Wilfried Nippel (Hrsg.)

»Wenn Toren aus der Geschichte falsche Schlüsse ziehen«

Ein Theodor-Mommsen-Lesebuch

dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Über Wilfried Nippel (Hrsg.)

Wilfried Nippel, geboren 1950 in Wuppertal, war von 1983 bis 1992 an der Universität Bielefeld, von 1992 bis 2015 an der Humboldt-Universität Berlin Professor für Alte Geschichte und lehrt dort seit 2015 als Seniorprofessor. Er ist ordentliches Mitglied der geisteswissenschaftlichen Klasse der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. 2013 wurde er mit dem Karl-Christ-Preis ausgezeichnet. Zahlreiche Veröffentlichungen, u. a. ›Theodor Mommsens langer Schatten. Das Römische Staatsrecht als bleibende Herausforderung für die Forschung‹ (Hg. mit B. Seidensticker, 2005); ›Johann Gustav Droysen. Ein Leben zwischen Wissenschaft und Politik‹ (2008); ›Antike oder moderne Freiheit? Die Begründung der Demokratie in Athen‹ (2008); ›Klio dichtet nicht. Studien zur Wissenschaftsgeschichte der Althistorie‹ (2013); ›Fußnoten, Zitate, Plagiate. Wissenschaftsgeschichtliche Streifzüge‹ (2014).

Über das Buch

Theodor Mommsen (1817–1903) war einer der bedeutendsten deutschen Historiker und erhielt für sein Werk ›Römische Geschichte‹ 1902 den Nobelpreis für Literatur. Als engagierter Zeitgenosse und liberaler Reichstagsabgeordneter nahm er auch vehement und scharfsichtig zu aktuellen Themen Stellung.

 

Dieses von Wilfried Nippel zusammengestellte Lesebuch bietet eine vielfältige Auswahl aus Mommsens Werk und lädt dazu ein, den Klassiker neu oder wieder zu entdecken.

 

 

 

Über die Reihe

 

Klassiker neu gelesen: In der Reihe dtv bibliothek erscheinen Werke und Werkauswahlbände von bedeutenden Autorinnen und Autoren, die zu ihrer Zeit und bis in die Gegenwart Maßstäbe gesetzt, viele Leserinnen und Leser bewegt und Einfluss auf das Denken der Menschen genommen haben. Die Bücher sind sorgfältig ediert und ausgestattet. Aktuelle Begleitworte erleichtern den ungezwungenen Zugang zu diesen klassischen Werken der Weltliteratur und des Weltwissens.

Impressum

Originalausgabe 2017

© 2017 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Umschlaggestaltung: David Pearson, London

 

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

eBook-Herstellung im Verlag (01)

 

eBook ISBN 978-3-423-43292-4 (epub)

ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-28143-0

 

Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher finden Sie auf unserer Website www.dtv.de/ebooks

ISBN (epub) 9783423432924

Fußnoten

[1]

Erster Band, Zweites Buch, 1. Kapitel. Nach der modernisierten Fassung der Ausgabe München 1976 (dtv), Bd. 1, 257277 (= 9. Aufl., Berlin 1902, Bd. 1, 243263); mit Kürzungen im Text und ohne Anmerkungen und Querverweise. Mommsen hat in der ersten Auflage nur die Jahreszählung seit Gründung der Stadt (753 v. Chr.) verwendet, später dann zusätzlich die Jahre vor Christus angegeben.

[2]

Dritter Band, 5. Buch, 11. Kapitel. Hier Bd. 5, 127175, in der Ausgabe München 1976 = Bd. 3, 461507, der 9. Auflage 1902 (etwa die erste Hälfte des gesamten langen Kapitels) mit Kürzungen im Text und ohne die Anmerkungen und Querverweise.

[3]

Römisches Staatsrecht, Bd. I: Die Magistratur, ist in drei, jeweils veränderten Auflagen erschienen; Leipzig 1871, 1876 und 1887. Die letzte Ausgabe 1887 (ND Graz 1969) enthält die Vorworte zu allen drei Auflagen.

[4]

Friedrich Hofmann, Der römische Senat zur Zeit der Republik nach seiner Zusammensetzung und innern Verfassung betrachtet, Berlin 1847.

[5]

Karl Nipperdey, Die leges annales der römischen Republik, Abh. d. phil.-historischen Klasse der Kgl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften 5, 1870, 188.

[6]

Römisches Staatsrecht, Bd. II: Die einzelnen Magistraturen, erschienen in zwei Halbbänden in drei, jeweils veränderten Auflagen; Leipzig 1874/75, 1877 und 1887. Das Vorwort zur 2. Aufl. des 2. Halbbandes ist in der letzten Ausgabe 1887 (ND Graz 1969) erneut abgedruckt worden.

[7]

Otto Hirschfeld, Untersuchungen auf dem Gebiete der römischen Verwaltungsgeschichte I: Die kaiserlichen Verwaltungsbeamten bis auf Diocletian, Berlin 1877.

[8]

Römisches Staatsrecht, Bd. III: Bürgerschaft und Senat, zwei Halbbände, Leipzig 1887 und 1888 (ND Graz 1969). Vorwort zum 2. Halbband 1888.

[9]

Pierre Willems, Le sénat de la république romaine. Sa composition et ses attributions, 3 Bde., Louvain 18781885.

[10]

Abriss des Römischen Staatsrechts, Leipzig 1893, 2. unveränderte Auflage 1907 (ND Darmstadt 1974).

[11]

Römisches Strafrecht, Leipzig 1899, (ND Graz 1955).

[12]

Zuerst veröffentlicht in den Monatsberichten der Preußischen Akademie 1858; hier nach Mommsen, Reden und Aufsätze, 3538.

[13]

Niebuhr wird als einer der Initiatoren des griechischen Inschriftenprojekts der Akademie genannt, aber eben nicht Böckh, der es umgesetzt, dann aber Mommsens Plan für das römische Pendant lange blockiert hatte. Der Dank geht an Savigny für seine Unterstützung von Mommsens Vorhaben.

[14]

Das Istituto di corrispondenza archeologica war 1829 als private internationale Vereinigung von Wissenschaftlern und Künstlern gegründet, von Anfang an aber wesentlich aus Zuwendungen der preußischen Krone finanziert worden. Mommsen betrieb, wie sich hier schon andeutet, seine institutionelle Anbindung an die preußische Akademie und seine Umwandlung in eine staatliche Einrichtung, was nach mehreren Zwischenstufen 1871 erreicht werden sollte. 1874 wurde es vom Reich übernommen.

[15]

15. Oktober 1874; nach Mommsen, Reden und Aufsätze, 316.

[16]

Rücktritt Humboldts als Direktor der Sektion für Kultus und Unterricht im Innenministerium, eingereicht Ende April 1810 nach ca. 14-monatiger Tätigkeit.

[17]

Hermann von Boyen, preußischer Kriegsminister seit August 1814; Rücktritt Ende 1819.

[18]

Konfrontation preußischer mit bayerischen und österreichischen Truppen bei Bronnzell (Fulda) am 8. November 1850, bei der die Preußen in letzter Minute die Schlacht vermieden.

[19]

P. Cornelius Scipio Africanus Aemilianus i. J. 141 v. Chr.

[20]

Schleswig-Holstein.

[21]

Der große Wahlerfolg der Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein bei den Reichstagswahlen vom Januar 1874.

