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Für Willi

TINA KÖPKE

125

Tage Leben

New Adult Romance

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125 Tage Leben

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Tina Köpke

© 2018 Romance Edition Verlagsgesellschaft mbH
8712 Niklasdorf, Austria

Covergestaltung: © Sturmmöwen
Titelabbildungen:
© ArturVerkhovetskiy, © Gowithstock,
© Nastya Dubrovina
Korrektorat: Melanie Reichert

ISBN-Taschenbuch: 978-3-903130-44-9
ISBN-EPUB: 978-3-903130-45-6

www.romance-edition.com

Inhalt

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

Epilog

Playlist – 125 Tage Leben

Danksagung

Die Autorin

1. Kapitel

Tag 4

Das war er also, der große Tag, auf den ich seit Wochen gewartet hatte.

Der Tag, an dem mein neues Leben beginnen würde, hier, in Little Springs, wo alles ein wenig kleiner und niedlicher wirkte als zu Hause in New Falls, North Carolina. Es hatte einen Sechsstundenflug und knapp eintausendsiebenhundert Meilen gebraucht, bis sich das beklemmende Gefühl in meiner Magengegend löste und ich endlich frei atmen konnte. Denver hatte mich beim Aussteigen mit prallem Sonnenschein und zweiunddreißig Grad empfangen, die mich seitdem durchgehend zum Schwitzen brachten. Wärme stellte an sich kein Problem für mich dar, aber die Aufregung, die mich fest im Griff hielt, machte alles nur schlimmer. Trotzdem konnte ich mich gut an diese Stimme erinnern, die mir leise zuflüsterte, dass endlich alles gut werden würde. Auch heute, an meinem vierten Tag in dieser Kleinstadt, war ich mir dessen noch sicher.

Begleitet von dem lauten Klappern der kleinen Rädchen unter meinem Koffer, lief ich über das Collegegelände, auf der Suche nach jenem Schild, das mir die Richtung zum Studentenwohnheim wies. Mein Zimmer war endlich frei geworden, sodass ich den Einzug in mein neues Leben feiern konnte. Umso neugieriger musterte ich im Vorbeigehen die modernen Gebäude, in denen in naher Zukunft meine Vorlesungen stattfinden würden.

Das Gelände des Little Springs College war, genau wie die Stadt, überschaubar. Ein begrünter Hof mit Wegen aus Pflastersteinen, die einen entlang von saftigen Wiesen und schattenspendenden Bäumen überall und nirgendwo hinführten. Drumherum standen rote Backsteingebäude mit weißen Fensterrahmen, wobei das Verwaltungsgebäude über alle hinausragte. Aufgrund der Größe des Colleges wusste ich, dass es hier nur ein Wohnheim gab. So schwer konnte es also nicht sein, es zu finden.

»Hey, pass doch auf!«

Keine Ahnung, wie es dazu kommen konnte, aber plötzlich prallte ich gegen etwas Hartes und verlor den Halt. Unsanft landete ich mit meinem Hinterteil auf dem Boden und hörte ein lautes Knacken.

Zwei Fragen schossen mir durch den Kopf, noch ehe ich überhaupt registrierte, was passiert war.

Erstens: Seit wann können Laternenpfähle sprechen?

Und zweitens: War das jetzt mein Steißbein, das geknackt hat?!

»Da trägst du schon eine Brille und rennst trotzdem noch in Leute hinein.«

Noch immer verwirrt, pustete ich mir meinen Pony aus dem Sichtfeld und starrte zu dem Fremden hoch. Ich wusste gar nicht, wohin ich zuerst schauen sollte. Seine breiten Schultern, die sonnengebräunte Haut oder das dunkle Haar, das er zu einem großen Teil unter einem verkehrt herum aufgesetzten Basecap versteckt hatte. Sein Kinn wurde von einem Dreitagebart eingerahmt, der seine Gesichtszüge härter wirken ließ.

»Tut mir leid, ich …«

»Verdammt, jetzt muss ich noch mal zurück«, murrte er. Der Kerl beachtete mich gar nicht weiter, geschweige denn, dass er mir seine Hand reichen würde, damit mein armes Steißbein und ich wieder auf die Beine kamen.

Ein leichter Schmerz zog sich durch meine Hüften, als ich mich mühsam aufrichtete und dem sehr menschlich wirkenden Laternenpfahl gegenüber zum Stehen kam. »Ich sagte doch, es tut mir leid«, wiederholte ich nun etwas genervt. Dieser Typ beschwerte sich ernsthaft über einen Kaffeefleck auf seinem weißen Shirt.

Ein Fleck.

Etwas, das man sicherlich bequem auswaschen konnte. Meinem Koffer fehlte im Gegensatz dazu eine seiner vier wichtigen Rollen. Etwas, das sich nicht so schnell beheben lassen würde. Zumindest wusste ich jetzt, was bei meinem Sturz so geknackt hatte.

»Du schuldest mir einen Kaffee.« Der Fremde schaute halbherzig in seinen Plastikbecher.

Plastik! War ja klar. Jetzt reichte es mir endgültig. War das die Art, wie das Little Springs College seine neuen Studenten begrüßte? »Du schuldest Mutter Natur eine Entschuldigung!« Ich sah mit zusammengekniffenen Augen in sein markantes Gesicht, das aus einem Paar haselnussbrauner Augen und schwungvoll gezeichneten Lippen bestand. Eine schwarze Lederjacke, die er über dem scheinbar zum Sterben verurteilten Shirt trug, rundete seinen Johnny-Cool-Look ab. Dass hochsommerliche Temperaturen herrschten, schien ihn nicht zu stören.

»Hey, ich remple hier keine Leute an und lasse sie ihren Kaffee verschütten.« Er hob abwehrend die Hände und sah mich finster an. »Wegen dir darf ich mich jetzt umziehen, komme vermutlich zu spät zu meiner Verabredung und muss ein Oberteil mehr waschen, als es nötig wäre.«

Ein verständnisloses Lachen rutschte mir heraus. Warum wunderte es mich nicht, dass ich zuallererst in den Campus-Hengst hineinrennen musste? »Vielleicht solltest du in Zukunft einfach besser darauf achten, wo du hinläufst. Im Gegensatz zu dir kenne ich mich hier nämlich nicht aus. Von mir erwartet man, dass ich kopflos in der Gegend herumirre.«

Der finstere Ausdruck des Fremden verwandelte sich in ein herausforderndes Lächeln. Achtlos drückte er den Plastikbecher zusammen und warf ihn in den Mülleimer neben einer Bank, der bereits mit anderen Umweltsünden gefüllt war. »Weißt du was? Ich verzeihe dir, wenn du mir meinen Kaffee ersetzt. Theoretisch wäre auch eine Waschmaschinenladung fällig, aber so kleinlich will ich heute nicht sein.«

Ich schnaufte abfällig angesichts der Dreistigkeit seines Angebots. »In zehn Leben nicht.« Trotzig schob ich meine schwarz gerahmte Brille auf dem Nasenrücken zurecht.

»Dann eben im elften.« Er zuckte mit den Schultern und fixierte mich dabei mit seinem Blick. Das war die reinste Zeitverschwendung und ich sah gar nicht ein, mir meinen besonderen Tag von einem wie ihm ruinieren zu lassen.

