Sagen und Legenden aus Münster

Die Entstehung der Stadt Münster

So um das Jahr 568 herum zog der Langobardenkönig Alboin, begleitet von einer Völkerschar, die ungefähr 100 000 -150 000 Menschen umfasste, in das vor kurzem erst befriedete Italien ein. Unter den ihn begleitenden Völkerstämmen, befanden sich auch Sachsen. Sie alle hatten von dem reichen Land gehört und wollten sich nun dort niederlassen und ihr Glück versuchen. Allein, nach einiger Zeit wurden die Sachsen, welche sich in der fruchtbaren Poebene in der Nähe von Mediolanum, dem heutigen Mailand, angesiedelt hatten, recht unzufrieden. Denn König Alboin wollte ihnen neue Gesetze aufzwingen, womit die stolzen Sachsen ganz und gar nicht einverstanden waren. Darum entschlossen sie sich, wieder in die alte Heimat zurück zu kehren.

Der lange Weg nach Hause führte sie durch Gallien, wo sie mit dem Gallo-Römischen Patricius und Präfekten Mommolus, der dem fränkischen König Guntram I. als Feldherr diente, in eine blutige, verbitterte Schlacht gerieten. Denn dieser verwehrte den Sachsen, die eine Spur der Plünderung und der Verwüstung hinter sich ließen, bei Avignon den Übergang über die Rhone. Erst nach der Erstattung des Schadens, den die Sachsen Land und Leuten angetan hatten, gestattete ihnen Feldherr Mommolus die Überquerung des Flusses.

Daraufhin zogen sie weiter bis Clermont, wo sie, vielleicht, aus Rache für das verlorene Gold, die Stadt mit „Falschgeld“ überschwemmten, bevor sie sich weiter auf den Weg in ihre angestammte Heimat machten.Doch dort sollten sie eine herbe Enttäuschung erleben, denn mittlerweile hatten die Sueben, die Schwaben, ihre Wohnstätten eingenommen.

„Was wollt ihr wieder hier?“ der Stammessprecher der Sueben baute sich breitbeinig vor den aufgebrachten Sachsen auf, die Fäuste in die Seiten gestemmt. „Ihr habt eure Heimat verlassen, das Land lag brach und verwilderte bis wir uns darum gekümmert und es wieder bebaut haben. Und nun kommt ihr und wollt alles wieder in Besitz nehmen und uns vertreiben? Nein, nein, nicht mit uns! Zieht weiter und lasst uns in Frieden!“

So schnell wollten die Sachsen aber nicht klein beigeben. Ihr Führer trat, den Kopf wie ein wütender Bulle vorgereckt, einen Schritt nach vorne: „Das ist nach wie vor unser Land und unsere Siedlung! Ihr habt kein Recht hier zu sein. Und wenn ihr nicht freiwillig verschwindet, dann werden wir schon Mittel und Wege finden, euch zu vertreiben, glaubt mir!“ Die beiden Stammesführer standen sich finster dreinblickend gegenüber. Hinter ihnen hatten sich ihre Völker versammelt, unversöhnlich und bereit ihre Rechte mit allen Mitteln durchzusetzen. Die Sueben wollten nicht hergeben, was sie als ihre neue Heimat betrachteten und die Sachsen wollten ihre alte Heimat zurück.

„Hört!“ der Führer der Sueben, der sich kurz mit einigen älteren Männern beraten hatte, wandte sich wieder den Sachsen zu und hob seine Stimme, um sich Gehör zu verschaffen. Denn zwischen den beiden Völkern herrschte eine bis aufs äußerste gereizte Stimmung, laute Schimpfwörter flogen hin und her, bekräftigt durch wütende Drohgebärden. „Hört her, Volk der Sachsen! Um ein unnötiges Blutvergießen zu vermeiden, wären wir bereit, das Land mit euch zu teilen!“ „Nein, nein, nein, niemals! Das ist unser Land, das ihr unrechtmäßig in euren Besitz gebracht habt. Das holen wir uns zurück!“

