Kai Eicker-Wolf
Money for nothing?
Das Bedingungslose Grundeinkommen in der Kontroverse
Kai Eicker-Wolf
Money for nothing?
Das Bedingungslose Grundeinkommen in der Kontroverse
ISBN (Print) 978-3-96317-199-4
ISBN (ePDF) 978-3-96317-722-4
ISBN (ePub) 978-3-96317-734-7
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Im April 2019 sorgte eine repräsentative Befragung zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) für Aufsehen. Immerhin 52 Prozent der Bevölkerung stimmten der Forderung nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen zu.1 Befürworter_innen dieser Idee sind demnach vor allem unter den jungen Menschen anzutreffen. Sie sind meist höher gebildet, verfügen über ein eher geringes Haushaltseinkommen und sind politisch überwiegend dem linken Spektrum zuzuordnen.
Die Autor_innen der Umfrage schränken allerdings ein: Die hohen Zustimmungsraten seien »nicht mit einer Reformbereitschaft in diese Richtung gleichzusetzen. Sie bedeuten nämlich noch lange nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger ein solches Vorhaben auch dann begrüßen würden, wenn die Finanzierung und die Konsequenzen transparent gemacht würden.«2 In der Tat sind die Möglichkeiten der Finanzierung eines Bedingungslosen Grundeinkommens sowie dessen Auswirkungen auf die gesellschaftliche Produktion von Gütern und Dienstleistungen von entscheidender Bedeutung für die Bewertung, würde die Einführung eines BGE doch eine weitreichende Änderung der bestehenden Wirtschafts- und Sozialordnung bedeuten.
Der jüngste Aufschwung der Debatte um ein Bedingungsloses Grundeinkommen vor rund 15 Jahren ist nur vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklungen und der Wirtschaftspolitik seit der Jahrtausendwende zu verstehen.3 Die Jahre 2001 bis 2005 markieren die längste Zeit einer wirtschaftlichen Stagnation nach dem zweiten Weltkrieg, und die Arbeitslosenquote erreichte im Jahr 2005 mit einem Wert von 13 Prozent einen neuen Höchststand. Mit den Hartz-Gesetzen wurden in den Jahren 2003 bis 2005 Arbeitsmarktreformen umgesetzt, die noch heute in ihrer Wirkung höchst umstritten sind. Von vielen wurden und werden sie etwa aufgrund der verschärften Zumutbarkeitskriterien oder des Abbaus von Beschränkungen im Bereich der Leiharbeit kritisiert. Parallel zur Umsetzung der Hartz-Reformen ist in Deutschland zudem eine Debatte geführt worden, die sich um noch weitergehende Arbeitsmarktreformen drehte. Und schließlich spielt die immer ungleicher ausfallende Einkommensverteilung, die stark gestiegene Armutsgefährdung und insbesondere die zunehmende – und mittlerweile im europäischen Vergleich sehr hohe – Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland eine zentrale Rolle. Die geschilderten Entwicklungen haben letztlich zu einem erheblichen Vertrauensverlust in die Systeme der sozialen Sicherung geführt, was das Interesse an grundlegenden Alternativen befördert hat.
Aktuell werden Forderungen nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen häufig auch mit der Digitalisierung begründet. In Erwartung von Rationalisierungsmaßnahmen, deren Basis digitale Technologien seien, werden zum Teil sehr große Arbeitsplatzverluste prognostiziert. Künstliche Intelligenz und die zunehmende Verbreitung von Robotern, so die Befürchtung, werden dazu führen, dass immer weniger menschliche Arbeit zur Produktion der gesellschaftlich gewünschten Güter und Dienstleistungen erforderlich ist. Als Ausweg wird das Bedingungslose Grundeinkommen gesehen, das unter anderem zur Stabilisierung der Massenkaufkraft dienen soll.
