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WISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGE
AUS DEM TECTUM VERLAG

Reihe Sprachwissenschaft

WISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGE
AUS DEM TECTUM VERLAG

Reihe Sprachwissenschaft

Band 2

Natia Reineck

Einfach – Sprachen – Lernen

Universalkonzepte für den optimalen
Fremdsprachenunterricht

Tectum Verlag

Natia Reineck

Einfach – Sprachen – Lernen. Universalkonzepte für den optimalen Fremdsprachenunterricht

Wissenschaftliche Beiträge aus dem:

Reihe: Sprachwissenschaft; Bd. 2

© Tectum Verlag Marburg, 2016

Zugl. Jena, Univ. Diss, 2015: UDT

unter dem Titel „Sprachspezifische und sprachenübergreifende Konzepte für den Fremdsprachenunterricht am Beispiel des Deutschen und des Georgischen als Fremdsprache“

Die vorliegende Arbeit wurde am 28.04.2015 von Dekan der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität zu Jena als Dissertation anerkannt.

ISBN: 978-3-8288-6416-0

(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Buch unter

der ISBN 978-3-8288-3716-4 im Tectum Verlag erschienen.)

ISSN: 2366-7982

Satz, Layout, Covergestaltung: Sabine Borhau | Tectum Verlag

Umschlagabbildung: Barmaleeva | shutterstock.com

Alle Rechte vorbehalten

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www.tectum-verlag.de

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben

sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Für meine Eltern

vuZRvni Cem mSoblebs

Inhaltsverzeichnis

1Einleitung

1.1Zielsetzung der Arbeit

1.2Forschungsstand

2Sprachenübergreifend vs. sprachspezifisch – Versuch einer Begriffsklärung und Abgrenzung

3Sprachenübergreifende Methodenkonzepte für den Fremdsprachenunterricht

3.1Zur Entwicklung der Fremdsprachendidaktik

3.2Die Ebene der methodischen Modelle

3.2.1Theoretische Grundlagen

3.2.2Sprachenübergreifende Prinzipien

3.2.3Sprachenübergreifende methodische Konzepte und Kompetenzfelder

3.3Sprachenübergreifende Modelle und Unterrichtsszenarien

3.4Sprachenübergreifende Kompetenzbeschreibungen

4Transfer

4.1Transferbegriff

4.1.1Definition des Begriffs in der Lernpsychologie

4.1.2Definition des Begriffs Transfer in der kognitiven Linguistik

4.2Transfertheorien

4.2.1Psychologische Konzepte

4.2.2Kognitiv-linguistische Konzepte

4.3Verschiedene Arten des Transfers

4.4Mehrsprachigkeitsdidaktik und Transfer

4.5Tertiärsprachen und Transfer

5Transferbereich – Lernstrategien

5.1Begründung der Wahl

5.2Definitionen

5.3Klassifikationen

5.3.1Sprachenübergreifende Kategorisierung

5.3.2Sprachenspezifische Kategorisierung

5.4Methodische Überlegungen zur Vermittlung der Lernstrategien

5.5Universelle Lernstrategien

5.5.1Selbstkontrollstrategien

5.5.2Affektive Lernstrategien

5.5.3Soziale Lernstrategien

5.5.4Kommunikationsstrategien

5.6Didaktische Transferüberlegungen für GaF

5.7Sprachenspezifische Lernstrategien

5.8Mnemotechniken im Fremdsprachenunterricht und die Möglichkeiten des Transfers auf GaF

5.8.1Schlüsselwortmethode

5.8.2Visualisierung

5.8.3Reim und Rhythmus

5.8.4Akronym

5.9Zusammenfassung

6Empirische Untersuchung zu Lernstrategien

6.1Zielsetzung

6.2Beobachtung und Interview als empirische Methoden der Aktionsforschung

6.2.1Beobachtung

6.2.2Interview

6.3Teilnehmer

6.4Material

6.4.1Beobachtungsbogen

6.4.2Interview

6.5Durchführung

6.5.1Direkte Beobachtung

6.5.2Interview

6.5.3Datenauswertung

6.6Ergebnisse

6.6.1Ergebnisse der direkten Beobachtung

6.6.2Interviewfragen

6.7Abschließende Auswertung der Ergebnisse

6.8Didaktische Konsequenzen und Empfehlungen

7Transferbereich – Übungsformen

7.1Begründung der Wahl

7.2Definition

7.3Entwicklung der Übungstypologie im DaF

7.4Übungstypen in Lehrwerken für Georgisch

7.5Sprachenübergreifende Übungstypen zu Klanggestalt und Schriftbild

7.5.1Übungstypen zur Klanggestalt

7.5.2Literarische Texte und Lieder als Aussprache- übungen am Beispiel des Georgischen

7.5.3Übungsmöglichkeiten zu Orthographie des georgischen Alphabets

7.6Sprachenübergreifende Übungstypen zum Wortschatz

7.6.1Übungstypen zur rezeptiven Wortschatzarbeit und deren Transfer im GaF

7.6.2Übungstypen zur reproduktiven Wortschatzarbeit und deren Transfer im GaF

7.6.3Übungstypen zur produktiven Wortschatzarbeit und deren Transfer im GaF

7.7Sprachenübergreifende Übungstypen zur Grammatik – Transfer auf GaF

7.8Zusammenfassung

8Ergebnisse im Überblick, Schlussfolgerungen und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Transliterationstabelle Georgisch

Übersicht über die Teilnehmer und ihre Sprachlernerfahrung

Fragebogen zur Lernsituation

Beobachtungsbogen

Interview mit TN1

Interview mit TN2

Interview mit TN3

Interview mit TN4

Interview mit TN5

Interview mit TN6

Interview mit TN7

Danksagung

Ich möchte mich bei allen Persönlichkeiten ganz herzlich bedanken, die mir bei der Fertigstellung der vorliegenden Arbeit geholfen haben.

Mein aufrichtiger Dank gilt vor allem Prof. Dr. Hermann Funk für die betreuende Unterstützung beim Entstehen dieser Arbeit, sowie seine wertvollen Hilfestellungen und Empfehlungen hinsichtlich der Konzeption.

Prof. Dr. Kevin Tuite danke ich ganz besonders für seinen Einsatz als Zweitgutachter, sowie für seine Bereitschaft mich zu unterstützen. Die konstruktiven und einfühlsamen Gespräche mit ihm inspirierten mich und wirkten sich positiv auf diese Arbeit aus. Sehr ermutigend waren die motivierenden Aufmunterungen von ihm und seiner Frau.