»Mein Koffer und ich«, begann ich und beugte mich nach unten, um mein dreirolliges Gefährt wieder in eine aufrechte Position zu bringen, »werden jetzt gehen. Und das«, ich deutete auf den braunen Fleck auf seinem Shirt, das eng um seine Brust spannte, »ist vermutlich Karma, das anklopft und dir sagen möchte, dass Plastikbecher superumweltunfreundlich sind. Kauf dir einen Thermobecher, die haben nämlich einen richtigen Deckel!«

Ohne seine Reaktion abzuwarten, lief ich mit dem Koffer an ihm vorbei und setzte meinen Weg fort. Es hätte ein toller Abgang meines neuen Ichs werden können, einer, auf den ich noch Jahre später mit Stolz würde zurückblicken können. Leider sah ich vor mir die leicht gehobene Bodenplatte nicht und blieb mit einem Fuß daran hängen.

Gegen jedwede Planung wandte ich mich im Stolpern noch einmal nach hinten zu dem Fremden um. Er lachte laut und schob abwartend die Hände in die Taschen seiner verwaschenen Jeans. Bestimmt wollte er sehen, was ich auf meinem Weg zum Wohnheim, das zum Glück direkt vor mir lag, noch alles umreißen würde. Diese Genugtuung gönnte ich ihm nicht. Mit erhobenem Haupt, schmerzendem Hinterteil und einem eiernden Rollkoffer kam ich endlich an meinem lang ersehnten Ziel an.

Ich dachte immer, ich würde nur ein einziges Mal in meinem Leben auf ein gleißend helles Licht zulaufen, und dass dieser Zeitpunkt noch in einer weit entfernten Zukunft lag. Beim Öffnen der Tür, die mich direkt in mein neues Zuhause führte, wurde ich von einem grellen Blitz begrüßt, der mich eines Besseren belehrte.

»Huch!«, stieß ich überrascht aus. Für die Dauer eines Wimpernschlags war ich blind, ehe kleine Sterne durch mein Sichtfeld tanzten und mich mehrmals blinzeln ließen.

Das Erste, was ich sah, war meine Mitbewohnerin, die mit dem Rücken zu mir auf ihrem Bett saß. Sie hielt eine Polaroidkamera hoch, um auf altmodische Art ein Selfie zu schießen. Neugierig zog sie das Bild, das der kleine schwarze Kasten gerade ausspuckte, mit der Hand heraus und wedelte damit vor ihrem Gesicht herum. »Oh sorry, ich wollte dich nicht erschrecken.« Sie lächelte mir fröhlich zu und sah sich dabei das Ergebnis ihrer Fotoaktion an. »Du bist bestimmt meine neue Mitbewohnerin, richtig?«

Ich nickte stumm. Sie krabbelte auf allen vieren über ihr Bett, um mir stolz das Bild vor die Nase zu halten. »Schau mal, unser erstes gemeinsames Erinnerungsstück!«

»Sehr cool«, erwiderte ich mit einem nervösen Lächeln. Mein Puls war nach dem Zusammenprall immer noch irgendwo zwischen hundertachtzig und tot angesiedelt. Dazu kam die Tatsache, dass ich mich seit meiner Ankunft in der Stadt darauf vorbereitet hatte, meine Mitbewohnerin kennenzulernen. Ich hatte mir all die Szenarien ausgemalt, wie wir aufeinandertreffen würden, wer sie sein könnte und welche Geschichte sie womöglich erzählen würde. Es war mir gelungen, mich so hineinzusteigern, dass ich letzte Nacht in der Pension kaum ein Auge hatte schließen können und bereits mit Herzklopfen das Collegegelände betreten hatte.

Jetzt saß sie vor mir und ich war völlig überfordert. Mein Anspruch, einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen, raubte mir jede Fähigkeit, mich adäquat zu äußern. Ich sah mir das Foto noch einmal genauer an, auf dem mich zwei blaue Augen glücklich anstrahlten. Entgeistert und völlig durch den Wind war ich im Hintergrund zu sehen.

»Ähm …«, stieß ich aus. Unbewusst zupfte ich mir den Haarknoten auf dem Hinterkopf zurecht, der bei meinem Sturz ein paar der eingeklemmten Strähnen verloren hatte. Kein Wunder, dass ich auf dem Bild aussah wie ein explodiertes Meerschweinchen.

»Allein wegen dem coolen Shirt ist es schon ein super Foto geworden«, sagte meine neue Mitbewohnerin begeistert und deutete dabei auf das bunte Einhorn, das mein Oberteil zierte. »Ich bin übrigens Grace – und egal, was du hörst, ich bin nicht verrückt!«

»Gut zu wissen. Ich bin Harper. Freut mich, dich kennenzulernen.« Ich schüttelte ihre freie Hand. Grace war mir sofort sympathisch, weil ihre Haut meiner eiskalten Handfläche ein wenig Wärme spendete. Ungewollt erinnerte ich mich an einen Zeitungsartikel, den ich gestern beim Frühstück in der Pension gelesen hatte.

Während ich einen genüsslichen Schluck von meinem schwarzen Tee mit Honig getrunken hatte, war mein Blick über die Behauptung irgendeines Psychologen gestolpert, der meinte, Menschen mit warmen Händen wären beim Kennenlernen sympathischer als jene mit kalten. Mir war keine Situation eingefallen, in der ich diese Aussage hätte bestätigen können. Es wunderte mich aber nicht, dass ich dieses Wissen gerade jetzt wieder abrufen konnte.

Hoffentlich lag dieser Psychologe falsch und meine Eisblöcke von Händen brachten mir nicht gerade Minuspunkte bei Grace ein. »Tut mir leid, ich kriege immer kalte Hände«, entschuldigte ich mich verlegen bei ihr.

Sie schüttelte gelassen den Kopf und wischte damit das Problem symbolisch aus der Welt. »Geht mir auch so, wenn ich aufgeregt bin«, gestand sie mir zwinkernd. Rücklings ließ sie sich wieder auf ihr Bett fallen, nur um sich kurz darauf in einen Schneidersitz aufzurichten. Ihre kinnlangen Haare, die in einem hellen Blau gefärbt waren, verliehen ihrem Gesicht mit den hohen Wangenknochen einen perfekten Rahmen. Ich musste mich zusammenreißen, um sie nicht wie ein exotisches Tier im Zoo anzustarren. Zu Hause in New Falls gab es niemanden, der sich die Haare in so auffälligen Tönen färbte und mehr als ein Paar Ohrringe trug.

Um mich mit der neuen Umgebung vertraut zu machen, stellte ich den Koffer auf meiner zukünftigen Seite des Zimmers ab und sah mich um. Der Raum war klein und selbst das war eine Untertreibung. Wenn man ihn betrat, standen links und rechts an den Wänden je ein Einzelbett, gerade mal einen Schritt voneinander entfernt. Grace, die offensichtlich schon länger hier wohnte, hatte sich für die linke Hälfte entschieden. Zu ihrem Bereich gehörten ein kleiner Schrank mit einer Kommode sowie ein Schreibtisch unter dem Fenster gegenüber der Eingangstür. Diese Basiseinrichtung spiegelte sich auch auf meiner spärlichen Zimmerseite wider.

