Maya Shepherd
Die Vereinten
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Widmung
01. Wenn das Herz bricht (Cleo)
02. Wassernot (Cleo)
03. Die beiden schnellsten Läufer (Cleo)
04. Menschen machen Fehler (Finn)
05. Lügner (Asha)
06. Ein Friedensangebot(Cleo)
07. So gut wie tot (Finn)
08. Überstimmt (Cleo)
09. Du wirst mir fehlen (Cleo)
10. Der Friedensvertrag (Cleo)
11. Verfolgt (Asha)
12. Verrat (Cleo)
13. Unerwartete Verstärkung (Asha)
14. Nicht mehr wert als Abfall (Finn)
15. Zerbrochenes Vertrauen (Cleo)
16. Die Rebellen greifen an (Cleo)
17. Gewitter in der Wüste (Asha)
18. Eingeschlossen (Cleo)
19. Höhenangst (Asha)
20. Eiszeit (Finn)
21. Tötet sie alle (Cleo)
22. Flussabwärts (Asha)
23. Wo ist Cleo? (Finn)
24. Rettung (Asha)
25. Wiedervereint (Cleo)
26. New Hope (Asha)
27. Ausgelöscht (Cleo)
28. Du bist mein Leben (Finn)
29. Rache (Cleo)
30. Auf Wiedersehen (Asha)
31. Ein Neuanfang (Cleo)
Epilog
Liebe Leser,
Mein Dank geht an ...
Impressum tolino
Für meine Leser,
denen ich verdanke, diesen wundervollen Traum leben zu dürfen
Ich starre Finn fassungslos hinterher und kann nicht glauben, dass das gerade wirklich passiert. All die Wochen in der Zentrallegion habe ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als ihn wiederzusehen, und jetzt, wo es endlich so weit ist, dreht er sich einfach um und geht. Womit habe ich das verdient? Es gibt absolut nichts, das ich mir vorzuwerfen hätte. Meine Tränen weichen einer verständnislosen Wut.
Ungeachtet der anderen Flüchtlinge und Rebellen stürme ich los. Meine Beine fühlen sich schwach an und ich weiß nicht, wie lange sie mich noch tragen werden. Aber ich kann Finn nicht einfach gehen lassen. Nicht ohne ein Wort, nicht ohne eine Erklärung.
Ich hole ihn schnell ein und baue mich herausfordernd vor ihm auf. Meine Augen funkeln ihm feindselig entgegen, während er überallhin blickt, nur nicht in mein Gesicht.
»Was soll das? Erkennst du mich nicht?«, fahre ich ihn aufgebracht an und bin froh, dass sich meine Stimme dabei stark und fest anhört. Ganz im Gegensatz zu dem, wie ich mich fühle. Natürlich weiß ich, dass er mich erkannt haben muss, sonst wäre er nicht gegangen. Aber ich suche verzweifelt nach einer Erklärung.
»Ich habe nicht damit gerechnet, dich je wiederzusehen«, erwidert er sehr leise und ernst. Seine Augen betrachten den Boden zu meinen Füßen. Er hat mich aufgegeben. Er hat uns aufgegeben. Sosehr mich seine Worte auch verletzen, versuche ich, mich an der unumstößlichen Wahrheit festzuklammern, dass wir nun beide hier sind.
»Ich habe nie die Hoffnung verloren«, sage ich etwas sanfter und strecke meine Hände erneut nach seinen aus. Der Gedanke an dich hat mich am Leben gehalten.
Unsere Fingerspitzen berühren sich und als er sie nicht zurückzieht, fasse ich den Mut, seine Hände mit meinen zu umschließen. »Finn«, flehe ich und versuche, Blickkontakt zu ihm aufzunehmen. »Bitte sieh mich an!«
Er hebt den Kopf und ich starre in seine wundervollen himmelblauen Augen, deren Anblick mir nach wie vor den Atem raubt. Ich habe ihn immer in meinen Gedanken vor mir gesehen, aber das ist kein Vergleich zur Realität. Mein ganzer Körper zieht mich zu ihm wie ein Magnet. Doch etwas hält mich davon ab, mich an ihn zu drängen und ihn mit Küssen zu überhäufen. Es sind seine steife Körperhaltung und der kühle Ausdruck seiner Augen.
»Was ist passiert?«, flüstere ich. Finns Anblick raubt mir jede Kraft. Ich kann seinen Schmerz spüren, auch wenn ich ihn noch nicht verstehen kann.
Finn schüttelt den Kopf und unterbricht unseren Blickkontakt. Er löst seine Hände von meinen. Er könnte mir genauso gut eine Ohrfeige geben, es würde nicht weniger wehtun. »Zu viel, als dass du es verstehen könntest.«
Er wendet mir erneut den Rücken zu und läuft los. Erst langsam, dann immer schneller, bis er schließlich rennt. Er stößt mich nicht nur von sich und schließt mich aus, sondern er flieht vor. Für den Moment vergesse ich, dass wir nicht allein sind. Ich denke nicht an meine Familie oder an meine Freunde, sondern lasse mich von meiner Wut überwältigen. Sie ist so mächtig, dass sie mich all den körperlichen Schmerz vergessen lässt. Er ist nichts im Vergleich zu dem Sturm, der in meinem Inneren wütet.
Ich renne los. Der rote Sand der Wüste bricht immer wieder unter meinen Füßen weg, aber ich renne unbeirrt weiter. So kann er mich nicht stehen lassen. So kann er mich nicht abwimmeln. Nicht, nachdem ich Wochen auf ihn gehofft habe. Nicht, nachdem er meine einzige Hoffnung war, mein einziger Lichtblick. Ich verdiene mehr als ein paar leere Worte.
Finns Rücken ist mir bereits so nah, dass ich nur meine Hand ausstrecken müsste, um ihn berühren zu können. Er ist schnell, aber ich kann mit ihm mithalten. Das konnte ich schon immer.
»Bleib stehen«, brülle ich gegen den Wind an.
»Verschwinde«, schreit Finn eisig zurück.
Dieses eine Wort trifft mich wie der Schuss einer Laserwaffe. Ich stoße meine Füße vom Boden ab und springe in seinen Rücken, bereit, ihn zu verletzen. Er stolpert und stürzt zu Boden. Sein Gesicht knallt auf den Sand, während ich auf ihm lande. Ich drehe ihn zu mir herum und kralle meine Hände in sein Oberteil. Am liebsten würde ich ihn schlagen, weil er mir so wehtut. Ich verstehe es nicht. Tränen rinnen mir über die Wangen.
»Du verdammter Idiot«, schreie ich ihn an. »Warum tust du mir das an?«
Finn starrt entsetzt zu mir auf. Er hat wohl nicht mit so einer Reaktion gerechnet. Aber was hat er erwartet? Dachte er, dass ich seine Abweisung einfach stumm hinnehmen würde? Wenn ich so reagiert hätte, würde es nur beweisen, dass er nie von Bedeutung für mich war. Menschen, die man liebt, kann man nicht einfach ziehen lassen. Und schon gar nicht ohne jede Erklärung.
