Das HUMAN DECISION DESIGN MODEL® ist Ihr effektivster Zugang zu guter Entscheidungsarchitektur und damit zu erfolgreicher Gestaltung von Kaufentscheidungen Ihrer Kunden. Es ist Ihr einzigartiger Schlüssel zu prognostizierbarem Erfolg.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2020 Reto Blum & Michael Frey

Human Decision Design GmbH - Institut für Entscheidungsgestaltung

Grafik Abbildungen & Modell: Silja Bossert, www.siljabossert.com

Grafik Firmenlogo: David Blum, www.davidblum.ch

Covergestaltung, Satz, Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-7494-1866-4

INHALT

VORWORT

Geschätzte Leserin,

geschätzter Leser,

wir heißen Sie herzlich willkommen zur Lektüre von „Es hat sich AUSVER-KAUFT!“.

Bestimmt fragen Sie sich, warum es sich jetzt plötzlich AUSVERKAUFT haben soll und wie wir bloß dazu kommen, eine solch resolute Behauptung aufzustellen. Der Titel provoziert, wirft Fragen auf und macht neugierig. Aber darum geht es uns gar nicht. Denn er drückt in seiner konsequenten Forderung nach einer Veränderung des Verkaufs vor allem unsere tiefste Überzeugung aus, dass Unternehmen deutlich erfolgreicher wären, wenn sie sich konsequent an den Entscheidungsprozessen ihrer Kunden orientieren würden, anstatt weiter VERKAUFEN zu wollen. Anstelle zu VERKAUFEN, müssten wir das Entscheidungsverhalten unserer Kunden verstehen und sie darin begleiten, bei uns KAUFEN zu wollen. Mit „begleiten“ meinen wir die aktive Gestaltung der Kaufentscheidungen. Dank dem heute verfügbaren Wissen über menschliches Entscheidungsverhalten wären wir dazu vorzüglich in der Lage. Das notwendige Wissen liegt dank der bereits mehr als 50 Jahre dauernden verhaltensökonomischen Forschung längst vor. Aber genutzt wird es bisher kaum! Sie können dies hier und heute ändern. Alles, was Sie dafür tun müssen, ist einfach weiterzulesen. Wir sind überzeugt, dass Ihre Sicht auf den Menschen, insb. auf Ihre eigenen Entscheidungen und die Ihrer Kunden, nicht mehr dieselbe sein wird wie vor der Lektüre dieses Buches. Sie werden nicht nur lernen, wie Menschen wirklich entscheiden, sondern auch, wie Sie Entscheidungen Ihres Gegenübers mit diesem Wissen beeinflussen können. Damit wird Ihr Erfolg planbar und Sie lassen die Konkurrenz weit hinter sich. Herzlich willkommen in der Welt der Gestaltung von Kaufentscheidungen!

Disclaimer: Wenn wir z.B. vom Leser sprechen, meinen wir immer auch die Leserin. Lediglich zugunsten des Leseflusses verzichten wir auf Gender-inklusive Sprache.

WARUM ES SICH AUSVERKAUFT HAT

In den letzten zwanzig Jahren waren wir in verschiedenen Funktionen im Vertrieb tätig. Wir durften zahlreiche Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen begleiten und begegneten erfolgreichen und weniger erfolgreichen Vertriebsstrategien. Wir haben selbst unzählige Kampagnen durchgeführt, Beratungsmodelle designt und Verkaufstechniken gelernt und gelehrt und durften in den letzten Jahren vermehrt Expertise in Verkaufs- und Marketingautomatisierung, Leadmanagement, Produktmanagement, Onlinehandel und Digitalisierung aufbauen. Wir haben in all den Jahren beobachten können, wie sich der Vertrieb wandelte. Aber leider hat sich das Allerwichtigste kaum positiv verändert:

