Mandamos Verlag
© 2018 Irene Pietsch
Umschlag, Illustration: Irene Pietsch
Verlag:
Mandamos Verlag UG (haftungsbeschränkt)
Alte Rabenstr. 6, 20148 Hamburg
Herstellung und Auslieferung:
tredition GmbH
Halenreie 42, 22359 Hamburg
ISBN
Paperback978-3-946267-39-3
Hardcover978-3-946267-40-9
e-Book978-3-946267-41-6
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Jedes Jahr wieder wird in Bremen die Eiswette mit der rituellen Frage begangen, ob die Weser „geit oder steit“.
Jedes Jahr wieder „geit“ die Weser dank technischer Nachhilfe.
Jedes Jahr wird wider besseren Wissens gewettet.
Jedes Jahr wieder muss der Verlierer der Wette ein Gastmahl für Kaufleute und Diplomaten, die Schaffermahlzeit, im Bremer Rathaus ausrichten.
Wenn man als Autorin die Welt verbessern will, muss man sich auf einiges gefasst machen. Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort, Satz für Satz, Buch für Buch. Immer wieder.
Hamburg 2018
Irene Pietsch
Ich bin kein „homo politicus“, obwohl ich den vierten Alliierten für mich entdeckt habe. Wer auf wen zugekommen ist – schwer zu sagen. Wahrscheinlich kam einiges zur richtigen Zeit zusammen. Da machte es „Clic“.
Ich wäre mutig, wurde gesagt, als ich mein erstes Buch veröffentlicht hatte. Es handelte unter dem Titel: „Heikle Freundschaften – Mit den Putins Russland erleben“ von dem vierten Alliierten, der Sowjetunion, die wir heute als Russische Föderation erleben.
Ich habe das Lob – oder war es versteckte Kritik? - abgelehnt. Hier und da habe ich wohl Zivilcourage gezeigt - aber Mut? Ich bin keine Heldin. Ich habe allerdings ein gutes Gedächtnis mit einer entsprechenden Kombinationsgabe. Das mag manche hin und wieder verblüffen.
Ich bin eine sogenannte und auch wirkliche 45igerin, das heißt: im Jahr des Zusammenbruchs von Hitler Deutschland geboren und ein 68igerin, was soviel bedeutet, dass ich vehement gegen die beengenden Auswüchse der Zeit und ihre Gestalter rebellierte, in die ich hineingeboren wurde und in der ich aufwuchs.
Alle Bücher, die sich Deutsche in den ersten Nachkriegsjahren vor die Nase hielten, alle Zeitungen und Zeitschriften waren zuvor von den Zensoren der alliierten Besatzungsbehörden Englands, Frankreichs und den USA gesichtet worden, so auch die Geschichtsbücher. Je nach Zone, in der man lebte, wurde mal mehr rechts, mal mehr links erlaubt. Die westlichen Alliierten zensierten nicht konform, sondern nach jeweils eigener Interessenlage, aber in der übereinstimmenden Überzeugung, dass Bücher die Basis für eine neue Generation von Hoffnungsträgern der Freien Welt waren und sind.
Die Sowjetunion, die vierte Siegermacht, deren Anteil am Zustandekommen des Weltkriegsendes höher war als bei allen anderen drei Siegerkollegen, wurde denn auch korrekterweise in den Geschichtsbüchern genannt, aber im Verhältnis zu ihrem Verdienst recht marginal.
In ihrer Zone, der späteren DDR, sorgte sie dafür, dass diese Sicht zurechtgerückt wurde. Dort rangierte die UdSSR nicht weit hinter Ottonen, Welfen und Preußen, sondern Lichtjahre davor. Weitere Übertreibungen nach Westen und nach Osten hin nicht ausgeschlossen.
Die Interessen der drei westlichen Alliierten und des Vierten im ursprünglichen Bunde schienen nun nach Ende des Zweiten Weltkrieges unüberbrückbar auseinanderzuklaffen. Der sowjetische Herrschaftsbereich wurde rundum zum „no go area“ deklariert. Staatsbesuche der Sowjets in eindeutig als westlich definierten Staaten - undenkbar. Die internationale Bühne war für sie die UNO Vollversammlung am East River in New York. Ob sie gekommen wären, wenn es sich um den West River gehandelt hätte?
