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19 Autoren und 20 Geschichten über Regeln, die beim ­Verkehr gelten oder gelten sollten. Und um welche Art von Verkehr es sich hier handelt? Raten Sie doch einfach einmal :-)


Amüsieren Sie sich bei den Einsatzregeln mit Alien, bei Missverständnissen der Partnerwahl oder dem Verkehr der Autos.


Sie mögen es lieber ehrlich-humorvoll? Dann sind sicherlich die Anekdoten über Essen vor dem Sex, die Quickie-Tipps für junge Eltern oder MILF-Gedanken etwas für Sie.


Aber auch verlockende Geschichten von Anfängern, Fortgeschrittenen und Experten können hier ihren Reiz entfalten, Stories von Seitensprügen, aufkeimenden Lieben und Pudding-Orgien.


Und wer behauptet eigentlich, dass Polizisten, Juristen, Richter oder Fahranfänger einen harmlosen »Job« haben. Manchmal braucht es eben richtig schlechten Sex, ein SM-Safeword, einen Apfel oder einen Gay-Engel.

Verkehrsregeln

Erotik ist, wenn man trotzdem lacht

eine Anthologie

Print; 1. Auflage: August 2020

eBook; 1. Auflage: August 2020

VOLLSTÄNDIGE AUSGABE

ORIGINALAUSGABE

© 2020 BY ELYSION BOOKS GMBH, LEIPZIG

ALL RIGHTS RESERVED

UMSCHLAGGESTALTUNG: Ulrike Kleinert

www.dreamaddiction.de

LAYOUT &WERKSATZ: Hanspeter Ludwig

www.imaginary-world.de

ISBN (gedrucktes Buch) 978-3-96000-136-2

www.Elysion-Books.com

Vorwort



Als ich mich entschloss, ein Buch über »Verkehrsregeln« herauszugeben, war ich neunzehn Jahre alt und arbeitete in einer Kneipe. So einer richtigen Kaschemme.

Ich habe sie heiß und innig geliebt – genau wie alle Gäste. Selbst die Irren. Die ergeben schließlich die besten Geschichten.

Allerdings sollten noch einige Jahre ins Land gehen, bevor ich endlich dieses Projekt ins Leben entließ und begann, Geschichten zu sammeln. Und was soll ich sagen? Andere Leute haben ebenfalls ein aufregendes Leben – oder eine blühende Fantasie. Und so wurde aus einer lustigen Idee eine tolle Geschichtensammlung mit Anregungen, Aufregungen und humorvollen Anekdoten. Und während ich mit meinen zehn Regeln relativ harmlos geblieben bin, gingen einige der Autor/innen in spannende Details, beleuchteten Juristen, Polizisten oder Richter, ergötzten sich an Fahranfängern, Erotikneulingen oder den hereingelegten Profis ebenso wie an Tipps und Tricks rund um die schönste Sache der Welt. Denn mal sind es fehlende Regeln (oder ihre Einhaltung), mal Missverständnisse oder Unsicherheiten, die uns wünschen lassen, wir hätten uns für »richtig schlechten Sex« entschieden, statt dem Hollywoodklischee vom »lebensveränderndem Sex« hinterherzulaufen, fremdzugehen oder uns in Wunschvorstellungen hineinzusteigern.

Zu meiner Überraschung gab es aber auch Exkurse in entfernte Regionen und zu fantastischen Gedankenspielen. Beide waren so gut, dass auch sie ihren Platz hier fanden. Es kommt nicht von ungefähr, dass ausgerechnet die beiden Phantastikstories die »echten« Geschichten einrahmen.

Denn wenn eine Geschichte die Universalität von Sexregeln am besten darstellt, so ist es ganz sicher »Einsatzregeln«, die interkulturelle aber auch intergalaktische Missverständnisse glänzend beleuchtet. Und während der »Gayengel« ganz absichtlich einen warmen Platz in der Mitte gefunden hat, schließt »Automobilsex« das Thema ab.

Und nun folgt uns in unsere Phantasie und unsere Erlebnisse, liebt und lacht mit uns.


