Sturmhöhe: »Ist Mr. Heathcliff ein Mensch? Wenn ja – ist er wahnsinnig? Und wenn nicht – ist er ein Teufel?«

In den düsteren Mooren von Yorkshire liegt der Landsitz Wuthering Heights, auf dem sich ein Drama um Liebe, Hass und Tod abspielt: Das Findelkind Heathcliff ist besessen von Catherine, der wilden Spielgefährtin seiner Jugend. Als diese den bürgerlichen Nachbarn Linton heiratet, bricht sie ihm das Herz. Als Rache versucht er sein Leben lang, die Familie zu vernichten, und erst mit seinem Tod kann Frieden einkehren. »Ich las ›Sturmhöhe‹ in einem Atemzug und war – wie vermutlich jeder – von seiner berückenden Kraft und Schönheit ergriffen. Einer der ganz großen Romane englischer Sprache.« Henry Miller

Jane Eyre: Ein mittelloses Waisenmädchen, ein verbitterter Gutsherr und ein dunkles Geheimnis

Die Waise Jane Eyre verlebt eine trostlose Kindheit im Haus ihrer hartherzigen Tante Mrs. Reed. Zur Erleichterung aller wird Jane auf ein Internat geschickt; aber auch dort hat sie es anfangs nicht leicht. Mit der Entlassung des heuchlerischen Direktors verbessern sich langsam die Verhältnisse. Als Jane Gouvernante auf Thornfield Hall wird, verliebt sie sich in den finsteren Hausherrn Mr. Rochester, der schließlich auch ihr seine Liebe gesteht. Doch die Mauern des einsamen Landsitzes bergen ein furchtbares Geheimnis …

Agnes Grey: Agnes Grey, Tochter eines Pfarrers, lebt abgeschieden mit ihren Eltern und Geschwistern in Nordengland. Als ihre Familie alle finanziellen Mittel verliert, entschließt sich Agnes, als Gouvernante zu arbeiten. Die verwöhnten Kinder reicher Eltern machen es der jungen Frau nicht leicht, in der neuen Umgebung Fuß zu fassen. Und auch die zarten Liebesbande mit Edward Weston stehen unter keinem guten Stern ...

Anne Brontës erster Roman weist zahlreiche Parallelen zum Leben der Autorin auf. Die sehr persönlichen Bezüge verleihen ihrem Romandebüt Tiefe, Leidenschaft und Gefühl.

Mit umfangreichem Anhang, Nachwort und Zeittafel

Die großen Romane der Brontë-Schwestern (3in1-Bundle)

Sturmhöhe
Jane Eyre
Agnes Grey

Romane

Aus dem Englischen von Michaela Meßner und Gottfried Röckelein

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Emily Brontë

Sturmhöhe

Roman

Aus dem Englischen von Michaela Meßner

Daten zu Leben und Werk im Anhang

Originalausgabe:

›Wuthering Heights‹

London 1847

Stammbaum

Erstes Buch

Kapitel I

1801 – Soeben bin ich von einem Besuch bei meinem Gutsherrn zurückgekehrt – diesem einsiedlerischen Nachbarn, der mir noch zu schaffen machen wird. Was für eine schöne Gegend! Ich denke, in ganz England hätte ich keinen zweiten Ort finden können, an dem sich so abgeschieden vom gesellschaftlichen Trubel leben ließe. Ein wahres Paradies für Menschenfeinde – und Mr. Heathcliff und ich sind genau die rechten zwei, um diese Einöde miteinander zu teilen. Ein prächtiger Bursche! Er ahnte wohl kaum, wie er mein Herz gewann, als ich sah, wie sich seine schwarzen Augen bei meinem Näherreiten argwöhnisch unter die Brauen zurückzogen und er seine Hände mit unwirscher Geste tiefer in die Westentaschen vergrub, als ich meinen Namen nannte.

»Mr. Heathcliff?« fragte ich.

Ein Nicken war die Antwort.