»Rede endlich mit mir«, fordere ich ihn zornig auf, während ich auf ihm sitze – ihn gefangen halte. Doch er starrt mich an, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Ich schüttele ihn und spüre, wie ich immer mehr die Beherrschung verliere. »Du kannst nicht ewig schweigen!«
Endlich öffnet er den Mund. »Es ist aus zwischen uns.«
Das ist nicht, wonach ich gefragt habe, und trotzdem spüre ich einen scharfen Schmerz in meinem Inneren. Mein Herz zieht sich zusammen. »Warum?«, stoße ich hervor und löse meine Hände von ihm, ohne jedoch von ihm zu steigen.
Finn richtet sich auf und schiebt mich von sich. »Ich liebe dich nicht«, behauptet er. »Es tut mir leid.«
Das ist nicht er. Er kann es nicht sein. Finn hat mich geliebt, dessen bin ich mir so sicher wie meiner Existenz. Ich glaube ihm nicht und suche in seinem Gesicht nach dem kleinsten Anzeichen für eine Lüge.
»Was ist passiert?«, keuche ich atemlos. Angst lähmt mich. Was muss ihm Schreckliches widerfahren sein, dass er mich derart von sich stößt? Wir haben beide so viel riskiert, um zusammen sein zu können, und nun soll das alles umsonst gewesen sein?
Finn schaut mich an. Ich sehe, dass es ihn Überwindung kostet, doch sein Blick ist klar. »Ich habe jemand anderen geküsst«, gesteht er mir mit herzbrechender Ehrlichkeit. Seine Worte reißen mir den Boden unter den Füßen weg. Der Mensch, den ich besser zu kennen glaubte als mich selbst, hat sich jemand anderem zugewandt. Während mich der Gedanke an ihn am Leben gehalten hat, hat er mich einfach vergessen und ersetzt.
Ich hätte nicht gedacht, dass er mir jemals so wehtun könnte. »Wen?«, bringe ich mühsam hervor.
Er weicht mir aus. »Das ist nicht von Bedeutung.«
»Sag es mir«, fauche ich außer mir. Wer hat ihn mir genommen? Wer ist es wert, dass er alles, wofür wir gekämpft haben, bereit ist, wegzuwerfen? Wer bedeutet ihm mehr als ich?
Mitleid flackert in seinem Blick auf. Schmerz verdunkelt seine Augen. »Ruby. Ich habe Ruby geküsst«, gesteht er mir schließlich und gibt der Person einen Namen. Es ist nicht nur ein Versuch, mich in die Irre zu führen, um mich von sich fernzuhalten. Seine Behauptung wird zu einer grausamen Wahrheit.
Ruby.
Wir haben Seite an Seite gegen die Legion gekämpft. Ich hätte ihr mein Leben anvertraut. Finn war alles für mich. Mein Leben.
Ich verliere jegliche Kontrolle über meinen Körper, aber anstatt in Tränen auszubrechen, stoße ich meine Faust in Finns Magen. Er lässt mich erschrocken los und weicht zurück, während ich einen Hagel von Faustschlägen auf ihn niedergehen lasse. Ich schreie und weine vor Schmerz. All meine Hoffnungen waren umsonst. Ich habe umsonst gekämpft. Ich habe mein Herz dem Falschen geschenkt. Wie konnte ich mich nur so irren?
Finn krümmt sich zusammen, um seinen Körper vor meinen Schlägen abzuschirmen. Er wehrt sich nicht einmal. Das macht mich nur noch rasender.
Plötzlich werden meine Arme von hinten gepackt und ich werde grob zurückgerissen. Ich schreie und trete um mich. Erst als ich erkenne, dass es Felix ist, halte ich inne. Mein Blick begegnet seinem. Er scheint zu verstehen, ohne dass ich ihm erklären muss, was vorgefallen ist. Mir sacken die Beine weg, während ich in Tränen ausbreche. Felix hält mich fest und drückt mich an sich. Seine Hände streicheln über meinen kahlen Kopf, während ich mich meinem Kummer laut schluchzend hingebe.
Das Lager der Rebellen ist winzig im Vergleich zu den Menschenmassen, die hier untergebracht sind. Es liegt in einer Schlucht, umgeben von Bergen und Hügeln aus rotem Sand. Es gibt nur einen großen Panzer sowie mehrere Planen, die aufgespannt wurden, um Schutz vor der Sonne zu bieten. In der Mitte des Lagers befindet sich eine große Feuerstelle. Überall sitzen Menschen in kleinen Gruppen zusammen, die mich ihre ursprüngliche Herkunft erkennen lassen. Es gibt die große Gruppe der Rebellen und dann noch die verängstigten Überlebenden der Sicherheitszone. Viele von ihnen sind schwangere Frauen.
Außerdem sind da auch noch die Mutanten, die ich bereits auf den ersten Blick erkannt habe. Sie sind größer und breiter als normale Menschen und halten sich abseits von den anderen. Ihre Körper und Gesichter sind von Narben, Beulen und Pusteln entstellt. Sie wirken angsteinflößend und ich habe das Gefühl, dass sie uns nicht mit Wohlwollen beobachten. Ich gehöre zu der vierten Gruppe: die Flüchtlinge der Zentrallegion. Wir werden von den anderen mit Misstrauen betrachtet. Sie wissen nicht, ob sie uns trauen können.
Felix ist zusammen mit unserer Mutter und A5125 aufgebrochen, um sich bei den Rebellenführern vorzustellen und ihnen unsere Situation zu erklären. Sie wollten, dass ich mit ihnen komme, aber ich habe es abgelehnt und bin lieber bei Asha geblieben. Iris ist ebenfalls losgezogen, um nach Emily und ihren anderen Freunden zu suchen. Ich weiß nicht, ob es auch noch meine Freunde sind. Vielleicht habe ich mich in ihnen genauso getäuscht wie in Finn. Meine ganze Welt ist ins Wanken geraten, nichts ist mehr, wie es war.
Asha nimmt mich nicht in den Arm und flüstert mir auch keine Mut machenden Worte zu. Sie sitzt einfach nur still neben mir, wofür ich ihr dankbar bin. Worte können mir Finn auch nicht zurückbringen und keine Umarmung ändert etwas daran, dass er sich gegen mich entschieden hat.
»Zehn sind ertrunken«, murmelt Asha plötzlich beiläufig.
Ich starre sie entsetzt an. »Du meinst zehn Flüchtlinge?«
Asha nickt, ohne mich anzusehen. »Sie konnten nicht schwimmen, wie die meisten von uns.«
Zu meiner Schande war ich nicht dabei, als die Flüchtlinge geborgen wurden. Ich habe die Aufgabe anderen überlassen, während ich selbst in Mitleid versunken bin.
»Und was ist mit dem Rest?«, frage ich sie besorgt. Ich fürchte mich vor der Antwort.
»Etwa die Hälfte leidet an Erbrechen und Fieber. Es ist nicht sicher, ob sie überleben werden. Im Wasser waren zu viele Bakterien und das Immunsystem der Sicherheitszonenbewohner ist einfach zu schwach.«
Mein Kopf glüht ebenfalls und ich fühle mich krank, aber ich weiß, dass es eine andere Art von Krankheit ist. Man nennt es Liebeskummer. Es tut weh, aber in Anbetracht dessen, dass andere um ihr Leben kämpfen, erscheint mir mein eigener Schmerz geradezu unbedeutend.