Eure Jennifer Schreiner

Einsatzregeln



Gregor Eder

Erster Akt



Es gab zwei Dinge, die man als Junioroffizier schnell erlernte, sobald man in das tiefe Wasser jenseits der sicheren Akademie geworfen wurde. Erstens war es überaus wichtig, allem und jedem wachsam zu lauschen und so viel wie möglich dabei zu lernen, ohne unangenehm aufzufallen. Erregte man nämlich die Aufmerksamkeit eines Vorgesetzten, hatte das immer den zweiten Punkt zur Folge. Entweder baute man großen Mist oder tat sich durch irgendetwas hervor, das Resultat blieb in beidem Fällen dasselbe. Man bekam mehr Arbeit aufgebrummt, um sich zu verbessern oder weil man bewiesen hatte, dass man bereit dafür war.

Allerdings hätte Lieutenant Alexander Harrington beim besten Willen nicht sagen können, was ihn dazu befähigte, für diese besondere Aufgabe ausgewählt worden zu sein. Schon als ihn Captain Hernandez in ihr Büro an Bord der Black Widow bat, hatte den jungen Mann eine böse Vorahnung befallen. Als ihn dann nicht nur seine eigene Kommandantin, sondern auch noch zwei weitere Senioroffiziere erwarteten, war die Ahnung zur Gewissheit geworden. Alle drei trugen sie die gleiche nachtschwarze Uniform wie Alexander, doch ihre Rangabzeichen glichen eher denen des Captains und wiesen sie dementsprechend als Schiffsführer aus.

»Lieutenant Harrington, das sind Captain Vargas von der Silver Whip und Commander Chen von der Mata Hari. Während unseres Gespräches sah ich mich in der Lage, ihnen von ihrem Vorfall auf Ursa Minor Gamma zu berichten«, begann Hernandez, die sich mit den beiden anderen in der kleinen Sitzgruppe neben ihrem Schreibtisch niedergelassen hatte. »Dabei kamen wir überein, dass es nicht schaden könnte, eine solche Komplikation in Zukunft zu vermeiden.«

Nur zu genau erinnerte sich der Lieutenant an seinen damaligen Zusammenstoß mit den Gesetzesvertretern dieser Welt, lag der besagte Vorfall doch keine drei Monate zurück. Zu der Zeit war er mit einer Kameradin auf Landurlaub gewesen und durch mangelnde Informationen hatte er etwas getan, was an den meisten Orten als sexy Spielerei gewertet worden wäre. Jedoch sahen das die Regeln auf entsprechendemdem Planeten anders. Nur dank einer besonderen Interaktion mit der damaligen Beamtin hatte er diese davon überzeugen können, keine Straftat begangen zu haben. Allerdings war das mehr unwahrscheinliches Glück gewesen, als ernsthafte Begabung und natürlich nicht in den offiziellen Akten vermerkt worden.

»Das wäre sicherlich sinnvoll Ma`am«, erwiderte Alexander nun, während ihn eine dunkle Ahnung über den weiteren Verlauf des Gesprächs überkam. »Eine genauere Einweisung an das Personal könnte ein Anfang sein.«

»Commander Fedorovich kümmert sich bereits darum«, versicherte ihm Hernandez, bevor sie sich lächelnd zurücklehnte. »Doch abgesehen von den Bemühungen der XO dachte ich daran, weitere Schritte zu ergreifen. Eine entsprechende Schulung sollte sicherlich hilfreich sein.«

»Und wäre wohl besser dafür geeignet als jemand, dem es durch sein diplomatisches Geschick gelungen ist, einen Zwischenfall mit möglicherweise interstellaren Auswirkungen zu entschärfen«, Captain Vargas hatte den Ruf eines begabten Redners sowie Taktikers und machte keinen Hehl daraus, dass ihm der Lieutenant bereits ins Netz gegangen war. »Mit anderen Worten sollen Sie einen kleinen Kurs für die Junioroffiziere an Bord unserer Schiffe leiten Mr. Harrington. Natürlich nur für einige Spezialisten und um Autoritätsproblemen vorzubeugen, werden Sie rangmäßig über diesen stehen.«

Es gab eine Menge Dinge, die Alexander nun gerne darauf erwidert hätte. Leider war er in dem Fall derjenige, mit dem niedrigsten Rang im Raum und daher ließ ihm die derzeitige Situation nicht viele Möglichkeiten. Mit anderen Worten gab es im Moment eigentlich nur eine richtige Antwort auf den Vorschlag.

