In der Gluthölle des Transpluto: Mark Tolins - Held des Weltraums #2
Mark Tolins, Volume 2
Published by BEKKERpublishing, 2018.
Title Page
In der Gluthölle des Transpluto
Copyright
Das Eierteig-Männchen
Mann ohne Skalp
Der Tote ohne Denkkapsel
Ein Bettlaken zu viel
Ein zertrümmertes Raumschiff
Sturz aus dem Himmel
Der unbekannte Pilot
Die lautlose Stimme
Der Überfall
In der Unterwelt
Der Weise im Keller
Geschäfte mit Diamanten
Gelähmt und gefangen
Die Ungewaschenen
Feuer unter den Füßen
Die Katze war aus dem Sack
Vulkan auf den Hacken
Das letzte Geschoss!
Further Reading: 30 Sternenkrieger Romane - Das 3440 Seiten Science Fiction Action Paket: Chronik der Sternenkrieger
About the Publisher
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Mark Tolins - Held des Weltraums #2
von Freder van Holk
Der Umfang dieses Buchs entspricht 128 Taschenbuchseiten.
Der Weg der Menschheit zu den Sternen ist das Thema dieser klassischen Science Fiction Serie. Es geht um die Abwehr von Außerirdischen, die Geheimnisse des Kosmos und um den Platz der Menschheit im Universum. Mark Tolins und seine Mitstreiter kämpfen um die Zukunft der Erde...
Sprachgebrauch und Wertvorstellungen entsprechen der Entstehungszeit der Romane und unterlagen seitdem einem steten Wandel. So kommen beispielsweise immer mal wieder „Neger“ vor. Heute wird dieser Begriff von vielen als diskriminierend empfunden. Bis in die 1970er Jahre hinein war das jedoch nicht so. Das Wort „Neger“ entsprach dem normalen Sprachgebrauch und wurde nicht als herabsetzend angesehen. Selbst der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King sprach in seinen Reden häufig von der „Emanzipation der Neger.“ Für den deutschen Sprachraum markiert der DUDEN das Wort erstmalig in seiner Ausgabe von 1999 mit der Bemerkung „wird heute meist als abwertend empfunden“ und trug damit dem in der Zwischenzeit gewandelten Sprachgebrauch Rechnung. Da die Romane nur vor dem Hintergrund ihrer Zeit in sich stimmig sind, wurde auf eine sprachliche Glättung ebenso verzichtet wie auf eine Anpassung heute nicht mehr zeitgemäßer Wertvorstellungen oder inzwischen widerlegter wissenschaftlicher Ansichten.
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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© Roman by Author
© Cover: Tony Masero, 2018
© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
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Der Fremde kam ihr auf Anhieb nicht geheuer vor.
Rosy Coliflower saß seit dreißig Jahren in ihrem Obst- und Gemüseladen an der Ecke Lincoln- und Graham-Street und war deshalb sicher, dass sie die Welt inwendig und auswendig kannte. Sie sah es denn auch auf den ersten Blick, dass der Fremde nicht zu Harristown gehörte.
Rosy Coliflower war keine gewöhnliche Gemüsefrau. Sie trug seit dreißig Jahren unter der Schürze ein grauseidenes Kleid mit weißem Besatz, das bei einer Abendgesellschaft angebracht gewesen wäre, und dazu einen zierlichen Hut aus gelbem Stroh und roten Rosen, den man auch nicht gerade auf dem Kopf einer Gemüsefrau erwartete. Diese Aufmachung hatte vor dreißig Jahren genügend Aufsehen erregt, um ihr eine umfangreiche Kundschaft zu sichern, und war im Laufe der Zeit zu einer Sehenswürdigkeit von Harristown gediehen. Es war durchaus üblich, auswärtige Besucher besichtigungshalber zu Rosy Coliflower zu führen. Jetzt war sie geradezu eine Institution oder ein Denkmal.
Daran lag es sicher, dass die Stadtverwaltung sämtliche Augen zudrückte, als Rosy Coliflower ihren kleinen Laden dadurch erweiterte, dass sie ihre Stände, Kisten und Körbe auf die Straße hinaussetzte und nur einen schmalen Durchgang für die Passanten frei ließ. Dafür musste Rosy jetzt die Augen offen halten. Die erzwungene Tuchfühlung mit Äpfeln. Birnen, Pfirsichen oder Trauben enthielt Versuchungen, denen vor allem die Jungen nicht immer widerstehen konnten. Eine Zeitlang machten sie sich sogar einen Sport daraus, mit den scharfen Augen Rosys zu konkurrieren. Sie schlössen Wetten ab, wer unbemerkt einen Apfel oder eine Banane mausen könnte, und trieben sich dann in den benachbarten Hauseingängen herum, während einer von ihnen wie ein todesmutiger Gladiator durch den Obstpfad wandelte - diese Lausejungen!