Selten richtet der Vertrieb seinen innengerichteten Fokus am Kunden aus und noch seltener am tatsächlichen Entscheidungsverhalten und Bedürfnis des Kunden. Er bleibt meist hauptsächlich produkt-, prozess-, kosten-, ertrags- oder umsatzorientiert. Die zentralen Fragen sind regelmäßig, welches Produkt als Nächstes gepusht werden soll, und selten, welches Produkt die Kunden jetzt brauchen würden. Just in diesem Moment, wo wir diese Zeilen verfassen, werden wir von einer großen Krankenkasse angefragt, ihr Mailing für eine Zusatzversicherung verhaltensökonomisch zu optimieren. Die Zusatzversicherung deckt unter anderem Brillengläser, Unfälle im Ausland, Badekuren und plastische Eingriffe ab. Sie müssen wissen, wir schreiben gerade Ende März 2020! Wir stecken inmitten (oder anfangs, das wissen wir noch nicht) des ersten europaweiten Lockdowns seit dem Zweiten Weltkrieg. Alles außer der Basisversorgung wurde behördlich geschlossen, teilweise wurden Ausgangssperren verhängt, viele Grenzen sind dicht und niemand weiß, wie es weitergehen wird. In dieser Zeit vergegenwärtigen Kunden viele Ängste und Sorgen, insb. wenn sie die Bilder sehen von komplett überfüllten Spitälern in unserem Nachbarland Italien. Deckung bei Unfällen im Ausland in Zeiten, in denen das Reisen gar nicht möglich sind, Badekuren in Anstalten, die vorerst schließen mussten, oder Eingriffe gegen hängende Schlupflider gehören bestimmt nicht dazu! Es gibt wirklich wenige Anbieter, die in dieser Zeit, in der wir alle Angst um unsere Gesundheit und das Gesundheitssystem per se haben, besser zeigen könnten, Kundenprobleme verstanden zu haben und Lösungen zu bieten, als dies bei Krankenkassen der Fall ist. Aber anstatt sich Gedanken zu machen, mit welchem Produkt im bestehenden Sortiment oder mit welcher sinnvollen Produktergänzung das genannte Produkt besser auf die aktuellen Bedürfnisse angepasst werden könnte, entscheidet sich der Vertrieb, das Produkt unverändert, wie jedes Jahr zu dieser Zeit, zu bewerben (Vertriebsautismus). Ein anderes eindrucksvolles Beispiel kompletten Versagens im Vertrieb liefert uns zeitgleich ein großes deutsches Reiseunternehmen. Werben die doch tatsächlich mit „Bis zu 45 % Frühbucherrabatt“ in einer Zeit, in der niemand wissen kann, wann Reisen überhaupt wieder möglich sein wird. Nicht nur, dass das Angebot in der aktuellen Situation komplett wertlos ist, es signalisiert darüber hinaus auch, dass plötzlich gigantische Rabatte möglich sind in einer Branche, die seit Jahren am lautesten über tiefe Margen jammert. Unternehmen wie dieses hatten mal irgendwann in einer Ökonomievorlesung gehört, dass die Nachfrage steige, wenn man den Preis senkt. Und da ja der rational funktionierende Mensch nach den Modellen der Ökonomie agiere, müsse das automatisch zu mehr Abschlüssen führen (Rationalitätsillusion).

Im selben Moment profilieren sich diese und die meisten anderen Unternehmen bei jeder sich bietenden Gelegenheit damit, den Kunden ins Zentrum zu stellen. Sie führen Kundenumfragen durch, entwerfen Personas, zeichnen Customer Journeys, das Produktmanagement designt Produkte entlang vermeintlicher Kundenpräferenzen und die Verkaufsberater führen Kundendialoge entlang Beratungsprozessen, welche die Bedürfnisse der Kunden ergründen sollen, und bemühen sich, ein möglichst emotionalisiertes VERKAUFSerlebnis kreieren zu können. Unternehmen Land auf und Land ab machen sich etwas vor! Die wirklichen Bewertungsmuster und Entscheidungsprozesse der Kunden werden nicht verstanden und nicht berücksichtigt und die sogenannte Kundenzentrierung kommt kaum über ein blumiges Versprechen in der Imagebroschüre hinaus. Die operative Wahrheit im Vertrieb bleibt jedoch, Produkte zu pushen, Umsätze zu steigern und Erträge zu optimieren. VERKAUFEN eben.