»Natürlich, Sir«, kam es ihm über die Lippen, während er sich fragte, ob er dieser Lage noch irgendetwas positives abgewinnen konnte.

»Sehr gut, das nenne ich Sportsgeist«, grinsend erhob sich nun Chen um zur Türe des Büros zu schreiten. »Keine Sorge Lieutenant, wir schicken Sie nicht ohne Unterstützung ins Gefecht.«

Damit betätigte der Commander den Türöffner und im nächsten Moment betrat ein weiterer Lieutenant den Raum. Sie war einen halben Kopf kleiner als Alexander und ihre Uniform bildete einen markanten Kontrast zu ihrer schneeweißen Haut. Ihre kurzen Haare besaßen die gleiche Farbe, wenn deren Spitzen auch von einem fahlen Eisblau gekennzeichnet waren. Nur ihre Augen schienen dem monochromen Muster entsagen zu wollen und glitzerten in einer Mischung aus Gold mit smaragdgrünen Sprenkeln darin.

»Lieutenant Tara ist meine Kommunikationsoffizierin und kann auf ähnliche Erfahrungen wie Sie zurückblicken«, begann Chen zu erklären. »Ich bin sicher, sie beide werden sich der Aufgabe auf angemessener Art und Weise annehmen.«

»Ja, Sir«, kam die doppelte Antwort von den jüngeren Offizieren, während diese sich gegenseitig musterten.

Dabei entschied Alexander, dass er zumindest an einem Aspekt der ganzen Sache Gefallen finden könnte, sofern Tara mehr als nur ein angenehmes Äußeres besaß. Im Moment wirkte sie trotz der recht steifen Situation auf jeden Fall alles andere als angespannt. Allerdings würde sich wohl erst zeigen, wie gut sie miteinander auskamen, wenn es ernst wurde. Immerhin war ihnen von der höheren Macht ihrer Vorgesetzten eine ordentliche Herausforderung auferlegt worden.



Zweiter Akt

Die drei Schiffe hatten an einer der größeren Handelsstationen angedockt, die neben Flottenbesatzung auch ziviler Bewohner wie unzählige Reisende beherbergte. Dementsprechend entspannt konnte ein Besuch auf ihr sein, sofern man nicht gerade durch wichtige Pflichten davon abgehalten wurde, sich freudigeren Dingen hinzugeben. Doch selbst in diesem Fall standen umfangreiche Räumlichkeiten zur Verfügung. Darunter mehrere Konferenzräume, Fitnesscenter sowie Kursräume. Einer der Letzteren war im Laufe des vorangegangenen Tages von zwei Lieutenants in Beschlag genommen und vorbereitet worden.

Dabei hatten sich Tara und Alexander nicht nur besser kennen gelernt, sondern entsprechende Strategien besprochen, um die vor ihnen liegende Aufgabe anzupacken. Durch ihre Zusammenarbeit hatte sich gezeigt, dass sie nicht nur gedanklich auf einer Wellenlänger lagen, sondern sich auch bei der Findung von Lösungen ergänzten. In jedem Fall waren beide übereingekommen, dass sie es weitaus schlimmer hätten treffen können, was den Partner bei dieser Mission anging. Nicht zuletzt, da ihnen sicherlich ein paar Hürden bevorstanden.

Selbst die klügsten Junioroffiziere offenbarten schließlich ihre Momente von Größenwahn und soweit über ihnen standen die beiden dann noch nicht, um die Allmacht der Autorität jenseits der Regularien in Anspruch nehmen zu dürfen. Ihr einziger Vorteil bestand darin, dass sowohl Tara als auch Alexander bereits ihre Probleme im sexuellen Umgang mit anderen Rassen gehabt hatten und die jeweilige Situation meistern mussten. Nach ihren Vorgesetzten brauchte es nicht mehr, um die Kursteilnehmen entsprechend anzuleiten.