Nicht genug kann ich PD Dr. Florian Mühlfried danken für die produktiven Gespräche und kritischen Anmerkungen. Dies war mir bei meinen Überlegungen, vor allem zu Beginn der empirischen Untersuchungen, eine große Hilfe. Das sehr geschätzte Korrekturlesen von Herrn Mühlfried half bei der Beseitigung von manchem Fehler.

Ein besonderer Dank gilt allen Teilnehmern, die sich bereit erklärten über ihre Erfahrungen zu berichten. Ohne ihre Unterstützung wäre der empirische Teil nicht zustande gekommen.

Des Weiteren bedanke ich mich bei meiner Schwägerin für die Hilfe beim Korrekturlesen.

Bedanken möchte ich mich schließlich bei meinem Mann, der mich und meine Arbeit all die Jahre begleitete und durch Ermutigungen und Beistand gefördert hat. Ich danke ihm ganz herzlich für die sorgfältige Lektüre meiner Texte, sowie seine geistige und moralische Unterstützung.

„Die Sprache ist

das Haus des Seins.“

Heidegger

1Einleitung

1.1Zielsetzung der Arbeit

Internationale Forschungen zu allgemeinen Lerntheorien, zum Zweit- bzw. Fremdsprachenerwerb, zur Lernpsychologie oder Pädagogik nehmen in der heutigen globalisierten Welt immer stärker Bezug aufeinander. All diese Forschungen erheben den Anspruch auf Universalität. Im Erstsprachenerwerb gibt es Universalien, die für alle Sprachen gelten, so auch für Georgisch (Theorie der angeborenen Universalgrammatik von Chomsky 1981, 1995). So drängt sich die Vermutung auf, falls es universelle Methoden für den Fremdsprachenerwerb gibt, gelten diese auch für das Georgische. Je kleiner eine Sprache ist, desto weniger wird sie in internationalen Foren repräsentiert. Georgisch ist eine kleine und wenig gelernte Sprache und die internationalen Entwicklungen werden wenig in die eigene Fachforschung einbezogen. In den letzten Jahrzehnten beschäftigt sich die Fachdidaktik immer stärker mit einem umfassenden Konzept des Lehrens und Lernens aller Fremdsprachen. Ausdruck dafür sind die Publikationen, wie die allgemeinen Handbücher zum Fremdsprachenerwerb oder die „Frühjahrskonferenz zur Erforschung des Fremdsprachenunterrichts“, deren Autoren in ihren Aufsätzen im Jahr 2008 die Frage nach dem „Verhältnis zwischen sprachspezifischen, auf eine bestimmte Sprache bezogenen, und sprachenübergreifenden, nicht auf eine spezielle Sprache gerichteten Konzepten im Hinblick auf die Erforschung des Lernens und Lehrens von Sprachen“ (Bausch u.a.. 2008, 7) diskutiert haben. Die Existenz der Lernuniversalien und deren Bedeutung in der Forschung ist unbestritten (vgl. Ahrens 2008, 11). Erkenntnisse aus den Bezugsdisziplinen wie Psychologie, Neurologie, Linguistik, Soziologie und Erziehungswissenschaften sind für alle Sprachen gleichermaßen relevant.

Ziele der Arbeit sind die Überprüfung des Potenzials der Anwendung sprachenübergreifender methodischer Konzepte auf Georgisch als Fremdsprache (GaF). Dabei stellt sich die Frage, ob dieses Vorgehen als eine Globalisierung in Form einer Verdrängung der lokalen Lehrtraditionen oder eines positiven Methodentransfers zu werten wäre. Daraus abgeleitet ergeben sich weitere Fragen:

Kann man aus der gut erforschten Didaktik anderer Sprachen, wie Deutsch, Forschungsergebnisse auf Georgisch als Fremdsprache übertragen?

Welche Erkenntnisse können aus der Didaktik anderer Sprachen gewonnen werden?

Welche Lernsequenzen, Modelle bzw. Ansätze sind übertragbar und in welche Felder und Bereiche könnten sie übertragen werden?

Wo gibt es Grenzen der Übertragbarkeit bzw. welche Kriterien markieren die Übertragbarkeit?

Und wie sehen solche Übertragungen konkret aus, z.B. in Bezug auf Lernstrategien und Übungsformen?

Ein guter Ansatzpunkt sind die Themen der Frühjahrskonferenz, in die die Kompetenz der Didaktik-Lehrstühle in mind. sechs Sprachen gebündelt wird. Daraus lassen sich zahlreiche sprachenübergreifende Ansätze ableiten. Grundsätzlich sind alle Erkenntnisse im Bereich der Grundlagenforschung universell, z.B. die empirischen Forschungen zum Fremdsprachenerwerb, die Entwicklung von Sprachlerntheorien, die Arbeiten zu den einzelnen Kompetenzen (z.B. Hör-Seh-Verstehensmodelle), zum Fremdverstehen/interkulturellen Lernen oder Konzepte zum bilingualen Sachfachunterricht, zum Frühbeginn, zur Aufgaben- und Kompetenzorientierung und auch die Forschungen zu didaktischen Prinzipien, wie z.B. Handlungsorientierung, Autonomieförderung, Kreativitätsförderung, Öffnung von Unterricht etc. Alle diese Theorien sind universell und erst in einem konkreten Fall kann deren Übertragbarkeit überprüft werden. So sollten die Ausdifferenzierung und Konkretisierung der sprachenübergreifenden Konzepte, sowie deren empirische Erprobung und Überprüfung in den einzelsprachspezifischen Lehr-/Lernkontexten erfolgen, um Bedingungen und Methoden des Transfers zu untersuchen bzw. die Konzepte ggf. effizienter übertragen zu können.

Unter Transfer verstehen wir dabei die Übertragung von Lernkonzepten und Methoden von einer auf die andere Sprache (mehr dazu in Kapitel 4). Transfer findet in allen Gebieten ihre Anwendung: unter anderem in der Psychologie, in der Linguistik, in der Pädagogik, in der Sprachenerwerbsforschung und in der Methodik und Didaktik des Lehrens und Lernens der Fremdsprachen. Ein Transferkonzept ist z.B. Meißners Mehrsprachigkeitskonzept.