»Wie geht es dir?«, will ich von Asha wissen und blicke ihr prüfend ins Gesicht.
»Ich lasse mich nicht von ein paar Bakterien unterkriegen«, erwidert sie leichthin und ein schwaches Lächeln umspielt ihre Lippen. Sie stößt mich freundschaftlich mit dem Ellbogen an. »Lass nicht zu, dass ein Mann dich runterzieht. Die sind es alle nicht wert.«
Es fühlt sich nicht so an, als ob Finn es nicht wert wäre. Und ein winziger Teil von mir hofft sogar, dass es nur ein böser Traum ist, aus dem ich schon bald schweißgebadet erwachen werde. Aber der klügere Teil von mir weiß, dass das nicht passieren wird.
»Cleo«, höre ich plötzlich jemanden meinen Namen rufen und schaue auf. Es ist Iris, die in Begleitung von Emily und Grace zu uns kommt. Iris’ Wüstenfuchs Fennek rennt mit wehenden Ohren voraus. Ich begrüße ihn mit einem sanften Kopftätscheln. Ihm ist die Freiheit deutlich anzusehen. Hier in der Wüste ist er zu Hause. Die Mauern der Zentrallegion waren immer ein Gefängnis für ihn. Er erinnert mich an eine glücklichere Zeit, in der ich noch Hoffnung hatte.
Emily und Grace umarmen mich gleichzeitig. »Es ist so schön, dich wiederzusehen«, flüstert mir Grace ins Ohr und ich spüre, dass ihre Zuneigung echt ist. Ihr rotes Haar, welches früher immer nach Seife duftete, trägt sie nun streng zurückgesteckt. Es ist fettig und ich rieche ihren Schweiß. Sie sieht mitgenommen aus, genau wie Emily. Die Rebellen müssen viel durchgemacht haben.
»Was macht der denn hier?«, höre ich Asha plötzlich erbost hinter mir schimpfen. Ich drehe mich zu ihr um und sehe, wie sie vom Boden einen Stein aufhebt. Erschrocken blicke ich in die andere Richtung und sehe Florance mit einem fremden Mann zu uns kommen. Der Fremde hat schwarze kurze Haare und Florance muss ihn stützen, weil er kaum laufen kann.
»Oh nein, das kann doch nicht ihr Ernst sein«, höre ich Grace entgeistert ausrufen, bevor sie sich von mir löst und auf Florance zustürmt. »Spinnst du? Wie kannst du den Kerl mit zu ihr bringen? Hast du vergessen, was er ihr angetan hat?«, fährt Grace Florance an und ich runzele erstaunt die Stirn. Grace ist sonst immer gelassen und ruhig. Wer ist der Fremde, dass er sie so aus der Fassung bringt? Und was soll er mir angetan haben?
Asha schießt wie ein Pfeil an mir vorbei und stürzt sich auf den Mann. Sie geht mit ihm zu Boden, während Florance und Grace gleichzeitig zu schreien anfangen. Florance versucht, Asha von dem Mann runterzuziehen, während Grace in Deckung geht. Ich stürze besorgt auf den Tumult zu. Asha ist völlig außer sich und schlägt erbarmungslos auf den Mann unter sich ein. Der Stein in ihrer Hand ist bereits blutverschmiert.
»Du bringst ihn um«, kreischt Florance panisch und reißt an Ashas Schultern.
Ich stürze mich ebenfalls auf sie und schaffe es, sie loszureißen. Erst jetzt sehe ich das Gesicht des Mannes und halte geschockt die Luft an. Es ist A566. Das Monster, das Asha immer wieder missbraucht und vergewaltigt hat. Fast hätte er es auch bei Zoe und mir geschafft. Jetzt verstehe ich Ashas unbändige Wut. Ich dachte, er wäre tot.
Aber was macht dieses Ungeheuer hier bei Florance?
A566 hat eine große Wunde am Kopf, aus der Blut über sein schmutziges Gesicht läuft. Florance geht neben ihm zu Boden und untersucht geradezu fürsorglich seine Wunden.
»Was macht der hier?«, stoße ich fassungslos aus.
Florance fährt zu mir herum. »Ich weiß, was er euch angetan hat, und es tut mir von Herzen leid. Aber Judas ist nicht mehr derselbe Mensch wie damals. Er kann kaum allein laufen, geschweige denn essen oder auch nur die Toilette besuchen. Er ist für niemanden mehr eine Gefahr und auf Hilfe angewiesen.«
Ich schüttele ungläubig den Kopf, während Asha in meinen Armen vor Wut bebt. »Lass mich ihn töten«, fleht sie mich verzweifelt an. Das, was er ihr angetan hat, ist mit nichts wiedergutzumachen. Die Erfahrungen, die sie durch ihn machen musste, werden sie ihr Leben lang nicht mehr loslassen. Selbst wenn Florance die Wahrheit sagt und A566 derart vom Schicksal bestraft wurde, kann ich nicht von Asha verlangen, in einem Lager mit ihrem Peiniger zu leben.
»Nein«, entgegnet Florance hart. »Niemand rührt ihn an!«
»Solange er hier ist, bin ich nicht in Sicherheit«, stößt Asha panisch aus. Sie zittert am ganzen Leib und kann ihre Angst nicht verbergen. In den letzten Monaten hat sie alles versucht, um sich eine gewisse Stärke aufzubauen. Sie ist selbstbewusster geworden und schien endlich neuen Lebensmut gefunden zu haben. Das alles macht A566s bloße Existenz zunichte.
»Er ist harmlos«, beteuert Florance eindringlich. Sie beschützt das Monster, weil sie in ihm nur den hilflosen Menschen und nicht seine grausamen Taten sieht. Ein Teil von mir bewundert sie sogar für ihr großes Herz. Sie hat sich um mich gekümmert wie nie jemand zuvor. Nie hat sie mich dafür verurteilt, wer ich war, sondern mir immer dabei geholfen, in die Zukunft zu blicken. Ohne sie hätte ich es viel schwerer bei den Rebellen gehabt. Aber all meine Zuneigung und Dankbarkeit reichen nicht aus, um zu ihr zu halten. Ich kann nicht. Dabei geht es nicht um meine eigenen prägenden Erfahrungen mit A566, sondern um Asha. In den letzten Monaten hat sie mich aufrecht gehalten. Mit einem Mal erkenne ich, dass ich mich geirrt habe. Nicht der Gedanke an Finn hat mich am Leben gehalten, sondern meine Freundschaft zu Asha und Iris. Sie waren für mich da.
»Lass uns gehen«, bitte ich Asha und drehe Florance den Rücken zu.
Ein verletzter Ausdruck tritt in Ashas Augen. Obwohl ich zu ihr halten möchte, ist sie enttäuscht von meiner Reaktion. Sie möchte, dass ich mit ihr die Waffe gegen A566 richte. JETZT, nicht irgendwann.
Sie richtet den Blick auf Florance. Er ist feindselig. »Ich werde ihn töten«, verspricht sie ihr drohend, ehe sie davoneilt. Ich würde ihr gern nachgehen, aber kenne Asha gut genug, um zu wissen, dass sie mich in diesem Moment nicht an sich heranlassen würde.
