Zurzeit keine Verfügung möglich!
Die Buchstaben blinkten auf dem Display des Bankautomaten auf und sahen sehr resolut aus. Dieser Automat würde mir keinen Dollar auszahlen. Na toll, das hatte mir gerade noch gefehlt. Die letzte Zahlung von meiner Agentur schien wohl noch nicht eingegangen zu sein.
Ich zückte mein Handy und wählte, hatte kurz darauf Nancy am Apparat, die Sekretärin.
»Nancy, kann ich Mister Burns sprechen?«, verlangte ich kurz angebunden.
»Nein, das wird nicht möglich sein. Worum geht es denn?« Sie schniefte. Weinte sie etwa?
»Ich glaube, die Überweisung für meinen letzten Auftritt ist noch nicht eingegangen. Wissen Sie vielleicht etwas darüber?«
Ich hörte sie laut aufschluchzen.
»Nancy, was um Himmels willen ist denn los?« Ich presste das Telefon dichter an mein Ohr, als ein Bus laut an mir vorbei donnerte.
»Oh Miss Gates, Sie werden es nicht glauben. Die Firma ist pleite und Mister Burns, er ist … er hat sich das Leben genommen. Das ganze Büro ist voller Polizei. Auf den Konten ist kein Cent mehr. Wir werden wohl alle leer ausgehen.«
»Oh mein Gott, Nancy! Geht es Ihnen gut?«
»Ja, nein … ich glaube, ich muss jetzt auflegen.« Und schon war die Leitung tot. So wie Harry Burns.
»Na klasse!«, brummte ich. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Burns tot tat mir leid, auch wenn er ein fieser Kerl gewesen war, der nicht nur Nancy, sondern auch mich herumkommandiert hatte. Aber den Tod hätte ich ihm nicht gleich gewünscht. Wobei er sein Ende selbst geplant zu haben schient. Das hätte ich so nicht erwartet, dass er zu so einem Schritt fähig war. Und warum waren die Konten leer, was hatte das nun zu bedeuten? In meiner Handtasche befanden sich noch einhundertfünfzig Dollar. Damit würde ich nicht einmal zu unseren regelmäßigen Treffen mit meinen Freundinnen gehen können. Ich konnte ja schlecht zugeben, dass ich pleite war. Obwohl sie meine besten Freundinnen waren. Vermutlich gerade deshalb würden sie darauf bestehen, mir zu helfen, und das würde ich nicht wollen. Eine Ablehnung würde sie alle gegen den Kopf stoßen und das wollte ich ihnen nicht antun.
Oh verdammt! Ich musste mir einen Job suchen. Einen richtigen Job, bei dem ich ein Gehalt und vielleicht auch eine Krankenversicherung bekam. Das Leben als Schauspielerin war kein Zuckerschlecken und langsam wurde ich zu alt dafür. Ich war nicht bekannt genug, um unterbrochen Angebote zu bekommen und mir dann auch noch das Beste aussuchen zu können. Vielleicht sollte ich mich von dem Gedanken verabschieden, dass ich als Schauspielerin durchstarten würde. Meine Zeit war abgelaufen.
Am nächsten Kiosk kaufte ich einige Zeitungen und schleppte sie nach Hause. Wenn ich die Miete am nächsten Ersten pünktlich zahlen wollte, brauchte ich Arbeit, und zwar zügig.
Zuhause angekommen machte ich mich direkt ans Werk, sah die Stellenanzeigen durch. Neben einem ganzen Haufen von Servicekräften, wurden auch Sekretärinnen gesucht. Früher hatte ich mal als Assistentin einer Assistentin gearbeitet und meinen Job ganz ordentlich erledigt. Die Anzeige einer Bank fiel mir ins Auge und nach einem Anruf hob sich meine Stimmung. Ich hatte ein Vorstellungsgespräch für heute Nachmittag ergattert. Es wurde dringend jemand gesucht und das konnte mir nur in die Karten spielen, denn ich war sofort abkömmlich.