In der Mehrsprachigkeitsdidaktik1 (Meißner 1995) wird das Konzept Transfer am intensivsten behandelt. Sie bezieht sich in erster Linie auf die Didaktik der romanischen Sprachen und nutzt die Ähnlichkeit dieser Sprachen zur Optimierung des Sprachenlernens, indem sie die einzelsprachlichen Didaktiken vernetzt (vgl. Meißner/Reinfried 1998, 9). Inzwischen sind positive Rückwirkungen der Mehrsprachigkeitsansätze auf die einzelzielsprachlichen Didaktiken und auf deren Forschung deutlich geworden. Beim Lernen einer zweiten oder weiteren Fremdsprache gibt es die Möglichkeit einer Progressionsbeschleunigung durch an das Vorwissen der Lernenden anknüpfenden Lehrstrategien und durch gezielten Erwerb der Lernstrategien mit Hilfe Interkomprehension,2 die auch als Mittel der Förderung des interkulturellen Lernens wahrgenommen wird (vgl. Meißner 2008, 144f.).

Zwar können wir die Erkenntnisse der Mehrsprachigkeitsdidaktik nicht direkt auf diese Arbeit übertragen, da unser Untersuchungsgegenstand nicht der Transfer von Sprachwissen von Georgisch auf andere Kartwelsprachen3 ist. Aber die Erkenntnisse und Konzepte der Mehrsprachigkeitsdidaktik spielen für die vorliegende Arbeit eine entscheidende Rolle, um die Bedeutung des Transfers zu verdeutlichen, so dass dadurch die gegenseitige Befruchtung der romanischen Sprachen stattfindet. In Bezug auf Georgisch kann durch Transfer der sprachenübergreifenden Methodenkonzepte die didaktisch wenig untersuchte Sprache befruchtet und bereichert werden.

Vor dem Hintergrund, dass Georgisch meistens als dritte oder weitere Fremdsprache gelernt wird, scheint es sinnvoll zu sein, die praktisch immer vorhandenen, zuvor erworbenen Fremdsprachenkenntnisse und die damit verbundenen Lernerfahrungen zu nutzen, wie es in der Tertiärsprachenforschung geschieht, in der untersucht wird, wie man bei der dritten und weiteren zu lernenden Sprache die zuvor gemachten Lernerfahrungen einsetzen kann (mehr dazu im Kapitel 4.5.). Es gibt einen Konsens, dass aufgrund der bereits vorhandenen Fremdsprachenlernerfahrungen und dem Transfer von Lern- und Kommunikationsstrategien aus schon gelernten Sprachen der Erwerb der dritten oder weiteren Sprache erleichtert wird (Bausch/Heid 1990, Hufeisen 1991, Dentler/Hufeisen 2000). Besonders Lernstrategien besitzen ein hohes Transferpotenzial, die das Lernen weiterer Fremdsprachen erleichtern (mehr dazu im Kapitel 5).

1.2Forschungsstand

Bereits am Anfang des 17. Jahrhunderts wurde das Interesse für Georgien und seine Sprachen in Westeuropa geweckt. Seit dieser Zeit beschäftigen sich zahlreiche internationale Wissenschaftler immer wieder mit den Kartwelsprachen. Besonders intensiv wurde die georgische Sprache untersucht. Sie reisten ins Zielland und lernten die Sprache vor Ort, um wissenschaftliche Forschungen durchzuführen. Aus linguistischer Sicht wird die georgische Sprache intensiv untersucht. Die Forschung ist international geprägt. Es gibt eine Reihe von Forschungsarbeiten in der vergleichenden Sprachwissenschaft, von Aronson, H. I. (Georgian: A Reading Grammar, Chicago 1990), Fähnrich, H. (Kurze Grammatik der georgischen Sprache, Leipzig 1986), Shanidze, A. (kartuli enis gramatikis sapudzvlebi, Tbilisi 1980), Marr, N. /Brière, M. (La langue géorgienne, Paris 1931), Vogt, H. (Grammaire de la langue géorgienne, Oslo 1971), Tschenkeli, K. (Einführung in die georgische Sprache, 2 Bd., Zürich 1958), Dirr, A. (Theoretisch-praktische Grammatik der modernen georgischen [grusinischen] Sprache, Leipzig 1904), Brosset Jeune, M.-F. (L’art libéral ou grammaire géorgienne, Paris 1834; Éléments de la langue géorgienne, Paris 1837), Maggio, F. M. (Syntagmata linguarium orientalium, quae in Georgiae regionibus audiuntur, Roma 1643), um nur die Bekannteren zu nennen.

Die georgische Sprache ist linguistisch sehr gut beschrieben. Diese linguistische Beschreibung kann nicht mit einer methodischen Beschreibung gleichgesetzt werden. Die Beschreibung der georgischen Sprache enthält noch keine Aussagen über das Lernen und Lehren der Sprache. Dadurch ist der Lernprozess nicht beschrieben. Gerade hier ist eine große Forschungslücke zu erkennen. Eine Konsequenz ist das Nichtvorhandensein von Fachliteratur zu Methodik und Didaktik des Georgischen. Die vorliegende Arbeit möchte ihren Beitrag dazu leisten.

Da im Laufe der Zeit Änderungen in Bezug auf die Motivation Georgisch zu lernen stattgefunden haben, stehen wir vor der Notwendigkeit, die Sprache nicht nur aus linguistischer, sondern auch aus pragmatischer Sicht zu untersuchen. Zu Beginn stand nur die philologische Motivation im Vordergrund. Im Laufe der Zeit hat sich dies geändert, es zeichnen sich nun verschiedene Motivationsgründe ab Georgisch zu lernen. Aktuell ist die pragmatische Motivation einer der stärksten Antriebe diese Sprache zu lernen. Bei einigen ist dieses Bedürfnis mit ihren beruflichen Aufgaben verbunden (instrumentelle Motivation), andere streben die Erweiterung ihres intellektuellen Horizonts an (integrative Motivation), noch andere möchten als vielseitig interessierte Touristen das Land erkunden (touristische Motivation, siehe auch Kapitel 5). Persönliche Interessen und motivationale Faktoren sind mögliche Gründe dafür, dass der Wunsch nach möglichst schneller Aneignung der Zielsprache wächst. Durch Globalisierung, Tourismus und kulturelle bzw. wirtschaftliche Kontakte mit Europa und den USA ist in letzter Zeit die pragmatische Bedeutung der georgischen Sprache in den Vordergrund gerückt. Die Interessenten haben kommunikative Ziele: Sie wollen das Land erkunden, mit den Einheimischen kommunizieren bzw. in Kontakt kommen und Feldforschungen durchführen. Sie wollen die Sprache möglichst schnell und effektiv erwerben, um ihre eigenen Kommunikationsbedürfnisse zu erfüllen.