Mit diesem eher mäßig erfreulichen Gedanken betraten die beiden Lieutenants den Kursraum, um sich im nächsten Moment einer Gruppe, im Gespräch vertiefter, Junioroffiziere gegenüber zu sehen. Es gab hier neun Lieutenant Junior Grades, fast ein Dutzend Ensings und im Sinne produktiver Erniedrigung auch vier Kadetten. Die Geschlechter waren gleichermaßen vertreten und zum großen Teil menschlicher Natur. Alle hatten an den vorhandene Pulten Platz genommen und schienen zumindest auf den ersten Blick bestrebt, die Sache hinter sich bringen zu wollen. Auch wenn sie sich trotz der Anwesenheit ihrer unfreiwilligen Lehrer noch ausgiebig miteinander unterhielten, als ob sie Schüler wären anstatt ausgebildeter Flottenoffiziere.

Alexander wartete eine Weile, doch schließlich wandte er sich an seine Begleiterin: »Darf ich bitten?«

Lächelnd holte die Angesprochene Luft und ließ dann einen Schrei los, dessen Schallwelle spürbar durch den Raum fegte, um den Lärm nicht nur zu übertönen, sondern regelrecht zu verschlucken. Im nächsten Moment kehrte eine fast schon gespenstische Ruhe ein, während sich die versammelten Junioroffiziere deutlich gesitteter den beiden Neuankömmlingen zuwandten.

Als Alexander sich bei ihr bedankte, erntete er ein leichtes Lächeln von Tara: »Nicht der Rede wert.«

»Ich bin Lieutenant Harrington und das ist Lieutenant Tara», wandte er sich dann an die Anwesenden. »Für diejenigen unter Ihnen, die es bisher nicht gewusst haben, sei erklärt, dass Taras Volk ein überaus eindrucksvolles Stimmvolumen besitzt. Stark genug, um Schaden anzurichten. Sollten Sie also jemals mit einem Mitglied ihrer Rasse ins Bett steigen, tragen sie besser Ohrenschützer.«

Dem humorvollen Einstieg gelang es, die entstanden Anspannung etwas abzubauen und der eine oder andere ließ sich sogar zu einem kurzen Lachen hinreißen. Bevor jemand jedoch zu alter Größe zurückfinden konnte, was störendes Verhalten anging, fuhr Alexander fort.

»Allerdings sind wir nicht hier, um mit ihnen über medizinische Besonderheiten zu sprechen, was Interspeziesbeziehungen angeht. Dafür ist ihr Schiffsarzt zuständig und wird sie sicherlich ausgiebig darüber informieren«, setzte er nach. »Hier soll es um die sozialen Regeln und Schwierigkeiten gehen, die Ihnen beim Besuch anderer Planeten bevorstehen. Oder bei der Begegnung mit Wesen, die nicht ihrer eigenen Spezies und sozialem Gesellschaftssystem angehören. Manche Dinge gelten aufbestimmten Welten als illegal oder ziehen unvorhergesehene Konsequenzen nach sich.«

»Wie die Dinge, auf die Sie gerüchtehalber stehen sollen?«, meldete sich in diesem Moment ein vorwitziger Lieutenant Junior Grade zu Wort. »Vermutlich kommen wir daher besser zurecht als Sie, Sir.«

Das breite Grinsen passte perfekt zu seinem modischen Haarschnitt und er wirkte nicht nur so, als sei er der Anführer der kleinen Gruppe aus Ggleichgesinnten, die sich um ihn herum versammelt hatte. Offensichtlich hatten sie da jemanden, der ganz genau wusste, wie der Hase lief und meinte, dass niemand ihm mehr etwas beibringen brauchte.

