, das Halten nicht aushält?
Die fehlende Sprache
Mutterschaftskonstellation und Affektabstimmung beim Babymädchen
Das Dritte, das unterstützende Netzwerk für die Mutter und ein Gefährdungspotential
7.2 Gleichgeschlechtlichkeit von Mutter und Tochter: Identifikatorische Prozesse, frühe Aggression und die Kontamination von oraler und genitaler Erregung
Empathie zwischen Mutter und Tochter, wechselseitige Identifikation
Frühe Ambivalenzen und das Überstehen der primitiven Rücksichtslosigkeit der kleinen Tochter
Frühe Aggression von Seiten der Mutter
Die Kontamination von oraler und genitaler Erregung
7.3 Die Mutter als erste Lustquelle, sexuelle Verschmelzungsphantasien und Sexualität als trennendes Element
Die Freude der Mutter am Körper der Tochter, sexuelle Verschmelzungsphantasien
Sexualität als trennendes Element: Sexualität der Tochter und Ablösung von der Mutter
7.4 Wenn die Differenzierung misslingt: Intrusive Mütter und die Tochter als Selbstobjekt
Wenn die Differenzierung misslingt: Die verschobene aggressive Abgrenzung von der Mutter
Die Symbiose mit der Tochter zur Abwehr und Vermeidung der Beziehung zum Vater
Die Tochter als Selbstobjekt der Mutter, falsche Empathie und die symbiotische Illusion
»Jetzt hübsch dich ...«: Schneewittchen
7.5 »Mein Leben war, sie zu beleben«: Die depressive Mutter, ihre Tochter und die Gefahr der Parentifizierung
Die »tote Mutter« und die Versuche, sie zu beleben
Mädchen als Risikogruppe für die Parentifizierung: Das Aschenputtel
7.6 Das doppelte Gesicht der Mutter: Die Abspaltung der aggressiven Anteile und das Tabu der Mutter-Tochter-Aggression
Der Schatten des Objekts: Das doppelte Gesicht der Mutter
Das Tabu der Mutter-Tochter-Aggression und die Abspaltung der aggressiven Anteile
Die auf die Therapeutin verschobene Aggression
Trennungsaggression: Hass verbindet
7.7 Neid und Aggression als Reaktionen auf die Schwangerschaft und Sexualität der Mutter
Das kleine Mädchen und seine schwangere Mutter
Wut auf die Mutter, die ständig Babys bekommt
7.8 Neid und Rivalität zwischen Mutter und Tochter in der Adoleszenz: Viele Konflikte, Geheimnisse und der Drang zu Unterleibsoperationen
Viele Konflikte mit der Mutter und ein verborgenes Leben: »Your mother doesn’t know«
Freude und Neid der Mutter bezüglich der erwachenden Weiblichkeit der Tochter
Die machtvolle Mutter und die Überantwortung des Körpers an Operateure
7.9 Die berufstätige Mutter und ihre Tochter
Belastungen berufstätiger Mütter
Der Beruf der Mutter als Konkurrent für die Tochter
Kapitel 8
Die Beziehung zum Vater
8.1 Die erste Liebesbeziehung ist nicht mehr ausschließlich die zur Mutter
8.2 Die Bindung an den Vater, seine Spielfeinfühligkeit und die triadische Kompetenz der Tochter
Warum ist Spielfeinfühligkeit für Mädchen so wichtig?
Triangulierungsfähigkeit der Eltern und triadische Kompetenz der Tochter
8.3 Der liebevolle Blick des Vaters: Spielpartner, Autonomieförderer, Lehrer
Kamikaze-Spiel mit der kleinen Tochter
Der Vater als Lehrer: Die Förderung der kognitiven und emotionalen Entwicklung und die Beruhigung durch Erklärungen
Rollenmodell für Autonomie und Abgrenzung
8.4 Die tüchtige Tochter und die (selektive) Identifizierung mit dem Vater
»Daddy’s little girl« und das »Mädchen ohne Hände« – heute noch wirksam?
Die tüchtige Tochter: Anna Freud
Identifizierung mit Differenz
8.5 Die Bedeutung des Vaters für die Entwicklung der Weiblichkeit seiner Tochter
Nochmals: Die zärtliche Vater-Tochter Beziehung: »Daddy’s little girl ...«
»Secure exitement«: Umgang mit körperlicher Reife und veränderter Körperkontakt
Schutz, Eifersucht und Kontrolle: Die Tochter wendet sich anderen Männern zu
Schwierig zu erreichen: Kontrollierte Erotik
8.6 Begehren und begehrt werden: Das Mädchen in der Triade gegenüber dem Elternpaar
Gemischte Gefühle: Die Mutter muss die Tochter zum Vater lassen ...