»Mr. Lockwood, Ihr neuer Pächter, Sir. Ich habe mir erlaubt, sogleich nach meiner Ankunft bei Ihnen vorzusprechen und hoffe sehr, die Hartnäckigkeit, mit der ich mich um die Pacht von Thrushcross Grange bemühte, hat Sie nicht belästigt. Gestern erfuhr ich, Sie hätten die Absicht ...«

»Thrushcross Grange gehört mir, Sir«, fuhr er mir pikiert ins Wort, »ich würde es nicht zulassen, daß man mich belästigt, wenn ich es verhindern könnte – Treten Sie ein!«

Das »Treten Sie ein« stieß er zwischen den Zähnen hervor, und es hieß soviel wie: »Scher dich zum Teufel!« Nicht einmal das Gattertor, über das er sich lehnte, begleitete seine Worte mit einer einladenden Geste. Ich glaube, nur eines bewog mich, die Einladung anzunehmen: ich war begierig, einen Mann kennenzulernen, der noch zurückhaltender schien, als ich es war.

Als er sah, wie mein Pferd mit der Brust heftig gegen das Gatter drängte, streckte er die Hand aus, um die Kette zu lösen, ging mir dann mürrisch auf dem Dammweg voraus und rief, als wir den Hof betraten:

»Joseph, kümmre dich um Mr. Lockwoods Pferd – und hol Wein herauf.«

›Hier haben wir wohl die gesamte Dienerschaft vor uns‹, schloß ich aus dieser zweifachen Aufforderung. ›Kein Wunder, wenn zwischen den Wegplatten Gras wächst und nur das Vieh die Hecken stutzt.‹

Joseph war ein älterer, nein, ein alter Mann – sehr alt vielleicht, aber noch rüstig und stark.

»Der Herr steh uns bei!« brummte er mißmutig vor sich hin, als er mir mein Pferd abnahm und mir dann mit einer so sauren Miene ins Gesicht sah, daß ich wohlmeinend folgerte, er bedürfe wohl göttlichen Beistands, um sein Mittagsmahl zu verdauen, und sein frommer Stoßseufzer habe mit meinem unerwarteten Auftauchen nichts zu tun.

»Wuthering Heights« nennt man Mr. Heathcliffs Anwesen. »Wuthering« ist ein typischer Ausdruck aus der Mundart dieser Gegend und beschreibt klangvoll das Toben der Winde, dem der Ort bei stürmischem Wetter ausgesetzt ist. Tatsächlich scheint hier stets ein frischer und belebender Wind zu gehen – mit welcher Kraft der Nordwind über den Hügelkamm fegt, kann man sich vorstellen, wenn man die spärlichen windschiefen Föhren auf der anderen Seite des Hauses sieht und die Reihe dürrer Dornbüsche, die ihr Geäst allesamt in eine Richtung strecken, als wollten sie die Sonne um ein Almosen anflehen. Zum Glück hatte der Baumeister das Haus in weiser Voraussicht robust gebaut: die schmalen Fenster sind tief in die Mauer eingelassen und die Ecken durch große vorspringende Steine bewehrt.

Bevor ich über die Schwelle trat, blieb ich kurz stehen, um eine ganze Reihe bizarrer Verzierungen zu bewundern, die an der Hausfront und insbesondere über der Eingangstür eingemeißelt waren. Dort fiel mir inmitten eines wüsten Durcheinanders zerbröckelnder Greifvögel und nackter Knaben die Jahreszahl »1500« und der Name »Hareton Earnshaw« ins Auge. Ich hätte wohl ein paar Bemerkungen gemacht und den mürrischen Besitzer um eine kurze Geschichte des Hofes gebeten, doch seine Haltung an der Tür schien zu fordern, ich möge unverzüglich eintreten oder mich endgültig verabschieden, und ich wünschte seine Ungeduld nicht zu reizen, bevor ich nicht auch das Innere des Hauses in Augenschein nehmen konnte.