[22]

Rede in der preußischen Akademie zum Geburtstag (22. März) von Kaiser Wilhelm I. 1881, veröffentlicht in den Monatsberichten der Preußischen Akademie 1881, hier nach Mommsen, Reden und Aufsätze, 104115.

[23]

Geburtstag des Kronprinzen, des zukünftigen Friedrich III.

[24]

Geburtstag des ältesten Sohnes des Kronprinzen, des zukünftigen Wilhelm II.

[25]

Diokletian, Kaiser 284305.

[26]

Geburtstag von Wilhelm I.

[27]

Friedrich Wilhelm III., regierte 17971840.

[28]

Gründung der Berliner Universität im Herbst 1810.

[29]

Eröffnung des Königlichen Museums (heute: Altes Museum) im August 1830 durch den Kultusminister Karl Freiherr von Stein zum Altenstein.

[30]

Seit 1877 betrieb das Berliner Museum Ausgrabungen in Pergamon.

[31]

1 Hochzeit des Prinzen Wilhelm, des zukünftigen Wilhelm II., mit Auguste Victoria von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg am 27. Februar 1881.

[32]

Der Vater von Auguste Victoria, Friedrich (VIII.), der seit Ende 1863 als legitimer Herrscher von Schleswig und Holstein galt, war von Preußen, das die Herzogtümer schließlich 1867 annektierte, ausgebootet worden.

[33]

Zar Alexander II. war am 13. März 1881 einem Bombenanschlag von Anarchisten zum Opfer gefallen.

[34]

Alexander II. war Neffe von Wilhelm I.

[35]

Die gescheiterten Attentate auf Wilhelm I. am 11. Mai und 2. Juni 1878; beim zweiten war der Kaiser schwer verwundet worden.

[36]

Aphorismus von Goethe, 1777.

[37]

Zuerst Preußische Jahrbücher 37, 1876; hier nach Mommsen, Reden und Aufsätze, 402409.

[38]

Jaffé war als erster Jude in Preußen im Frühjahr 1862 zum außerordentlichen Professor (für Geschichte in Berlin) ernannt worden. Er hatte sich am 3. April 1870 das Leben genommen. Entweder irrte sich Mommsen mit dem Datum 22. März oder er dachte an einen Vorfall, der Jaffés Entscheidung ausgelöst hatte.

[39]

Wilhelm Dabis.

[40]

Göttingische Gelehrte Anzeigen 1873, 14371440.

[41]

Historische Zeitschrift 31, 1874, 164166.

[42]

Kiel, Göttingen und Marburg infolge der preußischen Annexionen 1866/67.

[43]

Göttingen.

[44]

Münchner Neueste Nachrichten, 15. u. 24. November 1901; hier nach Mommsen, Reden und Aufsätze, 432436.

[45]

Georg von Hertling, Philosophieprofessor in München; Münchner Neueste Nachrichten, 20.11.1901.

[46]

Karl Otto von Raumer, preußischer Kultusminister 18501858. Hertling hatte auf Raumers Verfügung hingewiesen, dass in Bonn und Breslau ein historischer Lehrstuhl für einen Katholiken reserviert werden musste.

[47]

Vertrag zwischen Österreich, Russland und Preußen vom 29. November 1850, mit dem Preußen seine Unionspläne aufgab und der Wiederherstellung des Deutschen Bundes zustimmte.

[48]

Schleswig-Holsteinische Zeitung, Nr. 50, 10. Juni 1848 (anonym erschienen), in: Ludo Moritz Hartmann, Theodor Mommsen. Eine biographische Skizze, Gotha 1908, 191200.

[49]

Vom Bundestag des Deutschen Bundes Ende März 1848 eingesetztes Gremium von »Männern des öffentlichen Vertrauens« (»Siebzehnerausschuss«), das am 26. April den Entwurf einer Reichsverfassung vorlegte.

[50]

Deutsche Zeitung (Heidelberg).

[51]

Die konstituierende deutsche Nationalversammlung, die seit dem 18. Mai 1848 in Frankfurt am Main tagte.

[52]

Am 3. Juni 1848 hatte die Nationalversammlung einen Ausschuss eingesetzt, der über die verschiedenen Vorschläge zur Bildung einer provisorischen Reichsgewalt Bericht erstatten sollte.

[53]

Als Sprachrohr der Casino-Fraktion (rechte Mitte) in der Nationalversammlung.

[54]

Die Grundrechte des deutschen Volkes. Mit Belehrungen und Erläuterungen, Leipzig 1849 (anonym); ND, hg. v. Lothar Wickert, Frankfurt a. M. 1970.

[55]

Die Grundrechte waren am 27. Dezember 1848 von der deutschen Nationalversammlung durch ein Reichsgesetz in Kraft gesetzt worden.

[56]

Als Broschüre erschienen, 10. Dezember 1880, in dritter Auflage 15. Dezember 1880; hier nach Mommsen, Reden und Aufsätze, 410426.

[57]

Mannus, Stammvater der Germanen nach Tacitus, Germania 2.

[58]

Die drei Söhne des Mannus.

[59]

Jean Louis de Quatrefages, französischer Anthropologe, Autor von: La race prussienne, 1871.

[60]

Salomon Neumann, Die Fabel von der jüdischen Masseneinwanderung, Berlin 1880. Der Autor war ein renommierter (Medizin-)Statistiker.

[61]

Berliner Nationalökonom, Mitglied der antisemitischen Partei Adolf Stoeckers.

[62]

Flavius Josephus (37–ca. 95), Verfasser von »Der jüdische Krieg« und »Jüdische Altertümer«, in griechischer Sprache.

[63]

Philon von Alexandria (erste Hälfte des ersten Jahrhunderts n. Chr.), Autor zahlreicher Schriften zur jüdischen Religion in griechischer Sprache.

[64]

Heinrich Grätz, Geschichte der Juden. Von den Anfängen bis auf die Gegenwart, 11 Bde., 18531876.

[65]

Friedrich Emanuel Hurter (17871865), nach Übertritt zum Katholizismus seit 1846 Historiograph am Wiener Hof.

[66]

Ernst Dohm, seit 1849 Redakteur des Berliner Satireblattes »Kladderadatsch«.

[67]

Straße im »jüdischen Viertel« in Berlin-Mitte.

[68]

165160 v. Chr. Führer des jüdischen Aufstands gegen die Seleukiden in Reaktion auf die von Antiochos IV. verfügte Umwandlung Jerusalems in eine griechische Stadt und das Verbot des jüdischen Tempelkultes.

[69]

Helmuth von Moltke, als Chef des preußischen Generalstabs erfolgreicher Planer der Kriege gegen Dänemark (1864), Österreich und süddeutsche Staaten (1866) sowie Frankreich (1870/71).

[70]

[Anmerkung Mommsens:] Ich habe in diese ernste Frage nicht die andere recht gleichgültige hineinziehen wollen, ob ein deutscher Schriftsteller sich einmal mehr oder weniger widersprochen hat, und habe darum nicht erwidert auf die literarischen Streifzüge gewisser Parlamentsredner, deren Vorträge besser Leitartikel der entsprechenden Presse geblieben wären. Indes da ich einmal hier das Wort nehme, glaube ich hinzufügen zu sollen, daß meine Meinung über die Judenfrage vor dreißig Jahren ebenso dieselbe war, wie meine Stimmung gegen diesen Teil meiner Mitbürger. Wer sich von dem letzteren überzeugen will, worauf mehr ankommt, der lese zum Beispiel was ich über das Verhalten der Juden bei Cäsars Tod gesagt habe. Wer mein Buch kennt, wird es bestätigen, daß dasselbe den Anspruch erhebt den Judenschmeichlern ebenso zu mißfallen wie den Judenhassern.