... und die Tochter muss die Beziehung der Mutter zum Vater akzeptieren
Die Eltern als Paar, die Tochter ist ausgeschlossen
Fehlende Triangulierung und gefährliche »Lösungen«: Die Bedeutung des Schlafarrangements
8.7 Vaterhunger auch bei Mädchen? Uninvolvierte Väter, Trennungsväter und der Tod des Vaters
Uninvolvierte Väter in vollständigen Familien: »Wo wohnt eigentlich Papa?«
Wenn der Vater fehlt: Leise Symptome und der Übertragungswiderstand
»... und Du bist nicht zurückgekommen«
Töchter ohne Vater: Sehnsucht und vermiedene Trauer
Kapitel 9
Das Mädchen im Kreis von Freundinnen und Geschwistern
9.1 Neid und Eifersucht als Themen zwischen Geschwistern und Freundinnen
Neid: Körperlicher und psychischer Mangel und das Verderbenwollen
9.2 Geschwisterneid und Ungleichbehandlung
Geschwisterneid und Ungleichbehandlung als Kind bei Anna Freud und Melanie Klein
9.3 Nischenspezialisierung und der Kampf um Anerkennung
Wie kommt es, dass Schwestern so verschieden sind?
Wenn die Eltern nicht differenzieren
9.4 Die Position in der Geschwisterfolge: Älteste und jüngste Schwestern
Anna – die jüngste Tochter und ihre Geschwister: »möchte auch«
Die älteste Tochter – Neid auf die Nachgeborenen: »Wir sind doch schon so viele«
Schwestern berühmter Männer: Der ältere Bruder
9.5 Stützend und entwicklungsfördernd – aber auch inzestuöse Unterströmungen
Geschwister als »horizontales Trainingsfeld«
Inzestuöse Unterströme: Das Hänsel-und-Gretel-Phänomen
9.6 Freundinnen: Warum sie so wichtig sind
Veränderungen der sozialen Netzwerke von der Kindheit zur Adoleszenz
9.7 Intimer Austausch – eine neue Qualität in Freundschaftsbeziehungen weiblicher Jugendlicher
9.8 Mädchenfreundschaften: Hochintim, aber auch konfliktreich
Wir reden bloß ...
Geheimnisse, Vertrauensbruch und Neid auf die Freundinnen
9.9 Gefährliche Merkmale von Mädchenfreundschaften: Co-rumination und ein hohes Maß an relationaler Aggression
Die Bedeutung von Beschämung und relationaler Aggression
9.10 Mädchenspiele und miteinander geteilte Phantasien
»Vater – Mutter – Kind« und der Familienroman
Puppenspiel: Mehr als nur die Identifizierung mit der Mutter
Der Siegeszug der Kuscheltiere
Geteilte aufregende sinnliche Erfahrungen: Jelly Beans
Geteilte Tagträume und Phantasien
9.11 Umgang mit der körperlichen Reife, homoerotische Erfahrungen und Schutz bei der Annäherung an »den Mann«
Was wissen wir aus Mädchentagebüchern über Freundschaftsbeziehungen?
Bisexuelles Schwanken und der Schutz der Freundinnen bei der Annäherung an das gefährliche Objekt »Mann«
9.12 Kreative Hilfen: Die imaginäre Freundin
Schreiben – ein fortgesetztes Gespräch: »Papier ist geduldiger als Menschen«
Kapitel 10
Romantische Beziehungen und der Gebrauch des Körpers als Wege zur Loslösung und Individuation
10.1 Warum sind romantische Beziehungen von Mädchen im therapeutischen Kontext wichtig?
10.2 Psychoanalytische Konzeptionen zu romantischen Beziehungen und die erste Liebe am Beispiel von Sigmund Freud und Karen Horney
Psychoanalytische Konzeptionen zu romantischen Beziehungen
Romantische Beziehungen: ... und wie war es bei Freud?
Die sanfte Rebellin der Psychoanalyse: Karen Horneys frühe romantische Beziehungen
10.3 Zwischen Symbiose und Individuation: Romantische Beziehungen als Wendepunkte in der Entwicklung des Mädchens
Die positiven Auswirkungen von Partnerschaften im Jugendalter ...
... aber auch Wendepunkte zum Negativen
10.4 Phasen der romantischen Entwicklung: Wie entsteht »das Paar«?
Typische Entwicklungsphasen der Paarbeziehung während des Jugendalters
10.5 Wirrwarr der Gefühle: Bindung, Erotik, Homoerotik
Freundinnen: Hilfen bei der Initiierung und Trösterinnen bei der Trennung
Verwirrende Gefühle: »Freunde« oder »Lover«?