Gerade hier steht der Lehrende vor dem Problem, geeignete Lehrmethoden für das Georgische als Fremdsprache (GaF) zu finden. Dieser Bereich ist kaum erforscht. Im Gegensatz dazu gibt es einige Forschungen im Bereich Georgisch als Zweitsprache (GaZ). Erste diesbezügliche von der Europäischen Kommission geförderte Projekte sind im Jahr 2004 in Georgien gestartet worden. Dabei sind u.a. folgende Projekte in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft und Zentrum für Integration und interethnische Beziehungen (CCIIR) Tbilisi unter Leitung von Shalva Tabatadze durchgeführt worden:

Förderung von GaZ in Kvemo Kartli und Samtskhe-Javakheti (qarTulis, rogorc meore enis swavleba samcxe javaxeTis araqarTulenovan skolebSi und qarTulis, rogorc meore enis swavlebis xelSewyoba qvemo qarTlis skolebSi 2004-2008). Im Rahmen dieser Projekte wurden Methodenbroschüren, ein Lehrerhandbuch, ein praktisches Übungsbuch, ein Lehrbuch tavtavi I, II und III Ebene (2005, 2006, 2007), ein Lehrbuch für kommunikative Grammatik (qarTuli enis komunikaciuri gramatika 2007) ent–wickelt und ein Frequenzwörterbuch mit 5000 Wörter erarbeitet.

Sprachkurse für die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in Samtskhe-Javakheti und Kvemo Kartli (enis kursebi sajaro moxeleTaTvis samcxe-javaxeTSi da qvemo qarTlSi 2005-2007): Im Rahmen dieses Projektes wurden ein Lehrbuch GaZ saimedo (I, II, und III Ebene) für armenische, russische und aserbaijanische Einwohner, ein Lehrbuch zum Selbstlernen und Konversation und Lehrerhandbuch entwickelt. Außerdem sind Schulungen für Lehrer für GaZ angeboten worden.

Modul Georgisch als Zweitsprache (qarTulis, rogorc meore enis swavlebis sauniversiteto moduli 2006-2008): Es wurden Module GaZ für BA und MA entwickelt. Diese Module sind an drei Universitäten in Georgien eingeführt worden: Ilia Universität Tbilisi, Universität Akhaltsikhe Meskheti und Kolleg-Universität Javakheti.

Es folgte ein weiteres Projekt von dem Zentrum für Integration und interethnische Beziehungen Tbilisi, welches von der Stiftung Offene Gesellschaft – Georgien (Ria sazogadoebasaqarTvelo) gefördert wurde: Vorbereitung des einjährigen Lehrprogramms Georgisch für die nichtgeorgischsprachigen Studierenden (qarTuli enis swavlebis erTwliani programuli modulis mom- zadeba araqarTulenovani abiturientebisaTvis 2010). Dabei ist u.a. ein einjähriges Curriculum für Hochschulen erarbeitet worden, in dem 60 Credits erworben werden können. Außerdem wurde ein Umschulungsprogramm für Hochschullehrer für die georgische Sprache in Gang gesetzt.

Ein Pilotprojekt Georgisch als Zweitsprache für Exilgeorgier wurde vom Ministerium für Georgische Diaspora im Jahre 2014 gestartet. Im Rahmen dieses Projektes ist ein Online-Lernprogramm der georgischen Sprache und Landeskunde entwickelt worden. Dabei wurde ein Konzept für einen dreimonatigen Pilotkurs für englischsprachige Lernende mit Georgisch als Zweitsprache erarbeitet, welches im Oktober 2014 durchgeführt wurde. Sobald die Ergebnisse vorliegen, steht ein ähnliches Vorhaben diesmal für deutschsprachige Lernende auf dem Plan (2015).4

Darüber hinaus gibt es noch ein Forschungsprojekt an der Ilia Universität Tbilisi unter der Leitung von Eka Shaverdashvili, das Ende 2015 starten soll. Dessen Ziel ist es zu untersuchen und zu erproben, welche georgischen literarischen Werke für den Fremdsprachenunterricht (Niveau B1) geeignet sind und wie sie im Unterricht einzusetzen sind, bzw. welche Didaktisierungsmöglichkeiten dabei bestehen. Das Projekt richtet sich vor allem an ethnische Minderheiten in Georgien und soll insbesondere deren Lesefähigkeiten verbessern. Die meisten Teilnehmer lernen also Georgisch als Zweitsprache.5

Bei der obigen Aufzählung fällt auf, dass der Bereich Georgisch als Fremdsprache kaum beachtet wird. Die vorliegende Arbeit soll hierzu einen Beitrag leisten.

Im Mittelpunkt der didaktisch-methodischen Überlegungen der vorliegenden Arbeit steht der Aspekt des Transfers. Die Möglichkeit des Transfers stellt sich als ein guter Anfang in der Methodenforschung des Georgischen als Fremdsprache dar. Es scheint dabei sinnvoll, die Erfahrungen und die Ansätze zu gut erforschten Sprachen heranzuziehen und sie nach Übertragbarkeit zu untersuchen.

Um die oben gestellten Fragen zu beantworten ist die Forschungsarbeit wie folgt aufgebaut:

Die zentrale Dichotomie besteht aus den Begriffen sprachenübergreifend und sprachspezifisch. Daher werden zunächst in Kapitel 2 diese Begriffe definiert und voneinander abgegrenzt. Danach werden in Kapitel 3 die wichtigsten sprachenübergreifenden Methodenkonzepte für den Fremdsprachenunterricht umrissen, um die theoretischen Grundlagen zu untermauern. Vor dem Hintergrund der Entwicklung des Fremdsprachenunterrichts sollen die Ebenen der methodischen Modelle, theoretische Grundlagen, Prinzipien, Konzepte, Szenarien und Kompetenzen vorgestellt werden.