Bekleidet mit einem schwarzen Hosenanzug und cremefarbener Bluse betrat ich das Bankgebäude durch einen Seiteneingang, so wie man es mir beschrieben hatte. Ich meldete mich beim Empfang und bekam einen Besucherausweis, man schickte mich in die achtzehnte Etage. Auch dort gab es einen Empfang, an dem ich mich anmelden musste.
»Bitte füllen Sie schon mal das Formular aus, Miss Gates, Mister Barrow wird sich gleich um Sie kümmern«, erklärte die freundliche Dame und deutete auf eine Sitzgarnitur, gegenüber dem Empfang.
Kaum hatte ich Platz genommen, stand ein Mann mittleren Alters vor mir. »Miss Gates?« Er blickte auf sein Tablet, das er in den Händen hielt. »Mein Name ist Brian Barrow, ich bin der Personalchef. Wenn ich Sie bitten darf.«
Ich erhob mich und schüttelte ihm die Hand. »Vielen Dank, dass ich diese Chance bekomme.«
Er führte mich in einen Meetingraum und wir nahmen an einem langen Tisch Platz.
Gerade als ich meine Bewerbungsunterlagen aus meiner Tasche gezogen hatte, öffnete sich die Tür.
»Brian! Wie weit sind Sie mit den Bewerbungen?«, hörte ich eine tiefe Stimme.
»Fast durch, Mister Duncan.« Barrow war von seinem Stuhl wieder aufgesprungen. Alle Achtung, der hatte ja einen gehörigen Respekt vor seinem Chef.
Ich blickte den Besucher an und traute meinen Augen nicht. »Rhett?«, sagte ich leise.
Der Mann sah zu mir und lächelte prompt. »Scarlett? Was machst du denn hier?«
Rhett Duncan sah wie immer umwerfend aus. Sein dunkelblondes Haar war akkurat geschnitten und der geschmeidige Körper steckte in einem maßgeschneiderten dunkelblauen Anzug. Das hellblaue Hemd sah teuer aus, die mittelblaue Krawatte passte zum Einstecktuch. Selbst die handgenähten Schuhe hatten wohl mehr gekostet, als meine Monatsmiete betrug. Das Blau harmonierte mit seinen hellblauen Augen. Jetzt fiel es mir wieder ein, dass Rhett Analyst in einer Bank war. Das hatte er mir erzählt. Dass es genau diese Bank war, damit hatte ich nicht gerechnet.
»Miss Gates ist die letzte Bewerberin für die vakante Stelle als Ihre Assistentin, Sir. Allerdings weiß ich nicht, ob sie überhaupt über die richtige Qualifikation verfügt. Sie scheint keinerlei Erfahrung in diesem Job zu haben. Sie hat in den letzten Jahren als Schauspielerin gearbeitet.« Barrow sprach das Wort aus, als wäre ich eine Pornodarstellerin gewesen.
Meine Laune sank auf den Nullpunkt. Bei dieser Vorstellung bestand wohl keine Chance, dass ich diesen Job ergattern konnte.
»Ich habe aber Erfahrung als Assistentin«, murmelte ich leise, wenn auch nicht sehr begeistert.
Rhett trat näher und ließ sich neben Barrow nieder, wies ihn mit einem Blick an, sich ebenfalls zu setzen.
»Was ist passiert, Scarlett?«, sprach Rhett mich an.
Ich hob die Schultern. »Ich brauche einen Job. Einen richtigen Job, bei dem ich monatlich ein Gehalt bekomme. Die Schauspielerei ist nicht mehr das, was es mal war. Mein Agent hat sich umgebracht, die Firma ist pleite. Das habe ich zum Anlass genommen, mein Leben zu überdenken und mir ist klar geworden, dass ich einen richtigen Job brauche. Doch so, wie es aussieht, bekommt man den nur, wenn man eine Menge Erfahrung mitbringt.« Ich sah Barrow eindringlich an, als könnte ich so seine Meinung über mich beeinflussen.