[71]

Adolf Stoecker, Hof- und Domprediger in Berlin, Begründer der antisemitischen Christlichsozialen Arbeiterpartei 1878.

[72]

Gesetz vom Mai 1880 gegen übermäßige Zinsen unter Ausnutzung von Notlage oder Unerfahrenheit des Darlehensempfängers und gegen gewerbsmäßigen Wucher.

[73]

Friedrich Zöllner, Professor der Astrophysik in Leipzig, einer der Initiatoren der Antisemitenpetition, die schließlich im April 1881 mit ca. 250 000 Unterschriften Reichskanzler Bismarck übergeben wurde.

[74]

Zugefügt in der 3. Auflage.

[75]

[Zusatz Mommsens in späteren Auflagen:] Es hat sich seitdem herausgestellt, daß diese Anfrage später als wir es erwarten durften, an Herrn v. Treitschke gelangt ist und er seinerseits sie sofort beantwortet hat. – 23.12.80.

[76]

Preußische Jahrbücher, seit 1867 von Treitschke herausgegeben.

[77]

Erklärung Berliner Honoratioren gegen den Antisemitismus vom 12. November 1880.

[78]

13. Oktober 1881; als Broschüre gedruckt. – Wahlkreis Oldenburg-Plön.

[79]

Die Verärgerung über Mommsens Bemerkungen zu Schleswig-Holstein in der Rektoratsrede 1874.

[80]

Adolph Wagner, Berliner Nationalökonom, hatte im August 1881 in Abstimmung mit Bismarck vorgeschlagen, eine staatliche Arbeiterversicherung durch Verstaatlichung der Tabakindustrie zu finanzieren.

[81]

Die Straßburger Zigarren-Manufaktur war aus französischem in deutschen Staatsbesitz gekommen. Es gab die Vermutung, sie solle durch Verdrängung privater Wettbewerber das (mehrfach gescheiterte) staatliche Tabakmonopol »durch die Hintertür« etablieren.

[82]

Hamburg und Bremen waren bei der Reichsgründung 1871 zollrechtlich selbstständig geblieben. Auf massiven Druck Bismarcks wurde am 25. Mai 1881 ein Vertrag über den Beitritt zum Zollgebiet des Deutschen Reiches geschlossen.

[83]

Auch Bremen sollte dem Zollgebiet des Reiches beitreten, wogegen es massiven Widerstand gab. Heinrich von Kusserow, hoher Beamter im Auswärtigen Amt, kandidierte 1881 (erfolglos) in Bremen.

[84]

Bismarck hatte im März 1881 im Reichstag massiv die Berliner Stadtverwaltung angegriffen, die von einem »Ring« (»Klüngel«, wenn nicht »Mafia«) aus der Fortschrittspartei beherrscht werde, der Verwaltungsentscheidungen nach politischer Opportunität treffe, und mit Einschränkungen der Selbstverwaltung gedroht.

[85]

Ferdinand Lassalle, Begründer des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins 1863, der 1875 mit der von August Bebel und Wilhelm Liebknecht gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei fusionierte. Lassalle, Das Arbeiterprogramm, 1862.

[86]

Die Nation, Jg. 2, Nr. 16, 17.1.1885, 222 – anonym erschienen.

[87]

Bd. I, 3. Buch, 12. Kapitel, 839 f. (in der Ausgabe 1902).

[88]

Die Nation, 10. Jg., Nr. 43, 1893; hier nach Mommsen, Reden und Aufsätze, 468475.

[89]

Bamberger hat sie später geschrieben; sie behandelt die Zeit bis etwa 1870; Erinnerungen, hg. v. Paul Nathan, 1899, kurz nach Bambergers Tod erschienen.

[90]

Werner Siemens, Mitbegründer des Elektro-Konzerns, 18621866 für die Fortschrittspartei Mitglied im Preußischen Abgeordnetenhaus (weitgehend gleichzeitig mit Mommsen). Siemens, Lebenserinnerungen, Berlin 1892.

[91]

Erlebnisse aus der pfälzischen Erhebung im Mai und Juni 1849, Frankfurt a. M. 1849.

[92]

Bamberger ist 1851 in absentia in mehreren Verfahren verurteilt worden, in einem Fall auch zum Tode. 1849 war er zunächst in die Schweiz geflüchtet, nach Zwischenstationen war er seit 1853 als Bankier in Paris tätig. Erst 1868 kehrte er nach Deutschland zurück.

[93]

Heinrich Simon hatte in der deutschen Nationalversammlung am 27. März 1849 die Zustimmung einer Gruppe linker Abgeordneter zur Reichsverfassung mit Erbkaisertum im Gegenzug für die Verabschiedung des allgemeinen Wahlrechts vereinbart (»Simon-Gagern-Pakt«). Er war einer der vom Stuttgarter »Rumpfparlament« im Juni 1849 eingesetzten »Reichsregenten«. Danach flüchtete er sich in die Schweiz, wo er wegen seiner Verurteilung zu lebenslangem Zuchthaus (1851) blieb. Er war am 16. August 1860 im Walensee (Kanton St. Gallen) ertrunken. Bei der Einweihung des Denkmals trafen sich zahlreiche Emigranten mit in Deutschland lebenden linken Politikern.

[94]

In den süddeutschen Staaten wurden Abgeordnete gewählt, die zusammen mit den Mitgliedern des Norddeutschen Reichstags dieses neue Gremium bildeten, das die wirtschaftliche Integration Deutschlands fördern sollte. Bamberger wurde Anfang 1868 in Mainz gewählt.

[95]

Als Mitglied des Zollparlaments 18681870, des deutschen Reichstags 18711893.

[96]

Bamberger hatte nach der Reichsgründung entscheidend bei der Durchsetzung der Goldwährung mitgewirkt. Die Ablösung von Silber hat er als »Entthronung eines Weltherrschers« bezeichnet.

[97]

Wilhelm von Kardorff, der 1879 eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung der Eisen- und Getreidezölle gespielt hatte, hatte in den 1880er-Jahren die Rückkehr zu einer gleichermaßen auf Gold und Silber basierenden Währung (Bimetallismus) gefordert.

[98]

Otto Arendt, seit 1880 führend in der deutschen Kolonialbewegung, ebenfalls Verfechter des Bimetallismus.

[99]

Leipziger Str. 4 in Berlin = Sitz des Reichstags. Hermann Ahlwardt, antisemitischer Agitator, war Ende 1892 in einer Nachwahl Reichstagsabgeordneter geworden und bei der Reichstagswahl Mitte Juni 1893 wiedergewählt worden. Bei dieser Wahl hatte Bamberger nicht mehr kandidiert, auch wegen des anwachsenden Antisemitismus.

[100]

Bund der Landwirte, im Februar 1893 gegründet.

[101]

Adolf Stoecker, Berliner Dom- und Hofprediger, seit 1878 führend in der antisemitischen Bewegung, Mitglied des Reichstages seit 1881.

[102]

Hans Graf von Kanitz, Abgeordneter für die Deutschkonservative Partei im preußischen Abgeordnetenhaus seit 1885 und zugleich im Reichstag seit 1889, Interessenvertreter der Agrarier. Auf den Vergleich mit dem sozialdemokratischen Parteiführer August Bebel soll Kanitz mit einer Beleidigungsklage gegen Mommsen reagiert haben, die aber anscheinend im Sande verlaufen ist.