Was man mit Freundinnen erprobt: Homoerotische Erfahrungen und Intimität
Einflüsse der Bindung an die Eltern
10.6 Noch Platz fürs Selbst: Ein spezifisch weibliches Problem?
Symbiotische und zu distanzierte Partnerbeziehungen und die Bedeutung der Bindung
10.7 Relativierung der mütterlichen Bedeutsamkeit – neue Freiheiten, neue Möglichkeiten? Wie passt das zur Reviktimisierung und zu Genitalängsten?
Relativierung des mütterlichen Einflusses und »Mutterimitate«
Reviktimisierung in problematischen Partnerbeziehungen
Die frühe Beziehung zum Vater und Genitalängste in der Adoleszenz
10.8 Vom eigenen Körper Gebrauch machen: Sexualität als Ausdruck der Sehnsucht nach der präödipalen Bemutterung und deren Abwehr
10.9 Die Bedeutung der frühkindlichen Erfahrungen für Sexualität, Schwangerschaft, Mutterschaft und Abtreibung bei jungen Mädchen
Schwangerschaft als Möglichkeit der Identifizierung mit der Mutter und mit sich als Baby
Schwangerschaft und Abtreibung als uneingestandene, schuldbeladene Kleinmädchenwünsche
Kapitel 11
Mädchen und Bindung
11.1 Bindung, Mutterliebe und Emanzipation der berufstätigen Mutter
11.2 Widerstände gegen die Bindung und die heutige Bedeutung der Bindung
Widerstände gegen die Bindung – selbst in der Psychoanalyse
Anna Freuds frühe Bindungserfahrungen: »Du hast mich verloren«
11.3 Das Bindungskonzept und seine Besonderheiten bei Kindern und Jugendlichen
Entwicklungsbesonderheiten: Innere Arbeitsmodelle, Auswirkungen auf Beziehungen und Lernen
11.4 Langdauernde Auswirkungen und die Zuordnung zu Krankheitsbildern
11.5 Elterliche Psychopathologie und Bindungsstörungen bei Mädchen
11.6 Allerdings: Mädchen in Kindergartenbetreuung profitieren
»Wie viel Mutter braucht ein Kind?« Ein Blick nach Afrika
Mädchen profitieren im Kindergarten und in der Krippe
Sie profitieren meistens, aber nicht immer
11.7 Mädchen mit Bindungsstörungen
11.8 Therapeutische Zugangsweisen zur Vermittlung von Bindungssicherheit
Bindungsbasierte Psychotherapieansätze
Programme zur Förderung der Feinfühligkeit bei jugendlichen Müttern
Bindungsstil und Therapieerfolg
Kapitel 12
Mädchenkörper, Sexualität und Krankheit
12.1 Kleine Mädchen: Genitales Spiel, die zunehmende Entdeckung der Innergenitalität und Phantasien über Zeugung und Geburt
Gleichgeschlechtlichkeit mit der Mutter – und dennoch anders
Genitales Spiel bei kleinen Mädchen
Die zunehmende Entdeckung der Innergenitalität
Schwängerung und Geburtsphantasien
12.2 Körperbild, Attraktivität und Essverhalten
Das negativere Körperbild und auffälliges Essverhalten von Mädchen: Seit Jahrzehnten konstant
Sexy, aber auch selbstbestimmt: Die Vermarktung des weiblichen Körpers und der Sexualität
»Schönheitswahn«: Schminke mit 12, Brust-OP mit 18?
12.3 Menstruationserleben: Von der »Unreinheit« zu den »Feuchtgebieten«
Die erste Menstruation: Janusköpfigkeit und der Bezug zur Mutter-Tochter-Beziehung
Die »Krankheit« und der Verlust der Kontrolle
Gleichsetzung von Menstruation mit Unreinheit
Die abgewehrten positiven Aspekte der Menstruation
12.4 »Geburtswehen« der Weiblichkeit in der Adoleszenz
Die Angleichung an den Körper der Mutter und neue Aspekte der Innergenitalität
Gefahren durch die physisch reifen Genitalien und das Verbot, die Hände zu gebrauchen
Vaginale Erregung, sexuelle Phantasien, Vergewaltigungsängste und Penetrationslust
Angst vor der Sexualität, die Diffusität der Erregung und die »Blinddarm-OP«
12.5 Der Mann als Indikator und die Nähe zu traumatischen sexuellen Übergriffen
»Ich war eben auch eine kleine Schlampe«
12.6 Körperinszenierungen: Essstörungen und Schnittsymptome
Zum Wandel weiblicher Körperinszenierungen
Viele Funktionen: Selbstbeschädigung als Selbstfürsorge, zur Selbsterhaltung, zur Emotionsregulierung, zur Identitätsstabilisierung, zur Kommunikation
Tattoos und Piercings
Nein – ich esse deine Suppe nicht: Essstörungen
Illusion der Beherrschung des Körpers, Objektersatz und Grenzziehungsfunktion
12.7 Körperlich kranke Mädchen
Körperlich krank und auch noch psychisch beeinträchtigt?