Die Gründe, warum das so ist, sind mannigfaltig. Wir werden im Verlauf dieses Buches die Gründe für solche Entscheidungsmuster kennenlernen. Was sich aber wie ein roter Faden durchzieht, ist die Tatsache, dass Unternehmer, Vertriebsleiter, Marketingexperten, Produktmanager, UX-Designer, Verkäufer, ja wir alle von ein und derselben grundfalschen Annahme ausgehen. Wir glauben, dass der Mensch ein rationales Wesen ist, rationale Entscheidungen trifft und dass wir Herr resp. Frau über unsere Entscheidungen sind. Dass dies weitestgehend eine Illusion darstellt, wissen die Verhaltensökonomen längst. Wenn wir weiterhin glauben, wie ein Homo oeconomicus zu agieren, uns unbeirrt auf die standardökonomischen Modelle verlassen, die uns seit Jahrzehnten glauben machen wollen, dass sich Märkte, Kunden, Mitarbeiter und Entscheidungsträger mit ihren Modellen realitätsnah abbilden lassen, ja dann werden wir auch weiterhin VERKAUFEN müssen. Wir können auch weiterhin mit qualitativer und quantitativer Marktforschung, also mit Kundeninterviews und Umfragen, versuchen, den Bewertungsmustern und Entscheidungskriterien unserer Kunden auf den Grund zu kommen und basierend darauf die vermeintlich richtigen Produkte entwickeln. Aber damit negieren wir einen weiteren Fakt, der aus der Neuromarketing-Forschung seit über 15 Jahren bekannt ist: Wir wissen nicht, warum wir uns für das eine oder andere entscheiden. Schlicht nicht. Und schon gar nicht, wenn man uns hypothetisch fragt, wie wir entscheiden würden oder wie wir entschieden hätten.

Darüber hinaus führt die unglaubliche Informationsflut und Transparenz einer digitalisierten und globalisierten Welt wider allgemeiner Erwartung nicht etwa zu besserem und ausgewogenerem Entscheiden, sondern genau zum Gegenteil. Das durch Internet und Smartphones geänderte Informations- und Kaufverhalten sowie die zunehmende Dynamik und Informationsdichte erschöpfen und überfordern uns regelmäßig kognitiv derart, dass wir gar nicht mehr anders können, als affektiv und intuitiv zu entscheiden. Auch dieser kognitiven Limitierung des menschlichen Verstands werden die standardökonomischen Modelle nicht gerecht. In Tat und Wahrheiten nutzen wir zur Erleichterung mentale Abkürzungen und sind zugänglich für unbewusste Bewertungen, um die Komplexität noch meistern zu können. In einer VUCA-Welt, in der wir uns befinden, verlieren unsere bisherigen Annahmen über und die Erfahrungen mit unseren Kunden mehr und mehr an Zuverlässigkeit, weil sich Geschäftsmodelle, Kundenbedürfnisse und Entscheidungssituationen rapide verändern. Wenn wir uns als Entscheider in Ermangelung besseren Wissens weiter auf Rahmenbedingungen stützen, die sich als ungültig herausgestellt haben, bleibt unser Erfolg ein reines Zufallsprodukt. Es ist an der Zeit, unsere Annahmen und Entscheidungen mit empirischen Erkenntnissen abzugleichen und basierend darauf den Vertrieb neu auszurichten.

WIE MAN KAUFENTSCHEIDUNGEN GESTALTET

Seit der Jahrtausendwende dominieren nicht nur Studien von Verhaltensökonomen und -psychologen die wissenschaftlichen Debatten und die Anwärterlisten für den Nobelpreis, sondern auch die privaten Bücherregale füllen sich mehr und mehr mit Bestsellern aus diesen Forschungszweigen. Viele Erkenntnisse der Verhaltensökonomie haben unlängst Eingang gefunden in die Finance-, Marketing- und Wirtschaftspsychologievorlesungen in der ganzen Welt. Die ersten Marketingunternehmen nutzen bereits eine breite Palette gut erforschter Entscheidungsmuster, um ihre Unternehmenskunden erfolgreicher am Markt zu positionieren.