Florance blickt ihr schuldbewusst nach, ehe sie ihren Blick auf mich richtet und sich erhebt. A566 liegt sabbernd zu ihren Füßen im Sand. Sie breitet zögerlich ihre Arme aus und macht einen Schritt in meine Richtung, um mich zu begrüßen. »Endlich bist du wieder bei uns«, sagt sie zärtlich.
Ich weiche vor ihr zurück und bringe es nicht einmal über mich, meine alte Freundin zu umarmen. Vielleicht bin ich ungerecht, immerhin glaubt sie, das Richtige zu tun. Sie kümmert sich um den, der ohne sie verloren wäre. Doch damit schadet sie der Person, die schon mehr Leid in ihrem kurzen Leben erfahren musste, als andere in zwanzig Leben nicht durchmachen müssen. Wie soll Asha jemals ihr Glück finden, wenn Florance den Mann beschützt, der ihr Leben zur Hölle gemacht hat?
»Willst du mich nicht einmal begrüßen?«, fragt Florance verletzt. »Ich verstehe, dass du entsetzt über seine Anwesenheit bist. Es ist furchtbar, was er euch angetan hat, und mit nichts zu entschuldigen. Aber er erinnert sich nicht einmal daran. Schau ihn dir doch nur an.« Sie deutet auf die Kreatur zu ihren Füßen, die nicht einmal in der Lage ist, sich allein aufzurichten oder Essen zu sich zu nehmen. »Soll ich ihn etwa sich selbst überlassen?«, fragt Florance herausfordernd.
Das solltest du, denke ich. Er hat den Tod verdient. Aber ich spreche es nicht aus, da ich nicht das Recht habe, darüber zu entscheiden. Ich weiß nicht einmal, ob ich in der Lage wäre, ihn zu töten, wenn Florance mich lassen würde. Asha würde keine Sekunde zögern, aber sie musste unter ihm so viel mehr leiden. Er hat sie zerstört, bevor sie überhaupt Liebe erfahren konnte. In der Legion, in der es keine Gefühle geben sollte, hat er ihr nichts als Schmerz bereitet.
»Traue ihm nicht«, bitte ich meine Freundin. »Er erscheint dir jetzt vielleicht harmlos, aber er ist gut darin, seine wahren Absichten zu verbergen. Ich bin auch auf ihn hereingefallen und habe erst viel zu spät die Gefahr erkannt, die von ihm ausgeht.«
Florance spürt die Distanz zwischen uns. Ich kann sehen, wie sehr es sie verletzt. Sie will nur das Richtige tun und ich bestrafe sie dafür mit Zurückweisung. Gleichzeitig zeigen ihr meine Worte, dass ich mich um sie sorge. Ich möchte nicht, dass ihr etwas geschieht. A566 hat schon zu vielen Menschen wehgetan, Florance soll nicht noch eine davon werden.
Am Abend wird das große Lagerfeuer von den Mutanten entfacht. Es ist das erste Mal, dass ich sie von Näherem sehen kann. Die übrige Zeit des Tages sind sie unter sich geblieben, genau wie die Freiheitskämpfer. Wir trauen einander nicht, obwohl wir jetzt so etwas wie Verbündete sind. Ich habe immer geglaubt, dass wir zu einer Einheit mit den Rebellen verschmelzen würden, wenn wir es irgendwie schaffen würden, zu fliehen, aber so ist es nicht. Nicht alle Vorstellungen der FDF (Für die Freiheit) decken sich mit denen der Rebellen.
A5125, Felix und meine Mutter haben lange mit Maggy und den anderen Anführern der Rebellen diskutiert, unter anderem auch mit den Mutanten. Aber sie scheinen zu keiner Einigung gekommen zu sein. Ich weiß, dass die anderen erwartet haben, dass ich an diesen Diskussionen teilnehme, doch sie erscheinen mir sinnlos. Wir sind zu weit gegangen, um noch eine friedliche Lösung mit der Legion finden zu können. Es wird auf einen Krieg hinauslaufen, bei dem zu viele Menschen sterben werden. Die Frage ist nur noch, wer am Ende übrig bleiben wird. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich zu den Überlebenden gehören möchte.
In dieser Situation war ich vor wenigen Wochen schon einmal, als ich dachte, dass Finn tot sei. Alles erschien mir sinnlos, als wäre mir der Boden unter den Füßen weggerissen worden. Es ist aber etwas anderes, wenn man glaubt, der andere sei tot, als zu wissen, dass der andere einen nicht mehr will. Ich weiß nicht, welche Option ich erträglicher finden soll. Vielleicht bin ich nicht selbstlos genug, um mich zu freuen, dass Finn lebt, obwohl er nicht mehr mit mir zusammen sein will.
Ich bin so in meinen Gedanken versunken, dass ich erst merke, dass jemand direkt neben mir steht, als dieser sich räuspert. Überrascht blicke ich auf und sehe Pep vor mir. Meine erste Freude verfliegt jedoch schnell, als ich hinter ihm eine Mutantin entdecke. Sie ist das einzige weibliche Wesen, das ich bisher unter ihnen ausmachen konnte. Ihr Gesicht ist von einer langen Narbe entstellt und ihre gebeugte Körperhaltung lässt einen Buckel auf ihrem Rücken vermuten.
Pep schließt mich in die Arme, während ich achtsam die Fremde mustere. »Cleo, ich möchte dir jemanden vorstellen«, sagt er und deutet auf die Mutantin, die scheu hinter ihm steht. »Das ist Lauren. Lauren, das ist Cleo.«
Die Fremde streckt mir zögernd ihre Hand entgegen, die mit Beulen und Pusteln übersät ist. Ihr fehlt zudem der kleine Finger – wie mir. Nur zögerlich reiche ich ihr die Hand. Es ist eine kurze Berührung, die kaum als Händedruck zu bezeichnen ist. Schnell lösen wir uns wieder voneinander. Lauren scheint mein Misstrauen zu spüren und weicht scheu meinem verurteilenden Blick aus.
»Sicher hast du viel über uns gehört«, murmelt sie unsicher.
»Das habe ich«, bestätige ich ihr. »Es heißt, dass ihr Menschenfleisch esst.« In meiner Antwort liegt eine unausgesprochene Frage.
»Das haben wir«, gibt Lauren zu und jagt mir damit einen Schauer über den Rücken. Es ist mir ein Rätsel, wie die Rebellen damit leben können. Selbst wenn sie es mithilfe der Mutanten schaffen, die Legion zu stürzen, dann nur, um danach von den nächsten unterdrückt zu werden. Auf der Erde herrscht das Gesetz des Stärkeren und die Mutanten sind uns eindeutig überlegen. Sowohl körperlich als auch geistig. Sie besitzen keine moralischen Fesseln.
Lauren spürt meine Ablehnung. Sie fühlt sich in meiner Gegenwart genauso unwohl wie ich mich in ihrer. »Ich gehe mir etwas zu trinken holen«, sagt sie leise, ehe sie Pep und mich allein zurücklässt.
»Warum bist du so zu ihr?«, fährt Pep mich wütend an, sobald sie außer Hörweite ist.