[103]

Die Nation. Wochenschrift für Politik, Volkswirtschaft und Literatur, 1883 von Theodor Barth als Organ des Linksliberalismus gegründet.

[104]

Ludwig Windthorst (18121891), führender Zentrumspolitiker, seit der Reichsgründung kontinuierlich Mitglied des Reichstags.

[105]

Deutsche Revue über das gesamte nationale Leben der Gegenwart, Jg. 20, 2. Bd. (April–Juni) 1895, 93 f. – Brief an einen unbekannten Empfänger.

[106]

Deutsche Revue über das gesamte nationale Leben der Gegenwart, Jg. 20, 3. Bd. (Juli – September) 1900, 129132.

[107]

Hermann Roeren, Oberlandesgerichtsrat in Köln, hatte als Zentrumsabgeordneter maßgeblich die Verschärfung der Lex Heinze betrieben.

[108]

Arnold Nieberding, seit 1893 Leiter des Reichsjustizamtes, hatte das »Schamgefühl des Normalmenschen« zum Kriterium des erweiterten Unzucht-Begriffs erklärt.

[109]

Die Nation, Jg. 20, Nr. 11 (13.12.1902); hier nach Ludo M. Hartmann, Theodor Mommsen. Eine biographische Skizze, Gotha 1908, 255258.

[110]

August Bebel, von 1867 bis 1881, seit 1883 ununterbrochen Mitglied des Reichstags, einer der beiden Vorsitzenden der SPD seit 1892.

[111]

Friedrich Alfred Krupp, Chef des Essener Konzerns, geboren 1854, war am 22.11.1902 plötzlich verstorben, was Mutmaßungen über einen Selbstmord auslöste. Kurz zuvor waren Gerüchte über Sex-Orgien mit jungen Männern während seiner Ferienaufenthalte auf Capri verbreitet worden, die das SPD-Parteiorgan »Vorwärts« am 15. November in die Öffentlichkeit gebracht hatte.

[112]

Gedruckt in Lothar Wickert, Theodor Mommsen. Eine Biographie, Bd. IV: Größe und Grenzen, Frankfurt a. M. 1980, 239 f.; zuvor mit geringfügigen Kürzungen bei Georg von Below, Ein Denkmal der Unduldsamkeit (Mommsen gegen Treitschke), Deutschlands Erneuerung 7, 1923, 523525.

[113]

Ernst Henrici, seit 1880 als antisemitischer Agitator aktiv.

[114]

Otto Böckel, antisemitischer Agitator (in Hessen) und Publizist, erster, offen antisemitischer Reichstagsabgeordneter seit Anfang 1887.

[115]

Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, 5 Bde., 18791894.

[116]

Seit Juni 1894 hatte das preußische Kultusministerium von der Berliner Philosophischen Fakultät die Entlassung des (nichtbeamteten) Privatdozenten Leo Arons wegen seiner (außeruniversitären) sozial-demokratischen Aktivitäten gefordert. Mommsen und Treitschke gehörten einer Kommission an, die sich Ende April 1895 erneut mit dem Fall befasste. Arons war auch Ziel heftiger antisemitischer Angriffe in der Öffentlichkeit.

[117]

Gerson Bleichröder (18221893), jüdischer »Bankier Bismarcks«.

[118]

Die im Mai 1894 mit hohem Vermögen errichtete »Heckmann-Wentzel-Stiftung« zur Förderung von Vorhaben der preußischen Akademie.

[119]

Unter diesem Titel veröffentlicht in: Die Wandlung 3, 1948, 69; wieder bei Alfred Heuß, Theodor Mommsen über sich selbst. Zur Testamentsklausel von 1899, in: Antike und Abendland 6, 1957, 105117.

[120]

Karl Mommsen (18611922), Jurist.

[121]

Ernst Mommsen (18631930), Mediziner.

Endnoten

[1]

Der Text ist wieder abgedruckt in: Adolf Harnack, Aus Wissenschaft und Leben, Bd. 2, Gießen 1911, 323332.

[2]

Francis Haverfield, An inaugural address delivered before the first Annual General Meeting of the Society, 11th May, 1911, Journal of Roman Studies 1, 1911, XIV.

[3]

Auf Nachweise aus der umfangreichen wissenschaftlichen Literatur über Mommsen muss hier verzichtet werden. Die vierbändige Biographie von Wickert (1959 ff.) ist für die spätere Zeit Mommsens fast nur noch eine Quellensammlung, bleibt aber wegen der Fülle der Materialien (darunter viele, die im Zweiten Weltkrieg verloren gegangen sind) unentbehrlich. Für die intellektuelle Biographie Mommsens und seine politischen Aktivitäten sind weiterhin einschlägig Hartmann (1908), Heuß (1956), Wucher (1968). Die erste, allen Ansprüchen gerecht werdende Biographie hat Rebenich (2002) vorgelegt. Seine Editionen und Auswertungen der Briefwechsel Mommsens mit Harnack (1997) und Althoff (2012) haben erstmals umfassend die wissenschafts- und kulturpolitischen Aktivitäten des alten Mommsen erschlossen. – Abgekürzt zitierte Titel finden sich in der Bibliographie.

[4]

Wickert (1959 ff.) I, 165 f.

[5]

Text in: Adolf Harnack, Geschichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Bd. 2, Berlin 1900, 522540.

[6]

Mommsen selbst hat von »Großwissenschaft« als Pendant zu »Großstaat« und »Großindustrie« bei der Begrüßung Harnacks als neues Akademiemitglied 1890 gesprochen; Reden und Aufsätze, 209.

[7]

Die Gesammelten (wissenschaftlichen) Schriften umfassen acht Bände mit zusammen ca. 4 800 Seiten.

[8]

Wickert (1959 ff.) III, 655 f.

[9]

Die römischen Tribus in administrativer Beziehung, Altona 1844, 7.

[10]

Gesammelte Schriften III, 582.

[11]

Beleg bei Fritz Jonas, Zum achtzigsten Geburtstage Theodor Mommsens (30. November 1897), Deutsche Rundschau 93, 1897, 407.

[12]

Band- und Seitenangaben beziehen sich auf die letzte Auflage 1902, deren Paginierung auch im Nachdruck von 1976 mitläuft.

[13]

Das gründete auf eigenen, umfangreichen sprachwissenschaftlichen Untersuchungen: Oskische Studien, Berlin 1845; Nachträge zu den Oskischen Studien, Berlin 1846; Die unteritalischen Dialekte, Leipzig 1850.

[14]

Karl Wilhelm Nitzsch, Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik 73 [= Jahrbücher für classische Philologie 2], 1856, 717.

[15]

Julian Schmidt, Geschichte der deutschen Literatur im neunzehnten Jahrhundert, Bd. 3, Leipzig ³1856, 467.

[16]

Anonymus, Literarisches Centralblatt 1856, 757.

[17]

Allgemein gegen Mommsens Wirkung auf Gymnasiasten richtet sich Carl Peter, Studien zur Römischen Geschichte. Ein Beitrag zur Kritik von Th. Mommsen’s Römischer Geschichte, Halle 1863. Peter war Direktor des berühmten Internats Pforta.

[18]

Wickert (1959 ff.) III, 628.

[19]

Max Moszkowski, Vom Wirtschaftsleben der primitiven Völker, Jena 1911, 3.

[20]

David Friedrich Strauß, Ausgewählte Briefe, hg. v. Eduard Zeller, Bonn 1895, 434 (Brief vom 8.9.1861).