Wie gesagt - der Fremde kam ihr nicht geheuer vor. Rosy besaß immer noch scharfe Augen, wenn auch mit Brille, und was sie sah, gefiel ihr nicht. Sie hatte nichts gegen Fremde, denn sie besaß einen fortschrittlichen Charakter, der sich auf die Zeichen der Zeit verstand, aber natürlich musste alles im Rahmen bleiben.
Im Anfang waren es nur sein Gang und seine Bewegungen, die ihr missfielen. Er ging schleichend wie auf rohen Eiern, ohne die Füße merklich zu heben. Trotzdem wirkte sich die vorsichtige Bewegung auf den ganzen Körper aus, und zwar so, als würde ein Pudding angestoßen. Es lag etwas Wabbelndes in seinen Bewegungen, als ob er keine festen Knochen und keine straffen Gelenke hätte.
Als er näher kam, missbilligte sie seine Aufmachung. Er war höchstens hundertsechzig groß, trug aber einen Anzug, der mindestens zehn Zentimeter mehr verlangte. Der Anzug - dunkelblau mit weißen Streifen - war an jeder Stelle zu weit, und die Hosen so lang, dass sie sich in Falten stauten. Nur der weiche Hut passte.
Als er den ersten Apfelkorb - ausgelesene Cox orange, die angegangenen Stellen nach unten gedreht - erreichte, erschrak Rosy Coliflower ernstlich. Er hatte eine gelbliche Haut, aber er war kein Chinese. Das eigentümlich tote Gelb erweckte den Eindruck, als befände sich unter der Haut kein lebendes Fleisch, sondern eine Eierteigmasse. Rosy dachte unwillkürlich an Nudeln, Makkaroni und Spaghetti - mit reinen Eiern zubereitet natürlich. Sie hatte nichts gegen Eierteigware, aber sie fand es doch etwas unheimlich, dass ein Mensch so aussah.
Als er vor der flachen Holzkiste mit der Petersilie stehen blieb, traf die schon tief stehende Sonne von der Graham-Street her sein Gesicht und hob es aus der Dämmerung heraus. Von diesem Augenblick an gruselte es die stadtbekannte Gemüsefrau Rosy Coliflower. Zwei Dinge fielen ihr auf. Das eine war ein kleiner Mund mit auffallend dicken Lippen, der schmollende Mund eines Babys in einem Gesicht, das sonst eher alt als jung wirkte. Das zweite waren die Augen, riesige, starre Eulenaugen mit großen Pupillen, in denen es dunkelrot aufglühte. Die Augen waren doppelt so groß wie bei anderen Menschen, und sie lagen in glatten Höhlen ohne Lider.
Rosy Coliflower versuchte, damit fertig zu werden, ohne zu schreien, aber das Schicksal war schon dabei, sie noch stärker zu beuteln.
Der Fremde begnügte sich nicht damit, vor der Petersilie stehen zu bleiben. Er sah sich verstohlen nach allen Seiten um. Als er die Straße leer fand - Rosy saß in der Ecktür und zog rechtzeitig dien Kopf zurück -, griff er zu und stopfte sich ein Bündel Petersilie in den Mund. Er kaute und schluckte, dann holte er sich eine ganze Handvoll Petersilie heraus und stopfte sie in seinen Babymund hinein, so schnell es nur ging.
Rosy vergaß fast, zu atmen. Was sie beobachtete, ging weit über ihre Hutschnur und ihre Erfahrung hinaus. Ein Petersilienfresser!
Es kam noch schlimmer. Jetzt griff der Fremde in den Spankorb mit den jungen Champignons hinein. Er brachte eine Handvoll heraus und stopfte sie sich ebenfalls in den Mund. Die Champignons waren nicht einmal gewaschen, aber sie schienen ihm trotzdem zu schmecken, denn er griff zum zweiten Mal zu.
Das war zuviel. Petersilie kostete nicht viel, aber junge Champignons waren in dieser Jahreszeit eine seltene und teure Delikatesse. Zwei Dollar das Pfund! Und dieser eulenäugige Eierteigmann stopfte sie einfach in sich hinein!
Rosy stieß einen unartikulierten Laut berechtigter Empörung heraus und stand auf.
Der Fremde bemerkte sie und erschrak.