»Aye, auch BDSM ist nicht überall legal oder bekannt«, stellte sich Alexander ihm jedoch mit direkter Offenheit entgegen. »Aber vielleicht sollte ich lieber Fragen, auf was Sie so stehen? Immerhin können wir doch am besten an Alltagsbeispielen zeigen, wo es zu Problemen kommen kann.«

»Worauf ich stehe?«, sein Grinsen schien noch breiter zu werden, als sich der Angesprochene provokant zurücklehnte. »Nun, ich habe schon immer mal gehofft, Schwestern verführen zu dürfen.«

»Ein interessanter Gedanke und sicherlich äußerst anregend», erwiderte der Lieutenant, bevor er sich an Tara wandte. »Ich glaube, Sie haben mir doch von den Gepflogenheiten auf Gallhayden erzählt, wenn ich mich recht entsinne?«

»In der Tat«, übernahm die Angesprochene, bevor sie auf den jüngeren Offizier zuschritt. »Sollten Sie jemals dorthin kommen, dürfte ihr Traum in Erfüllung gehen. Die Schwestern einer Familie teilen dort nämlich alles. Und in der Gesellschaft von Gallhayden sind Teile der Familie nicht immer miteinander verwandt, mit anderen Worten fallen Bedanken wie Inzest gänzlich weg.«

»Das klingt wirklich nach einem Traumplanet«, stimmte ihr der Lieutenant Junior Grade lachend zu. »Wie komme ich dorthin?«

»Bevor Sie sich in anregenden Fantasien ergehen, sollte ich Sie vielleicht noch über eine Besonderheit aufklären», fuhr Tara fort, als sie vor ihm zu stehen kam. »Wenn eine Frau dort etwas bekommt, dann sollen es alle ihre Schwestern auch haben. Es wird fair geteilt, bis jede von ihnen den gleichen Anteil erhalten hat. Mit anderen Worten schlafen sie mit einer, müssen sie auch mit allen anderen schlafen. Im besten Fall heißt das ein Dutzend, im schlimmsten Fall können das bis zu fünfzig Frauen sein.«

»Je mehr desto besser«, auch wenn sich ein nervöser Unterton in seine Stimme geschlichen hatte, zeigte ihr Gegenüber noch immer das gleiche überhebliche Grinsen, dass der unwissenden Jugend zu eigen war.

»Ich bin sicher, dass Sie das jetzt so sehen. Aber sollten Sie nur eine davon befriedigen, wird von Ihnen verlangt, dass Sie alle befriedigen. Und die Frauen auf diesem Planeten sind in der Hinsicht nicht sehr nachsichtig. Sollten Sie also keine entsprechende Leistung bringen«, mit einem zuckersüßen Lächeln hob Tara die Rechte und simulierte mit Zeige- und Mittelfinger eine zuschnappende Schere. »Jede bekommt den gleichen Anteil, aber sollte nicht genug davon zur Verfügung stehen, wird niemand ausgeschlossen und das Objekt der Begierde lieber zerstört. Ich glaube, früher nannte man so etwas Kommunismus. In jedem Fall ein überaus faires System.«

Als sie sich von dem plötzlich sehr stumm gewordenen Junioroffizier abwandte, musste Alexander an sich halten, um nicht breit zu grinsen. Stattdessen hob er die Hand und verbarg den Anflug von Humor in einem lauten Räuspern.

»Nun gut, bevor wir uns weiter in den Konsequenzen unserer Wunschvorstellungen ergehen, sollten wir vielleicht darüber sprechen, wie sich diese vermeiden lassen», übernahm er wieder das Wort. »Beginnen wir damit, dass wir uns ein paar der Regeln anschauen, die Ihnen im Laufe ihrer Reisen begegnen können. Fangen wir gleich bei Ursa Minor Gamma an, wo …«



Dritter Akt

Einer der vielen Vorzüge der Station zeigte sich darin, dass sie eine großzügige Promenade beherbergte. Hier fand ein hungriger Gast alle Arten von Gaststätten. Der ideale Ort, um während einer Arbeitspause irgendwo einzukehren und sich bei einem guten Essen zu unterhalten. Auch die beiden Lieutenants nutzten die Chance und fanden einen Tisch in einem der kleineren Lokale. Die hier angebotenen Speisen stellten nicht nur eine bunte Mischung von verschiedenen Planeten dar, sondern waren preiswert genug für ihren Sold. Die etwas abgeschiedene Lage sorgte zudem dafür, dass sie nicht gestört wurden.