Es sah schrecklich trist aus.

Ich hatte angenommen, meine Unterkunft in der Pension wäre furchtbar gewesen. Blümchenmuster, wohin man auch gesehen hatte. Tapete, Bettwäsche, gerahmte Bilder, Vorhänge. Ich mochte Blumen, aber das war selbst für mich eine Nummer zu viel des Guten gewesen. Allerdings wären florale Muster mir jetzt deutlich lieber als das dunkle abgewetzte Holz, aus dem die Möbel des Wohnheims bestanden. Sofort erkannte ich hier und dort Kratzer und Ecken, an denen etwas herausgesplittert war.

Hilfe suchend drehte ich mich wieder zu Grace, die mich neugierig beobachtete und sich dabei auf ihre Unterlippe biss. »Na?«, fragte sie gedehnt. Ihr Unterton verriet eine gewisse Belustigung. Vermutlich war mein Gesichtsausdruck genauso doof, wie ich mich gerade fühlte.

»Es ist …« Ich suchte nach den richtigen Worten. Mir fiel nichts ein, daher ließ ich mich seufzend auf die Kante meines unbezogenen Betts nieder. Es ist besser als nichts, beendete ich resigniert den Satz in Gedanken und spürte wieder dieses penetrant schmerzhafte Ziehen, das sich langsam von meinem Steißbein hoch in meine Wirbelsäule fraß. Am liebsten hätte ich mich einfach nach hinten auf meine kahle Matratze geworfen, doch ein paar verdächtige Flecken, die mir vermutlich Herpes vor lauter Ekel einbringen konnten, hielten mich davon ab.

»Es ist ein Projekt!«, eröffnete mir Grace euphorisch und breitete dabei die Arme demonstrativ über sich aus.

Ich ahnte, worauf sie hinauswollte, immerhin hatte sie dasselbe auch schon durchmachen müssen – und wie ich fand, gute Arbeit geleistet.

An der Wand, an der ihr Bett stand, erstreckte sich ein großes Meer aus Polaroidfotos, die sie mit buntem Klebeband, Pinnnadeln, manche scheinbar sogar mit Kaugummi, am oberen weißen Rand befestigt hatte. Auf den meisten Bildern strahlte sie mir breit lächelnd entgegen, mal mit roten, mal mit grünen oder mit wasserstoffblonden Haaren, allein oder in Gesellschaft von anderen Menschen, in großen und kleinen Gruppen. Es waren Schnappschüsse von Partys, spontane Selbstporträts mit witzigen Grimassen, Stillleben von Dingen, die sie in dem Moment für ansprechend und erinnerungswürdig hielt.

Ich war erschlagen von diesem Leben, das sie auf Hunderten kleinen Quadraten eingefangen hatte. Vermutlich konnte man Stunden vor dieser Wand sitzen und würde immer wieder etwas Interessantes oder Neues finden. Nur hatte ich nicht die Zeit, sie mir so genau anzusehen, denn mein Blick wanderte weiter zu Kuscheldecken in einem hellen Grau, die ordentlich auf einem Stuhl zusammengelegt worden waren, und zu Lichterketten mit Papierkugeln, die über ihrem Schreibtisch und auf der Kommode warmes Licht spenden würden. Der Arbeitsplatz von Grace war für mich ungewohnt vollgestellt, wirkte gleichzeitig aber einladend mit seinen prallgefüllten weißen Stiftebechern, dem zugeklappten Laptop, beigefarbenen Kerzengläsern und kleinen grünen Palmen.

Alles passte so gut zu den tristen Möbeln des Studentenwohnheims, dass es mir kurzzeitig die Sprache verschlug.

»Ich brauche das auch. Alles. Ansonsten gehe ich auf meiner Hälfte ein wie eine Primel«, flossen die Worte schlagartig aus meinem Mund. Mit dem besten Welpenblick, den ich unter den vorherrschenden Umständen zustande bringen konnte, endete meine Erkundungstour wieder bei Grace, die mich ansah, als hätte ich ihr einen Heiratsantrag gemacht.

»Ich hatte gehofft, du würdest das sagen«, quietschte sie freudig und rutschte nach vorn auf die Kante ihres Betts, das mit heller Bettwäsche bezogen war. »Aber zuerst bekommst du die Frischlingstour vom Little Springs College!«

Die sogenannte Frischlingstour, wie Grace ihre Rundführung über das Collegegelände liebevoll nannte, beinhaltete alle Plätze, die ihrer Meinung nach wichtig sein könnten. In der Cafeteria, die zu dieser Zeit noch recht leer war, empfahl sie mir die besten Gerichte und riet mir von jenen ab, die mir auf den Magen schlagen würden.

Die Bibliothek, ein großer Saal mit deckenhohen Fenstern und Unmengen an Bücherregalen in dunklem Holz, kürte ich spontan zu meinem neuen Lieblingsort. Auch hier war nicht viel los, was Grace damit erklärte, dass die meisten Studenten ihre letzten Ferientage anderweitig nutzten, als im College zu hocken und darauf zu warten, dass die Vorlesungen wieder losgingen. Beim Anblick der leeren Tischreihen konnte ich mir gut vorstellen, wie ich dort demnächst sitzen und über meinen Büchern brüten würde.

Ich folgte Grace aufmerksam lauschend durch die Flure des Hauptgebäudes. Zahlreiche Türen führten links und rechts, laut meiner Tourleiterin, zu den Vorlesungsräumen. Am liebsten hätte ich jede einzelne geöffnet, um zu sehen, was mich ab Montag hier erwarten würde, aber die Möglichkeit, dass sich jemand in dem Saal befand, hielt mich davon ab.

Nachdem es außerhalb des Wohnheims nicht mehr viel Spannendes zu sehen gab, machten wir eine kurze Mittagspause an einem Hot-Dog-Stand vor dem Collegegelände.

»So gut wie jeder isst diese Dinger. Ich glaube, wir finanzieren mit unseren wöchentlichen Käufen hier der Tochter des Besitzers irgendeine Eliteuni«, erklärte Grace mir mit vollem Mund, nachdem wir uns, zurück auf dem Gelände, auf eine der zahlreichen Parkbänke gesetzt hatten.

»So beliebt, ja?« Ich inspizierte das vollgepackte Brötchen. Würstchen, Käse, Senf, Ketchup, Röstzwiebeln, süßsauer eingelegte Gurkenscheiben – und obendrauf noch irgendeine Soße, die mir völlig unbekannt war, aber wahnsinnig lecker schmeckte. Ich seufzte genüsslich.

»Die Leute essen dort öfter als in der Cafeteria – kein Wunder, wenn man jeden Mittwoch diesen fürchterlichen Kartoffelbrei vor die Nase gesetzt bekommt.«

Da musste ich Grace zustimmen. Nach dem, was sie mir erzählt hatte, war das Essen am College die meiste Zeit eher mäßig bis mies, lediglich ein paar Ausnahmen schafften es, dass die Studenten der Küche die Bude einrannten. Ich sah mich schon einen Kochkurs belegen, um nicht den Kindern des Hot-Dog-Mannes einen Ferrari zum Uniabschluss zu finanzieren.