Rhett zog meine Bewerbungsmappe zu sich heran und sah sie durch. Viel gab es ja nicht. Außer ein paar Schulzeugnissen, den Abschluss der Schauspielschule, einen Weiterbildungskurs in Buchhaltung und der Beurteilung als Assistentin der Assistentin. Immerhin wurde ich hier für meine Freundlichkeit und hervorragende Auffassungsgabe gelobt.
»Ich glaube, ich werde es wohl lieber in einer anderen Firma versuchen«, erklärte ich und erhob mich.
»Setzt dich bitte wieder, Scarlett«, sagte Rhett, und an Barrow gerichtet. »Danke, Brian, wir sind für heute fertig, ich erledige das hier.«
Verwirrt stand Barrow auf und nickte mir zu, verließ gehorsam den Raum.
Rhett schob mir die Bewerbungsmappe zu. »Wie geht es dir Scarlett?«, fragte er und faltete die Hände locker ineinander. »Wir haben uns schon länger nicht gesehen.«
»Ja, ist schon eine Weile her. Um ehrlich zu sein, nicht so gut. Ich habe keinen Job und brauche dringend einen, um meine Miete am Monatsende zu bezahlen. Ich hatte mit einer Zahlung meines Agenten gerechnet, doch die fällt nun aus, weil er sich eine Kugel in den Kopf gejagt hat. Keine sehr schöne Vorstellung.«
Er nickte.
»Möchtest du vielleicht einen Kaffee?«
»Das wäre sehr nett. Hör mal Rhett, ich weiß, dass ich für diesen Job nicht qualifiziert genug bin. Hast du vielleicht einen Tipp für mich, wo ich mich bewerben könnte? Ich meine, du kennst dich im Business aus.«
Rhett erhob sich und griff zu der Kanne, die auf dem Tisch stand, goss zwei Tassen ein, wovon er mir eine reichte. Seine Bewegungen hatten etwas Raubtierhaftes an sich. Geschmeidig und lautlos. Er nahm mich mit seiner Präsenz ganz gefangen.
»Die Zeiten sind hart«, erklärte er, und trank einen Schluck, nachdem er sich wieder gesetzt hatte. »Du hast einen Kurs in Buchhaltung besucht?«
»Ja, vielleicht kommt er mir nun zugute. Ich kann gut mit Zahlen umgehen. Möglicherweise kann ich in einer kleinen Firma einen Job finden. Das Problem ist nur, dass ich ihn schnell finden muss. Mit meinen hundertfünfzig Dollar komme ich nicht mehr weit.« Ich lächelte traurig.
»Wann kannst du denn anfangen?«
»Gestern«, erwiderte ich und lachte leise. »Nein, im Ernst. Ich bin sofort verfügbar.« Mein Gott, das hörte sich sehr verzweifelt an. »Sorry, ich höre mich schrecklich an und will deine kostbare Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.« Ich erhob mich und streckte ihm die Hand entgegen. »Danke, dass du mir zugehört hast.« Ich rechnete es ihm hoch an, dass er mir kein Geld anbot, das wäre wirklich beschämend gewesen, aber Rhett war nun mal ein Gentleman.
»Geh mit mir essen«, sagte Rhett und ergriff meine Hand.
»Ja gerne. Wann?«
»Heute Abend.« Er klang sehr bestimmt. »Ich hole dich um zwanzig Uhr ab.« Seine tiefe Stimme vernebelte mir die Sinne, dass ich gar nicht lange darüber nachdenken musste. Ich nahm meine Mappe und hielt sie wie ein Schild vor meinen Körper. »Okay«, gab ich nach. »Ich werde pünktlich sein.«
»Sehr schön. Die brauche ich noch.« Er nahm mir die Bewerbungsmappe wieder ab. »Ich schaue mal, was ich für dich tun kann.«
»Das ist sehr nett von dir. Ich werde schon was finden.« Mit einem Lächeln und einem guten Gefühl verabschiedete ich mich.