Eine einzige Stufe führte uns ohne Umweg über Flur oder Gang direkt in den Wohnraum der Familie, der hierzulande gerne »das Haus« genannt wird. Gewöhnlich ist es Küche und Wohnzimmer in einem, doch in Wuthering Heights hatte man die Küche offenbar in einen anderen Teil des Gebäudes verbannt – jedenfalls vernahm ich, tief aus dem Inneren, das Geplapper von Stimmen und das Geklapper von Küchengeräten. Auch sah ich bei der mächtigen Feuerstelle kein Anzeichen, daß hier gebraten, gekocht oder gebacken wurde, und an den Wänden glänzten weder kupferne Pfannen noch zinnerne Siebe. An einer Wand nur spiegelten sich mit prachtvollem Schimmer Licht und Glut, denn dort türmten sich in einer gewaltigen Eichenanrichte Reihe um Reihe riesige Zinnschüsseln, dazwischen silberne Krüge und Kannen, bis hoch hinauf zum Dach. Letzteres war nie unterzimmert worden, und so war das nackte Gerippe des Gebälks den forschenden Blicken des Betrachters preisgegeben, mit Ausnahme jener Stelle, wo es von einem hölzernen Lattengestell verdeckt wurde, das mit Haferkeksen und mit Bergen von Hammel- und Rinderkeulen und Schinken beladen war. Über dem Kamin hingen verschiedene furchterregende alte Schußwaffen und ein paar Reiterpistolen, und auf dem Sims standen, offenbar zur Zierde, drei in grellen Farben bemalte Blechbüchsen. Der Fußboden war aus glattem, weißem Stein; die hochlehnigen Stühle, einfach in der Form, waren grün gestrichen; dahinter verbargen sich im Schatten ein oder zwei schwere schwarze Stühle. In einem Winkel unter der Anrichte lag eine gewaltige rotbraune Vorstehhündin, rings um sie ein Wurf quiekender Welpen, und in den anderen Winkeln lungerten noch weitere Hunde.

Raum und Einrichtung wären nichts Besonderes gewesen bei einem einfachen nordenglischen Bauern, dessen starrsinnige Miene und störrische Glieder in Kniebundhosen und Gamaschen erst so recht zur Geltung kommen. Männer dieser Art, im Lehnstuhl sitzend, den Krug mit dem schäumenden Ale vor sich auf dem runden Tisch, kann man hier in den Bergen im Umkreis von fünf oder sechs Meilen überall antreffen, sofern man sie zur rechten Zeit aufsucht, nämlich gleich nach Mittag. Mr. Heathcliff aber bildet einen merkwürdigen Gegensatz zu seiner Behausung und seinem Lebensstil.

Mit seiner dunklen Haut sieht er aus wie ein Zigeuner, doch Kleidung und Gebaren sind die eines Gentleman – das heißt, wie ein Gutsherr eben Gentleman sein kann –, etwas schlampig nämlich, was ihm aber trotz seiner Nachlässigkeit nicht übel steht, denn er ist gut gewachsen und wohlgestalt – und eher mürrisch. Vermutlich wird so mancher ihn eines ungebührlichen Maßes an Hochmut verdächtigen – doch ich fühle eine verwandte Saite in mir erklingen, die mir instinktiv bedeutet, daß dem nicht so ist; und daß diese Zurückhaltung von einer Abneigung rührt, Gefühle zu äußern, gegenseitig Freundlichkeiten auszutauschen. Er wird wohl gleichermaßen im verborgenen lieben und hassen und es als eine Art Anmaßung empfinden, wollte man seine Liebe oder seinen Haß erwidern. Doch halt, hier gehe ich zu weit: ich dichte ihm nur allzu bereitwillig meine Eigenschaften an. Wenn Mr. Heathcliff einem, der seine Bekanntschaft sucht, die Hand verweigert, so mögen ihn Gründe bewegen, die ganz andere sind als die meinen. Ich will hoffen, daß nur wenige meine besondere Veranlagung teilen: Meine liebe Mutter pflegte zu sagen, ich würde nie ein behagliches Zuhause besitzen, und erst letzten Sommer lieferte ich den Beweis, daß ich auch wahrhaftig keines verdiente.