Die Hartz-Reformen sind auch nach der hier vertretenen Ansicht abzulehnen, und auch die zunehmende Ungleichverteilung in Deutschland wird als problematisch eingeschätzt. Trotzdem wird das Bedingungslose Grundeinkommen – dies sei hier schon einmal vorausgeschickt – nicht als sinnvoller Vorschlag angesehen, die genannten Probleme zu lösen. Vielmehr handelt es sich um ein sehr einfaches Heilsversprechen, das unter anderem aufgrund der Unübersichtlichkeit des deutschen Sozialsystems und der Komplexität von wirtschafts- und sozialpolitischen Debatten auf fruchtbaren Boden fällt. Es stellt in den Augen Vieler ganz offensichtlich eine einfache und sozial gerechte Antwort auf komplizierte Sachverhalte dar.
Bevor wir uns kritisch mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen befassen und insbesondere seine ökonomischen Folgen abzuschätzen versuchen, bietet Kapitel 2 zunächst einen Überblick über verschiedene BGE-Vorschläge. Dabei wird allerdings keine Gesamtdarstellung aller BGE-Modelle vorgenommen und es werden auch nicht alle Facetten des Themas debattiert. Es werden lediglich die Konzepte der bekanntesten Vertreter_innen behandelt. Kurz dargestellt werden die Vorstellungen bekannter Einzelpersonen wie die des Unternehmers Götz Werner (Gründer der Drogeriemarktkette dm), des früheren Ministerpräsident von Thüringen, Dieter Althaus (CDU) sowie des Ökonomen Thomas Straubhaar. Außerdem wird ein kurzer Blick auf die Debatten in der Partei DIE LINKE geworfen, in der sich eine breite Strömung für ein Bedingungsloses Grundeinkommen ausspricht. Zahlreiche Befürworter_innen finden sich auch bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, deren Überlegungen ebenfalls kurz beleuchtet werden. Viele Unterstützer_innen dieser Idee sind zudem im globalisierungskritischen Netzwerk Attac aktiv – auch hierauf wird kurz eingegangen.
Nach diesem kurzen Überblick im 2. Kapitel, der auch eine grobe Systematisierung der verschiedenen Vorstellungen vornimmt, werden im nachfolgenden Kapitel 3 die zentralen Argumente hinterfragt, die zur Begründung dieser doch recht radikalen sozialstaatlichen Reformkonzepte ins Feld geführt werden. Dabei sind drei wesentliche Argumentationslinien auszumachen: Technologisch bedingte Arbeitslosigkeit, die seit ein paar Jahren insbesondere mit der Digitalisierung und der sogenannten Industrie 4.0 in Verbindung gebracht wird; die schon erwähnte zunehmende Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen sowie Abstiegsängste und zuletzt der demografische Wandel und seine Folgen für die Finanzierung des Sozialstaates.
In Kapitel 4 werden zunächst Überlegungen zu den Auswirkungen der unterschiedlichen Grundeinkommensvorschläge auf die Notwendigkeit einer Arbeitsaufnahme – ökonomisch gesprochen handelt es sich dabei um das sogenannte Arbeitsangebot – und auf die gesamtwirtschaftliche Produktion von Gütern und Dienstleistungen angestellt. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, ob das Bedingungslose Grundeinkommen durch die Möglichkeit von mehr ehrenamtlichem Engagement einen sinnvollen Beitrag für den bestehenden und sich voraussichtlich weiter verschärfenden Personalmangel im Bereich der personenbezogenen Dienstleistungen leisten kann. Zudem stehen Fragen nach der Finanzierbarkeit und den Auswirkungen auf die Einkommensverteilung im Mittelpunkt des Interesses.
Kapitel 5 rundet das Buch vor dem Nachwort mit einem zusammenfassenden Ausblick ab.
Besonderer Dank bei der Erarbeitung des Buchs gilt Liv Dizinger, Ingo Schäfer, Patrick Schreiner und Susanne Wolf, die den Entwurf zum Buch gegengelesen haben, und denen der Autor zahlreiche Anregungen und Hinweise verdankt. Ferner sei den Mitarbeiter_innen des Büchner-Verlags für die reibungslose Zusammenarbeit und das sorgfältige Lektorat gedankt.