Die zweite Hälfte von Grace’ fabelhafter Collegetour – so nannten wir es mittlerweile, denn Frischlingstour klang irgendwie uncool – führte uns zurück zu unserem Ausgangspunkt.

Weitaus weniger angetan zeigte mir meine Mitbewohnerin die Gemeinschaftszimmer, die auf jeder der drei Etagen mit einem mittelgroßen Flachbildfernseher, zwei großen Couchgarnituren, Tischkickern, Sideboards und jeder Menge Pflanzen ausgestattet waren. An den Wänden hingen Kunstwerke talentierter Studenten und Porträts berühmter Absolventen. Ich kannte keins von den Gesichtern, die stolz mit einem Perlweiß-Lächeln auf uns herabblickten.

»Alles irgendwelche erfolgreichen Wirtschaftsidioten«, klärte Grace mich auf, nachdem sie meinen fragenden Ausdruck bemerkt haben musste.

»Du klingst ja schwer begeistert.« Schmunzelnd studierte ich die Namen unter den Bildern.

»Meine Begabung liegt halt eher auf künstlerischer Ebene. Mein debiles Grinsen in einem Rahmen wirst du hier erst sehen, wenn mich irgendjemand zum neuen Andy Warhol ernennt. Und seien wir ehrlich – das wird wohl kaum eine Frau werden. Die Kunstwelt ist auch nur eine weitere sexistische Institution.«

Ich blinzelte überrascht – und wusste nicht, was ich dazu noch sagen sollte. Meine Kenntnisse zu diesem Thema waren eher beschränkt, aber Grace erweckte den Eindruck, dass ich in der Zukunft noch einiges von ihr darüber hören würde.

Unser nächster Halt waren die sanitären Bereiche, vor denen es mir am meisten graute. Ich freute mich zwar schon seit einer Weile auf die Zeit im Wohnheim, aber nachdem ich Google über die Zustände in solchen Einrichtungen befragt hatte, war mir ein Wort im Gedächtnis hängen geblieben: Gemeinschaftsduschen.

»Ich empfehle dir, so früh wie möglich duschen zu gehen, andernfalls läufst du Gefahr, dass das warme Wasser aufgebraucht ist. Und wenn du nicht gerade ein Kältefan am Morgen bist …« Grace wackelte bedeutungsvoll mit den Augenbrauen und ich spürte jetzt schon die frostige Gänsehaut, die meinen Körper von oben bis unten überzog.

»… dann komme ich vermutlich zu spät zur Vorlesung, weil ich niemals im Leben eine Eisdusche ertrage«, beendete ich ihren Satz, woraufhin sie energisch nickte. Gut, dass ich zu den Frühaufstehern gehörte.

Grace öffnete die Tür zu den Duschräumen und zeigte mir das Szenario, vor dem ich mich am meisten gegruselt hatte. Das leise Prasseln von Wasser drang an meine Ohren, ehe die Gläser meiner Brille beschlugen. Warmer Wasserdampf füllte den Raum komplett aus und raubte mir kurzzeitig die Sicht.

»Die Brille lasse ich dann auch besser im Zimmer«, murmelte ich und nahm diese vom Nasenrücken, um sie mit dem Saum meines Shirts trockenzuwischen.

Das lauter werdende Rauschen verschluckte die Antwort von Grace, die daraufhin demonstrativ mit den Augen rollte und mit der Faust gegen die senffarbene Tür der dritten Duschkabine schlug. »Hey, dusch mal etwas schneller, ich versuche hier, eine Führung abzuhalten!«

Abrupt wurde das Wasser ausgeschaltet und endlich konnten wir einander wieder verstehen. Ich lehnte mich abwartend mit meiner geschundenen Rückseite an eins der Waschbecken, die Arme vor der Brust verschränkt.

»Was ich sagen wollte«, begann meine Mitbewohnerin, ihre Rede fortzusetzen. »Besorg dir unbedingt Badelatschen. Ich will unseren Mitmenschen nicht mangelnde Hygiene vorwerfen, aber – tu es besser. Und wenn du dich einseifst, dann schalte die Dusche netterweise aus. Manche Leute verschwenden das Wasser hier … unglaublich!«, sagte Grace mit einem Schnaufen.

Nickend dachte ich an die kleinen Kinder in Afrika, die am Verdursten waren, während die Leute hier ausgiebig duschten – das würde ich zu vermeiden wissen. Vor allem aber deswegen, weil ich nicht diejenige sein wollte, die morgens bereits das gesamte Warmwasser aufgebraucht hatte.

Das leise Schmatzen von Badelatschen war zu hören, ehe ein Schloss entriegelt wurde und sich die Tür der Kabine öffnete. Wäre dieser Moment einem Comic entsprungen, wäre mir sicherlich die Kinnlade hinuntergeklappt.

»Beruhige dich, Grace«, konterte der Fremde, dessen Kaffee und Shirt ich auf dem Gewissen hatte. Mit nicht weniger als einem blauen Handtuch um die Hüften geschlungen, drängelte er sich an Grace und mir vorbei, um vor dem Spiegel mit den Händen das dunkelbraune Chaos auf seinem Kopf etwas zu bändigen.

»Liam!«, kreischte meine Mitbewohnerin erschüttert. »Du weißt genau, dass das hier die Frauenduschen sind!«

Liam. Liam passte zu ihm, wie ich fand. So hießen sie doch immer, diese arroganten Typen, die der Welt ihre trainierten Oberarme und ihr heiß geliebtes Sixpack präsentieren mussten, um gewisse andere Stellen zu kompensieren.

In meiner besten James-Bond-Art schaute ich unauffällig zu der Spur aus dunklem Haar unterhalb seines Bauchnabels, die unter dem Rand des Handtuchs verschwand. Ich konnte nicht sagen, ob er Grund dazu hatte, etwas ausgleichen zu müssen.

Nicht, dass mich das irgendwas anging.

Oder dass es mich interessieren würde.

»Sei nicht so prüde.« Er lachte und griff nach einem zweiten Handtuch, das noch über der Tür zur Duschkabine hing. Langsam – verdächtig langsam! – trocknete er sich die Wasserperlen ab, die auf dem Weg nach unten feine Linien auf seinem Oberkörper hinterließen. Obwohl mich mein Kopf dazu ermahnte, es nicht zu tun, folgte ich aus den Augenwinkeln heraus einem Tropfen, der sich oben von Liams Schlüsselbein löste, über seine ausgeprägte Brustmuskulatur rollte und in seinem Bauchnabel endete. Hypnotisiert von dem Anblick der sonnengebräunten Haut, die feucht im grellen Badezimmerlicht schimmerte, bekam ich gar nicht mit, worüber sich die beiden stritten.

»Wenn eure Duschen kaputt sind, dann ruf gefälligst den Hausmeister! Dafür wird der gute Mann schließlich bezahlt, nicht wahr, Harper?«

Grace’ Frage riss mich aus meiner Trance. Überrascht sah ich zu den beiden Streithähnen und nickte unentschlossen. Egal, was das Thema war, ich befand mich auf der sichersten Seite, wenn ich meiner Mitbewohnerin zustimmte.