[21]

Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte. Einleitung Bb; Hegel, Werke, ND Frankfurt a. M. 1986, Bd. 12, 46.

[22]

Auguste Romieu, L’ère des Césars, 1850 (Der Cäsarismus oder die Notwendigkeit der Säbelherrschaft, dargetan durch geschichtliche Beispiele von den Zeiten der Cäsaren bis auf die Gegenwart, Weimar 1851); Le spectre rouge de 1852, 1851 (Das rothe Gespenst von 1852, Grimma 1851).

[23]

Thiers und die Kaiserzeit, Preußische Jahrbücher 1, 1858, 249 [anonym erschienen].

[24]

Dass Mommsen im Mai 1863 nach einer Audienz bei Napoleon III. sich solch einen Mann für Deutschland wünschte (Wucher 1968, 112), steht auf einem anderen Blatt.

[25]

Ludwig Bamberger, Über Rom und Paris nach Gotha oder die Wege des Herrn v. Treitschke, Stuttgart 1866. – In der Sache ging es um die von Napoleon III. mit Hilfe eines Stabes von Fachleuten erstellte Histoire de Jules César (1865/66), die höchst konventionell ausgefallen war, primär dem Ehrgeiz des Kaisers diente, in der Öffentlichkeit als Wissenschaftler anerkannt zu werden. Napoleon III. hatte auch Mommsen zur Mitarbeit gewinnen wollen, was dieser aber ablehnte. Über das Buch äußerte Mommsen sich privat abfällig, vermied aber eine öffentliche Stellungnahme, da er in verschiedener Hinsicht die Unterstützung des Kaisers in Anspruch nehmen konnte. Später hat Mommsen mehrfach Unterstellungen zurückgewiesen, er habe sich von Napoleon III. »kaufen« lassen; siehe die zusammenfassende Stellungnahme: In eigener Sache (1895), wieder in: Reden und Aufsätze, 427431.

[26]

Johann Most, Die socialen Bewegungen im alten Rom und der Cäsarismus, Berlin 1878.

[27]

Gesammelte Schriften V, 384 f.

[28]

Wickert (1959 ff.) III, 633.

[29]

Es handelt sich um Webers Habilitationsschrift für Römisches und Handelsrecht. Als Weber bereits bei seiner Disputation (als Teil des Promotionsverfahrens) im August 1891 eine These zur römischen Agrargeschichte vorgelegt hatte, hatte Mommsen ihm widersprochen, ihn zugleich aber zu seinem würdigen Nachfolger erklärt; Max Weber, Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht, hg. v. Jürgen Deininger, Tübingen 1986 (Max Weber Gesamtausgabe I/2), 57 f.

[30]

Karl Marx, Das Kapital, Bd. 1, Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Berlin 1956 ff., Bd. 23, 182, Anm. 39.

[31]

Wickert (1959 ff.) III, 662 (Ende 1883).

[32]

Harry Graf Kessler, Das Tagebuch, Bd. 3: 18971905, hg. v. Carina Schäfer/Gabriele Biedermann, Stuttgart 2004, 395 (4. März 1901).

[33]

Joachim Marquardt, Römische Staatsverwaltung, 3 Bde., Leipzig 18731878.

[34]

Wickert (1959 ff.) III, 340.

[35]

An Wilamowitz; »Aus dem Freund ein Sohn«, II, 399 f.

[36]

Gustav Freytag, Th. Mommsen und sein Römisches Staatsrecht, Im Neuen Reich 2. Jg., Bd. 1, 1872, 913922.

[37]

Jacob Bernays, Die Behandlung des Römischen Staatsrechtes bis auf Theodor Mommsen, Deutsche Rundschau 2, 1875, 5468, wieder in: ders., Gesammelte Abhandlungen, hg. v. Hermann Usener, Bd. 2, Berlin 1885, 256275.

[38]

Wieder in: Ludwig Lange, Kleine Schriften aus dem Gebiete der classischen Alterthumswissenschaft, Bd. II, Göttingen 1887, 154165, Zitat 163.

[39]

Leopold Wenger, Theodor Mommsen, in: ders., Die Stellung des öffentlichen römischen Rechts im Universitätsunterrichte, Wien 1907, 34.

[40]

Otto Gradenwitz, Theodor Mommsen, Zeitschrift für Rechtsgeschichte. Romanistische Abteilung 25, 1904, 11.

[41]

Die Schlacht bei Schleswig, wieder in: Reden und Aufsätze, 363372 (mit Mommsens Selbstzeugnis von 1888).

[42]

Die Autorschaft Mommsens dürfte bei den von Hartmann (1908) nachgedruckten Artikeln gesichert sein, aber nicht bei allen, die Gehrcke (1927) bietet.

[43]

Wickert (1959 ff.) III, 153 f.

[44]

Mommsen, Grundrechte 16 f.

[45]

Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, Erinnerungen 18481914, Leipzig 1928, 174 f., der auch von einem Nervenzusammenbruch Mommsens am Abend nach der Rektoratsrede berichtet.

[46]

Mommsen hat die Druckfassung zurückgezogen, die wesentlichen Passagen sind jedoch von anderer Seite veröffentlicht worden: Mommsen’s Rectoratsrede, Im Neuen Reich Jg. 4, Bd. 2, 1874, 791798.

[47]

Gehrcke (1927), 147 ff.

[48]

In zwei der zehn schleswig-holsteinischen Wahlkreise hatten sich unter den Bedingungen des absoluten Mehrheitswahlrechts Sozialdemokraten durchgesetzt; der Stimmanteil in der Provinz betrug 31,8%. Auf Reichsebene wurden 6,8% der Stimmen und neun Mandate gewonnen.

[49]

Siehe Andreas Röpcke, Plagiat bei der Doktorarbeit: Der Fall Wilhelm Dabis, Mecklenburgische Jahrbücher 126, 2011, 263267.

[50]

Siehe Daniel R. Schwartz, New Light and Remaining Questions Concerning the Death of Philipp Jaffé, Concilium Medii Aevi 18, 2015, 6180.

[51]

Die Promotionsreform, Preußische Jahrbücher 37, 1876, 335352.

[52]

Die Stellungnahmen sind gesammelt in: Max Oberbreyer, Die Reform der Doctorpromotion. Statistische Beiträge, Eisenach ³1878.

[53]

Siehe Ulrich Rasche, Geschichte der Promotion in absentia. Eine Studie zum Modernisierungsprozess der deutschen Universitäten im 18. und 19. Jahrhundert, in: Rainer Christoph Schwinges (Hg.), Examen, Titel, Promotionen. Akademisches und staatliches Qualifikationswesen vom 13. bis zum 19. Jahrhundert, Basel 2007, 275351, hier 328 ff.

[54]

Text bei Christoph Weber, Der »Fall Spahn« (1901). Ein Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte im ausgehenden 19. Jahrhundert, Rom 1980, 220 ff.

[55]

Hartmann (1908), 125.

[56]

Bei der Gründung im Juni 1861 soll sich besonders Mommsen gegen eine Festlegung auf das allgemeine Wahlrecht ausgesprochen haben; im Programm wurde jedenfalls eine Aussage zu diesem Punkt vermieden; Ludwig Frank, Die bürgerlichen Parteien des Deutschen Reichstags, Stuttgart 1911, 50.