»Das sind Kannibalen«, stoße ich verständnislos aus. »Sie haben einander getötet …«
Er fällt mir scharf ins Wort: »Um zu überleben! Sie haben getötet, um zu überleben.«
Ich schüttele den Kopf. »Sicher waren sie in großer Not, aber könntest du einen anderen Menschen essen? Ich nicht!«
Peps Augen weiten sich vor Enttäuschung. Es scheint, als könne ich heute nichts richtig machen. »Ich kann nicht glauben, dass ausgerechnet du dich so verhältst. Von allen Menschen, die ich kenne, hätte ich es von dir am wenigsten erwartet.« Er wirkt ehrlich schockiert. »Unter gewissen Umständen übernimmt unser Überlebenswille die Kontrolle über uns. Weißt du, dass die Mutanten nur töten mussten, weil die Legion ihnen keinen Einlass gewährt hat?«
Glaubt er wirklich, das kann mich schocken? Es ist mir nicht neu, dass die Legion grausam und rücksichtslos ist. Ich gehöre nicht mehr zu ihnen. Bevor ich in die Zentrallegion kam, stand ich zwischen den Rebellen und der Legion und wusste nicht, wo ich hingehöre. Aber in der Zentrallegion habe ich die Freiheitskämpfer gefunden. Es sind Menschen wie ich. Bei ihnen fühle ich mich zu Hause, dort gehöre ich wirklich dazu.
»Weißt du noch, wie es war, als du zu den Rebellen gekommen bist?«, fährt er fort. »Weißt du noch, wie jeder dich als gefühllosen Roboter angesehen hat?«
Ich weiß nicht, was er damit bezwecken will. Er kann mich nicht mit den Mutanten vergleichen. Selbst als Bewohnerin der Sicherheitszone habe ich nie jemanden umgebracht. Mein einziges Verbrechen war meine Unwissenheit.
»Du hast uns bewiesen, dass nicht alle Menschen der Legion gleich sind. Warum gibst du Lauren nicht die Chance, dir zu beweisen, dass nicht alle Mutanten gleich sind?«
Ich blicke Pep ins Gesicht und spüre seine Wut. Ich dachte, dass alles besser werden würde, wenn wir erst einmal alle wieder zusammen wären. Scheinbar habe ich mich getäuscht. Nichts ist mehr wie zuvor. Wer von uns hat sich verändert? Pep? Ich? Oder wir alle?
Es fühlt sich an, als würde das Bild, das ich von meinem Leben in Freiheit hatte, immer mehr zerfallen. Es war ein Trugbild. Mir bleiben weder Finn noch meine Freunde. Ich schüttele traurig den Kopf. Es tut mir wirklich leid, Pep zu enttäuschen, aber ich bin noch nicht bereit, über meinen Schatten zu springen. Vielleicht habe ich Lauren tatsächlich unrecht getan. Vielleicht ist sie nett. Aber es interessiert mich nicht. Ich brauche keine neuen Freundschaften, während meine alten alle nacheinander zerbrechen.
»Es tut mir leid«, sage ich schwach und wende mein Gesicht von Pep ab, ehe ich gehe.
In den Flammen des Lagerfeuers liegt eine Blechschale, in der Wurzeln gekocht werden. Obwohl die Landschaft um die Zentrallegion nicht fruchtbar ist, gibt es zumindest ein paar wenige halb verdorrte Wurzeln im Boden und Kakteen, deren Milch trinkbar ist. Es ist alles, was wir haben, und es wird bei Weitem nicht für alle Menschen reichen, die sich im Lager befinden. Nicht einmal für die Hälfte. Trotzdem bin ich froh, dass ich nicht mit ansehen muss, wie ein Mensch in den Flammen gebraten wird. Generell muss ich zugeben, dass die Mutanten sich eher im Hintergrund halten und sich uns anzupassen scheinen.
Die Kinder bekommen als Erste etwas zu essen, danach die schwangeren Frauen. Für den Rest von uns bleibt kaum etwas übrig. Ich mache mir nicht einmal die Mühe, mich für Essen anzustellen, sondern bleibe still am Feuer sitzen. Meine letzte Mahlzeit ist bereits drei Tage her, doch Hunger verspüre ich keinen. Es gibt zu viele andere Dinge, die mir Sorgen bereiten und für Bauchschmerzen sorgen.
Als ich mich gedankenverloren erhebe, um mich zurückzuziehen, stoße ich mit jemandem zusammen. Erschrocken stolpere ich zurück, werde aber von zwei starken Armen aufgefangen. Ich blicke in das Gesicht von Clyde. Er hat sich verändert. Auf seinem Kopf wachsen nun dunkle Haare und seine Augen haben eine warme goldbraune Farbe. Sein gutmütiges Lächeln ist jedoch unverwechselbar.
Man merkt uns unsere Herkunft an, denn niemand von uns tritt vor, um den anderen zu umarmen. Stattdessen lässt Clyde mich los und tritt respektvoll einen Schritt zurück. Obwohl wir beide nicht mehr der Legion angehören, lässt sich so manches Verhaltensmuster nur schwer ablegen. Wir sind körperlichen Kontakt nicht gewohnt, doch das Lächeln, welches wir teilen, verbindet uns mehr, als es eine Berührung könnte. Damit hat unsere Freundschaft begonnen – mit einem scheuen Lächeln.
»Wie geht es dir?«, frage ich ihn mit aufrichtigem Interesse. Clyde ist mein längster Freund. Ich kenne ihn mein ganzes Leben.
»Es könnte besser sein, aber ich bin froh, noch am Leben zu sein«, antwortet er mir sanft. »Ich glaube, das ist zurzeit alles, was zählt. Jeder weitere Tag ist wie ein Wunder.«
Er hat recht. Obwohl ich kein Wort von Finn gesagt habe, erscheint mir mein Liebeskummer nun sehr kleinlich und unbedeutend. Er wird vorübergehen. Ich werde über Finn hinwegkommen, so wie er über mich. Irgendwann wird es vielleicht auch in meinem Leben wieder einen Menschen geben, dem ich mein Herz öffne, auch wenn momentan allein die Vorstellung, mit Finn endgültig abzuschließen, wehtut. Aber habe ich eine Wahl?
»Wie hast du dich bei den Rebellen eingelebt?«, hake ich bei Clyde nach, um meine Gedanken zu verdrängen. Ich mustere seine neue Kleidung. Wenn ich es nicht besser wüsste, wäre er gar nicht als ein ehemaliger Kämpfer der Legion zu erkennen.
»Um ehrlich zu sein, war ich kaum hier«, erwidert er und fügt dann erklärend hinzu: »Ich war ein Gefangener der Mutanten.«
Entsetzt starre ich ihn an. »Ist es wahr, was uns in der Legion erzählt wurde? Sind sie so grausam, wie man sagt? Haben sie versucht, dich zu töten?«
Clyde lächelt unglücklich. »Lass uns ein Stück gehen«, schlägt er vor.
Ich bin froh, den anderen für eine kurze Zeit entkommen zu können, und nehme sein Angebot an.
Wir lassen das Lagerfeuer hinter uns zurück und gehen in der Dämmerung durch die Windungen der Hügel und Berge, von denen wir umgeben sind.