»So wie ich das sehe, haben wir schon ein paar Fortschritte erzielt. In jedem Fall scheinen die Kadetten und Ensigns gut aufgepasst zu haben«, begann Alexander, als er seine Gabel ablegte, um nach dem Glas mit dem orginal vedranischen Cider zu greifen. »Bei den anderen bin ich mir nicht sicher, da gibt es ein paar Härtefälle. Vor allem in der Gruppe von diesem Lieutenant … wie war noch mal sein Name?«

»Lieutenant Junior Grade Paulo Trump. Einer von Captain Vargas Adelssprösslingen. Vermutlich hat man ihn seit der Geburt den Hintern abgeputzt und nun ist ihm die Nobilität zu Kopf gestiegen«, während sie nach ihrem eigenen Glas griff, verdrehte Tara übertrieben die Augen, bevor sie auflachte.

Unwillkürlich musste Alexander darin einstimmen, wobei er es gerade noch schaffte, sein Getränk nicht prustend über den halben Tisch zu verteilen. Daraufhin schenkte er ihr einen warnenden Blick, der nicht ganz ernst gemeint war.

»Zumindest scheint ihm Ihre Vorstellung einen Dämpfer verpasst zu haben. Hoffentlich lernt er etwas daraus, ich hätte es in jedem Fall«, grinsend schüttelte er den Kopf. »Welcher Mann will schon riskieren, seine edelsten Teile zu verlieren, nur weil er nicht genug Ausdauer besitzt.«

»Ich bin sicher, bei seinem Geld könnte er sich kybernetischen Ersatz besorgen. Vielleicht kommt ihm Nachzüchten sogar billiger, bei der geringen Größe«, diesmal war Alexander gefasst, auch wenn sie bei seinem Gesichtsausdruck erneut lachen musste.

»Hoffentlich haben Sie Recht und die Bande passt wirklich auf. Denn es kann ihnen noch weit Schlimmeres passieren als das», fuhr sie fort. »Ich kenne da einen Planeten, da gleichen die Frauen Ihren Gottesanbeterinnen auf der Erde. Da kommt es nicht darauf an, wie gut der Mann abschneidet, sobald die Liebesnacht vorüber ist, wird gegessen.«

Für einen langen Moment war er sprachlos, bevor er sich wieder fasste und ein leichtes Lächeln seine Lippen teilte. Weniger wegen dem, worüber sie gerade sprachen, sondern allein der Tatsache geschuldet, dass sie hier gemütlich zusammensitzen und darüber reden konnten. Irgendwie schien sich sein Wunsch bezüglich dieses Auftrages erfüllt, denn hätte man ihn nicht dafür abkommandiert, wäre er Tara wohl niemals begegnet.

»Ach ist da so?«, immer noch lächelnd beugte er sich vor. »Und auf welchem Planeten genau befinden sich diese Frauen? Nur um sicherzugehen, dass unsere braven Studenten davor gewarnt werden, sollten sie sich dahin verirren.«

»Das ist wirklich kein Geheimnis«, begann Tara zu erwidern, als sie sich ebenfalls vorbeugte. »Der Planet ist…«

Bevor sie dazu kam, den Satz zu beenden, meldeten sich die Kommunikatoren der beiden mit dem nervenden Signalton einer dringenden Nachricht. Einen Augenblick lang verharrten sie regungslos, doch dann setzte das Training ein und jeder wandte sich halb ab, um das Gerät aus der Tasche zu fischen und nachzusehen, wer etwas von ihnen wollte.

Wie sich rasche zeigte, hatten beide dieselbe Meldung bekommen, und zwar vom Sicherheitschef der Station. Offenbar war es einem der Junioroffiziere aus ihrem Kurs gelungen, sich in Schwierigkeiten zu bringen und da sie derzeit für ihn verantwortlich waren, wandte man sich nun an die Lieutenants. In der Hoffnung, dass sie das Problem lösen konnten.