Chronisch kranke Mädchen und ihre Eltern: Zwischen Vernachlässigung und »ein Körper für zwei«
Wenn die Bindung zu symbiotisch ist: Das behinderte Kind und seine Mutter
Therapeutische Implikationen
Kapitel 13
Das friedfertige Mädchen? Mädchen als Täterinnen und die Bedeutung der Beziehungsaggression
13.1 Offen gezeigte Aggression: Bei Mädchen deutlich seltener
Komorbidität: Meist in Kombination mit anderen Störungen
Wann zeigen Mädchen offen Aggression? Der Bezug zu Geschwisterrivalität, zu Trennungsaggression und Bindungsstörungen
13.2 Die stärkere Emotions- und Verhaltenskontrolle bei Mädchen
Starke Kontrolle bei Mädchen: »An Geburtstagen bin ich meistens etwas brav«
Schlagephantasien und »Ein Kind wird geschlagen«
13.3 Entwicklungsverlauf und mädchenspezifische Aggression
Phasenspezifische Äußerungsformen
Gibt es einen Unterschied zwischen männlicher und weiblicher Aggression?
Der Entwicklungsverlauf: Von außen nach innen
Verschiedene Aggressionsformen mit unterschiedlicher Schädigungswirkung
13.4 Beziehungsaggression und Mobbing bei Mädchen
Ausgrenzen und entwerten: Mobbing, eine relationale Form der Aggression
Die eigene unbewusste Beteiligung am Mobbing
13.5 Aggression bei jugendlichen Paaren: Warum mehr Mädchen?
Die Häufigkeit von Aggression in den Partnerschaften Jugendlicher
Aggression bei jugendlichen Paaren: Häufige einseitige Aggression der Mädchen
Ursachen: Der Kampf um die Autonomie, unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe und Funktionen von Aggression
Therapeutische Implikationen
13.6 Mädchengewalt: Im Zunehmen begriffen?
Was ist dran am Krankheitswandel und den »radikalen Prinzessinnen«?
Zunahme an Mädchengewalt
13.7 Mädchen als Täterinnen im Missbrauchs-, Vernachlässigungs- und Misshandlungskontext
Biographische Hintergründe bei Mädchen, die Gewaltstraftaten verübt hatten: Komplexe Traumatisierungen und Bindungsstörungen
Mädchen als Täter im Missbrauchskontext: Eine wichtige, aber häufig übersehene Gruppe
Vom Opfer zur Täterin: Die Bedeutung der Identifikation mit dem Aggressor
13.8 Bei schweren Gewaltformen: Kein Fall für das ambulante Einzelsetting
Kapitel 14
Andere Kulturen: Vernachlässigung und gesundheitliche Gefährdung von Töchtern
14.1 »Eigentlich ganz schön hier!« Geglückte Entwicklungen und der Kampf um die Integration der verschiedenen Identitäten
14.2 Welche Implikationen hat die Bevorzugung von Söhnen für Lebensbedingungen, Bildung, Gesundheitsstatus und Therapie von Mädchen?
Gebildete Mütter wünschen sich auch Mädchen
Mädchen werden schlechter versorgt, wenn sie noch Schwestern haben
Bedeutung für Arbeitsbündnis, therapeutische Beziehung und Elternarbeit
14.3 Einflüsse der Weltreligionen auf die (sexuelle) Selbstbestimmung von Mädchen
Einschränkungen im Bewegungsraum, aber auch Respekt
Die herausragende Stellung der Mutter
14.4 Die »Hausfrauenfabrik«: Autonomiebestrebungen des Mädchens und strikte Erziehungshaltungen der Eltern
Die Schwierigkeit der Integration von religiösen Werten und westlichen Erziehungsvorstellungen für die Eltern von Mädchen
14.5 Therapeutische Arbeit mit adoptierten Mädchen
Therapeutische Perspektiven
14.6 Verbrechen gegen Mädchen: Ehrenmorde, Genitalbeschneidung und Zwangsverheiratung
Sexuelle Greueltaten gegen Mädchen
Genitalbeschneidung
Zwangsverheiratung, arrangierte Ehen und psychische Störungen
Die rechtliche Situation
Die Situation in Deutschland: Zwangsverheiratung junger Mädchen als Beratungsfälle
14.7 Unbegleitete minderjährige Flüchtlingsmädchen: Eine Herausforderung für die therapeutische Arbeit
Keine geringe Zahl ...