»Ich habe gesehen, wie die Mutanten Menschen getötet und gegessen haben«, eröffnet er mir, dabei klingt seine Stimme weder anklagend noch verurteilend, sondern nüchtern. »Sie waren wie Tiere und nur wenig menschlich. Aber sie sind genauso Opfer der Legion wie wir. Die Einsamkeit und die Verzweiflung haben sie zu dem gemacht, was sie heute sind.«
Ich spüre sein Mitleid. Es geht auf mich über. Trotzdem bleibe ich skeptisch. »Wie können die Rebellen mit solchen Wesen zusammenarbeiten? Ich verstehe es einfach nicht. Sobald der Kampf gegen die Legion vorbei ist, werden die Mutanten sich gegen sie wenden.«
»Ohne die Mutanten gäbe es keinen Kampf gegen die Legion. Wir hätten keine Chance«, erwidert Clyde überzeugt.
Mir fällt auf, dass er von WIR spricht. Er sieht sich als Teil der Rebellen. Ich beneide ihn um dieses Gefühl. Es gab eine Zeit, in der es mir genauso ging, doch sicher war ich mir nie. Ich weiß nicht einmal, ob es anders wäre, wenn Finn mich noch lieben würde. Die Rebellen haben mich nie so verstanden, wie es die FDF tut.
»Die Mutanten hassen die Menschen, weil die Legion sie dazu gezwungen hat, ihre Familie und Freunde zu töten. Anders hätten sie nicht überlebt. Für sie gab es keine andere Wahl, aber sie haben es nie gern getan«, erzählt Clyde weiter.
Ich versuche, mir die Verzweiflung vorzustellen, die einen dazu zwingt, so zu handeln. Wenn ich mir unseren Nahrungsmangel ansehe, wird es wohl bald wieder so weit sein. Die Rebellen sehen ausnahmslos abgemagert aus. Menschen, die sich kaum auf den eigenen Beinen halten können, werden keinen Krieg gewinnen.
»Es muss schrecklich gewesen sein«, erwidere ich mitfühlend. Im Vergleich zu dem, was Clyde durchmachen musste, erscheint mir die Zeit in der Zentrallegion als ein Spaziergang. Dabei dachte ich, mir wäre es schlecht ergangen, aber es ist kein Vergleich zu dem, was Clyde durchleben musste.
Er hält plötzlich an und sieht mich ernst an. »Es war schwer und ich habe Albträume, aber es gibt nur einen von uns, den sie gebrochen haben.«
Fragend blicke ich zu ihm auf.
»Finn«, sagt er. »Sie haben ihn gezwungen, einen der gefangenen Bewohner der Sicherheitszone zu töten und sein Herz zu essen, um seine Loyalität unter Beweis zu stellen. Seitdem ist er nicht mehr derselbe.«
Mein Herz schmerzt bei seinen Worten auf unerträgliche Weise. Obwohl Finn mich mehr verletzt hat als irgendjemand zuvor, tut es mir weh, zu erfahren, was er durchmachen musste.
Clyde legt seine Hände auf meine Schultern. Es ist eine ungewohnt eindringliche Geste. »Ich habe mitbekommen, was heute zwischen dir und ihm vorgefallen ist. Er hat dich sehr verletzt, aber du solltest wissen, dass Ruby bei den Mutanten mit ihm gefangen war. Sie war Tag und Nacht an seiner Seite. Finn war verzweifelt und am Ende. Aber er hat dich jeden einzelnen Tag vermisst.«
Es tut weh, zu hören, wie viel die beiden gemeinsam durchgestanden haben. Sie war für ihn da, als ich meilenweit weg war und nicht einmal wusste, ob er noch am Leben ist. Ich hätte dort an seiner Seite sein sollen, doch er hat mir nie die Chance dazu gegeben.
»Ich wünschte, ich hätte bei euch sein können«, erwidere ich mit brüchiger Stimme. Wäre ich bei den Rebellen geblieben, würde ich mich nun wenigstens wie ein Teil von ihnen fühlen und nicht wie eine Fremde, der die anderen mit Misstrauen begegnen.
»Ich bin froh, dass du es nicht warst«, sagt Clyde entschieden. »Niemand hätte das erleben sollen. Die Mutanten hassen die Legion. Du bist eine Legionsführerin und das hätte dich dein Leben gekostet. Finn wollte dich in Sicherheit wissen, deshalb hat er dich in die Legion geschickt. Wie hätte er dir seine Liebe mehr beweisen können?«
»Was bedeutet seine Liebe von damals, wenn sie heute nicht mehr vorhanden ist?«, entfährt es mir verletzt. Tränen sammeln sich erneut in meinen Augen und lassen mich beschämt den Blick abwenden. Es geht überhaupt nicht um Ruby. Ich könnte Finn einen Kuss, der aus Einsamkeit und Verzweiflung entstanden ist, verzeihen. Doch er will mich nicht mehr. Ich erinnere mich schmerzlich an seine Worte: Ich liebe dich nicht. Nicht Ich liebe dich nicht mehr, sondern einfach nur Ich liebe dich nicht. So als wäre nie Liebe zwischen uns gewesen.
»Er liebt dich noch immer«, beteuert Clyde.
Er versucht, mich zu trösten, doch seine Worte bewirken das Gegenteil. Ich habe bereits zweimal um Finn gekämpft. Beim ersten Mal musste ich ihm beweisen, dass ich es wert bin, geliebt zu werden. Beim zweiten Mal musste ich ihn dazu bringen, sich an mich zu erinnern. Beide Male habe ich ihn dennoch verloren, egal wie sehr ich auch gekämpft habe. Ich weiß nicht, ob ich für einen weiteren Kampf stark genug bin. Unsere Welt liegt in Trümmern und ich kann nicht an allen Fronten gleichzeitig kämpfen.
Spät in der Nacht liege ich auf dem harten Boden zwischen A5125 und Asha und blicke in den Sternenhimmel. Die schlimmste Art, jemanden zu vermissen, ist, wenn dieser direkt neben einem steht und man ihn trotzdem nicht berühren darf. Ich fühle mich innerlich wund und versuche mir einzureden, dass der Schmerz vergehen wird. Es gibt so viele wichtigere Dinge, auf die ich mich konzentrieren sollte, aber mein Kopf weigert sich, zu funktionieren, wenn mein Herz sich im Ausnahmezustand befindet.
»Kannst du nicht schlafen?«, wispert A5125 plötzlich neben mir.
»Nein, mir geht zu viel im Kopf herum«, antworte ich ihm ehrlich.
»Finn?«
Es ist offensichtlich.
»Er ist ein Idiot«, entfährt es ihm und ich höre die Wut in seiner Stimme auflodern.
Ein Gefühl der Zuneigung breitet sich in meinem Bauch aus, als ich A5125 das Gesicht zuwende. »Ist er nicht«, erwidere ich, lächle aber dennoch über seine Worte. Manchmal gab es Momente zwischen ihm und mir, in denen ich dachte, dass dort mehr als Freundschaft sein könnte, wenn wir uns nur früher kennengelernt hätten. Vor Finn …
»Wir sind nun zum ersten Mal frei. Selbst wenn es nur für eine kurze Zeit sein sollte, fühle ich mich gerade lebendiger als je zuvor. Das verdanke ich dir.« Seine Augen funkeln mir in der Dunkelheit entgegen und ich spüre die Anziehungskraft, die von ihm ausgeht, wogegen ich mich aber immer gewehrt habe.