Da Transfer eine wesentliche Rolle in dieser Arbeit spielt, ist das Kapitel 4 der Bestimmung des Transferbegriffs sowie der Ausarbeitung der Transfertheorien in der Psychologie und der Fremdsprachenlehrforschung gewidmet. Nach der Begriffsklärung in der Psychologie und in der Linguistik, sowie dem Überblick über die wichtigsten Arten des Transfers werden die psychologischen und linguistischen Transfertheorien erläutert. Außerdem geht das Kapitel auch auf die Rolle des Transfers in der Mehrsprachigkeitsdidaktik ein, da in diesem Bereich Transfer am intensivsten Behandelt wird. Die Erkenntnisse der Tertiärsprachenforschung sind für die vorliegende Arbeit ebenfalls wichtig, da Georgisch meist als dritte oder weitere Sprache gelernt wird.

Um den Rahmen der Arbeit einzugrenzen wurden zwei Transferbereiche Lernstrategien und Übungsformen ausgewählt, die ein hohes Transferpotenzial besitzen.

Kapitel 5 widmet sich dem ausgewählten Transferbereich Lernstrategien. Nach der Begründung der Wahl und Erarbeitung von den wichtigsten Definitionen des Lernstrategiebegriffs werden die Klassifikationen von Lernstrategien betrachtet. Dabei werden universelle und sprachenspezifische Lernstrategien dargestellt. Besonderes Augenmerk gilt den Strategien, die für das Wortschatzlernen allgemein von besonderer Bedeutung sind: Schlüsselwortmethode, Visualisierung, Reim/Rhythmus. Dazu wird exemplarisch aufgezeigt, wie sich die bisher erreichten Erkenntnisse der Forschung in der Praxis des DaF-Unterrichts niedergeschlagen haben. Dabei werden die Transfermöglichkeiten von Lernstrategien für GaF-Unterricht deutlich gemacht, sowie die Vermittlung dieser Strategien thematisiert.

Um die Wirkung bzw. den Effekt der oben vorgestellten Lernstrategien im GaF-Unterricht zu überprüfen, wird im Rahmen dieser Arbeit eine empirische Untersuchung in Form einer direkten Beobachtung und Interview durchgeführt. Damit beschäftigt sich das Kapitel 6. Die Untersuchung zielt darauf ab, ob diese Lernstrategien im Georgischen eine ähnliche Wirkung zeigen wie in anderen Sprachen. Auf die Beschreibung der Teilnehmer und ihrer Sprachlernerfahrungen folgt die Darstellung der in der Untersuchung verwendeten Materialien. Weiterhin wird auf den Ablauf der Untersuchung und die anschließende Datenauswertung eingegangen. Anschließend werden die Ergebnisse der Untersuchung dargestellt. Zum Schluss werden didaktische Konsequenzen aufgezeigt und Empfehlungen für das Wörterlernen im GaF-Unterricht gegeben.

Im Kapitel 7 richtet sich der Blick auf einen zweiten ausgewählten Transferbereich Übungsformen sowie deren Transfer auf den GaF-Bereich. Nach der Begründung der Wahl und Definition der Begriffe Übung und Aufgabe wird auf die sprachenübergreifende Übungstypologie eingegangen. Weiterhin werden Übungstypen zu Klanggestalt und Schriftbild, zum Wortschatz und zur Grammatik vorgestellt. Dabei werden exemplarisch Transferbeispiele von Übungen auf GaF gezeigt.

In Kapitel 8 werden die Ergebnisse der gesamten Arbeit zusammenfassend dargestellt.

Der Anhang dokumentiert die bei der Untersuchung verwendeten Materialien (Übersicht über die Teilnehmer, den Fragebogen, den Beobachtungsbogen, Transkriptionstexte der Interviews).

1„Als mehrsprachig darf schon der bezeichnet werden, der auf der Basis der Kenntnis seiner Muttersprache eingeschränkte Kenntnisse in wenigstens zwei weiteren Sprachen entweder in gleichen oder verschiedenen Diskursbereichen hat […]“ (Bertrand/Christ 1990, 209).

2Interkomprehension kann folgendermaßen definiert werden: Durch Konstruktion und Dekonstruktion sprachlicher Strukturen und deren Kategorisierung wird den Lernenden der Aufbau einer mehrsprachlichen Hypothesengrammatik ermöglicht. Sie erkennen Regularitäten zwischen Zielsprache und schon bekannten Sprachen, sowie ein Monitoring hinsichtlich des eigenen Lernverhaltens (vgl. Meißner 2008, 144).

3Die georgische Sprache zusammen mit dem Mingrelischen und Lasischen (die teils selbständige Sprachen, teils als Dialekte der sanischen Sprache aufgefasst werden) und der swanischen Sprache bilden die Familie der Kartwelsprachen (vgl. Fähnrich 1993, 11).

4Information von Frau Marika Sikharulidze (Ministerium für Kultur und Wissenschaft Tbilisi).

5Gespräch mit Frau Prof. Eka Shaverdashvili (Ilia Universität Tbilisi).

2Sprachenübergreifend vs. sprachspezifisch – Versuch einer Begriffsklärung und Abgrenzung

Die Begriffe sprachenübergreifend und sprachspezifisch stehen in einer Wechselbeziehung zueinander, so dass „das eine nicht ohne das andere zu denken ist“ (Raupach 2008, 171). Die Forschungen zu den Grundlagen der Fremdsprachendidaktik gehen von einer universellen Gültigkeit aus, obwohl sie sich einer konkreten Fremdsprache (meistens L2 Englisch) widmen: So z.B. die Forschungen zu Motivation und Interaktion (z.B. Williams/Burden 1997; Dörnyei 2001), kognitionswissenschaftlichen (z.B. Bausch u.a. 1998 und Doughty/Long 2003;) und neurowissenschaftlichen Grundlagen (z.B. Arnold 2002), interkulturellen Fragestellungen sowie die erste Übungstypologie für einen kommunikativen Fremdsprachenunterricht (Bundesarbeitsgemeinschaft Englisch an Gesamtschulen 1978) und für Deutsch als Fremdsprache (Neuner/Krüger/Grewer 1981) und aktuelle Publikationen zu didaktischen Prinzipien der Entwicklung der vier Fertigkeiten (z.B. Hedge 2000 und Richards/Renandya 2002). Manche Forschungen und Entwicklungen sind unterschiedlich und nicht zeitgleich verlaufen, wie z.B. die Mehrsprachigkeitsdidaktik, in der am Anfang sprachspezifische Diskussionen überwiegten und später diese Anspruch auf übersprachliche Gültigkeit erhebte. Die Mehrsprachigkeitsdidaktik wurde zuerst im Kontext der romanischen Sprachen entwickelt (Meißner 1995) und dann in den DaF-Bereich übertragen und weiterentwickelt (z.B. Hufeisen/Neuner 2003; Hufeisen/Marx 2005, 2010). „Dieser Ansatz ist prinzipiell sprachenübergreifend und zugleich sprachspezifisch, mehrkulturell und kulturspezifisch“ (Christ 2008, 57).