Auch wir waren fasziniert von dieser neuen Forschungsrichtung, als wir damit vor über fünf Jahren erstmals in Berührung kamen. Wir waren erstaunt, wie unglaublich präzise und schonungslos entlarvend sie uns unsere eigenen Verhaltensmuster vor Augen führte. Wie Schuppen fiel es uns von den Augen, wie sehr wir uns alle mit dem Glauben an den Homo oeconomicus verrannt haben und der Rationalitätsillusion erlagen. Wir realisierten, dass es erstmals in den Wirtschaftswissenschaften um echte Menschen geht, wenn Ökonomen und Psychologen gemeinsame Sache machen. Wir leiteten aus den Studien und Forschungsergebnissen eigene konkrete Maßnahmen für die Praxis ab, begannen damit in Kundenkommunikation und Vertrieb zu experimentieren. Tatsächlich stellten sich sofort unglaubliche Erfolge ein. Steigerungen in den Absatzzahlen von über 200 % waren an der Tagesordnung. Bald realisierten wir aber, dass uns die Verhaltensökonomie kein holistisches und widerspruchsfreies Framework liefern kann, welches es ermöglicht, die Erkenntnisse für jedermann operationalisier- und damit urbar zu machen. Wir wollten einen Weg finden, unseren Erfolg in der Anwendung dieses Wissens allen Interessierten zugänglich zu machen und die relevanten verhaltensökonomischen Erkenntnisse, die aus über 250 meist isoliert betrachteten Entscheidungsmustern bestanden, in ein umfassendes und dennoch verständliches Modell zu bringen. In den folgenden Jahren sammelten wir Studien, Fakten und Praxisanwendungen aus aller Welt und experimentierten mit den unterschiedlichsten Entscheidungsmustern im Rahmen unserer Kundenprojekte. Wir fanden Muster, die immer funktionierten, solche, die nur unter bestimmten Bedingungen auftraten, welche, die sich gegenseitig aufhoben, und auch etliche, welche wir in der Praxis schlicht nicht nachweisen konnten. Gleichzeitig fanden wir immer mehr Hilfsmittel, die uns halfen, Entscheidungen von Kunden zu gestalten. Am Ende dieses evidenzbasierten iterativen Prozesses hatten wir ein Framework, welches sich auf alle Situationen anwenden ließ und systematisch prognostizierbare Erfolge ermöglichte. Wir nennen es das HUMAN DECISION DESIGN MODEL®, weil es das Modell ist, mit welchem Entscheidungen von Menschen gestaltet werden können.

Abbildung 1

HUMAN DECISION DESIGN MODEL®

Es beinhaltet den komprimierten Wissensstand aus 50 Jahren Verhaltensforschung, über 30 Jahren eigener Vertriebserfahrung und 5 Jahren Praxisanwendung Verhaltensökonomie im Vertrieb. Erstmals ist dieses Wissen kompakt, verständlich, praxiserprobt in einem Modell zusammengeführt und damit allen zugänglich. Wir wissen nicht, ob Sie dieses Buch in der Rolle eines Kundenberaters, Verkäufers, Unternehmers, Produktmanagers, Trainers oder einfach als an Verhaltensökonomie interessierter Leser gekauft haben. Für die Anwendung des Modells ist das unerheblich. Wir haben die Anwendung in diesem Buch zwar auf das Thema Vertrieb ausgerichtet, aber gleichzeitig ist es ubiquitär einsetzbar. Nämlich immer dann, wenn Menschen Entscheidungen treffen sollen und Menschen miteinander interagieren. Wir denken dabei an Themen wie Changemanagement, Führungsverhalten, Unternehmensorganisation, Projektmanagement usw. Das HUMAN DECISION DESIGN MODEL® ist dabei kein Beratungsansatz für unsere Zwecke, sondern ein Werkzeug für Sie. Es ist Ihr einzigartiger Schlüssel zur Entscheidungsgestaltung und damit zu mehr Erfolg!