[57]

Mommsen soll im Winter 1863/64 in einer öffentlichen Versammlung in Berlin gefordert haben, dass »jeder Deutsche so viel Geld, wie er an Steuern bezahlt, freiwillig dem Herzog von Augustenburg übersenden solle« (nach einer Mitteilung von Georg Friedrich Kapp 1904, hier zitiert nach Verena Stadler-Labhart/Peter Stadler, Die Welt des Alfred Dove 18441916. Profil eines Historikers der Jahrhundertwende, Bern 2008, 231 f.). Es ging, verkürzt gesagt, um die seit Langem erhobenen, in Deutschland allgemein anerkannten Nachfolgeansprüche des Hauses Augustenburg nach dem nächsten Thronwechsel in Dänemark. Zum Jahresende 1863 war Friedrich (VIII.) von Augustenburg in Schleswig-Holstein als Landesherr anerkannt worden, was aber Preußen und Österreich nicht akzeptierten.

[58]

Die Annexion Schleswig-Holsteins. Ein Sendschreiben an die Wahlmänner der Stadt Halle und des Saalkreises, wieder in: Reden und Aufsätze, 373401. Mommsen schließt sich damit der Position von Heinrich von Treitschke an, der zuvor einen Schwenk in dieser Frage verfochten hatte: Die Lösung der schleswig-holsteinischen Frage, Preußische Jahrbücher 15, 1865, 169187. Siehe ferner Mommsens öffentliche Absage der Teilnahme am für den 1. Oktober 1865 einberufenen Frankfurter Abgeordnetentag, in: Julius Heyderhoff (Hg.), Die Sturmjahre der preußisch-deutschen Einigung 18591870. Politische Briefe aus dem Nachlass liberaler Parteiführer, Bonn 1925, 253255.

[59]

Zusammenstellung der Äußerungen bei Wickert (1959 ff.) IV, 8294.

[60]

Im Satireblatt ›Kladderadatsch‹ erschien daraufhin ein verleumderischer Artikel, der unterstellte, Mommsen habe den Brand in seinem Haus im Juli 1880 selbst gelegt und anschließend Versicherungsbetrug begangen; Rebenich (1997), 372 f.

[61]

Auch hier gibt es einen Bezug auf die Antike, wenn auch nicht direkt auf Mommsens Werk. Puttkamer meinte, Mommsen habe sich rhetorisch an klassische Vorbilder angelehnt, sich dabei aber mehr an Kleon als an Perikles orientiert. Mommsen entgegnete, der Minister kenne sich wohl in der griechischen Geschichte nicht aus, sonst hätte er ihn nicht mit dem »Repräsentanten des athenischen Pöbels« verglichen. – Nach dem Tod des über viele Jahre die athenische Politik beherrschenden Perikles (429 v. Chr.) stieg Kleon zum führenden Politiker auf; die Quellen stellen ihn als Prototyp des ebenso vulgären wie verantwortungslosen Demagogen dar.

[62]

Die Belege zum Prozess finden sich bei Hugo Friedländer, Fürst Bismarck contra Universitätsprofessor Dr. Th. Mommsen, in: ders., Interessante Kriminalprozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Bd. 8, Leipzig 1913, 2842 bzw. Wickert (1959 ff.) IV, 94122, der auch die vorausgegangenen Bemerkungen im Reichstag sowie die Reaktionen auf den Ausgang des Prozesses dokumentiert; zu Letzteren siehe auch H. Wiermann, Der deutsche Reichstag, Teil 1: Die Deutsch-Freisinnigen, Leipzig 1884, 323334 (mit hämischen Kommentaren zu Mommsen).

[63]

In vertraulicher Runde wurde Bismarck deutlich; Mommsen sei »immer […] ganz einfältig, wenn er sich in Politik mengt«; Moritz Busch, Tagebuchblätter, Bd. 3: Denkwürdigkeiten aus den Jahren 18801893, Leipzig 1899, 42 (26. Juni 1861).

[64]

Die Nation 1, 1883. – Siehe dazu Kloft (2008), wo auch Mommsens Text abgedruckt ist.

[65]

Zu Sybels Wahlvorschlag und zum Ablauf des Verfahrens siehe Rebenich (2015), 278 ff.

[66]

Heinrich von Treitschke, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, Bd. 5, ND Leipzig 1928, 202 f. Treitschke bezog sich darauf, dass Willibald Alexis, Verfasser historischer Romane, von Friedrich Wilhelm IV. 1843 wegen einer Stellungnahme gegen die Zensur getadelt worden war.

[67]

Hans-Christof Kraus, Geschichtspolitik im Kaiserreich. Wilhelm II. und der Streit um den fünften Band von Treitschkes »Deutscher Geschichte«, Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte NF 20, 2010, 7391 (mit Text des Gutachtens).

[68]

Zitiert bei Dieter Fricke, Zur Militarisierung des deutschen Geisteslebens im wilhelminischen Kaiserreich, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 8, 1960, 1097, Anm. 163. – Nach Thomas Gerhards, Heinrich von Treitschke. Wirkung und Wahrnehmung eines Historikers im 19. und 20. Jahrhundert, Paderborn 2013, 72 f., hatte Lucanus das auch schon in einem internen Schreiben vom 29. April formuliert.

[69]

Die Bezeichnung »Berliner Antisemitismusstreit« ist nicht zeitgenössisch, sondern erst nach der Dokumentation mit diesem Titel durch Walter Boehlich, Frankfurt a. M. 1965, üblich geworden. Eine umfassende, kommentierte Quellenedition in: Der Berliner Antisemitismusstreit 18791881. Eine Kontroverse um die Zugehörigkeit der deutschen Juden zur Nation, hg. v. Karsten Krieger, München 2003, auf die für Belege zum Folgenden verwiesen sei.

[70]

Demandt (1987), 159 ff.

[71]

»Ist das Reich Kaiser Wilhelms wirklich noch das Land Friedrichs des Großen, das Land der Aufklärung und der Toleranz, das Land, in dem nach Charakter und Geist, und nicht nach Konfession und Nationalität gefragt wird?«; Mommsen, Reden und Aufsätze, 92.

[72]

Bei der Feier zu Mommsens 60. Geburtstag 1877 hatte Treitschke eine Rede gehalten, »nicht nur auf den Forscher, sondern mehr noch auf den Patrioten«; Wilamowitz-Moellendorff (wie Anm. 45), 179.

[73]

Formulierungen wie, das Judentum repräsentiere »nicht den erfreulichsten Zug in dem nirgend erfreulichen Bilde der damaligen Völkermischung«, oder, »der Jude […], der gegen den Staat sich wesentlich gleichgültig verhält« (Röm. Gesch. III, 540 f.), erleichterten es nicht gerade, diese Bewertung als historisch notwendige Funktion zu erkennen.

[74]

Im Kapitel »Judäa und die Juden« wurde letztlich das Festhalten der Juden an einer theokratisch geprägten Organisation als für das Römische Reich nicht hinnehmbar bezeichnet. Hätten sich die Juden ganz integriert, wäre es nicht zum Krieg gegen die römische Herrschaft in Judäa (6670) mit seinem katastrophalen Ergebnis (Zerstörung des Tempels in Jerusalem) gekommen.

[75]

So in einem Interview 1893; Hermann Bahr, Der Antisemitismus. Ein internationales Interview, Berlin 1894, 28 f.

[76]

Das spiegelt sich auch in der wüsten Attacke auf Mommsen durch den völkischen und antisemitischen Schriftsteller Houston Stewart Chamberlain, »Der voraussetzungslose Mommsen«, Dezember 1901; Text in: Weber, Der »Fall Spahn« (wie Anm. 54), 227235; zum Anlass siehe Rebenich (1997), 408 ff.