»Würde deine neue Freundin mal ihre Brille putzen, hätte ich keine zweite Dusche gebraucht.« Liam warf mir einen Seitenblick zu, von dem ich mir nicht sicher war, ob dieser ernst gemeint war oder ob er mich einfach nur provozieren wollte.

»Ihr kennt euch schon?«, fragte Grace neugierig. Ihre Stimme klang höher als zuvor und ließ sie nicht mehr selbstbewusstwütend, sondern eingeschüchtert-nervös wirken.

»Kennen ist übertrieben«, gab ich ohne lang zu zögern von mir und sah wieder zu Liam, der eine Augenbraue skeptisch hochzog.

»Sie schuldet mir immer noch einen Kaffee.«

»Jetzt fängst du schon wieder damit an!« Im Grunde hätte ich jedem diesen Kaffee ausgegeben, aber angesichts dessen, wie unser Treffen abgelaufen war – ich wartete immer noch auf seine Entschuldigung für mein schmerzendes Hinterteil –, weigerte ich mich, klein beizugeben. »Grace, wir sollten gehen. Bei so viel Ego wird es langsam eng im Raum.«

Grace gluckste begeistert und hakte sich bei mir unter. Ich warf Liam einen letzten Grumpy-Cat-Blick zu, ehe wir die Dampfsauna verließen.

2. Kapitel

Tag 4

Um einen weiteren Zusammenstoß mit Liam an diesem Tag zu vermeiden, setzte ich mich mit Grace kurzerhand in ihren kleinen Uralt-Ford. Wir fuhren in einen Nachbarort von Little Springs, wo sie mich in das große Geheimnis ihrer Zimmerdeko einweihen wollte. Von ihrem Fahrstil einmal abgesehen, traf ihr Musikgeschmack genau den meinen. In dem Seitenfach des Beifahrersitzes fand ich ein halbes Dutzend Mixtapes, die sie selbst zusammengestellt und bespielt hatte. Kassetten! Das nostalgische Gefühl, das mich ein paar Jahre zurück in meine frühe Teenagerzeit versetzte, ließ mein Herz höherschlagen.

»Du hörst The Lumineers?« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, denn die Kassette mit dem Namen einer meiner Lieblingsbands beantwortete sie praktisch schon.

»Na klar! Ich war letztes Jahr sogar auf einem Festival, nur weil sie dort aufgetreten sind.« Ein strahlendes Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, während sie, ohne genau hinzusehen, auf einen Knopf in der Mittelkonsole drückte. Nach einem knarzenden Summen spuckte die Anlage eine andere Kassette aus, die ich sofort gegen die in meiner Hand austauschte. Ein weiteres mechanisches Rattern erklang und kurz darauf wurde der Innenraum auch schon von Flowers In Your Hair erfüllt.

Ich lehnte mich entspannt in meinen Sitz zurück und sah aus dem Fenster, das ich mangels Klimaanlage ganz heruntergekurbelt hatte.

Der Ausblick war unvergleichlich. Auf der zweispurigen Landstraße, die aus der Main Road der Kleinstadt entsprang, passierten wir trockene Wiesen und grüne Felder, ehe wir kurz darauf in dichter werdende Wälder eintauchten. Unser Weg schien in der weiten Ferne im Gebirge der Rocky Mountains zu enden, das sich erhaben über sein Naturreich erstreckte.

Es war das erste Mal, dass ich registrierte, wie frei ich jetzt war. Nicht unabhängig, aber frei. Mom und Dad waren in North Carolina, zusammen mit meinen Problemen. Niemand hier würde mir irgendwelche Vorwürfe machen oder mich auf der Straße anhalten, um mir zu sagen, wie sehr ich Gott enttäuscht hatte. Nein. All das lag hinter mir und ich bildete mir ein, dass bereits Gras über die Sache wuchs.

Bei dem Thema Familie entschieden sowohl Grace als auch ich uns dazu, es nicht anzusprechen. Was auch immer sie einer fremden Person nicht anvertrauen wollte – ich respektierte es, wie sie es bei mir tat. Allerdings erfuhr ich, dass sie mit zwanzig Jahren kaum älter war als ich, aus Nebraska stammte, viele Geschwister hatte und in Little Springs Fotografie und Kunstgeschichte studierte. Eine Mischung, bei der ich kläglich versagen würde.

Die Fahrt mit Grace endete schneller als gedacht. Wir kamen an den ersten Einfamilienhäusern vorbei und befanden uns auf einmal in dem Teil der Stadt, den man am ehesten ein Zentrum nennen durfte. Vor einem unscheinbaren Gebäude, das aus drei Etagen und roten Backsteinziegeln bestand, parkten wir – für meinen Geschmack ein bisschen zu schräg – ein. Eine auffällig weiße Beschriftung auf dem Schaufenster verriet das große Dekorationsgeheimnis meiner Mitbewohnerin: ein Secondhandladen.

»Mary, die Inhaberin, ist ziemlich cool. Sie nimmt einfach alles, was Leute wegschmeißen würden, und wertet die Sachen auf.« Grace war gerade dabei, mit Blick in den Seitenspiegel ihre Haare zu einem kurzen Puschelzopf zusammenzubinden. Ein paar blaue Strähnen lösten sich wieder und schlängelten sich in kleinen Locken stur an ihren Ohren vorbei.

»Das sind mir doch die liebsten Leute«, sagte ich lächelnd.

Geplagt von der Nachmittagshitze fächelte ich mir mit der Hand Luft zu und ließ der Fachfrau in Sachen Secondhand-Dekoläden den Vortritt. Ein kleines Glöckchen kündigte unsere Ankunft an und obwohl ich niemanden sehen konnte, hörte ich von irgendwo ein fröhliches Herzlich willkommen, schauen Sie sich doch um! zwischen den Regalen hervorklingen.

»Ich bin’s nur«, rief Grace ebenso gut gelaunt und streckte mir einen metallenen Einkaufskorb entgegen. »Dann wollen wir mal!«

Bereits nach wenigen Minuten war ich dankbar, dass ich im Mitbewohner-Lotto eine Grace erwischt hatte. In dem organisierten Chaos wäre ich untergegangen, aber sie manövrierte uns geschickt durch die Abteilungen, ehe wir dort landeten, wo es mit Kissen und anderem Dekorationskram gemütlich wurde. Sie deutete auf ein paar Einmachgläser, die nicht gerade nach schwedischem Kaufhaus aussahen, aber ähnlich angenehm dufteten.

»Du brauchst Kerzen. Die sind zwar im Wohnheim nicht erlaubt, aber wenn du die Bude nicht abfackelst, wird das schon keiner merken. Mary zieht sie aus alten Resten.«

»Raffiniert.« Kurzerhand verteilte ich ein paar Gläser in meinem Körbchen und packte noch zwei himmlisch weiche Decken dazu.

»Was machen wir mit meinem Bett?«, fragte ich skeptisch. Ich konnte es einfach nicht über mich bringen, einen frischen Bezug auch nur in die Nähe dieser widerlichen Matratze zu lassen. Außerdem fehlten mir noch ein Kopfkissen und eine Schlafdecke, beides Dinge, die ich nicht aus zweiter Hand kaufen wollte.