WIE DAS BUCH AUFGEBAUT IST

Damit es Ihnen nicht so geht wie uns damals, als wir begonnen haben, uns mit Verhaltensökonomie auseinanderzusetzen, werden wir Sie entlang des Modells durch die menschlichen Entscheidungsmuster führen. Sie erfahren damit nicht nur systematisch, welche Muster relevant sind, sondern auch, wie diese miteinander in Verbindung stehen. Zudem lernen Sie so das Modell in der Art und Weise kennen, wie es idealerweise auch angewendet werden soll. Das Buch ist dafür in fünf Kapitel aufgeteilt. Im ersten Kapitel erhalten Sie einen Überblick über das Modell. Es empfiehlt sich, dieses Kapitel während der Lektüre des Buches immer wieder als Orientierungshilfe heranzuziehen. Im zweiten Kapitel geht es darum, Ihnen die Eckpfeiler der Ökonomie, insb. Rationalität und den Homo oeconomicus, näherzubringen, um im dritten Kapitel anhand der Verhaltensökonomie aufzuzeigen, dass und wie Menschen systematisch von diesen Eckpfeilern abweichen. Es geht dabei vor allem darum, den Menschen, wie er wirklich funktioniert, zu begreifen und sich dem Menschenbild des sog. Homo irrationalis zu öffnen. Damit dieser sog. Belief Update gelingen kann, Sie also zur Überzeugung gelangen, dass wir Menschen, so schmerzlich es auch sein mag, nicht in der Lage sind, dem rationalen Homo oeconomicus auch nur annähernd gerecht zu werden, muss der Weg über Sie resp. die Erkenntnis über Ihre eigenen Verhaltensmuster führen. Deshalb werden wir viele Experimente durchführen, bei denen wir Sie herzlich einladen mitzumachen. Im vierten Kapitel gehen wir detailliert auf die einzelnen Entscheidungsmuster ein, indem wir diese zueinander in Verbindung setzen, klar voneinander abgrenzen und in das Modell einordnen. Sie werden erfahren, wie prognostizierbar Menschen entscheiden und erkennen, dass dank dieser Muster die Gestaltung von Entscheidungen möglich wird. Die notwendigen Hilfsmittel für die Entscheidungsgestaltung erläutern wir im fünften und letzten Kapitel. Dank vieler Praxisbeispiele erleben Sie, wie diese in der Praxis angewendet werden, was diese wiederum anwendbar macht für Ihre konkreten Situationen.

Ein Modell, so auch das HUMAN DECISION DESIGN MODEL®, ist immer ein Werkzeug, welches dabei helfen soll, die unterschiedlichsten Ausgangslagen systematisch zu erfassen und mögliche Vorgehensweisen und Maßnahmen zu gestalten. Da es immer mehrere Möglichkeiten auf eine komplexe Fragestellung gibt, stehen regelmäßig auch verhaltensökonomische Maßnahmen untereinander in Konkurrenz. Welche in der jeweiligen Situation am meisten Erfolg verspricht, können Modelle nicht beantworten. Auch unser Modell nicht. Deshalb ist es entscheidend, diesen letzten Schritt prognostizierbaren Erfolgs mittels Experimentieren zu gehen. Nur durch strukturiertes Experimentieren erlangen Sie Evidenz darüber, was in Ihrem Kontext am besten funktioniert. Dank dem Modell haben Sie die Gewissheit, bereits gute, weil evidente Maßnahmen gegeneinander testen zu können. So gelangen Sie schneller und günstiger zu Ihrem Ziel: Prognostizierbaren Erfolg!

Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre, spannende Begegnungen mit Ihrer eigenen Entscheidungskompetenz und hoffen, auch Sie davon überzeugen zu können, dass es sich AUSVERKAUFT hat.