[77]

In: Max Weber, Landarbeiterfrage, Nationalstaat und Volkswirtschaftspolitik. Schriften und Reden 18921899, hg. v. Wolfgang J. Mommsen, Tübingen 1993 (Max Weber Gesamtausgabe I/4), 873882.

[78]

Der Titel greift den einer Broschüre von Karl Twesten (Mitbegründer der Fortschrittspartei) vom April 1861 auf, in der Twesten dargelegt hatte, Preußen könne dem Expansionismus Napoleons III. auch bei einer Vergrößerung des Heeres nicht widerstehen, wenn die Regierung keinerlei Vertrauen genieße. Welche Assoziation Mommsen auslösen wollte, ist nicht klar. Twestens Broschüre war auch dadurch berühmt geworden, dass sie ein Duell zwischen dem Verfasser und dem sich beleidigt sehenden Chef des Militärkabinetts, Edwin von Manteuffel, zur Folge gehabt hatte.

[79]

Die sozialdemokratischen Abgeordneten hatten gemeinsam mit denen der linksliberalen Freisinnigen Vereinigung die Verhinderung des Gesetzes durch Dauerreden, namentliche Abstimmungen und Feststellungen der Beschlussunfähigkeit versucht. Bei einer Einzelberatung der über 900 Positionen des Zolltarifs wäre eine Verabschiedung des Gesetzes vor Ende der Legislaturperiode nicht möglich gewesen. Darauf reagierten Zentrum und Konservative (unter Führung von Mommsens ›Lieblingsgegnern‹ Spahn und Kardorff) mit einer, nach fünftägiger Debatte am 9. Dezember 1902 angenommenen Änderung der Geschäftsordnung, welche eine En-Bloc-Abstimmung ermöglichte. Die Minorität hielt dies für rechtswidrig. Mommsen hat seine Entrüstung über das Vorgehen der Mehrheit auf dem Berliner Parteitag der Freisinnigen Vereinigung (6.–7. Dezember) zum Ausdruck gebracht; Theodor Barth, Theodor Mommsen, in: ders., Politische Porträts. Neue Ausgabe, hg. v. Ernst Feder, Berlin 1923, 44.

[80]

Zitate aus seinen Stellungnahmen bei Hartmann (1908), 124 f.; Heuß (1956), 214 f. Als überzeugend sind sie wohl nicht wahrgenommen worden, was Mommsen anscheinend auch veranlasst hat, auf eine erneute Kandidatur zu verzichten. Immerhin hatte er im Gegensatz zu anderen aus seiner Fraktion, die wegen Bismarcks Drohung mit einer Auflösung des Reichstages letztlich zustimmten oder durch Fernbleiben von der Abstimmung die Mehrheit für die Verlängerung ermöglichten, seine Position öffentlich dargelegt.

[81]

So der englische Historiker James Bryce 1903; Wickert (1959 ff.) IV, 274.

[82]

Agli Italiani 1870. Neu herausgegeben und kommentiert von Gianfranco Liberati, Quaderni di storia 2 (= no. 4) 1976, 197247; ein Schreiben in deutscher Übersetzung findet sich bei Georg Hirth/Julius von Gosen/E. Hirth (Hgg.), Tagebuch des deutsch-französischen Krieges, Bd. 1: 1870, Berlin 1871, 928930.

[83]

Dazu Ungern-Sternberg (2004).

[84]

Kommentiert und dokumentiert bei Rebenich (1997), 485 ff.

[85]

Text bei Sutter (1963).

[86]

Den Vorschlag, Mommsen zum 80. Geburtstag am 30.11.1897 den Titel »Wirklicher Geheimer Rat« zu verleihen, lehnte der Kaiser zunächst mit Hinweis auf die von Mommsen verursachte Verstimmung der österreichischen Regierung ab, stimmte dann aber unter der Bedingung zu, dass ein Zeitungsartikel lanciert werde, wonach die Auszeichnung »dem Gelehrten Mommsen, nicht dem Politiker, sondern vielmehr trotz seiner politischen Torheiten« verliehen werde. Mommsen kam dem zuvor, indem er eine öffentliche Ablehnung der Auszeichnung ankündigte; Wickert (1959 ff.) IV, 76.

[87]

Im folgenden Jahr gehörte Mommsen zu denjenigen, die im Hinblick auf den gemeinsamen Kampf deutscher und französischer Truppen in China (Boxeraufstand) für eine Abschaffung des Gedenktages plädierten; überhaupt solle man nicht alte Wunden bei den Nachbarn aufreißen; Theodor Schieder, Das deutsche Reich als Nationalstaat, Köln 1961, 132.

[88]

Ein aus Familienmitgliedern, Professoren und Kultusbeamten bestehendes »Mommsen-Comitée« hat 1934 Lothar Wickert, damals Mitarbeiter am CIL, mit der Biographie beauftragt, die er wegen der aufwendigen Recherchen und wegen des Zweiten Weltkriegs erst 19591980 vorlegen konnte (vgl. Anm. 3).

[89]

Zitate bei Wucher (1968), 157 und Wickert (1959 ff.) IV, 71 ff.

Einleitung Theodor Mommsen (1817–1903)

 

Theodor Mommsen, Foto um 1890 (akg-images)

Die Trauerfeier des am 30. November 1817 in Garding (Herzogtum Schleswig) geborenen, am 1. November 1903 in Charlottenburg verstorbenen Theodor Mommsen fand unter großer öffentlicher Anteilnahme statt und brachte in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche führende Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kultur zusammen; Wilhelm II., der sofort der Witwe telegrafisch kondoliert hatte, ließ sich durch den Kronprinzen vertreten.

Die Leichenpredigt hielt der Theologe Adolf Harnack, der seit Beginn der 1890er-Jahre mit Mommsen eng zusammengearbeitet hatte. Er stellte sie unter das Wort aus dem Johannesevangelium (15, 16): »Ich habe euch erwählt und gesetzt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibe.« Harnack würdigte die mit »heroischem Fleiß« erbrachten wissenschaftlichen Leistungen des Verstorbenen, dessen Rolle als »Organisator der großen wissenschaftlichen Arbeiten in unserem Vaterland«, als »Führer der Universität« und als eines Mannes, der es im öffentlichen Leben als »die heiligste Pflicht empfand, seinem Vaterland zu dienen, es zu beraten und zu warnen und in den Gang der Entwicklung einzugreifen«, der für die Verständigung der Völker eintrat, »ein Patriot und ein Weltbürger zugleich, dem das Vaterland über Konfession, Partei und Rasse stand, dessen Herz und Sinne aber die Menschheit umspannte«. Dass auf das öffentliche Engagement von Mommsen der Satz, »Viel Feind’, viel Ehr’« zutreffe, machte zugleich deutlich, wo die Grenzen des Konsenses über Mommsens Wirken lagen.[1]

Das spiegelte sich in der Fülle von Nachrufen in der deutschen wie internationalen Presse, in denen es auch kritische Bemerkungen hinsichtlich seines außerwissenschaftlichen Engagements gab. Die wissenschaftlichen Würdigungen konnten sich bis zur Titulierung als »größter europäischer Gelehrter seit der Renaissance«[2] steigern; zugleich ist auffällig, wie Mommsen von verschiedenen Disziplinen der inzwischen ausdifferenzierten Altertumswissenschaften, Althistorie, römische Rechtsgeschichte, Epigraphik, Numismatik, Papyrologie, als ihr Gründungsheros beansprucht wurde.