Auch die Kompetenzskalen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER, Europarat 2001) oder Sprachenportfolio (Bund-Länder-Kommission/BMBF 2007) erheben den Anspruch, für alle europäischen Sprachen gültig zu sein (Christ 2008, 56; Caspari 2008, 45). Sobald man aber diese Kann-Beschreibungen auf eine bestimmte Sprache überträgt, müssen „sie einzelsprachlich konkretisiert und ausprobiert werden und gelten dann nur für diese Sprache“ (Christ 2008, 57). Dies gilt für alle Bereiche, wie z.B. Literaturdidaktik, Landeskunde, interkulturelles Lernen, Phonetik, Unterrichtsformen, Lernszenarien etc. Die darin enthaltenen Lern- und Erziehungsziele erheben den Anspruch, sprachenübergreifend gültig zu sein. Diese machen aber nur Sinn (nehmen wir als Beispiel die Literaturdidaktik),

„wenn sie an einzelnen sprachspezifischen Texten und Interaktionsprozessen konkretisiert wird und sich dabei bewährt. Dabei geht es nicht nur darum, […] was als sprachenübergreifend gilt, sondern es geht auch um die Rückwirkungen der mit den sprachenspezifischen Texten gemachten Erfahrungen auf die sprachenübergreifende Theorie.“

(Bredella 2008, 25)

Darüber hinaus betont Bausch (2008, 22):

„Der inhaltsbezogene Freiraum schafft die Gelegenheit, dass sog. lebensweltliche und vor allem kulturspezifische Handlungen, Routinen, Gebräuche und Konventionen neu und ausgiebig Platz nehmen können, die ihrerseits […] grundsätzlich eine meist „nur“ sprachspezifische Erörterung notwendig machen.“

Es bestehen dabei also sprachenspezifische Unterschiede. D.h. die allgemeinen Grundlagen zu Sprachlehr- und -lernforschung nehmen für sich in Anspruch, sprachenübergreifend zu sein, „aber sie werden in einem zweiten Schritt sprachenspezifisch ausformuliert“ (Bredella 2008, 28). So betont auch Vollmar (2008, 206), dass die allgemeinen Konzepte sprachspezifische Untersuchungen mit einer sprachenübergreifenden Theorieperspektive benötigen.

„Je konkreter man in der Planung, in der Vermittlung oder in der Auswertung an den Lernvorgängen von Fremdsprachenlernen angesiedelt ist, umso sprachenspezifischer muss der Zugang sein und ist es auch.“

(ebn., 207)

Beide Begriffe sprachenübergreifend vs. sprachspezifisch bilden die zentralen Säulen für jede curriculare Entwicklungsarbeit, für alle Formen des unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Bildungsbereichs. Sie liegen sehr nah beieinander, sie überschneiden und bedingen sich in Forschung und unterrichtlicher Praxis (vgl. Burwitz-Melzer 2008, 32). Der sprachspezifische Ansatz hat eine dienende Funktion für sprachenübergreifende Maßnahmen zu übernehmen (vgl. Bausch 2008, 20), der eine ist auf den anderen gezwungenermaßen bezogen (vgl. Bredella 2008, 25). Die sprachenübergreifenden Konzepte machen nur dann Sinn, wenn sie in einzelnen, sprachspezifischen Situationen konkretisiert werden und sich dabei bewähren.

„Sobald das Allgemeine nur noch dazu dient, das Einzelne zu erläutern und sich nicht mehr von ihm in Frage stellen lässt, wird es totalitär. Insofern kommt es darauf an, dass das Allgemeine dem Besonderen und Einzelnen nicht übergestülpt wird, sondern dass man sich dem Einzelnen intensiv zuwendet, so dass das Allgemeine mit dem Besonderen vermittelt ist.“

(Bredella 2008, 25)

Die sprachenübergreifenden Konzepte müssen, bedingt durch in sprachspezifischen Situationen auftretende, methodisch-didaktische Probleme, weiter entwickelt werden. Für Hallet (2008, 82) steht fest, dass

„wann immer allgemeingültigere Konzepte oder Modelle in einer Fremdsprachendidaktik entwickelt oder in diese integriert werden, die Frage nach der sprachspezifischen Ausprägung und Adaptation gestellt und reflektiert werden muss“.

Viele Erkenntnisse lassen sich sprachenübergreifend formulieren, aber sie können nur sprachspezifisch wirksam werden. Beide Sichtweisen stehen im Wechselspiel miteinander, sie greifen ineinander, so dass eine Trennung bzw. Verselbständigung nicht für sinnvoll betrachtet werden kann (vgl. ebd., 26f; Hallet 2008, 84; Portmann-Tselikas 2008, 161; Raupach 2008, 171). Sprachen haben gemeinsame Grundlagen: „eine Sprache lernen heißt Sprachen lernen“ (Christ 2008, 55).

3Sprachenübergreifende Methodenkonzepte für den Fremdsprachenunterricht

Der Begriff Methode ist aus dem griechisch-lateinischen Wort methodos/methodus abgeleitet und bedeutet soviel wie „Zugang/Weg, der zu einem bestimmten Ziel führt“ (Heuer 1979, 115). Im Bereich des Fremdsprachenunterrichts bezeichnet Methode

„diejenigen Grundsätze und Verfahrensweisen, die eingesetzt werden, um die Unterrichtsziele zu erreichen. Dabei wird der Begriff Methode dann benutzt, wenn die unterschiedlichen Arbeitsformen und Übungen eine gemeinsame theoretische Grundlage aufweisen oder von den gleichen übergeordneten Prinzipien geleitet werden“

(Krumm 2010, 211)

Methodik beschäftigt sich mit den Lehr- und Lernverfahren und der Didaktik der Lerninhalte.