EINFÜHRUNG

DIE GESCHICHTE DER ÖKONOMIE
IM SCHNELLDURCHLAUF – ENTSTEHUNG
UND ENTWICKLUNG DER ÖKONOMIE

Wir wollen unsere kurze, aber wichtige Geschichtsreise nicht bei Adam & Eva beginnen, es reicht, wenn wir uns nur an Adam, nämlich Adam Smith (1723–1790), erinnern. Er hat unsere Sicht auf den Menschen in ökonomischen Belangen maßgeblich geprägt. Und er tut dies zu weiten Teilen auch heute noch. So gilt der schottische Aufklärer als Begründer der Ökonomie als Wissenschaft, auf welcher die meisten heutigen ökonomischen Modelle fußen. Im Jahre 1776 erschien sein Hauptwerk „Wohlstand der Nationen – Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen“, welches heute die Geburtsstunde der englischen Nationalökonomie markiert. Eines dieser ökonomischen Modelle ist der uns allen bestens bekannte „Homo oeconomicus“. Er ist der sog. rationale Agent der Ökonomen, welcher gem. Theorie jederzeit 100 % rational handelt, alle ihm verfügbaren Informationen verwendet und basierend darauf in der Lage ist, konsistente und referenzunabhängige Entscheide zu fällen, welche jederzeit seinen Nutzen maximieren sollen. So weit die Theorie.

Aber schon der berühmte britische Ökonom und Politiker John Maynard Keynes (1883–1946) war der Meinung, dass nicht nur rationale Kalkulationen Basis für ökonomische Entscheidungen bilden und stattdessen viele Entscheidungen “can only be taken as a result of animal spirits.” Er erkannte die irrationalen Elemente (Instinkte, Emotionen, Herdenverhalten etc.) im Wirtschaftsgeschehen und war der Meinung, dass diesen konjunkturelle Schwankungen zu verdanken sind, wie er es in seinem Werk „Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes“ im Jahre 1936 ausführte. Nach Auffassung von Robert Shiller und George Akerlof, zweier herausragender Verhaltensökonomen der heutigen Zeit, wurde die Berücksichtigung der irrationalen Motive von den Keynesianern fälschlicherweise bei der Interpretation von Keynes‘ Werk weitgehend unterschlagen, um die Theorie besser an den vorherrschenden Mainstream anzupassen, welcher wie gesagt grundsätzlich allem wirtschaftlichen Geschehen Rationalität unterstellt. In den letzten 50 Jahren haben Ökonomen dem Homo oeconomicus mit immer sophistizierteren Modellen noch mehr „Wunder“ abverlangt. Der US-Ökonom Milton Friedman (1912–2006) beispielsweise war der Überzeugung, dass der Mensch Investitionsentscheidungen treffen kann, welche sein gesamtes Leben umspannen. Die Rationalitätsbewegung in den letzten Dekaden hat viele Nobelpreise hervorgebracht und der Homo oeconomicus war auf dem Gipfel seiner Bekanntheit und Unbestreitbarkeit angelangt.

Vor rund einem halben Jahrhundert hat der deutsche Mathematiker und Ökonom Reinhard Selten (1930–2016) begonnen, die Spieltheorie zu erforschen. Diese erörtert, wie sich Menschen durch ihre Entscheidungen gegenseitig beeinflussen. Bekannte Beispiele sind zum Beispiel das sog. Gefangenendilemma oder die Tit for Tat-Strategie. Er entdeckte, dass Menschen in Experimenten alles andere als rational entscheiden, selten das Beste für sich herausholen, also nicht ihren Eigennutz optimieren, Situationen falsch einschätzen und teilweise sogar Nachteile oder Kosten in Kauf nehmen, um andere zu Fairness und Kooperation zu erziehen oder sie für unfaires Verhalten einfach nur zu bestrafen. Interessanterweise traten diese Phänomene nicht bloß zufällig auf, sondern mit vorhersagbarer Wahrscheinlichkeit. Von diesem Zeitpunkt an galt die Spieltheorie nicht mehr als bloße Theorie, welche eine Vereinfachung der Wirklichkeit ermöglichte, sondern vielmehr als Mittel, um die Abweichung des Menschen vom Ideal erfassen zu können. Selten erhielt im Oktober 1994 als erster Deutscher den Nobelpreis für Ökonomie.