Im nächsten Augenblick nahm er den Champignonkorb beim Henkel, hob ihn aus der Stellage heraus und lief mit ihm davon, die Graham-Street hinunter. Bei seinen wabbelnden Bewegungen sah das aus, als hätte ein Pudding Füße bekommen.
Rosy Coliflower schrie hinter ihm her. Anfänglich reichte es nur zu Alarmrufen, aber dann fielen ihr nacheinander sämtliche Schimpfworte ein, die sich im Laufe der letzten dreißig Jahre in ihr angesammelt hatten.
Die drei Männer, die zufällig die Graham-Street heraufkamen, begriffen jedenfalls und stellten sich dem Champignondieb in den Weg. Und nun geschah etwas, was selbst Rosy die Sprache verschlug.
Der Fremde sprang über die Männer hinweg. Er segelte mit dem Korb in der Hand über ihre Köpfe, ohne sich anzustrengen, kam auf der anderen Seite wieder herunter wie ein weicher Ball, federte wieder schräg nach oben und brachte die nächsten zwanzig Meter mit einem weichen Rekordsprung hinter sich, federte wieder weg und verschwand an der nächsten Straßenecke.
Einschließlich Champignonkorb!
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Miss Turplewithe ließ sich nicht umwerfen.
Sie war Lehrerin mit mehr als zwanzigjähriger Berufserfahrung und hatte bereits ausgiebig alles genossen, was sich Kinder an Umwerfendem ausdenken konnten. Sie war nicht so leicht zu beeindrucken, am wenigsten von einem Mann, obgleich es auch in ihrem Leben eine Zeit gegeben hatte, in der sie sich gern von einem Mann hätte beeindrucken lassen. Leider hatte sich niemand bemüht.
Sie sah den kleinen Mann, dessen Hosen merkwürdigerweise über die Schuhe gerutscht waren, mit einem Spankorb in der Hand auf sich zukommen. Sie hatte dabei den sonderbaren Eindruck, dass er etwas schräg von oben auf sie zukam, als wäre er aus einem Parterrefenster herausgesprungen. Genaues konnte sie nicht sagen, weil sie stark kurzsichtig war, aber ihre Brille in der Handtasche trug.
Jedenfalls sah sie ihn auf sich zukommen, und dann prallte er bereits gegen sie und hielt sich an ihr fest. Die jungen Champignons klatschten wie Wattepfropfen gegen sie an, ohne dass sie sagen konnte, um was es sich handelte. Was bedeuteten auch junge Champignons gegen die Tatsache, dass sie auf offener Straße von einem Mann umarmt wurde? Sie empfand nichts von den seligen Schauern, die angeblich weibliche Körper unter männlichen Händen überlaufen sollten, sondern ausschließlich Empörung und Erbitterung. Diese Umarmung auf offener Straße konnte sie um ihren guten Ruf bringen und ihre Autorität bei den Kindern beeinträchtigen.
Sie reagierte, wie nur ein wahrhaft keusches Gemüt zu reagieren vermag, dem nicht unbekannt geblieben ist, worauf die bösen Buben aus sind.
Sie stieß den Fremden mit der linken Hand zurück, hob die rechte Hand mit dem Stockschirm und schlug zu.
Ein Schlag genügte. Er traf den weichen Hut des Fremden und schleuderte ihn in die Gosse.
Dann stand die Welt still und hielt den Atem an.
Miss Turplewithe ebenfalls.
Der Kopf des Fremden war jetzt keinen Meter von ihr entfernt. Selbst ihre kurzsichtigen Augen sahen ihn deutlich. Sie registrierten den sonderbaren Hautton, den schmollenden Babymund und die riesigen lidfreien Eulenaugen. Was aber hatte das schon zu besagen gegenüber dem, was Miss Turplewithe sonst noch sah?
Oder richtiger: Was sie nicht sah!
Der Mann hatte keinen Skalp.
Sein Kopf hörte ungefähr dort auf, wo bei anderen Leuten das Haar beginnt. Die Stirn war noch vorhanden, ebenso auffallend kleine Ohren, aber über ihnen befand sich nichts mehr. Von der Stirn bis in den Nacken lief scharfkantig ein schmales metallisches Band, mit dem der Kopf aufhörte.
Die Schädeldecke fehlte!
Das reichte, um Miss Turplewithe den Atem zu versetzen. Sie war sicher, dass sie nur deshalb nicht tot umfiel, weil sie einen niedrigen Blutdruck besaß. Er brachte ihr zwar gelegentlich kalte Füße ein, aber sie fand in dieser Minute kalte Füße erträglicher als einen Schlaganfall.