Vierter Akt

Das Sicherheitsbüro der Station war fast genauso, wie man sich einen solchen Raum vorstellte. Mit der Ausnahme, dass der Eingangsbereich mehr wie das Sekretariat einer Firma wirkte und weniger wie der Sitz der örtlichen Aufpasser. Hinter einem halbrunden Schreibtisch erwartete die beiden Lieutenants eine Frau, die auf den ersten Blick wie eine Empfangsdame aussah, wäre da nicht ihre Uniform gewesen. Sie schenkte den Neuankömmlingen ein perfekt neutrales Lächeln, während sie nach dessen Wünschen fragte. Eine kurze Erklärung später vertiefte sie sich bereits in ihr Computerterminal.

»Ahja, ich sehe hier, um wen es geht«, erwiderte sie dann. »Lieutenant Junior Grade Paulo Trump befindet sich derzeit in unserer Obhut. Laut den Kontaktdaten sollten wir uns an seine Ausbildungsoffiziere wenden.«

»Das sind wir«, bestätigte Alexander, während er sich innerlich bereits auf das Schlimmste vorbereitete. »Was wird ihm vorgeworfen Ma`am?«

Offenbar brauchte die Sicherheitswächterin keinen zweiten Blick auf ihren Monitor zu werfen, denn sie antwortete fast sofort: »Unsittliches Verhalten gegenüber einer Besucherin von Themiskyra. Der Sicherheitsdienst wurde gerufen, weil er gegen den Verhaltenskodex ihrer Welt verstoßen hat und nur seinem Glück war es zu verdanken, dass ein paar meiner Kollegen rechtzeitig vor Ort waren.«

Seufzend schlug sich der Lieutenant mit der flachen Hand vor die Stirn, während er von Tara ein ärgerliches Gemurmel vernahm. Die Lektion war wohl doch nicht so gut angekommen wie gedacht. Aber das jemand gleich am ersten Tag das Gelernte vergaß, musste selbst für einen Junioroffizier einen neuen Rekord darstellen.

»Was hat er getan? Sie verfolgt, ein Nein nicht akzeptiert oder sie gar angefasst?«, eigentlich wollte er es nicht wissen, doch die Pflicht verlangte von Alexander, nachzufragen.

»Nein nichts Derartiges«, antwortete ihm die Sicherheitswächterin und schien irgendetwas plötzlich unheimlich amüsant zu finden. »Themiskyra ist ein monarchisches Matriachat und hat strenge Formalitäten, was den Umgang zwischen Männern und Frauen angeht. Und ihr Lieutenant hat gegen eine der ersten und wichtigsten Regeln verstoßen. Eine, die ich mir gelegentlich auch mal bei uns wünschen würde.«

»Was für eine Regel?«, hakte Tara nun nach und ihre Stimme kündete gleichermaßen von Neugier wie Ungeduld.

»Auf Themiskyra ist es einem Mann verboten eine Frau ohne vorherige Aufforderung anzusprechen«, erwiderte die Angesprochene und konnte ihr Grinsen nicht länger unterdrücken. »Und dagegen hat er verstoßen.«


Fünfter Akt

»Ich hoffe sie haben alle etwas am Beispiel von Lieutenant Trump lernen können«, wandte sich Alexander am Ende des letzten Tages an die versammelten Junioroffiziere. »Man sollte sich immer die Zeit nehmen, ein paar Dinge in Erfahrung zu bringen, bevor man sich auf Abenteuer einlässt.«

Mit einem Lächeln ließ er seinen Blick über die Anwesenden schweifen: »Als Offiziere der Flotte ist es jedoch ebenso wichtig, sich auf eine neue Situation einzustellen, um nicht von den Ereignissen überrollt zu werden.«