Bevor wichtige Aspekte von Mommsens Werk und Wirkung vorgestellt werden[3], seien seine Lebensstationen in aller Kürze nachgezeichnet. Theodor Mommsen war das erste von vier Kindern. Sein Vater Jens war Diakon (zweiter Pastor) in Garding, wechselte 1821 in gleicher Funktion ins holsteinische Oldesloe. Der geringe berufliche Erfolg des Vaters bedingte, dass Mommsen in materiell sehr bescheidenen Verhältnissen aufwuchs. Der christliche Glaube blieb ihm fremd, er wurde später aber zum dezidierten »Kulturprotestanten«. Nach Unterricht durch seinen Vater konnte er im Herbst 1834 auf die Gelehrtenschule Christianeum in Altona gehen. 1838 begann er in Kiel mit dem Studium der Rechtwissenschaft, das er dort 1843 mit Staatsexamen und Promotion abschloss. Im Jurastudium nahm das römische Privatrecht breiten Raum ein, aber Mommsen zeigte sich zunehmend fasziniert von den römischen politischen Institutionen; »nur die Überzeugung, daß auch der römische Staat erst von der römischen Jurisprudenz sein Licht empfange, hielt mich von dem gänzlichem Übertritt zu einem anderen Fache zurück«, heißt es in einem kurzen Lebenslauf 1843.[4] Die Bedeutung seiner juristischen Ausbildung für seine altertumswissenschaftlichen Arbeiten hat er später oft hervorgehoben.

Das andere Fach war die Klassische Philologie im neuen Sinne einer empirischen, alle Zeugnisse aufarbeitenden Altertumswissenschaft. In Kiel wurde Mommsen von dem nur vier Jahre älteren Privatdozenten Otto Jahn beeinflusst, der ihn auch auf die Bedeutung der Inschriften hinwies. Mit einem dänischen Reisestipendium konnte sich Mommsen 18441847 in Italien zum Epigraphiker ausbilden. Das der Berliner Akademie unterbreitete Inschriftenprojekt fand damals keine Zustimmung.

Nach vorübergehender Lehrtätigkeit an einem Mädchenpensionat in Altona wurde Mommsen nach Ausbruch der Revolution im Frühjahr 1848 Redakteur der ›Schleswig-Holsteinischen Zeitung‹. Im Herbst des Jahres wurde er zum außerordentlichen Professor für Römisches Recht nach Leipzig berufen. Nachdem er dort im Frühjahr 1851 entlassen worden war (s. S. 41), konnte er ein Jahr später eine Professur in Zürich übernehmen, wo ihm Stadt und Universität ebenso wenig zusagten wie seine nächste Station, Breslau, ab Herbst 1854. Mit der Bestallung in Breslau (immer noch für Römisches Recht) erfolgte auch die Beauftragung mit dem lateinischen Inschriftencorpus. Zur Durchführung dieses Projekts wurde er schließlich Ende 1857 in vollamtlicher Stellung an die Preußische Akademie in Berlin berufen und erhielt zusätzlich Ende 1861 eine Professur für römische Altertumswissenschaft an der Berliner Universität, von der er sich de facto 1885 entpflichten ließ. Von 1874 bis 1895 war er einer der Sekretare der preußischen Akademie.

Neben seinen vielfältigen akademischen Funktionen hat Mommsen in den Jahren 18631866 sowie 18731879 Mandate im Preußischen Abgeordnetenhaus, schließlich 18811884 im Reichstag wahrgenommen.

1854 heiratete Mommsen die fünfzehn Jahre jüngere Marie Reimer (18321907), Tochter des Verlegers Karl Reimer. Aus der Ehe gingen – auch für das 19. Jahrhundert höchst ungewöhnlich – sechzehn Kinder hervor, von denen zwölf das Erwachsenenalter erreichten.

Das wissenschaftliche Werk

Mommsens großes Ziel war die umfassende Sammlung der lateinischen Inschriften. Pläne für ein solches Corpus, das an die Stelle veralteter Sammlungen treten sollte, hatte es schon seit längerem sowohl im römischen archäologischen Institut (eine private Vereinigung, die aber vom preußischen Kultusministerium finanziert wurde) als auch in der Preußischen Akademie gegeben. In Berlin hatte man seit 1815 ein Corpus griechischer Inschriften in Angriff genommen. Als Ergebnis seiner Italienreise stellte Mommsen im Januar 1847 den Plan für ein Corpus Inscriptionum Latinarum (CIL) der Berliner Akademie vor.[5] Hier stieß der Vorschlag trotz Unterstützung von prominenten Mitgliedern wie Friedrich Carl von Savigny auf Widerstand. In der Sache präsentierte Mommsen einen Gegenentwurf zu der von August Böckh verantworteten Sammlung griechischer Inschriften. Böckh wollte es bei der Kollationierung alter Editionen und Abschriften belassen, während Mommsen Autopsie, die Überprüfung am Stein, forderte. Dass dies notwendig sei, wurde genauso bezweifelt wie die Durchführbarkeit und Finanzierbarkeit eines solchen Plans. Böckh blockierte Mommsens Initiative, und es folgten jahrelange akademische Grabenkämpfe. (Darauf spielt Mommsen 1858 in seiner Antrittsrede als ordentliches Mitglied der Akademie an; s. S. 185 FF.). Der Durchbruch gelang Mommsen, als er 1852 einen Band mit den Inschriften aus dem Königreich Neapel vorlegte. Er demonstrierte die Überlegenheit seines Konzepts, so dass schließlich die Blockade durch Böckh überwunden und Mommsen mit dem Projekt beauftragt werden konnte. Dafür war auch König Friedrich Wilhelm IV. gewonnen worden, der 1854 die Finanzierung für einige Jahre garantierte und 1857 auch befürwortete, dass Mommsen ungeachtet politischer Bedenken von Breslau nach Berlin geholt wurde.

In Berlin hat Mommsen dieses Vorhaben, die »Archive der Vergangenheit zu ordnen«, zu seiner Lebensaufgabe gemacht. Wenn er 1858 davon sprach, man müsse »das durch den Wust zahlloser Fälschungen und vierhundertjähriger Dilettantenarbeit gleichsam verschüttete Gebiet der lateinischen Epigraphik« aufräumen, machte er seinen Anspruch deutlich, diese Disziplin überhaupt erst in den Rang einer Wissenschaft zu erheben. Bis zu Mommsens Tod erschienen fünfzehn CIL-Bände mit ca. 130 000 Inschriften; fünf davon hat er selbst ediert.

Mommsen koordinierte beim CIL die Arbeit von Wissenschaftlern aus vielen Ländern und entwickelte sich hier zu dem großen Wissenschaftsorganisator, der später weitere, von der Akademie getragene Unternehmungen in Gang setzen sollte, die zum Vorbild für andere Disziplinen im »Großbetrieb der Wissenschaft«[6] wurden. Dazu gehörten seit den 1880er-Jahren ein aus dem Inschriftenprojekt erwachsenes personenkundliches Nachschlagewerk zur römischen Kaiserzeit (Prosopographia Imperii Romani), ein Corpus antiker Münzen, schließlich vor allem die zusammen mit Harnack initiierte Edition der Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte. Dass Mommsen sich ungeachtet seines persönlichen Agnostizismus gerade für die »Kirchenväteredition« stark engagierte, ist charakteristisch für sein Anliegen, den gesamten Quellenbestand der Antike zu erschließen, wobei er selbst sich aber ausschließlich der römischen, nie der griechischen Geschichte widmete.