Während ich bei herrlichem Wetter einen Monat am Meer verbrachte, geriet ich in Gesellschaft eines überaus zauberhaften Geschöpfes, einer wahren Göttin in meinen Augen – solange sie mich nicht beachtete. Ich habe ihr nie »meine Liebe erklärt«, nicht mit Worten; doch wenn Blicke sprechen könnten, hätte noch der größte Dummkopf erraten, daß ich mich bis über beide Ohren verliebt hatte. Sie verstand mich schließlich und antwortete mir mit einem Blick – dem süßesten Blick, den man sich nur denken kann –, und was tat ich? Zu meiner Schande muß ich es gestehen – kalt wie eine Schnecke zog ich mich in mich selbst zurück, bei jedem ihrer Blicke wurde ich frostiger und verschlossener, bis die arme Unschuld am Ende anfing, ihren eigenen Sinnen zu mißtrauen und völlig verwirrt über ihren vermeintlichen Irrtum ihre Mama zur Abreise überredete.

Dieses seltsame Betragen trug mir den Ruf berechnender Herzlosigkeit ein, wie unverdient, kann nur ich allein ermessen. Ich nahm an der Seite des Kamins Platz, die derjenigen gegenüberlag, auf die mein Vermieter zuging, und füllte die Gesprächspause mit dem Versuch, die Hundemutter zu streicheln, die ihren Wurf verlassen hatte und sich wölfisch von hinten an meine Beine heranschlich, mit hochgezogenen Lefzen und bleckenden weißen Zähnen, begierig, zuzuschnappen.

Mein Streicheln rief ein langes, kehliges Knurren hervor.

»Lassen Sie den Hund lieber in Ruh«, knurrte Mr. Heathcliff im selben Ton wie sein Hund, während er schärferen Ausbrüchen mit einem Fußtritt zuvorkam.

»Sie ist es nicht gewohnt, daß man sie hätschelt wie einen Schoßhund.«

Dann, zu einer Seitentür gewandt, rief er abermals: »Joseph!«

Joseph murmelte Unverständliches aus der Tiefe des Kellers, machte aber keine Anstalten heraufzukommen; darum stieg sein Herr zu ihm hinunter und ließ mich vis-à-vis mit der tückischen Hündin und zwei grimmig dreinblickenden, zottigen Schäferhunden, die genau wie sie jede meiner Bewegungen argwöhnisch belauerten.

Ich war nicht darauf erpicht, mit ihren Fangzähnen Bekanntschaft zu machen, und so saß ich still; doch da ich mir einbildete, stumme Beleidigungen dürften sie wohl kaum verstehen, erlaubte ich mir unglücklicherweise, mit den Augen zu zwinkern und dem Trio Fratzen zu schneiden, und eine meiner Grimassen brachte die Hundedame derart in Harnisch, daß sie auf meine Knie lossprang. Ich schleuderte sie zurück und beeilte mich, den Tisch zwischen uns zu bringen. Damit brachte ich die ganze Meute auf. Ein halbes Dutzend vierbeiniger Bestien , verschieden in Wuchs und Alter, sprangen aus verborgenen Winkeln hervor. Ich spürte, daß sie es besonders auf meine Absätze und Rockschöße abgesehen hatten, und während ich die größeren Angreifer so gut es ging mit dem Schürhaken abwehrte, sah ich mich gezwungen, laut ins Haus hinein nach jemandem zu rufen, der wieder Frieden herstellen könnte.

Mit aufreizender Seelenruhe stiegen Mr. Heathcliff und sein Diener die Kellertreppe herauf. Ich glaube nicht, daß sie sich auch nur um eine Sekunde rascher als gewöhnlich bewegten, obwohl am Herdplatz ein wahrer Sturm entfesselt war und ein einziges Toben und Jaulen herrschte.

Zum Glück zeigte jemand aus der Küche größere Eile; eine kernige Frauensperson mit aufgeschürztem Kleid, bloßen Armen und feuergeröteten Wangen stürzte sich, eine Bratpfanne schwingend, mitten ins Getümmel; und sie machte von dieser Waffe und ihrer Zunge so erfolgreich Gebrauch, daß der Sturm sich wie durch Zauber legte und am Ende nur noch sie dastand, wogend wie die See nach einem Wirbelwind, als ihr Herr den Schauplatz betrat.