Die Bundesrepublik war konservativ=schwarz dominiert. Rot galt als krasser Fehlgriff, jugendlicher Leichtsinn oder schlechter Geschmack, der manchmal schuldlos ererbt ist, wie beispielsweise bei den Hanseaten in den ehrwürdige Stadtstaaten Bremen und Hamburg, wo die Grundfarben der Flaggen Rot und Weiß sind.
Der Hamburger rechtsrechtensliberale Axel Cäsar Springer, einer der wenigen bundesdeutschen Männer mit Stil und Niveau im internationalen Jetset, war bei der Verbreitung dieser bürgerlichen Geschmacksfibel ganz vorne an der Spritze, obwohl auch ihm bekannt gewesen sein dürfte, dass Bremer Speck eine Spezialität ist, nach der so mancher Hamburger gerne mit der Grützwurst wirft.
Bremen hatte bereits sehr früh mit Russland Verhandlungen wegen so genannter Raubkunst aufgenommen. Es ging um die Verschleppung von deutschen Kunstwerken und Kulturgütern.
Die Sowjets hatten einen Großteil der wertvollen Kupferstichsammlung der Bremer Kunsthalle, die von Gustav Pauli angelegt worden war, in die Sowjetunion „verbracht“. Gustav Pauli war sowohl Direktor der Kunsthalle Bremen als auch der Hamburger gewesen. Nicht zur gleichen Zeit, aber gleich hintereinander. Jetzt besonders wiedergesucht: Original Radierungen von Albrecht Dürer und Rembrandt.
Hamburg wurde nicht in Moskau vorstellig, hat aber ebenfalls ein Kupferstichkabinett. Es ist so umfangreich, dass nur angelegentlich Exponate ausgestellt werden können. Ansonsten ruht die vor einigen Jahren neu geordnete und archivierte Sammlung in Räumlichkeiten, die für Studien geeignet sind.
Die Sowjetunion fand gar nichts verhandelbar. Die Russische Föderation öffnete einen kleinen Spalt ihres großen Potentials an gutem Willen, machte aber wieder dicht, als per on dit zu ihr durchdrang, dass es in Bremen eine ernst zu nehmende Spur des noch immer als Nationales Kulturerbe geltenden Bernsteinzimmers aus dem Katharinenpalast in Zarskoje Zelo unweit von St.Petersburg gäbe, der gebrandschatzt und geplündert worden war und Bremen keine Anstalten machte, freiwillig dem Hinweis nachzugehen, was dann – nolens volens - anderen überlassen bleiben musste.
Bremen kühner als Hamburg?
Die erste Partnerstadt Hamburgs, als Partnerstädte allüberall en vogue wurden, war das knallrote Leningrad, das ungefähr vier Dekaden später wieder in St. Petersburg umbenannt wurde.
St. Petersburg, die Stadt aus den Gründerjahren Peters des Großen und im Wechsel mit Moskau immer mal wieder für längere Zeit Hauptstadt, ist sowohl Handels- als auch Kriegshafen, Zentrum von Revolutionären, Intelligenzija, Kunst und Kultur und ist Sitz von wichtigen Instituten und Institutionen, internationalen Konferenzen von Belang und Runden Tischen.
Jetzt, als Präsident, versucht Putin die alten Rivalen St. Petersburg und Moskau zu befrieden. Nicht nur, dass er selber in beiden Metropolen einen Wohnsitz unterhält und Teile der Kreml Administration nach St. Petersburg verlegt hat, er lädt auch Staatsbesuche nicht mehr ausschließlich auf seine Datschensiedlung vom Vereinschapter Burgen Moscow City ein.
Nicht viele im St. Petersburger Smolny hätten so viel Großmut erwarten dürfen, nachdem dort eine unsägliche Geschichte aus dem Lehrbuch der politischen Tücken ihren unguten Hürdenlauf genommen hatte, dessen Sieger hinter dem Ziel Putin hieß.
Der Verlauf der Rennstrecke:
St. Petersburg hatten die ökonomischen Instrumente von Perestroika und Glasnost schwer getroffen. Hilfe war angesagt. Die Leningrader Blockade der Deutschen Wehrmacht, durch die Hundertausende den Hunger- und Erfrierungstod erlitten, war das Gewissen. Hamburg reagierte als sehr bescheidene Wiedergutmachung für das Unrecht mit Hilfsgütern aller Art. Deren Verteilung nach gelenktem Gießkannenprinzip, wie es nach Öffnung der Grenzen für Hilfskonvois aller großen karitativen Verbände, geschehen war, sorgte zwar zunächst für Erleichterung der Stresssituation, öffnete aber gleichzeitig Korruption und Geldwäsche Tor und Tür. Es galt, diese Nebenerscheinungen von Benefizaktionen möglichst im Keim zu ersticken.