Zur rechtlichen Situation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen
Zur psychosozialen Situation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen: Therapeutische Implikationen
Anforderungen an die Therapie mit minderjährigen Flüchtlingsmädchen
Kapitel 15
Überlegungen zur Behandlungstechnik bei Mädchen
15.1 Die therapeutische Beziehung, Umsetzung von Bindungsthemen, die »Unzerstörbarkeit« des Therapeuten, der Therapeutin
15.2 Stützung der Elternfunktionen, Hilfen bei der Mentalisierung
15.3 Begleitende Elternarbeit und Nebenübertragungen der Mutter
15.4 Sensibilisierung für Trennungserfahrungen
15.5 Strukturelle Defizite, Strukturaufbau und Spezifika bei der Arbeit an der Strukturachse
15.6 Arbeit an inneren und äußeren Konflikten
15.7 Trennungsangst, Angst vor Liebesverlust und Separationsangst der Eltern
15.8 Die dunkle Seite der Beziehungsfähigkeit: Beziehungen nicht nur als Schutz-, sondern auch als Risikofaktor
15.9 Das Schuldthema, negative Übertragung und Übertragungswiderstände
15.10 Die unmentalisierten Körpererfahrungen und der Körper in der Therapie
15.11 Der Spiegel des Selbst: Die Nutzung von Symbolisierung, Spiel und Selbstreflexion
15.12 Therapeutische Interventionen: »Etwas mehr als Deutung«, implizites Beziehungswissen und die Bedeutung von »ruptures«
Literatur
Dieses Buch wäre wahrscheinlich ohne die freundliche, aber auch beharrliche Unterstützung von Hans Hopf nie geschrieben worden. Nachdem er 2014 mit seinem Buch über die Psychoanalyse des Jungen eine umfangreiche Anthologie des Jungen vorgelegt und in dieses Buch die ganze Kompetenz, Kreativität und Begeisterung eines erfahrenen Therapeuten – er ist sicherlich unser bekanntester Kinderanalytiker – hineingelegt hat, entstand die Idee, auch eine Psychoanalyse des Mädchens zu verfassen.
Ich habe lange gezögert – schließlich gibt es ja schon so viel über Weiblichkeit und Psychoanalyse, und dies seit Jahrzehnten: Was konnte ich da noch hinzufügen? Andererseits: In den frühen analytischen Schriften von Helene Deutsch und Karen Horney, erst recht aber in den analytischen Diskursen der Nachkriegszeit standen mehr die Mütter (oder Mütter und Töchter zusammen), seltener die Töchter im Vordergrund – wäre es da nicht an der Zeit, die Töchter etwas stärker in den Blick zu nehmen? Schließlich: Es gibt viele entwicklungspsychologische Befunde zu Mädchen – sollte ich da nicht als Entwicklungspsychologin versuchen, diese beiden Perspektiven, Psychoanalyse und Entwicklungspsychologie, stärker zusammenzubringen? Dies gilt ja insbesondere für Lebensbereiche des Mädchens, die in der Psychoanalyse gar nicht so bekannt sind – wie Freundschaftsbeziehungen, körperliche Entwicklung, die erste Liebe –, aber auch für die Mädchenspiele, die aggressiven Auseinandersetzungen mit den wichtigen Bezugspersonen, um nur einige Beispiele zu nennen.
Gerade für Therapeuten und Therapeutinnen kann es hilfreich sein, Rahmendaten über nicht klinisch auffällige Mädchen zu haben, markieren sie doch Grenzen, um die Krankheitswertigkeit eines Verhaltens, einer Störung besser einschätzen zu können. Die zu starke Konzentration auf die Eltern, speziell die Mutter als Dritte im Bunde des therapeutischen Geschehens, fand ich ungut. Mädchen auf der Suche nach ihrer Identität zu begleiten und ihre einzigartigen, besonderen Charakteristiken herauszuarbeiten und Skotome wie die Aggressivität aufzugreifen, war mir wichtig.
Das Buch von Hans Hopf über Jungen ist unerschrocken und mutig, aber auch mutmachend – und es zeugt von einem unglaublich reichen theoretischen und therapeutischen Wissen. Was konnte ich nun, in Ergänzung seines Werks, Neues über Mädchen berichten, was nicht schon in der jahrelangen Diskussion der Weiblichkeitstheorien immer und immer wieder beschworen worden war? Das konnte einen schon verzagt machen. Dann aber fiel mir auf, dass Mädchen viel stärker als Jungen zu Symbolisierungen neigen, in denen Beziehungen erprobt werden – seien es nun Tagbücher, Blogs oder Fantasiefreundinnen. Es hat mich sehr beschäftigt, was das bedeuten mag: Ist das ein Alleinstellungsmerkmal, etwas Besonderes, das nur Mädchen haben? Und wenn ja: Warum ist das der Fall? Ist das wirklich nur alles auf die inner genitality zurückzuführen, wie eine Autorin, Vera King (1997), behauptet? Oder ist das wiederum zu sehr von der Mutter aus gedacht? Auch die versteckte Aggressivität der Mädchen schien mir einer genaueren Beachtung wert.