»Was zum Teufel geht hier vor?« fragte er und starrte mich auf eine Weise an, die ich nach dieser ungastlichen Behandlung nur schlecht ertrug.

»Was zum Teufel, allerdings!« murrte ich. »In die Herde der besessenen Säue1 waren gewiß keine böseren Geister gefahren als in Ihre Tiere hier, Sir. Sie könnten einen Fremden ebensogut mit einer Tigerbrut allein lassen.«

»Wer nichts anfaßt, dem tun sie auch nichts«, bemerkte er, stellte die Flasche vor mich hin und rückte den Tisch wieder an seinen Platz. »Die Hunde haben recht, wenn sie wachsam sind. Ein Glas Wein?«

»Nein, danke!«

»Doch nicht etwa gebissen worden?«

»In diesem Fall hätte ich dem Beißer gewiß einen Denkzettel hinterlassen.«

Heathcliffs Miene hellte sich zu einem Grinsen auf.

»Aber, aber«, sagte er, »Sie sind aufgebracht, Mr. Lockwood. Hier, trinken Sie ein Gläschen. Gäste sind in diesem Haus so überaus selten, daß ich und meine Hunde, ich gebe es gerne zu, nicht recht wissen, wie man sie empfängt. Ihr Wohl, Sir!«

Ich gab nach und trank ihm ebenfalls zu; ich sah allmählich ein, daß es albern wäre, beleidigt dazusitzen, nur weil das Hundepack sich schlecht benommen hatte. Außerdem war ich nicht gewillt, dem Burschen weitere Gelegenheit zu geben, sich auf meine Kosten zu amüsieren, wozu er in der rechten Stimmung schien.

Doch dann – wahrscheinlich bewogen durch die umsichtige Überlegung, wie töricht es wäre, einen guten Pächter vor den Kopf zu stoßen – mäßigte er ein wenig seinen lakonischen Stil, Pronomen und Hilfsverben einfach auszulassen, und wandte sich einem Thema zu, von dem er annahm, es könnte mich interessieren: die Vor- und Nachteile meines derzeitigen Wohnsitzes.

Ich fand ihn in den verschiedenen Gegenständen, die wir streiften, recht bewandert, und bevor ich nach Hause ging, fühlte ich mich wieder soweit ermutigt, ihm einen weiteren Besuch anzubieten, und zwar für den folgenden Tag.

Er selbst wünschte offensichtlich keine Wiederholung. Trotzdem werde ich hingehen. Es ist erstaunlich, wie gesellig ich mir im Vergleich zu ihm vorkomme.

Kapitel II

Gestern nachmittag wurde es plötzlich neblig und kalt. Ich war fast entschlossen, die Zeit lieber vor dem Kaminfeuer meines Arbeitszimmers zu verbringen, statt durch Moor und Morast nach Wuthering Heights zu waten.

Doch als ich vom Mittagessen kam (nebenbei bemerkt, ich esse zwischen zwölf und eins zu Mittag2; die Haushälterin, eine matronenhafte Dame, die ich gleichsam als feste Einrichtung zusammen mit dem Haus übernommen habe, konnte oder wollte auf meinen Wunsch, mir das Essen erst um fünf aufzutragen, nicht eingehen) –, als ich die Stufen hinaufstieg mit der Absicht, es mir bequem zu machen, fand ich beim Betreten des Zimmers ein Dienstmädchen auf den Knien, umgeben von Bürsten und Kohleneimern. Sie wirbelte einen höllischen Staub auf, als sie mit Aschehaufen das Feuer erstickte. Dieser Anblick ließ mich sogleich kehrtmachen; ich nahm meinen Hut, und nach einem Marsch von vier Meilen erreichte ich Heathcliffs Gattertor gerade noch zur rechten Zeit, um den ersten federleichten Flocken eines Schneeschauers zu entrinnen.