Die Suche nach der ˝richtigen˝ Theorie für den Fremdsprachunterricht hat eine grundsätzliche Skepsis bei den Lehrenden gegenüber Theorien zum Spracherwerb ausgelöst: Die Befunde aus der Wissenschaft erscheinen für den Unterricht nicht immer praktikabel (vgl. Funk 2010a, 940).

„Sprachlehrende sind notorisch feindselig gegenüber theoretischen Diskussionen, offensichtlich in der Annahme, dass diese Praktiken in der Klasse nichts zu bieten haben. Viele Handbücher (englischsprachige, H.F.) für den Sprachunterricht verstärken dieses Vorurteil, indem sie Sammlungen praktischer Tipps ohne jeden theoretischen Rahmen anbieten. Aber wenn wir keine Theorie haben, haben wir keine Möglichkeit, von der Ebene des Einzelbeispiels auf die Ebene des generellen Prinzips zu kommen. Das heißt aber, dass sie Prinzipien erkennen sollten, auf denen ihr Handeln beruht. Ansonsten kommt jede Diskussion über Erfolge und Misserfolge im Sprachunterricht nicht über die Ebene von Anekdoten, Zustimmung und Gegenrede hinaus.“

(Little 1994, zit. nach Funk 2010, 940)

Auf diese Prinzipien soll im Folgenden näher eingegangen werden. Eine Rückschau in die Entwicklung der Methodengeschichte scheint an dieser Stelle mehr als angebracht zu sein, da diese die Geschichte des Fremdsprachenunterrichts stark beeinflusst hat und sich das Transferpotenzial daraus begründen lässt.

„Die Wissenschaftlichkeit der Fachdidaktik wird aus der Integration der Befunde fachübergreifender und fachspezifischer Wissenschaften – von z.B. Bildungstheorie, Allgemeiner Didaktik, Lerntheorie, Sprachpsychologie, Linguistik, Literatur-/Textwissenschaft und Landeskunde – nachgewiesen.“

(Neuner 2003, 225)

3.1Zur Entwicklung der Fremdsprachendidaktik

Die wissenschaftliche Erforschung des Fremdsprachenunterrichts beginnt in der Mitte des 19. Jahrhunderts und ist (nicht zwingend) von einer chronologischen Abfolge der „großen“ Methodenkonzepte gekennzeichnet, die teilweise parallel nebeneinander existierten bzw. wieder erscheinen (vgl. Funk 2010; Haß 2010; Neuner 2003). Im Folgenden sollen die wichtigsten, traditionellen methodischen Ansätze kurz dargestellt werden, deren Abgrenzung bzw. Überprüfung die didaktisch-methodische Forschung beeinflusst haben.

Bei auf Grammatikwissen basierten Konzepten, die aus der Grammatik-Übersetzungsmethode hervorgingen, ging es nicht um die praktische Beherrschung der Fremdsprache, sondern vielmehr um eine bewusste Einsicht in deren formalen Aufbau und Regelsystem. Dies geschah durch grammatische Übungen und Hin- oder Herübersetzungen. Ziel war deshalb nicht Sprachkönnen, sondern Sprachwissen. Trotz heftiger Kritik sind Elemente dieser Methode bis heute in Lehrbüchern zu finden, da sich dadurch der Unterricht ˝einfacher˝ gestalten lässt: in so einem Lehrwerk ist festgelegt was, wieviel und wie der Lehrer zu unterrichten hat. Im Mittelpunkt des Frontalunterrichts stehen die Veranschaulichung der neuen Grammatikregeln und deren Anwendung in inhaltlich nicht zusammenhängenden Sätzen (vgl. Multhaup 1995, 15ff; Neuner/Hunfeld 1993, 19ff; Edmondson/House 2000, 115f; Neuner 2003, 227f.).

Darauf folgende audiolinguale bzw. audiovisuelle Methodenkonzepte wurden vor allem in den USA und in Frankreich entwickelt. Im Sprachlabor konnten authentische Sprechmodelle in der Zielsprache angeboten werden, aber die Übungen beschränkten sich auf Hören und Nachsprechen (pattern drill) (vgl. Edmondson/House 2000, 117f.; Multhaup 1995, 20ff.; Neuner 2003, 229; Neuner/Hunfeld 1993, 45ff.). Das audiovisuelle Methodenkonzept in Frankreich stellt eine Weiterentwicklung der audiolingualen Variante dar und bediente sich nicht nur auditiver Medien, sondern setzte in massivem Umfang Filme und Bilder ein. Problematisch war vor allem die Semantisierung, da sich nicht alle Konzepte durch visuelles Material einprägen ließen (vgl. Neuner/Hunfeld 1993, 6ff; Edmondson/House 2000, 118f; Neuner 2003, 230).

Aus der Kritik an der audiolingualen Methode folgte die Entwicklung des kommunikativen Ansatzes mit seinen verschiedenen Ausprägungen, die aufeinander folgten bzw. nebeneinander standen: in Großbritannien zunächst vor allem funktional-national, in Deutschland eher mit pädagogisch-emanzipativem Anspruch. Entscheidende Anstöße für den Fremdsprachenunterricht kamen von der Pragmalinguistik. Sie betrachtet Sprache nicht als ein System von Formen, sondern als Aspekt menschlichen Handels. Insbesondere die Systematik der Sprechabsichten (Sprechintentionen) fand in der Fremdsprachendidaktik starke Beachtung und beeinflusste die Lernzielbestimmung und Lehrmaterialgestaltung. Hauptziel ist nicht die Vermittlung von sprachlichen bzw. landeskundlichen Kenntnissen, sondern die Anwendung der Fremdsprachenkenntnisse in Kommunikationssituationen des Alltags (vgl. Multhaup 1995, 25ff; Neuner/Hunfeld 1993, 83ff; Edmondson/House 2000, 121f; Neuner 2003, 231f; Funk 2010, 941).

Die Abgrenzung voneinander und die Überprüfung der jeweiligen Praxiskonzepte bestimmte die didaktisch-methodische Forschung. Die Ansätze spiegelten sich in Lehrwerken wieder, zwar selten in reiner Form, aber sie waren „auf der Grundlage ihrer Übungstypen meist klar zuzuordnen“ (Funk 2010, 941).

Zu diesen Methoden kamen seit den 1970er Jahren sog. „alternative“ Methoden hinzu, die in dieser Arbeit nicht weiter verfolgt werden, da diese inzwischen in die allgemeine Didaktik aufgenommen sind und nicht separat behandelt werden müssen.