Mein Interesse war geweckt, aber ich hatte erst noch an dem Vaterbuch Väter, Männer und kindliche Entwicklung (erschienen 2016) zu arbeiten. So stand ich vor der großen Herausforderung, mich nun auch der töchterlichen und mütterlichen Seiten anzunehmen. Am Anfang erfolgte also die Arbeit parallel, und das war auch ganz aufschlussreich, denn: Müssen wir nicht alle unsere Mutter- und Vaterkomplexe zusammenbringen, und sind wir nicht alle mal Töchter gewesen und immer noch Tochter, und möglicherweise auch Mutter einer Tochter?
Nach Abschluss des Vaterbuchs im Juni 2015 war aber die Bahn frei für mein Mädchenbuch, und so konnte ich mich ihm dann ganz widmen. Das war auch dringend nötig, denn es gab viel zu sichten und zu lesen, nicht nur psychoanalytische Theorie, sondern auch empirische Studien zu Mädchen, Behandlungsfälle mit Mädchen, und vor allem viel nachzudenken, nachzuspüren und zu verstehen, denn vieles bei Mädchen offenbart sich eher im Verborgenen. Ich habe, ausgehend von der Psychoanalyse, in sehr unterschiedlichen Bereichen gesucht, damit es zu einem Dialog zwischen den Disziplinen kommt und das Mädchen als eigenständiges Geschöpf ein bisschen deutlicher wird.
Eine Arbeit an einem Buch ist immer auch eine Konfrontation mit der eigenen Biographie, und mir wurde deutlich, wie viel Frauen meiner Generation, die in der Nachkriegszeit Töchter waren, mit einigen Mädchen heute, die wir in Therapien sehen, gemein haben. Es gab viele Flüchtlinge aus den Ostgebieten, die alles andere als gern gesehen waren, die Familien waren groß (das hieß damals »kinderreich«), und die Kinder hatten oftmals Eltern, die durch Kriegsereignisse wie Tod und Trennung von früheren Partnern zusammengefunden hatten (heute würde man das »Patchworkfamilie« nennen) und versuchten, ihren Alltag in wirtschaftlich schwierigen Verhältnissen zu stemmen (heute heißt das »prekäre Verhältnisse«). Väter waren oftmals nicht vorhanden: aufgrund von Tod, kriegsbedingten Beeinträchtigungen (wie von Luise Reddemann, 2015, und Hartmut Radebold, 2000, beschrieben) oder umfangreicher Berufstätigkeit als alleiniger Ernährer, und es gab viele alleinerziehende Mütter (»Kriegswitwen«). Unterschiedliche Konfessionen der Eltern galten als problematisch, das nannte man »Mischehe«. Aber eine große Familie und schwierige Verhältnisse enthalten auch ein Potential für Kreativität und Autonomie, und so möchte ich mich mit diesem Buch bei meiner Herkunftsfamilie bedanken, in der ich Tochter und Schwester war.
Das Buch folgt einer bestimmten Logik. Es beginnt mit Theorien über Weiblichkeit in der Psychoanalyse und greift dann die Entwicklung des Mädchens vom Babyalter bis zur Adoleszenz auf. Dann wird der intersubjektive Raum aufgefächert und – neben klinisch relevanten Aspekten der Beziehung des Mädchens zu beiden Eltern – die Bedeutung von Geschwistern, Freundinnen und romantischen Partnern betrachtet. Daran schließen sich Beobachtungen und klinische Befunde zu Aspekten an, die für die Therapie wichtig sind, wie Bindung, Aggression und Körper des Mädchens. Im letzten Kapitel werden einige Überlegungen zu mädchenspezifischen Behandlungstechniken dargestellt.
Es ist mir ein besonders Anliegen, meinen Patientinnen sowie den Kollegen und Kolleginnen aus der Supervisionsarbeit zu danken wie Dr. Kohl und seinem Team, Kinderpsychosomatik, Darmstadt, Dr. Anke Hüther und Dr. Daniela Pfannkuch, Psychiatrische Praxisgemeinschaft Mainz-Gonsenheim, und ihrem Team sowie Rima Burkert, Anuschka Leipnitz, Nadejda Schmidt, Renata Fischer-Roßbach, Tal Lichtman, Nicole Gauler, Marcus Mrjic, Athanasia Tsotalou-Lehmann und Anne Grothe. Ein großes Dankeschön geht auch an Thomas Reichert für die sorgfältige Durchsicht und an Dr. Heinz Beyer vom Klett-Cotta Verlag, der das gesamte Buchprojekt (und auch das von Herrn Hopf) liebevoll und kompetent begleitet hat und damit Geburtshelfer für zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter, wurde.