Ich schüttle den Kopf. »Du hast mehr als jeder andere für die Freiheit der Menschen der Legion riskiert.« Er hat für sie getötet. »Nicht ich habe dich oder irgendjemanden befreit, das wart ihr selbst. Tatsächlich schulde ich dir mein Leben, denn ohne dich hätte die Legion mich umgebracht. Wenn ihr nur eine Minute später gekommen wärt …« Meine Stimme bricht mir weg. Ich könnte jetzt tot sein. Das hätte mich zwar vor dem Schmerz der Zurückweisung bewahrt, aber ich möchte nicht sterben. Noch nicht. Ich will das, was alle Menschen wollen: ein Leben in Freiheit.
»Mir fehlt noch etwas Entscheidendes, um mich wirklich frei fühlen zu können«, flüstert er vertraut. »Ein Name.«
»Hast du dich schon für einen entschieden?«
»Ich möchte mir nicht selbst einen aussuchen, sondern hoffe, dass du dies für mich übernimmst. Namen sollten nicht von einem selbst gewählt werden. Man bekommt sie von Menschen verliehen, denen man etwas bedeutet.«
A5125 bedeutet mir viel. Er ist mein Freund und wir teilen die gleichen Ansichten. Ich fühle mich ihm mehr verbunden als Finn. Von Anfang an stand etwas zwischen uns. Wir waren uns nur selten einig. Liebe ist ein großes Wort. Ich dachte einmal, dass ich wüsste, was es bedeutet. Aber heute habe ich das Gefühl, keinen Schimmer davon zu haben.
»Was hältst du von Khaan?«, frage ich ihn spontan.
Er runzelt überrascht die Stirn. »Das bedeutet Anführer, oder?«
Wir kennen uns mit der Bedeutung von Namen aus, da ihre Erforschung ein Bestandteil unserer Ausbildung darstellte. Man wollte uns damit zeigen, dass Namen zu Unterschieden führen und deshalb schlecht für den Frieden sind. Nummerierungen sind frei von jeder Bedeutung, keine ist besser oder schlechter als die andere.
»Ja«, bestätige ich ihm schmunzelnd. »Wir können uns auch einen anderen überlegen, wenn dir der Name nicht gefällt. Ich finde jedoch, dass die Bedeutung zu dir passen würde. Du führst die Freiheitskämpfer an und niemand könnte das besser als du.«
Er lächelt mich zufrieden an. »Der Name ist toll. Ich weiß nur nicht, ob ich ihm gewachsen bin.«
»Du wirst in ihn hineinwachsen«, erwidere ich zuversichtlich.
Er dreht sich zu mir und streckt mir seine Hand hin. »Darf ich mich vorstellen? Ich heiße Khaan.«
Ich erwidere sein Lächeln und ergreife seine Hand. »Freut mich, dich kennenzulernen, Khaan.«
Ich habe es erstaunlicherweise geschafft, in der Nacht für einige Stunden Schlaf zu finden. Umso enttäuschender ist es, dass bei meinem Erwachen die Welt immer noch dieselbe ist und der Schmerz mit kalter Hand mein Herz umschließt. Am liebsten würde ich mich in eine dunkle Ecke zurückziehen und mich um gar nichts mehr kümmern. Ich weiß, dass Finn mir gestern den Rest des Tages aus dem Weg gegangen ist, genau wie Ruby. Aber das wird nicht ewig so weitergehen. Irgendwann muss ich sie wiedersehen und dafür fühle ich mich nicht stark genug. Noch nicht. Vielleicht nie.
Schritte nähern sich meinem Schlaflager und ich setze mich auf. Es ist meine Mutter. Sie blickt abschätzend auf mich hinab. »Wir müssen mit den Rebellen über die Wasserversorgung sprechen.«
Ich will sie an Khaan verweisen, doch er ist nicht mehr neben mir. Ich habe nicht einmal gemerkt, dass er gegangen ist. Ich blicke zu meiner Linken, wo Asha geschlafen hat. Sie sitzt nun ebenfalls aufrecht.
A350 spürt, dass ich nicht vorhabe, sie zu dem Gespräch zu begleiten. Doch anstatt mit Verständnis reagiert sie ungehalten. »Was ist mit dir los? Sind dir die Menschen der Sicherheitszone plötzlich egal? Und das alles nur wegen eines Mannes?«
Ihre harte Wortwahl verletzt mich. »Was weißt du schon? Du hast doch nie jemanden geliebt!«
»Ich liebe dich«, stößt sie aus und packt mich an den Schultern. »Deshalb werde ich nicht dabei zusehen, wie du dich von allem abkapselst, was dir wichtig ist. Komm jetzt mit mir und kämpfe für deine Überzeugung. Du bist so viel mehr als eine Frau, die verlassen wurde. Du bist meine Tochter und das macht dich zu einer geborenen Kämpferin.«
Ihre Worte berühren mich zutiefst. Es überwältigt mich immer wieder, meine Mutter voller Gefühl zu erleben. Es sind seltene Momente, die sie sich nur in meiner Gegenwart gestattet. Ich will sie nicht enttäuschen. Sie glaubt an mich und ich möchte der Mensch sein, den sie in mir sieht: eine Kämpferin, die nicht aufgibt.
Asha stupst mich mit dem Ellbogen an. »Steh auf und hör auf deine Mutter!«
Ich stemme mich vom Boden auf und reiche meiner Freundin einladend die Hand. »Komm mit uns. Dieses Gespräch kann mehr als zwei starke Frauen vertragen.«
Ashas Augen weiten sich ungläubig. Obwohl wir Freundinnen sind und ich alles versuche, um ihr auf Augenhöhe zu begegnen, fällt es ihr manchmal noch schwer, zu vergessen, dass sie der D-Klassifizierung angehörte. Nun nimmt sie aber mein Angebot an und lässt sich von mir hochziehen. »Ich werde meine Meinung nicht zurückhalten«, verspricht sie mir. Es klingt jedoch mehr wie eine Drohung, die mich grinsen lässt. Gerade für ihre erbarmungslose Ehrlichkeit schätze ich Asha.
Wir durchqueren das Lager, auf dessen Boden überall Menschen sitzen. Viele von ihnen müssen ehemalige Bewohner der westlichen Sicherheitszone sein. Menschen, mit denen ich aufgewachsen bin, aber ich erkenne niemanden von ihnen. Sie sehen durch die gewachsenen Haare und veränderten Augenfarben wie Fremde für mich aus.
A350 steuert den Panzer an, vor dem ich bereits Felix, Khaan und N600 ausmache. Seitdem sie behauptet hat, dass ich anstelle von Felix für den Anschlag auf S300 verantwortlich gewesen sei, habe ich sie nicht mehr gesehen. Ich verurteile sie dafür nicht einmal. Wir wollten beide Felix beschützen. N600 funkelt mich jedoch wie üblich feindselig an. Vielleicht wäre es ihr sogar lieber gewesen, wenn ich gestorben wäre. Seitdem ich sie kenne, ist sie eifersüchtig auf mich. Dabei sollte sich das eigentlich gelegt haben, jetzt, wo sie weiß, dass Felix und ich Geschwister sind.