»Hier um die Ecke gibt es noch einen Home Depot. Die haben günstige Bettsachen.« Grace griff nach einer Lichterkette, auf deren Lämpchen kleine Plastiksterne klebten. Auch wenn es bei ihr toll ausgesehen hatte, war ich mir nicht sicher, ob ich der große Girlanden-Typ war. Zu Hause war mein Zimmer zwar nicht gerade spartanisch eingerichtet, aber unnötigen Dekorationskram fand man dort eher weniger. Trotzdem schrie etwas in mir danach, dass ich dringend eine brauchte, um die Zimmerhälfte im Ansatz zu meiner zu machen.

»War diese Matratze eigentlich immer schon so eklig oder ist meine Vorgängerin daran schuld?«, erkundigte ich mich beiläufig.

Ein Schatten legte sich über Grace’ Gesicht, der nicht zu ihrer aufgeregten Art passte. »So genau kann – und ehrlich gesagt, will – ich dir das gar nicht sagen.«

»Das macht mir jetzt Angst«, witzelte ich unbeholfen.

»Wenn man weiß, wer da zwischendurch daraufgelegen hat, will man nicht groß darüber nachdenken.«

Ob sie es wollte oder nicht – meine Neugier war geweckt. »Ich will alle schmutzigen Details!«, forderte ich sie übereifrig auf und blieb zwischen selbstgemachten Klosteinen und Zitronenschalenreinigern stehen.

Sie zögerte, gab aber seufzend nach. »Sie hieß Cassy. Wir fingen beide vor einem Jahr mit unserem Studium an und sie war wirklich nett.« Grace biss sich nachdenklich auf die Unterlippe. »Blöderweise ließ sie sich auf Liam ein und verliebte sich Hals über Kopf in ihn, wovon er wiederum nichts wissen wollte. Das Ende vom Lied war, dass er Cassy abservierte und sie das College wechselte, weil sie es nicht ertrug, ihn tagtäglich mit irgendeiner anderen zu sehen.«

Die Geschichte von dem Mädchen mit dem gebrochenen Herzen berührte mich mehr, als ich es erwartet hatte. »Hätte sie ihm nicht einfach aus dem Weg gehen können?«, fragte ich leise.

»Das war unmöglich.«

»Wieso?«

Grace zögerte einen Moment, ehe sie mit den Schultern zuckte und ein paar künstliche Pflanzen in ihren Korb legte. »Weil er nebenan wohnt.«

Auch wenn ich viel Spaß daran hatte, mit Grace erst den Secondhandladen und danach Home Depot praktisch leerzukaufen, war ich erleichtert, als der Abend endlich anbrach und ich mich auf meine neue Matratze legen konnte. Noch immer stand auf dem Schreibtisch ein Karton mit dem Kram, den wir besorgt hatten, aber ich konnte nicht mehr die Kraft aufbringen, ihn an diesem Tag auszupacken.

Nur die Klamotten, die ich kurz nach meiner Ankunft in Little Springs in einem kleinen Vintageladen gekauft hatte, hingen bereits im Kleiderschrank. Links auf der Stange befanden sich meine Röcke und Kleider, die noch aus den Sechziger- und Siebzigerjahren stammten, in der Mitte die Strickjacken in allen Farben des Regenbogens und der restliche Platz wurde von ein paar Shirts und leichten Blusen besetzt. Ich liebte Vintage-Kleidung und je farbenfroher sie war, desto besser. Selbst meine kleine Kommode, auf der spätestens nach dem morgigen Tag eine Vase mit frischen Blumen und meine Ordner für die Uni stehen würden, war gut gefüllt.

Aufgebraucht dagegen war ein Teil meiner Ersparnisse. Aber während ein kleiner Anflug von Panik versuchte, sich in mir einzunisten, starrte ich an die Zimmerdecke und sagte mir immer wieder, dass es dafür gedacht war. Die Erstausstattung war notwendig gewesen, um einen Schlussstrich zu ziehen, um mein altes Ich dort zu lassen, wo es hingehörte – und das war definitiv nicht hier.

»Sicher, dass du nicht mitkommen willst?«, fragte mich Grace, die sich gerade zurechtmachte und leise ein Lied summte. Ich winkte ihr erschöpft zu.

»Nächstes Mal vielleicht.«

Das war ziemlich unwahrscheinlich. Partys und ich? Nein. Nicht umsonst hatte ich meine liebsten Bücher anstelle von anderen wichtigen Dingen in den Koffer gepackt und mit nach Little Springs genommen. Auf meiner Agenda stand definitiv nicht, mein Studentenleben in rauchigen Kneipen und schrillen Clubs zu verschwenden. So gern ich etwas mit Grace unternehmen wollte, konnte ich mich an solchen Orten einfach nicht wohlfühlen. Schon gar nicht, nachdem die letzte Party, die ich besucht hatte, mein Leben zerstört hatte.

Zugegeben, als sich Grace verabschiedete und die Tür hinter sich zuzog, war ich doch ein bisschen traurig. Plötzlich herrschte Ruhe, die hin und wieder von ein paar Stimmen im Flur unterbrochen wurde. Ich war dankbar für die Müdigkeit, die mich wenige Minuten später in einen tiefen Schlaf fallen ließ.

Harper, wie konntest du nur?

Nach Luft schnappend schreckte ich hoch. Mein Herz kämpfte mit aller Kraft gegen sein knochiges Gefängnis, während sich meine Lunge bei jedem Atemzug verkrampfte. Ich brauchte eine Weile, um festzustellen, dass ich nicht zu Hause in meinem alten Bett lag und niemand, außer die Fetzen einer schmerzhaften Erinnerung, hier war.

Mit brennenden Augen ließ ich mich wieder zurück in mein Kissen fallen. Ein dumpfer Druck in meinem unteren Rücken verriet mir, dass ich falsch gelegen haben musste oder mir tatsächlich das Steißbein geprellt hatte. Betend, dass es nur meine unbequeme Position war, versuchte ich wieder einzuschlafen – und scheiterte kläglich.

Knallender Bass gefolgt von lautem Grölen verdrängten die Stille des Zimmers. Ein Blick auf die andere Seite verriet mir, dass Grace bereits zurück war und trotz des Krachs seelenruhig ihrem Schönheitsschlaf nachging.

Ich sah auf mein Handy und drückte die vier verpassten Anrufe meiner Eltern weg. Als sich meine Augen an das grelle Licht gewöhnt hatten, stellte ich erschrocken fest, dass es erst kurz nach drei Uhr war. Verständnislos setzte ich mich auf und holte aus, um mit der Faust gegen die Wand zu schlagen. Ein sinnloser Versuch. Stattdessen bildete ich mir ein, dass die Anlage noch lauter aufgedreht wurde und erneut Jubelschreie zu hören waren. Keinen Zweifel – da schmiss jemand eine Party.

»Grace.« Meine Mitbewohnerin rührte sich nicht. Selbst bei einem zweiten Versuch reagierte sie nicht. Schnaufend schob ich die Bettdecke zur Seite und stellte meine nackten Füße auf den kalten Boden. Ein Schauer stellte die feinen Härchen in meinem Nacken auf und ließ mich frösteln. Am Tag konnte eine Bullenhitze herrschen, aber nachts fielen die Temperaturen auf Herbstniveau. Kühles Herbstniveau.

»Grace, hey.« Ich stupste sie ein letztes Mal an.