Auch der amerikanische Nobelpreisträger Herbert A. Simon (1916–2001) hat in den 1950ern begonnen, daran zu zweifeln, dass der Mensch alle Alternativen und deren Konsequenzen zu überblicken vermag. So entwickelte er das Gegenkonzept zur standardökonomischen Annahme, die sog. „begrenzte Rationalität“. Diese besagt, dass Menschen über eine beschränkte Auffassungsgabe verfügen und immer nur einen limitierten Teil der Wirklichkeit erfassen und verarbeiten können. Seiner Ansicht nach suchen Menschen nach ein paar vielversprechenden Alternativen und treffen ihre Wahl nach kurzem Abwägen für diejenige Alternative, welche sie als ausreichend gut beurteilen. Diese Vorgehensweise nannte er „Satisficing“. Sie ist heute neben „bounded Rationality“ (begrenzte Rationalität) der zweite Begriff, der in einem Atemzug mit Herbert A. Simon genannt wird.

Obwohl die Basis jedes Wirtschaftens die dahinterliegenden Entscheide sind, welche einzelne Menschen treffen (sog. Entscheidungsökonomie), hatte die Wirtschaftswissenschaft in jüngster Zeit immer mehr den Anspruch, die Welt anhand mathematischer, rationaler, logischer und konsistenter Modelle deduktiv zu erklären. Gleichzeitig gelang es aber der empirischen Verhaltensforschung immer häufiger und wiederholt, induktiv zu beweisen, dass Menschen systematisch vom Verhalten rationaler Entscheider abweichen. Die Soziologen und Psychologen waren sich in einem bald einig: Die Modellgläubigkeit der Ökonomen und deren Weltanschauung hatte ihrer Überzeugung nach nicht annähernd genug mit dem Menschen, dem eigentlichen Subjekt des Wirtschaftens, gemein. Sie beobachteten mit Bedenken, wie sich die Ökonomie zusehends vom Menschen als emotionales Wesen entfernte.

Eine ganze Gegenbewegung zur klassischen Ökonomie begann Fahrt aufzunehmen. Neben Simon und Selten haben weitere wissbegierige Soziologen, Psychologen, Mathematiker und Ökonomen begonnen, alteingefahrene Pfade zu verlassen. Eindrücklich zu belegen, wie weit sich die herrschende Lehre von der Realität entfernte, gelang den beiden Psychologen und Verhaltensökonomen Daniel Kahneman (1934) und Amos Tversky (1937–1996). Sie zeigten auf, wie Menschen sich die Komplexität der Welt verständlich und handhabbar machen und dabei am laufenden Band die Gesetze der Ökonomie missachten. Sie demontierten damit förmlich das Menschenbild des Homo oeconomicus. Als Reinhard Selten mit seiner Forschung begann, hoffte er noch, das Entscheidungsverhalten des Menschen ließe sich mit ein paar Prinzipien erklären. Wie wir noch sehen werden, ist die Situation komplexer. Viel komplexer. Alleine schon die bisher über 250 identifizierten kognitiven Verzerrungen (sog. Biases) und Effekte zeigen, dass sich mit ein paar Regeln das Verhalten des Menschen nicht erklären lässt. Der Mensch ist damit schwerer zu fassen als der rationale Agent der klassischen Ökonomie.

Es dauerte bis 2002, bis der Psychologe Daniel Kahneman für seine Forschungen und Erkenntnisse rund um menschliches Entscheiden mit dem Nobelpreis geehrt wurde. Heute nimmt längst eine ganze Forschergeneration das Menschenbild des Homo oeconomicus auseinander. Egal worauf auch immer diese Verhaltensökonomen ihr Interesse richten, finden sie Widersprüche zur klassischen ökonomischen Theorie, welche bisher behauptet hat, dass Menschen zwar Fehler begehen, dies aber nur bei einzelnen Marktteilnehmern zufällig geschieht und somit am Marktergebnis nichts zu ändern vermag.