»Die anderen sind schon drin«, erklärt Khaan und tritt beiseite, um mir den Vortritt beim Einsteigen in den Panzer zu lassen. Ich verdränge meine Angst vor dem Wiedersehen mit Finn und klettere die schmale Leiter zu der Luke hoch. Sie steht bereits offen, sodass ich mich nur hineingleiten lassen muss.
Im Inneren des Panzers ist es extrem warm und zudem duster. Schweißperlen treten mir bereits nach wenigen Sekunden auf die Stirn. Ich erkenne Maggie, die mir kurz zulächelt. Neben ihr stehen einer der Mutanten sowie Sharon, Raymond und Ruby. Finn ist ebenfalls da, doch er hält sich im Hintergrund. Er schaut nicht einmal zu mir, sondern starrt auf den Rücken des Mutanten, der wie ein Schutzschild vor ihm steht.
Mir kommen Clydes Worte vom Vorabend in den Sinn. Die Mutanten haben Finn dazu gezwungen, einen Menschen nicht nur zu töten, sondern auch noch dessen Herz zu essen. Sie haben ihm jegliche Würde genommen und trotzdem ist er bereit, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Er stellt sein eigenes Wohl weit hinter das der Gemeinschaft. Könnte ich genauso selbstlos sein? Ich weiß nicht einmal, ob ich ihn dafür bewundern oder bemitleiden soll. Warum kann er mir nicht davon erzählen? Warum lässt er mich nicht an seinen Gedanken teilhaben? Glaubt er, dass ich ihn verurteilen würde? Das könnte ich gar nicht. Er hat getan, was er tun musste, um zu überleben – das ist das Einzige, was für mich zählt.
Ich wende meinen Blick von ihm ab und stelle fest, dass Ruby mich mit zu Schlitzen geformten Augen mustert. Wir waren nie wirklich Freunde, sondern immer mehr Verbündete. Hat sie auch nur einen Moment gezögert, bevor es zu dem Kuss mit Finn kam? Hat sie auch nur einmal an mich gedacht? Was hätte ich an ihrer Stelle getan?
Ich schaue zwischen den beiden hin und her und frage mich, was nun aus ihnen geworden ist. Sind sie jetzt ein Paar?
Als Khaan zuletzt in den Panzer steigt, schüttle ich die Gedanken ab und versuche, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren, auch wenn es mir mein Herz schwer macht.
Zu zwölft ist es sehr eng und die Luft so schwer, dass ich das Gefühl habe, nicht atmen zu können. Der Geruch von Schweiß, Sand und Motorenöl erfüllt den winzigen Raum.
»Ich möchte euch alle bitten, dass ihr die Dinge, die wir hier besprechen, für euch behaltet. Wir möchten niemanden belügen, aber wir möchten den Menschen auch nicht mehr Angst als nötig machen. Bevor wir alle über die Lage informieren, müssen wir uns erst auf eine Lösung einigen«, eröffnet Maggie die Versammlung und ich frage mich unwillkürlich, ob es in der Legion auch so begonnen hat. Die Legion hat mich mein ganzes Leben lang belogen und viele Generationen vor mir genauso. Alles angeblich nur, um uns zu schützen. Wann war der Zeitpunkt, an dem aus ihrem Schutz Unterdrückung wurde? Wird es bei den Rebellen früher oder später genauso laufen? Ich verstehe, dass wir keine öffentlichen Diskussionen führen können. Gerade wenn es um so etwas Lebensnotwendiges wie das Wasser geht, würde das zu Panik führen. Aber müssen wir die anderen nicht zumindest teilweise informieren?
»Wir haben kein Wasser mehr. Die letzten Reste sind gestern für das Abendessen draufgegangen. Es sind bereits mehrere Truppen unterwegs, die die Umgebung nach einer Wasserquelle absuchen, doch wir machen uns nur wenig Hoffnung, eine zu finden. Ihr wisst selbst, dass der Boden staubtrocken ist«, berichtet sie uns sachlich.
»Was ist mit der Kanalisation?«, wendet N600 irritiert ein. »Dort gibt es so viel Wasser, dass einige von uns sogar darin ertrunken sind.«
»Und einige andere werden innerhalb der nächsten Tage an den Bakterien sterben«, setzt Asha nach.
»Das wollen wir nicht hoffen«, meint Maggie. »Aber es stimmt, dass das Wasser zu unrein ist, um es trinken zu können.«
»Wir können es abkochen«, beharrt N600.
»Es gibt Bakterien, die sich nicht einmal durch das Abkochen völlig zerstören lassen«, schaltet sich A350 in die Diskussion ein. »Zudem kommt das Wasser direkt aus der Zentrallegion. Wenn sie mitbekommen, dass wir davon trinken, werden sie es bald stoppen und dann sitzen wir wieder auf dem Trockenen.«
»Wir könnten ein Loch graben, bis wir auf Wasser stoßen«, schlägt Felix euphorisch vor, wodurch er einige der Anwesenden zum Schmunzeln bringt.
»Das haben wir bereits versucht. Es hat einen ganzen Tag gedauert, bis wir auf Wasser gestoßen sind, und die Menge war so gering, dass es nicht einmal gereicht hat, um ein Glas zu füllen«, entgegnet Raymond.
»Dann müssen wir noch tiefer graben«, beharrt mein jüngerer Bruder und lässt sich nicht unterkriegen. Schon bevor ich überhaupt wusste, dass wir miteinander verwandt sind, hat er mich durch seinen Gerechtigkeitssinn und seinen unbeugbaren Willen beeindruckt. Ich bin stolz, seine Schwester zu sein. Ebenso wie auf meine Mutter, die zwar in ihrem Leben viele falsche Entscheidungen getroffen hat, aber niemals aufgegeben hat.
»Wo kein Wasser ist, kann man auch keines herbeizaubern«, faucht Ruby ungeduldig. »Glaubt ihr, wir hätten nicht bereits alles versucht?«
»Wir sind hier, um gemeinsam nach einer Lösung zu suchen«, fahre ich sie an. »Es muss jedem erlaubt sein, Vorschläge zu äußern, sonst können wir direkt wieder gehen.«
Ruby funkelt mich verärgert an. Sie hasst es, wenn man ihr widerspricht. Aber vielleicht hasst sie es bei mir ganz besonders.
»Ich stimme dir zu, Cleo«, pflichtet mir Maggie versöhnlich bei. »Jeder Vorschlag ist hilfreich, aber wir bezweifeln, dass sich eine friedliche Lösung finden lassen wird.«
»Was soll das heißen?«, will meine Mutter wissen.
»Wir werden nicht um einen weiteren Angriff auf die Zentrallegion herumkommen«, sagt Sharon ernst. »Weiß einer von euch, wo sich ihre Wasserreserven befinden oder woher sie überhaupt Wasser beziehen?«
»Es kommt aus dem Boden«, antwortet Felix und blickt dabei Ruby triumphierend in die Augen.
Diese fühlt sich sofort persönlich angegriffen und entgegnet: »Die Zentrallegion hat ganz andere Möglichkeiten als wir. Sie müssen nicht mit einem Stück Blech graben. Aber du kannst es ja gern selbst versuchen, wenn du mir nicht glauben willst.«
»Beruhigt euch bitte«, herrscht Maggie beide an. Sie wendet sich meiner Mutter zu. »Gibt es mehrere Wassertanks oder nur einen?«