Die Sachsen blieben unerbittlich und so kam es wie es kommen musste, ein erbitterter Kampf entbrannte. Doch die Sachsen, müde und geschwächt von ihrer langen Wanderung, unterlagen den kräftigeren Sueben. Achttausend Sachsen verloren ihr Leben bei dieser Auseinandersetzung. Von den insgesamt 14.000 Menschen ihres Stammes überlebten nur 6.000. Das nagte schwer am Stolz der Sachsen und sie sannen auf Rache. In einer zweiten Schlacht hofften sie Vergeltung zu bekommen. Und sie beschlossen, so lange ihre Haare und Bärte nicht mehr zu scheren, bis sie endlich ihre alten Wohnsiedlungen wieder in Besitz nehmen würden.

Indes, das Schicksal meinte es nicht gut mit Ihnen: Sie verloren auch die zweite Schlacht. Nun blieb ihnen nichts anderes übrig, sie mussten sich endgültig geschlagen geben und weiterziehen.

Enttäuscht wanderten sie nach Westen, überquerten den Fluss Weser, bis sie zu einer weiten Ebene kamen, die ebenfalls an einem Fluss, Aa genannt, lag. Sie sahen sich um und beschlossen: “Hier wollen wir uns niederlassen und eine neue Siedung gründen!“ Doch hier war das Leben härter, die Natur verlangte ihnen mehr ab, als in dem Lande Italien, das sie verlassen hatten: „Ach, es war eben doch schön“, erinnerten sie sich wehmütig. „Darum wollen wir unsere Siedlung nach der Stadt in der Lombardei nennen, in deren Nähe wir dort gelebt haben!“

Und sie nannten den Ort Mediolanum, Mailand. Daraus wurde im Lauf der Jahrhunderte, der Sage nach, der Name Münster. In Wirklichkeit aber war der erste Bischof von Münster, Liudger, der Namensgeber der Stadt. Er gründete hier an der Aa, in der kleinen sächsischen Siedlung Mimigernaford, 793, ein Kloster, lateinisch monasterium, woraus sich der Name Münster ableitet. Davon soll in der folgenden Geschichte mehr erzählt werden.

Der heilige Liudger und die Gänse

Im Jahr 742 wurde in einer vornehmen friesischen Familie ein kleiner Junge geboren, den seine Eltern Liudger nannten. Vater und Mutter gehörten dem christlichen Glauben an und da der kleine Junge schon früh eine Vorliebe für geistige Beschäftigungen zeigte, wurde er im noch jugendlichen Alter in die Schule des Abtes Gregor in Utrecht gegeben. Nach weiteren Studien und einem Missionsauftrag empfing der fromme Mann 777 in Köln seine Priesterweihe. 793 wählte Liudger als zentralen Punkt seiner Missionstätigkeit, einen Ort mit dem Namen Mimigernaford. Er lag an der Kreuzung der Heerstraßen nach Köln und Friesland. Und hier, am rechten Ufer der Aa, auf einem Hügel, Horsteberg genannt, gründete er ein Kloster und den Dom Sankt Paulus.

Im Jahre 805 wurde Liudger auf Wunsch Karls des Großen zum ersten Bischof von Münster geweiht. Obwohl Liudger sein Bischofsamt nur vier Jahre ausüben konnte, er starb 809 kurz vor Ostern auf einer seiner Reisen in Billerbeck, wurde er bereits zu seinen Lebzeiten von den Menschen hoch verehrt. Bis heute fühlen sich die Menschen des Münsterlandes „ihrem“ heiligen Liudger, oder Ludgerus, wie er auch genannt wird, auf das Innigste verbunden, wovon viele Sagen und Legenden, die man sich von ihm erzählt, Zeugnis ablegen.

Eine der ältesten und bekanntesten Geschichten handelt von Liudger und den Gänsen, die vielleicht der Anlass waren, dass der Heilige auf vielen Darstellungen mit Gänsen zu sehen ist.