Ihre Augen öffneten sich, gefolgt von einem grunzenden Laut, während ihre Finger eine verirrte Haarsträhne zwischen ihren Lippen hervorzog. »Wie spät ist es?«, fragte sie mich mit belegter Stimme.

»Eindeutig zu spät für diesen Lärm«, antwortete ich genervt und ließ mich dabei zurück auf mein Bett sinken.

»Was hast du gesagt?« Grace griff an ihre Ohren und zog auf jeder Seite einen kleinen Stöpsel heraus. Ohropax. Kein Wunder, dass sie schlafen konnte. Ich musste noch viel von ihr lernen. »Oh, du meinst die Party?«

Ich nickte stumm und ballte meine Hände zu Fäusten. Mittlerweile war der Bass schrillen Gitarrenklängen gewichen, was es nicht unbedingt besser machte.

»Daran wirst du dich wohl gewöhnen müssen.« Grace seufzte und hob demonstrativ die Ohrstöpsel hoch. »Kauf dir von denen einen Jahresvorrat, wenn du in Zukunft gut schlafen willst.«

»Ist das dein Ernst?« Mit aufgerissenen Augen sah ich sie an. Durch das hereinfallende Mondlicht konnte ich ein verständnisvolles Lächeln auf ihren Lippen erkennen, ehe sie sich in Richtung ihrer Wand drehte.

»Kampf gegen Windmühlen, kleiner Padawan. Kampf gegen Windmühlen!«

Entschlossen drückte sie sich die Ohropax wieder in die Ohren und ging damit dem Schlaf der Gerechten nach.

Das war es also? Ich sollte kapitulieren, weil die Auseinandersetzung mit solchen unhöflichen Menschen sinnlos erschien?

»Ich bin nicht jahrelang bei den schlimmsten Temperaturen in die Kirche gegangen, um mich von der erstbesten Hürde kleinkriegen zu lassen«, stieß ich siegessicher aus und angelte nach meiner Brille auf der Kommode. Ohne noch einmal in den Spiegel zu blicken – was vielleicht der größte Fehler in dieser Nacht überhaupt war –, ging ich zur Zimmertür und riss sie auf. Aus den Augenwinkeln registrierte ich nur noch, wie sich Grace erneut in ihrem Bett aufrichtete. Ehe sie etwas sagen konnte, zog ich die Tür hinter mir zu und stand mitten auf einer Partymeile.

Von der Lautstärke her könnte eine Bombe hochgehen – niemand würde es bemerken. Der Bass der Rockmusik, die mir unter anderen Umständen sogar gefallen hätte, hämmerte so laut aus den Boxen, dass der Boden unter meinen Füßen vibrierte. Der Weg zur Quelle der Party war nur wenige Schritte entfernt, aber die vielen Leute im Flur machten es schwer, dorthin zu gelangen. Obwohl ich zwischen den Stimmen und den Anfeuerungsrufen nicht mal meine eigenen Gedanken verstehen konnte, standen die Partygäste dicht beisammen und unterhielten sich, tanzten oder schliefen. Ja, manche schafften es, bei dem Lärm zu schlafen. Vielleicht verrieten sie mir ihr Geheimnis, wenn ich nett danach fragte?

Ich drängelte mich an einer Gruppe von Typen vorbei, die bewaffnet mit roten Plastikbechern eine angeregte Unterhaltung führten. Ihre Köpfe neigten sich zu mir, als ich mit einem genervten Gesichtsausdruck meinen Ellenbogen in ihre Rücken drückte, um mir einen Durchgang zu verschaffen. Sicherlich hätte ich etwas auf ihre sich öffnenden Münder geantwortet – wenn ich sie verstanden hätte. Irgendwas sagte mir jedoch, dass ich froh sein sollte, dass die Stimme von Metallicas Frontmann lauter war als die der Jungs.

Ich kam mehr oder weniger unversehrt vor der Zimmertür der Nachbarn an. Meine vier Wände mit Grace hielt ich schon für eng, doch der Raum neben uns war völlig überfüllt. Niemals hätte ich gedacht, dass so viele Leute zum Bierpongspielen dort reinpassten und auch noch Platz zum Tanzen finden konnten.

Dicke Luft stieß mir entgegen und ermutigte mich, den erstbesten Typen am Arm festzuhalten, der sich durch den Türrahmen vorbeidrängeln wollte. Er musterte mich mit glasigem Blick. Ich schnippte zweimal mit den Fingern vor seinem Gesicht, um zu testen, ob er bereits ein Zombie oder noch klar bei Verstand war. »Wo sind die Verantwortlichen für diese Party?«

»Äh«, stotterte der Fremde und kratzte sich nachdenklich an der Stirn. »Ich glaube, die Jungs sind drin. Wollte eh gerade rein und meine Jacke holen. Soll ich ihnen was ausrichten?«

Wenn ich seinem Atem Glauben schenken durfte, mochte er recht viel getrunken haben, aber die Idee war ausgezeichnet. »Sag ihnen bitte, dass es auch Menschen gibt, die schlafen wollen – und wenn die Musik nicht bald leiser ist, ruf ich die Polizei, den Hausmeister oder sonst jemanden, der sicherlich gern für Ruhe sorgen wird.«

Der Typ sah mich verdutzt an und nickte. Ich verstärkte noch einmal meinen Griff an seinen Arm, um meiner Aussage Nachdruck zu verleihen. Normalerweise war ich kein Mensch, der rohe Gewalt begrüßte, aber hier ging es darum, von Anfang an die Hosen anzuhaben.

Um sicherzugehen, dass mein Nachrichtenkurier nicht einfach heimlich abhaute, lehnte ich mich an die Wand neben der Tür. Man hätte ja meinen können, ich wäre mit dem Top und den Schlafshorts komplett underdressed, doch die meisten Mädchen liefen in knappen Röcken und bauchfreien Oberteilen herum und warfen ihre Haare schwungvoll über die Schulter, um irgendeinem Jungen zu imponieren. Von den meisten glaubte ich nicht mal, dass sie alt genug waren, um eine Highschool abgeschlossen zu haben, geschweige denn, um Alkohol trinken zu dürfen.

Ich musste nicht lange warten, bis ein anderer Typ in einem blauen Jeanshemd und mit dunklen Haaren vor mir auftauchte. »Hey«, begrüßte er mich mit einem warmen Lächeln, das ein paar Grübchen und eine süße Lücke zwischen den Schneidezähnen entblößte. »Ich habe gehört, du störst dich an unserer kleinen Party?«

Ich war ein wenig überrascht davon, wie nett er wirkte – auch wenn ich ihm offenbar meine schlaflose Nacht zu verdanken hatte. »Klein ist das falsche Wort«, gab ich skeptisch zurück, ehe mich ein lachendes Kreischen zusammenzucken ließ. Eine rothaarige junge Frau mit wildem Lockenkopf drückte sich kichernd an dem Gastgeber und mir vorbei. Eine Hand folgte und schlug ihr auf den Hintern.

Und dann stand Liam plötzlich vor mir. Mit verwuschelten Haaren, weißem Shirt und einem dunklen Hemd darüber, das er offen trug. Er war derjenige, dem ich am allerwenigsten begegnen wollte.