Viele Modelle der Ökonomen haben entgegen aller Erwartungen nachweislich nicht funktioniert oder im entscheidenden Moment versagt. Jüngste Beispiele wie die Finanzkrise haben auch einer breiteren Bevölkerung eindrücklich gezeigt, wie irrational Menschen resp. ganze Märkte funktionieren können. Nicht zuletzt solche Ereignisse von „Modellversagen“ haben der sog. Verhaltensökonomie in den vergangenen Jahren vermehrt Auftrieb gegeben. Während auch heute noch klassische Ökonomen an Modelle und insb. den Homo oeconomicus glauben und mit aller Kraft Andersdenkende bekämpfen, haben bis heute unzählige Verhaltensökonomen zu einer besseren Form des Verständlichmachens unseres Wirtschaftens gefunden. Wir werden einigen dieser großartigen Pioniere im Verlaufe dieses Buches begegnen.

Aktuell verlieren Ökonomen zusehens ihren geliebten rationalen Agenten, welchen sie in der Vergangenheit bedenkenlos auf alle Fragen anwenden konnten. Wie alle Naturwissenschaftler wollten auch sie allgemein gültige Gesetze aufstellen. Jedoch stellte sich keines dieser Gesetze als so ubiquitär heraus wie bspw. das Gesetz der Gravitation. Während Gegenstände immer wieder zu Boden fallen und dies auch in Zukunft mit stoischer Sicherheit tun werden, ändert sich derzeit unsere Erkenntnis über den Menschen unaufhaltsam und die Verhaltensforschung fasst in der Ökonomie immer festeren Tritt. Sie manövriert damit die Wirtschaftswissenschaften wieder vermehrt in Richtung der Geisteswissenschaften und sie werden auf diese Weise nicht nur wieder zugänglicher für Nichtmathematiker, sondern auch für alle Menschen. Das eröffnet uns neue Chancen, mehr über uns und über unser Verhalten zu erfahren, daraus zu lernen und diese Erkenntnisse bei zukünftigen Entscheidungen einfließen zu lassen.

DIE GESCHICHTE DES HUMAN DECISION DESIGN MODEL® IM SCHNELLDURCHLAUF – ENTSTEHUNG UND ENTWICKLUNG DES HUMAN DECISION DESIGN MODEL®

Im Grunde umfasst die Verhaltensökonomie bis dato eine Ansammlung von Entscheidungsmustern, die sog. Heuristiken und kognitiven Verzerrungen (Biases), jedoch kein einheitliches Modell, welches diese untereinander in Verbindung setzt und in eine hierarchische Folge bringt. Mehr noch überlappen sich diese Effekte teilweise oder sie widersprechen sich sogar. Das mag aus akademischer Sicht weniger ein Problem sein, jedoch in der Praxis erschwert dies die Anwendung der Erkenntnisse erheblich. Während die Forschung hauptsächlich nach Abweichungen vom Idealbild resp. der Standardvorgabe der Ökonomie sucht und aufzeigt, inwiefern Menschen nicht wie der Homo oeconomicus funktionieren, benötigen wir in der Praxis eher eine umgekehrte Betrachtungsweise. Nämlich die Sicht auf den Menschen, wie er wirklich als Mensch funktioniert resp. entscheidet. Obschon die Verhaltensökonomie die bisher vorherrschende Vorstellung vom Menschen wanken lässt, ist es ihr bis heute nicht gelungen, ein holistisches Modell menschlichen Verhaltens und Entscheidens zu erstellen, welches es uns in jeder Situation ermöglicht zu erkennen, wie Menschen in einer konkreten Situation entscheiden (werden).

Erschwerend kommt hinzu, dass die verhaltensökonomische Forschung in Laborsituationen konkrete, klar abgegrenzte Hypothesen prüft. Es werden beispielsweise kleinste Unterschiede zwischen unterschiedlichen Wahloptionen isoliert „elaboriert“. In der Praxis finden wir selten bis nie solche klar abgrenzbaren Laborbedingungen. Die Entscheidungsmechanismen in der Praxis sind vielfältiger, komplexer und zudem oft situationsabhängig. Das kann dazu führen, dass die empirischen Erkenntnisse, die zu erwarten wären, in der Praxis manchmal weniger ausgeprägt oder selten auch gar nicht festgestellt werden können.