Sie hatte ihren Kelch noch nicht bis zur Neige ausgetrunken.
Der Mann ohne Schädeldecke gab einen undefinierbaren Laut von sich, bückte sich und holte den Hut aus der Gosse. Er zerrte aus dem Hut etwas heraus und setzte es auf seinen Kopf.
Die Schädeldecke!
Er bewegte sie etwas hin und her, als müsste er sie richtig einpassen, und dann präsentierte er sich mit einem vollständigen Kopf, der allerdings völlig haarlos war und von dem schmalen metallischen Reif eingefasst wurde.
Miss Turplewithe begriff durchaus, dass sie dem Fremden mit ihrem Regenschirm nicht nur den Hut, sondern auch die Schädeldecke heruntergeschlagen hatte, und dass er sich die Schädeldecke aus dem Hut herausgeholt und sich wieder aufgesetzt hatte, aber damit war auch ihre Grenze erreicht.
Sie schrie gellend auf, rutschte zusammen und legte sich auf die Straße, selbstverständlich unter voller Beachtung der Schicklichkeit, die man von einer Amerikanerin und erst recht von einer Lehrerin erwarten kann.
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Der FD 96 der Canadian Railways heulte wie ein getretenes Urwelttier mit seiner Dampfpfeife in die Nacht hinein, während er in rasender Fahrt wie eine lichtgesprenkelte Schlange durch die Nacht glitt und Block 17 passierte.
Lang - kurz - lang!
John Madwig, der Blockwärter von Block 17, streckte sich aufmerksam, als er das Signal hörte. Es bedeutete, dass irgendetwas auf der Strecke nicht in Ordnung war. Irgendetwas zwischen Block 16 und 17 war dem Lokführer aufgefallen, nichts Gefährliches, was den Betrieb ernsthaft störte, aber doch etwas, das eine Kontrolle verlangte.
Nachdem der letzte Wagen an John Madwig vorbei war, gab er den Block frei und rief dann Charly Treeves an. Er holte ihn aus dem Schlaf, aber Charly Treeves war nun einmal der zuständige Streckenwärter, der für die dreißig Kilometer seines Abschnitts verantwortlich war.
Charly fand das denn auch ganz in Ordnung. Er brummte herum, versprach aber, sich schnellstens in seine Draisine zu setzen und die Strecke abzufahren.
John Madwig sah ihn eine knappe halbe Stunde später an Block 17 vorbeifahren. Sie winkten sich kurz zu. Der Motor der Draisine spuckte und zischte wie gewöhnlich wie eine wütende alte Frau ohne Zähne.
Die Stunde war günstig. Die Strecke blieb fast zwei Stunden frei, bevor der erste Morgenzug durchkam. Charly Treeves hatte genügend Zeit, nach dem Rechten zu sehen, ganz abgesehen davon, dass er den Fahrplan kannte und seine Draisine jederzeit vom Gleis kippen konnte.
Trotzdem sperrte John Madwig selbstverständlich den Block, wie es Vorschrift war, und verständigte Block 16.
Eine Stunde verging.
Der Streckenwärter kam nicht zurück.
John Madwig wurde unruhig. Er rief Block 16 an. Dort hatte sich Charly Treeves auch nicht gemeldet.
Noch eine halbe Stunde.
Nichts von Charly!
Die Sekunden klickten an der elektrischen Dienstuhr. Die Minuten verstrichen. John Madwig fühlte sich immer unbehaglicher. Der Eilgüterzug mit seinen hundert Achsen oder mehr rollte unaufhaltsam näher.
Block 16 rief an. Kollege Brickles schwitzte erst recht. Er hatte den E 17 noch dichter auf dem Nacken. Man stoppt nicht ohne Not einen schwer beladenen Hundertachser. Das macht die Lokführer sauer und wichtigere Leute über ihnen erst recht.
Was ist mit Charly? Treibt er sich immer noch im Block herum? Holt ihn heraus, verdammt noch mal! Warum meldet er sich nicht? Schließlich hat er sogar Streckentelefon auf halber Blocklänge.
John Madwig kannte sich auch nicht aus. Er durfte seinen Block so wenig verlassen wie Kollege Brickles. Aber er durfte auch nicht einfach dasitzen und die Daumen drehen.
Er holte seinen Jungen aus dem Bett. Harry war erst vierzehn Jahre alt, zählte aber schon. Er hatte genug im Kopf und in den Beinen.
Harry war denn auch nicht böse. Für ihn war es ein Abenteuer, im ersten Morgengrauen die Strecke abzulaufen. Sieben Kilometer zwischen den Blöcken, und wahrscheinlich hing Charly irgendwo auf halber Strecke. Vielleicht hatte er sich etwas gebrochen oder sonst einen Unfall gehabt.