Mainz, 2. 11. 2016
Inge Seiffge-Krenke
Kapitel 1
Heutzutage scheint zumindest in der westlichen Welt der Geschlechtswunsch relativ gleichmäßig auf Jungen und Mädchen verteilt, und in Deutschland werden auch (fast) gleich viele Töchter wie Söhne geboren. Welches Geschlecht das Baby hat, ist für die Eltern eine spannende Frage – bevor Ultraschall oder sogar erst die Geburt endlich Gewissheit verschaffen.
Wie man das Geschlecht beeinflusst, darüber gibt es schon seit vielen Jahrhunderten die verrücktesten Strategien und Ammenmärchen. Sie zeigen insgesamt eine erschreckend negative Haltung gegenüber der Geburt von Töchtern, aber auch oftmals eine sehr vernachlässigendes Verhalten gegenüber der Erziehung dieser Töchter, von dem wir gegenwärtig durchaus noch Spuren finden können. In Kapitel 14 werde ich dann auf die gesundheitlichen Gefährdungen dieser unerwünschten Mädchen eingehen.
Im therapeutischen Raum stößt man allerdings auch heute noch bisweilen auf eher unbewusste Wünsche und Tendenzen, die das Geschlecht des Kindes betreffen. Auch bei einer geschlechtsneutralen Erziehung, wie wir sie heute in vielen westlichen Industrieländern haben, gibt es manchmal ein Betrauern, dass es doch kein Sohn geworden ist, und das reale und das imaginäre Baby müssen zusammengebracht werden, was für manche Eltern ein schmerzlicher Lernprozess ist; denn der Wunsch nach einem bestimmten Geschlecht hängt auch mit der Biographie der Eltern zusammen.
Schockierende Dokumentationen wie die von Phoenix am 1. 5. 2016 über Kinder, die tot auf Müllplätzen in Karatschi gefunden werden (Die Kinder von Karachi. Film von Gábor Halász), verdeutlichen, dass es nicht in allen Kulturen Lebensbedingungen und Einstellungen gibt, die Kindern ein Überleben ermöglichen. Zweimal in der Woche fahren Helfer auf die Müllkippe und suchen nach toten oder noch lebenden Babys – die meisten davon sind Mädchen. Ein freiwilliges Helferteam geht durch die Straßen, um die Polioimpfung kleiner Kinder zu ermöglichen – oft unter Lebensgefahr, denn die Polioimpfung ist durch die Taliban verboten und es vergeht kaum ein Tag, an dem keine Bombe explodiert. Wiederum sind Mädchen in der schlechteren Position – es werden vor allem Jungen gebracht und geimpft.
In manchen Kulturen galt und gilt es als ein Makel, wenn ein Mädchen geboren wurde. Die Frau gilt als Versagerin, wenn sie ihrem Mann keinen Sohn geboren hat. Zwei Beispiele mögen das illustrieren:
Wir wissen inzwischen, dass chinesische Kinder wieder Geschwister haben können. China hat die seit 1979 bestehende Ein-Kind-Politik für beendet erklärt. Die Nebenwirkungen des Gesellschaftsversuchs waren am Ende zu groß. Weil sich die meisten Paare einen Jungen wünschten, wurden weibliche Föten abgetrieben. Nun fehlen die Frauen im Land, die Zahl der frustrierten Single-Männer ist hoch, die Gesellschaft droht zu vergreisen. Die Idee, dass der Staat als oberster Geburtenplaner auftritt, hat ziemliche Kratzer bekommen (Süddeutsche Zeitung, 31. 10. 2015, S. 23).
Vor einer ähnlichen Situation steht Indien: Die indische Geburtenkontroll-Politik mit Sterilisations- und Verhütungsprogrammen hat wie in China vor allem den Effekt, dass sehr viel weniger Mädchen geboren werden, so dass indische Männer inzwischen, ähnlich wie die chinesischen Männer, im Ausland auf Brautschau bzw. Brautkauf gehen müssen. Wie ich in Kapitel 14 zeige, hat die starke Sohnorientierung dramatische Auswirkungen auf die Lebenssituation, die Gesundheit und die Bildung der Mädchen in Indien.