Erster Stellvertretender Bürgermeister der Metropole St. Petersburg war zu der Zeit Wladimir Wladimirowitsch Putin, der im Einvernehmen mit seinen Kollegen Stellvertretern die lockeren Schrauben anzog. Das rief Widerstand hervor, obwohl man hätte dankbar sein müssen.
Es kam schließlich, wie es die wenigsten gewollt hatten: für Anatolij Sobtschak und Wladimir Putin sowie ihre Getreuen gab es in St. Petersburg keine relevanten politischen Posten mehr.
Bei der bald nach dem Moratorium über den Missbrauch von Transitstrecken anstehenden Landtagswahl gewann nicht, wie vorab öffentlich propagiert und erwartet, Oberbürgermeister Anatolij Sobtschak, sondern einer der Putin nachgeordneten Stellvertreter, auch ein Wladimir. Der hatte sich zur Verwunderung angeblich aller noch auf den letzten Drücker aufstellen lassen.
Die offizielle Diktion für den Überraschungscoup: Verrat.
Anatolij Sobtschak flüchtete bei Nacht und Nebel nach Paris. Sein Ziehsohn Putin soll ihm dabei geholfen haben. Das ist einleuchtend. Sobtschak und Putin hatten schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt versucht, russische Eliten aus dem französischen Exil zurück nach Russland zu holen, darunter Zarennachfahren. Emissärin war die Gattin Sobtschaks gewesen, die Schauspielerin Ljudmila Narusowa. Ebenfalls Mitglied der Delegation: Ljudmila Putina.
Sobtschak selber konnte den kometenhaften Aufstieg von Wladimir Putin und dessen Freund Dmitrij Medwedjew nur noch vom Krankenlager aus mit begleiten. Er starb zu Beginn des neuen Jahrtausends.
Fritz Molden, der Verleger meines Buches „Heikle Freundschaften – Mit den Putins Russland erleben“ war nicht nur doppelköpfig wie der österreichische Heraldikadler, sondern ambivalent wie ein nach den international anerkannten Vorschriften des Washingtoner ArtenschutzÜbereinkommens selbstkontrolliert putzsüchtiges Chamäleon.
Wichtig für mich: Molden war unter anderem für seine ausgezeichneten Ostkontakte bekannt.
Dr. iur. Karl Osladil, stellvertretender Generaldirektor und späterer Aufsichtsrat eines österreichischen Konzerns mit Sitz in Wien und guter Freund von meinem Mann und mir, war deswegen an Molden herangetreten, nachdem mehrere deutsche und österreichische Verlage abgesagt hatten.
Bei allen war der Grund eindeutig politischer Natur gewesen. Keiner hatte sich durch eine möglicherweise unbeliebte Entscheidung - bei wem auch immer - die Finger verbrennen wollen, zumal einige bereits allseits bekannte Kreml Auguren unter Vertrag hatten.
Wladimir Putin selber kam mit einem Autorendebüt auf den Markt. Der suggestive Titel des Buches: „Aus erster Hand“. Es störte meine literarischen Kreise nicht im geringsten, wie hätte vermutet werde können. Ganz im Gegenteil.
Seine Autobiografie spielte mir in die Hände. Ich wurde in allen Punkten bestätigt, lediglich in einem einzigen Pünktchen wichen unsere Darstellungen aufgrund unterschiedlicher Quellen voneinander ab, beide authentisch, beide glaubwürdig. Eine interessante Zwickmühle, die wenig interessant gelöst wurde. Nachdem das Putin Buch erschienen war, wurde mein Buch nicht als objektive Ergänzung, sondern wie ein Tabu behandelt.
Nur Molden, der frühere Medienzar, von dem es hieß, er sei der österreichische Axel Cäsar Springer, was einerseits richtig und andererseits grundfalsch war, zeigte sich selbstbewusst und stemmte sich gegen die allgemeine Russland Phobie, deren Gradmesser nicht zuletzt Axel Cäsars „Bild“ war.