Harry lief los. nachdem ihm seine Mutter noch schnell ein Brot in die Hand gedrückt hatte.
John Madwig telefonierte inzwischen bereits mit der Betriebsleitung. Der Betriebsassistent vom Nachtdienst versprach, alles Nötige zu veranlassen. Viel war das nicht. Die Strecke lag nicht in Europa oder in den Industriegebieten der Staaten. Sie führte durch, weites, ziemlich leeres Land. Der nächste Bahnhof lag gut zwanzig Kilometer von dem einsamen Häuschen entfernt, in dem John Madwig mit seiner Familie wohnte, und der Bahnhof gehörte zu einem Ort, den nur ganz Verwegene als Kleinstadt bezeichneten.
Sie konnten nicht einmal eine Lokomotive losschicken. Wenn sie wirklich eine frei hatten, musste sie erst unter Dampf gebracht werden, und das dauerte seine Zeit. Sie hatten nur die Wahl zwischen einer Draisine oder einem Auto plus längerem Fußmarsch. Wahrscheinlich entschieden sie sich für die Draisine, aber diese würde auch nicht von allein losfahren, sondern abwarten, bis ein paar zuständige Leute aus dem Schlaf geholt worden waren.
Und E 17 rollte schon eifrig auf Block 16 zu, und gleich hinter ihm kam der übliche Frühverkehr. Schönes Durcheinander, wenn die Strecke blockiert blieb!
Das Telefon rasselte.
Harry am Streckentelefon. Der Junge musste die ganze Strecke im Dauerlauf zurückgelegt haben.
Seine Stimme klang dick und heiser, als hätte er einen Kloß in der Kehle, aber er wusste, was er sagte. Er wusste sogar, worauf es ankam. Schließlich war er im Block geboren und groß geworden.
»Ich habe die Draisine gefunden, Dad«, sagte er. »Ich habe sie aus dem Gleis gekippt. Die Strecke ist frei, soweit ich sehen kann. Gib Onkel Brickles Bescheid, er soll dem Lokführer von E 17 einen schriftlichen Fahrbefehl geben und ihn langsam in den Block einfahren lassen. Und vergiss nicht, die Fahrdienstleitung aus der Strecke zu werfen, falls jemand mit der Draisine kommt.«
»Gut, Harry«, antwortete John Madwig und hatte dabei ebenfalls einen Kloß in der Kehle, weil er stolz auf seinen Jungen war. »Erinnere mich gelegentlich daran, dass du bei mir etwas gut hast. Was ist mit Treeves?«
»Ich habe ihn noch nicht gefunden, Dad, aber dafür etwas anderes. Der FD 96 hat jemand überfahren.«
»Was?«
»Doch. Er - nun, er sieht nicht gut aus. Und es ist etwas Verrücktes dabei. Er hat bloß einen halben Kopf, und bestimmt nicht vom Überfahren. Und der Kopf ist leer.«
»Harry!«
»Doch, Dad«, würgte der Junge. »Aber du musst jetzt erst Onkel Brickles Bescheid geben. Ich bleibe hier. Rufe mich dann an, wenn du wieder frei bist.«
»Gut, Harry. Und was immer auch ist - halte den Nacken steif!«
»Sicher, Dad!«
Harry Madwig hielt den Nacken steif, aber er brauchte seinen ganzen Stolz dazu. So leicht war es nicht, im Morgengrauen allein zwischen Streckentelefon und Gleisschotter zu stehen, als ob es sonst keine Menschenseele auf der Welt gäbe, in Sichtweite eine umgekippte Draisine und einen Unbekannten, dessen Skalp fehlte und dessen Denkapparat nicht vorhanden war, als wäre er kunstvoll herausoperiert worden.
Nein, so leicht war das nicht.
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Es war nicht einmal für Dr. Cullen leicht, den Bezirksarzt, der zwei Stunden später neben dem Überfahrenen kniete, während sich um ihn herum Männer der Betriebsleitung und der Polizei bewegten, während gemessen, fotografiert und debattiert wurde.
Er blickte fasziniert auf den Kopf des Toten. Die Hälfte fehlte. Und dafür war keinesfalls der Unfall verantwortlich.
Die Schädeldecke war sauber und mit unverkennbarer Exaktheit weggeschnitten worden, als ob sie eine moderne Turbofräse dazu verwendet hätten. Der Schnitt durch das dünne Knochengehäuse wies weder Unregelmäßigkeiten noch Unebenheiten auf.