Auf dieser öden Bergkuppe war die Erde beinhart gefroren, und die eisige Luft ließ mich bis ins Mark erzittern. Da ich die Kette nicht loshaken konnte, sprang ich über den Zaun, rannte an Stachelbeersträuchern vorbei den gepflasterten Dammweg hinauf, klopfte vergebens um Einlaß, bis meine Knöchel brannten und die Hunde heulten.

»Elendes Gesindel!« fluchte ich im Geiste, »für eure grobe Ungastlichkeit müßtet ihr bis in alle Ewigkeit gemieden werden. Wenigstens tagsüber würde ich meine Tür nicht verriegeln. Aber mir ist es gleich, ich werde schon hineinkommen!«

Fest entschlossen packte ich den Türknauf und rüttelte heftig daran. Joseph steckte sein sauertöpfisches Gesicht durch ein rundes Scheunenfenster.

»Was wolln Sie denn? Der Herr is unten beim Vieh. Gehn Sie hinter der Scheune rum, wenn Sie’n sprechen wolln.«

»Ist denn niemand im Haus, der mir die Tür öffnen könnte?« schrie ich zurück.

»Nur die Missis; un die macht nich auf, da könn Se lärmen bis in die Nacht.«

»Warum denn nicht? Können Sie ihr nicht sagen, wer ich bin – na, Joseph?«

»Nee! Ich doch nich! Da will ich nix mit zu tun ham«, brummte der Kopf und verschwand.

Nun fiel der Schnee in dichten Flocken. Ich packte den Türknauf, um noch einen Versuch zu wagen, als ein junger Mann, ohne Rock und mit geschulterter Mistgabel, hinten im Hof auftauchte. Er rief mir zu, ihm zu folgen, und nachdem wir eine Waschküche und einen gepflasterten Hof mit einem Kohleschuppen, einer Pumpe und einem Taubenschlag überquert hatten, gelangten wir schließlich in das große, warme und anheimelnde Zimmer, in dem man mich tags zuvor empfangen hatte.

Es erstrahlte herrlich im Widerschein eines riesigen Feuers, das von Kohle, Torf und Holz genährt wurde. Und in der Nähe des Tisches, der für ein ausgiebiges Abendessen gedeckt war, bemerkte ich zu meiner Freude die »Missis«, von deren Existenz ich bislang nichts geahnt hatte.

Ich verbeugte mich und wartete, in der Annahme, sie werde mir einen Platz anbieten. Sie blickte mich an, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, und verharrte reglos und stumm.

»Unfreundliches Wetter!« bemerkte ich. »Ich fürchte, Mrs. Heathcliff, als Folge der mangelnden Aufmerksamkeit Ihrer Diener wurde die Tür etwas in Mitleidenschaft gezogen: Ich hatte alle Mühe, mich bemerkbar zu machen!«

Sie tat den Mund nicht auf. Ich starrte sie an – und sie starrte zurück. Sie hielt die ganze Zeit ihren Blick auf mich gerichtet, auf eine kalte, unbarmherzige Art, die außerordentlich verwirrend und unangenehm war.

»Setzen Sie sich«, sagte der junge Mann schroff. »Er wird gleich hier sein.«

Ich gehorchte, räusperte mich und lockte die heimtückische Juno, die sich bei dieser zweiten Begegnung zum Zeichen, daß sie sich meiner erinnerte, dazu herabließ, die äußerste Spitze ihres Schwanzes zu bewegen.

»Ein schönes Tier!« fing ich wieder an. »Haben Sie die Absicht, die Jungen abzugeben, Madam?«

»Gehören mir nicht«, sagte die liebenswürdige Gastgeberin noch abweisender, als Heathcliff selbst hätte antworten können.

»Ah, dann sind wohl das dort Ihre Lieblinge!« fuhr ich fort und deutete auf ein Kissen im Dunkeln, auf dem etwas lag, das ich für Katzen hielt.

»Da hätte ich mir aber sonderbare Lieblinge ausgesucht«, bemerkte sie verächtlich.