»Sollte das allerdings nicht von Erfolg gekrönt sein, bleibt ihnen immer noch ein letzter Ausweg«, übernahm Tara, die bislang schweigend neben ihm gestanden hatte. »Wenn sie in Schwierigkeiten geraten, dann versuchen sie, eine Lösung zu finden. Und sei es, dass sie die Weisheit offenbaren, ihre Vorgesetzten um Unterstützung zu bitten.«

»Ich habe niemanden um Hilfe gebeten«, meldete sich Paulo Trump grummelnd zu Wort, fügte jedoch nach einer hochgezogenen Augenbraue des Lieutenants knapp hinzu. »Ma`am.«

»Nein, das haben Sie in der Tat nicht. Wir wurden von unserer wertvollen Pause geholt, um ihren Hintern aus dem Feuer zu ziehen«, erwiderte diese mit einem Lächeln, dass weniger an eine freundliche Geste erinnerte, als an das Zähnefletschen eines Raubtieres. »Und es hat uns mehr als nur etwas Überredungskunst gekostet, um einen offiziellen Eintrag zu verhindern.«

»Allerdings erhält Captain Vargas einen Bericht von uns«, fügte Alexander hinzu und schaffte es nur mit Mühe, das Schmunzeln zu unterdrücken. »Ich bin sicher, dass er sich noch einmal mit Ihnen darüber unterhalten wird, Mr. Trump.«

Damit wandte er sich wieder an die Allgemeinheit: »Zum Glück scheinen sich die meisten hier kein Vorbild daran genommen zu haben. Also möchte ich sie alle zur erfolgreichen Teilnahme an diesem Kurs beglückwünschen. Eine abschließende Bestätigung sowie einige Unterlagen werden an ihre jeweiligen Accounts geschickt. Ich danke Ihnen für ihre Anwesenheit und hoffe, dass sie mit dem gelernten Wissen einem alten Leitsatz folgen können. Nämlich etwas zu haben, dass hoffentlich niemals zum Einsatz kommen soll. Das Ihnen jedoch im Ernstfall zur Verfügung steht.«

Nachdem die Junioroffiziere den Kursraum schließlich verlassen hatten, räumten Tara und Alexander diesen noch auf. Im Grunde genommen säuberten sie hauptsächlich die digitalen Daten, um sicherzugehen, dass nichts in den Speichern des Raumes zurückblieb.

»Ich glaube, damit haben wir alle Spuren unserer Lehrtätigkeit beseitigt«, kommentierte Tara, als sie das Terminal deaktivierten. »Wollen wir dann gehen?«

»Aye, lassen Sie uns hier verschwinden«, stimmte Alexander ihr zu.

Als er ihr zur Türe folgte, kam ihm jedoch ein Gedanke. Genauer gesagt es eine Erinnerung an eine Frage, die bislang ungeklärt geblieben war. Daher wandte er sich ihr nun mit einem leichten Lächeln auf den Lippen zu.

»Sie haben mir den Planeten noch nicht verraten«, beschuldigte er sie.

Überraschung zeigte sich auf ihren Zügen, als Tara antwortete: »Welchen Planet?«

»In unserer Pause am ersten Tag sagten Sie, es gäbe einen Planeten, auf dem die Frauen die Männer nach dem Sex auffressen«, klärte er sie über seine kryptischen Worte auf. »Aber Sie haben vergessen, mir den Namen zu nennen. Ich hoffe doch, dass es nicht der Ihre ist?«

»Nun, es gibt einen einfachen Weg, um das heraus zu finden», diesmal war es an ihr zu lächeln, als sie ihn von unten herauf mit ihren gesprenkelten Augen anblickte.

»Und welcher wäre das?«, wollte Alexander wissen, in dem er auf ihr Spiel einging. »Einer, bei dem ich das Risiko eingehen muss, gefressen zu werden vielleicht?«

»Möglicherweise», stimmte sie ihm zu, bevor sie den Türöffner betätigte und ihn über die Schulter hinweg zublinzelte. »Aber mir sind ebenfalls die Gerüchte über Ihre Vorlieben zu Ohren gekommen. Also wenn Sie so große Angst davor haben, dürfen Sie mich auch gerne fesseln.«