»Warum wundert mich das jetzt nicht?« Seine amüsierte Stimme ließ mich schnaufen.

Liam stützte seinen Arm im Türrahmen ab und stand über mich gebeugt, sodass ich gezwungen war, zu ihm aufzuschauen. Im Gegensatz zu unserem ersten Treffen sah er nicht mehr so griesgrämig aus und trotz des Alkohols wirkten seine Augen wach. Ich kam nicht umhin, ein paar verräterische Sekunden in sein Gesicht zu starren, während er mich unverhohlen musterte.

»Liam«, ermahnte der Gastgeber ihn.

»Du störst«, war dagegen meine klare Ansage an Liam. Hosen anbehalten! Oder ich musste mir auch einen Vorrat an Ohropax zulegen, und das war ein Posten, den ich in meinen Kalkulationen nicht eingeplant hatte.

»Echt? Mir wurde eben gesagt, hier will jemand unsere Party sprengen. Ich wollte gerade nett sein und demjenigen ein Bier ausgeben.«

Liams Aussage raubte mir für einen Augenblick meine Hosen.

Ihre Party? Oh nein.

Das durfte doch nicht wahr sein. Zwar hatte Grace erzählt, dass er neben uns wohnte, aber ich hatte nicht daran gedacht, dass er zu den potentiellen Veranstaltern gehören könnte.

»Stellt die Musik bitte leiser«, forderte ich ihn direkt auf und ignorierte den neugierigen Blick seines vermeintlichen Mitbewohners, der es vorzog, sich aus dem Gespräch rauszuhalten.

»Sonst was?« Liam beugte sich ein Stück weiter zu mir vor. Sein Atem – eine Mischung aus Alkohol und Zitronenkaugummi – streifte meine Wange. Sicherlich sollte mich das einschüchtern, was er aber nicht wusste: Ich war keins dieser Mädchen, das sich von einem Paar erstaunlich breiter Schultern oder trainierter Oberarme beeindrucken ließ. Meine Beine verwandelten sich nicht sofort in Wackelpudding bei seinem Anblick.

»Sonst rufe ich jemanden, der es tut.« Ich kniff die Augen zusammen.

»Wirst du nicht«, sagte er entschlossen. Liam lehnte sich wieder zurück und nippte an seinem Becher.

Mein inneres Trotzkind war geweckt. »Oh, definitiv werde ich das!«

»Nein.« Liams Mundwinkel zuckten.

»Ich lasse mir von dir gar nichts vorschreiben«, protestierte ich, bemüht darum, die Kontrolle über das Gespräch zu behalten.

»Du wirst dich doch nicht schon vor deiner ersten Vorlesung unbeliebt machen wollen?«, mutmaßte er mit einem Achselzucken.

Damit lag der Ball in meinem Feld.

Ich schüttelte den Kopf. »Als ob mich interessieren würde, was die anderen von mir denken.«

»Tust du – das ist dein Problem.« Damit machte Liam auf dem Absatz kehrt und zeichnete mit dem Zeigefinger einen Kreis in der Luft. Keinen Wimpernschlag später drehte jemand die Musikanlage noch lauter auf und die Party ging weiter, wie gehabt.

»Hey, du kannst mich doch nicht einfach hier stehen lassen«, rief ich ihm wütend nach. Um zahlreiche Antworten auf Liams Vorwurf beraubt, sah ich zu seinem Mitbewohner, der mit den Händen in den Hosentaschen neben mir stand.

»Man gewöhnt sich dran«, erklärte er gut gelaunt und entlockte mir damit ein leises Knurren, das bei der Lautstärke unterging.

»Du musst es ja wissen.«

Ich wandte mich ab und erkämpfte mir meinen Weg zurück zum Zimmer. Dabei war ich so in Gedanken versunken, dass ich die Leute um mich herum gar nicht mehr wahrnahm. Mir fiel einiges ein, was ich diesem Kerl gern an den Kopf geworfen hätte. Wiederum wunderte es mich nicht, dass er nicht dazu in der Lage war, einer erwachsenen Auseinandersetzung standzuhalten.

Ungehalten öffnete und schloss ich die Tür zu meinem Zimmer einen Ticken zu laut. Da Grace aber ohnehin schon wach auf ihrem Bett saß und auf einen Lagebericht wartete, musste ich wegen ihres Schlafs nicht erneut ein schlechtes Gewissen haben.

»Und? Machen sie leiser?« Sie sah mich erwartungsvoll an.

Frustriert schüttelte ich den Kopf, während mein Blick den Spiegel streifte, den wir hinter der Zimmertür an der Wand mit doppelseitigem Klebeband befestigt hatten. Ich sah furchtbar aus. Meine Haare glichen mit ihren dicken Wellen der Kehrseite eines Pudels. »Die dämliche Windmühle hat gewonnen«, murrte ich erschöpft und fuhr mir mit einer Hand durch die Mähne.

Ich war ein hoffnungsloser Fall und hatte meine Machthosen nebenan fürs Erste verloren. Natürlich würde ich niemanden rufen, der die Party beendete. Liam lag richtig, auch wenn ich ihn dafür am liebsten schlagen wollte. Mich bei den Menschen am College unbeliebt zu machen, stand ganz unten auf der Liste der Dinge, die ich während meines Aufenthalts hier erledigen wollte. Für diese Nacht musste ich mich – ob es mir nun gefiel oder nicht – geschlagen geben.

»Grace?«

»Ja?«

»Hast du noch Ohropax für mich?«

3. Kapitel

Tag 5 bis 7

Ohrstöpsel sei Dank, verschlief ich die darauffolgenden zwei Partynächte komplett. Bis auf seichtes Wummern, hörte ich nichts, sah nichts und tat vor allem eins: Die Klappe halten. Mit Grace’ Hilfe lernte ich schnell, mich in das gesellschaftliche Gefüge der Studentenwelt einzuleben.

Zugegeben – im Gegensatz zu ihr zog ich es immer noch nicht vor, am Freitagabend in Bars oder Clubs unterwegs zu sein. Dafür war ich nicht bereit. Stattdessen richtete ich meine Zimmerhälfte ein und kam schnell zu der Erkenntnis, dass ich mich hier durchaus wohlfühlen könnte.

Tagsüber erkundete ich mit Grace Little Springs. Sie zeigte mir Carlo’s Little Springs Diner am Stadtausgang, das von jungen wie alten Gästen gern besucht wurde, da es hier die besten Pancakes der Welt gab. Abends gingen meine Mitbewohnerin und unsere Kommilitonen dann ins Louis, eine kleine Bar in einer Seitengasse abseits der Main Road. Das Bier war zwar laut Grace nicht das Beste der Welt, aber es schmeckte ganz passabel. Ich ignorierte während ihrer Erläuterung den Umstand, dass sie mit ihren zwanzig Jahren gar nicht alt genug war, um das beurteilen zu dürfen.

Mit diesen zwei Plätzen waren alle Sehenswürdigkeiten abgearbeitet, die meine neue Heimat zu bieten hatte – neben der atemberaubenden Landschaft. Diese übertraf wirklich alles. Da konnte Little Springs als Stadt noch so hübsch sein – nichts kam gegen die Rocky Mountains an, die Tag und Nacht über diesen Ort wachten.