Über viele Jahrhunderte war Bevölkerungspolitik vor allem Wachstumspolitik. Menschen waren knapp, nach Kriegen, Hungersnöten und Seuchen war es wichtig, das viele Babys geboren wurden, und angesichts der mangelnden Geburtenkontrolle und kirchlicher Interventionen (»Seid fruchtbar und mehret Euch«) war dies auch erwünscht bzw. nicht zu verhindern. Dabei hatten Mädchen und Frauen genauso ihren Platz und ihre Aufgabe in der Familie und Gesellschaft wie Jungen und Männer. Zwar wurden Söhne traditionell bevorzugt, solange das Erbrecht am erstgeborenen Sohn festgemacht wurde, aber Töchter waren auch willkommen, sicherten sie doch Pflege und Unterstützung für die alten Eltern.
Die gelungene Heiratspolitik der Habsburger, allen voran Maria Theresia (1717 – 1780) mit ihren vielen Töchtern, die sie mit anderen Herrscherhäusern verheiratete (»Kriege führen mögen andere, du, glückliches Österreich, heirate«) illustriert, dass Töchter sehr nützlich sein konnten. Maria Theresia war nicht nur eine große Kriegerin, sondern auch eine weitblickende Reformerin (Hamann, 2011). Die Erbfolge war, falls kein männlicher Erbe da war, auf eine Tochter möglich, und die von ihr 1774 erlassene Schulordnung legte eine sechsjährige Schulpflicht für Jungen und Mädchen fest. Ihre Töchter verheiratete sie geschickt, nur einer der Töchter wurde eine Liebesheirat zugestanden. Berühmtestes Beispiel für den »Nutzen« von Töchtern ist Maria Antonia, die als Marie Antoinette Königin von Frankreich wurde (und auf dem Schafott endete).
Wie die Ausstellung Frauensache: Die Frauen der Hohenzollern in Berlin 2015 zeigte, war die Heiratspolitik der Hohenzollern ähnlich erfolgreich: Ehen verankerten die Hohenzollern in ganz Europa. Von Italien bis Dänemark, von England bis nach Russland reichte das von den Frauen geknüpfte Netzwerk. Sie wurden nicht nach Zuneigung, sondern nach politischen Überlegungen verheiratet, legten aber eine bemerkenswerte Kompetenz und Expertise an den Tag, was das Networking angeht. Heute werden zwar weniger Schüsse abgefeuert, wenn ein Mädchen (im Vergleich zu einem Sohn) in den royalen Häusern geboren wird, so dass das »Hurra, ein Mädchen!« etwas weniger laut ausfällt, doch die Tatsache, dass in allen europäischen Herrscherhäusern kurzerhand die Gesetzgebung geändert und eine Thronfolge der Töchter möglich ist, verdeutlicht, dass Gleichberechtigung angestrebt und realisiert wird.
Es gibt einige Kulturen, in denen Mädchen, vor allem Häuptlingstöchtern, eine herausragende Position zukam. In der Nähe einer Pyramide, der Huaca Cao Viejo im Norden Perus, entdeckten Forscher 2006 die Mumie eines jungen Mädchens – bestattet in einem prunkvollen Grab, eingewickelt in Hunderte Meter Baumwollstoff; das Mädchen war offenbar geopfert worden. Das Seil, mit dem es erwürgt wurde, hing noch um seinen Hals. Eine Datierung mit dem Radiokarbon-Verfahren ergab, dass das Seil aus der Zeit um das Jahr 450 stammt. Noch erstaunlicher als der Schmuck, die Halbedelsteine, waren die Tätowierungen auf dem Körper der Bestatteten, die Bären und mythische Wesen zeigen. Außerdem fanden Archäologen als Beigabe zahlreiche Waffen. Zwei zeremonielle Keulen und 28 sogenannte Speerschleudern – Stöcke, welche die Reichweite und Durchschlagskraft eines Speers enorm erhöhen – befanden sich in dem Grab. Man vermutet, dass es sich bei dem Mädchen um eine junge Kriegerin handelt. Mädchenopfer sind aus anderen Funden in Peru bekannt, und sie waren für die Betroffenen eine Ehre. Heute erscheint es als erstaunlich, wie die auserwählten Mädchen, häufig Häuptlingstöchter, den beschwerlichen Aufstieg in große Höhen (4000 m) ohne Essen, nur mit ihren Waffen und vermutlich Kokablättern, geschafft haben.
Ein hoher Status von Mädchen wird auch in Bezug auf matrilineare Kulturen berichtet, bei denen die individuellen Rechte und Pflichten, insbesondere die Erbansprüche, nach der Deszendenz aus der mütterlichen Linie abgeleitet wurden (Bronowski, 1979). Entscheidend ist dabei die weibliche Abstammung der Vorfahren (uterineEthnographic Atlas