Die Sprachenerwerbsforschung der letzten 30 Jahre zeigt, dass die „großen“ Hypothesen (die Kontrastivhypothese, die Interlanguage-Hypothese, universalgrammatische Ansätze, Input- und Output-Hypothese) nicht mehr ausreichten und nicht in ein Gesamtkonzept passten (Edmondson/House 2006). Die Forschungsergebnisse waren zu differenziert, methodisch unterschiedlich und teilweise widersprüchlich. (vgl. Funk 2010, 941).

In der gleichen Zeit dieser Entwicklung ist im Bereich der Fremdsprachendidaktik ebenfalls das Ende der „großen“ makro-methodischen Gesamtkonzepte zu beobachten. Funk (vgl. 2010, 941) fasst zusammen: zuerst spricht Piepho (1990) von der post-kommunikativen Epoche und Brown (2007) von der Post-Methoden-Ära. Andere Fremdsprachendidaktiker wie Meißner und Reinfried (2001) sprechen von einer neokommunikativen Phase oder von „neokommunikativem Grammatikunterricht“. Darunter versteht Gnutzmann (2005, 176) eine Phase des entdeckenden und problemlösenden Lernens. Der einflussreiche „Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen“ (Europarat 2001, 10) mit den vieldiskutierten Standards zu Lernzielen, behauptet von sich selbst fremdsprachenmethodisch neutral zu sein (ebd.). Der Auslöser dieser Behauptung ist die Tatsache, dass es derzeit weder belegbar ist, dass bestimmte Lernziele nur mit bestimmten Methodenkonzepten zu erreichen wären, noch dass bestimmte Ansätze bei unterschiedlichen Lernenden die gleichen Ergebnisse zeigten. Die Praxisforschungen der letzten 10 Jahre zeigen, dass die praktischen Konzepte von Lehrenden meist nicht einem bestimmten Methodenkonzept folgen oder als aus theoretischen Modellen abgeleitet wurden, sondern sich eher aus eigenen langjährigen Erfahrungen ergeben und auf meist unreflektierten Handlungsplänen beruhen (vgl. Funk 2010, 942).

Die fachdidaktischen Theorieentwicklungen lassen sich seit der Entwicklung des interkulturellen Ansatzes nicht mehr eindeutig den Makro-Methodenkonzeptionen zuordnen. Mit der zunehmenden Globalisierung sowie der Verbreitung und Nutzung der neuen Kommunikationsmedien seit Ende der 1980er Jahre hat die Bedeutung der interkulturellen und soziokulturellen Aspekte beim Fremdsprachenlehren und -lernen deutlich zugenommen. Hauptziel des Fremdsprachunterrichts ist der interkulturelle Sprecher, der in der Lage ist, zwischen seiner eigenen und fremden Kultur zu vermitteln. Die interkulturelle Didaktik versucht nicht, ein neues Methodenkonzept zu entwickeln, sondern ist eine Weiterentwicklung des kommunikativen Ansatzes im besonderen Bezug zur Sprachsensibilisierung, zum vergleichenden Fremdverstehen und zum Übungsgeschehen (Neuner 2003, 232). Das Gleiche gilt auch für andere Ansätze wie den aufgabenorientierten Unterricht (Task-Based Language Teaching (TBLT) und Task-Supported Language Teaching (TSLT)) (Müller-Hartmann/Schocker-von Dithfurt 2005). Aus bisherigen Forschungsergebnissen lassen sich keine Erkenntnisse für die Wirksamkeit einer einzelnen Methode des Fremdsprachenunterrichts ableiten. Es ist also weder belegbar, „dass bestimmte Ziele ausschließlich mit bestimmten Methodenkonzepten erreichbar wären, noch, dass bestimmte methodische Ansätze bei unterschiedlichen Lernenden die gleichen Resultate zeigten“ (Funk 2010, 941).

3.2Die Ebene der methodischen Modelle

Aus Sicht der aktuellen fremdsprachenmethodischen Forschung erscheint für Funk (2010) eine andere topologische Sortierung sinnvoll. Er unterscheidet zwischen theoretischen Grundlagen, sprachenübergreifenden Prinzipien und sprachenübergreifenden methodischen Konzepten und Szenarien. Um diese drei Ebenen soll es im Folgenden gehen.

3.2.1Theoretische Grundlagen

Auf der Grundlagenebene gibt es zwei benachbarte Forschungsbereiche: zum einen Theorien des Lernens und der Konstruktion von Wissen, wie z.B. Behaviorismus, Kognitivismus, Konstruktivismus und Konnektionismus und zum anderen die oben erwähnten Zweitspracherwerbstheorien bzw. -hypothesen. Diese grundlegenden Theorien schaffen einen Rahmen für Hypothesen und die Einordnung von Daten und eigenen Erfahrungen. Sie verdeutlichen, dass Fremdsprachenlernen ausschließlich interdisziplinär erforscht und interpretiert werden kann. Diese Theorien bzw. Hypothesen sind die Grundlage von Erkenntnissen und die Voraussetzung dafür, die Prinzipien für die methodischen Entscheidungen in der Unterrichtsvorbereitung und im Unterricht zu gewinnen. Aus den vielfältigen Forschungsansätzen der Spracherwerbsforschung und ihrer Bezugswissenschaften lassen sich eine Reihe von Grundprinzipien ableiten, die zwar kein Gesamtkonzept, wohl aber eine konsistente und kohärente Orientierung methodischer Entscheidungen anbieten und forschungsbasierte Standards vorlegen (vgl. Funk 2010, 943). Um diese Grundprinzipien soll es im Folgenden gehen.

3.2.2Sprachenübergreifende Prinzipien

Folgende sprachenübergreifende didaktisch-methodische Grundsätze und Prinzipien sollten bei der Lehrmaterialentwicklung, Unterrichtsvorbereitung und beim Übungsgeschehen berücksichtigt werden:

Handlungsorientierung: Der Unterricht soll in altersgemäßen und für die Lernenden in nachvollziehbaren situativen Kontexten erfolgen. Sprachverwendung als primäres Lernziel wird durch eine enge Verbindung von Rezeption, Produktion und Interaktion gefördert. Dabei sollen die Fertigkeiten von Verstehen zum Äußern integriert werden6.

Inhaltsorientierung: Der Themenbereich und die Teilthemen sollen möglichst authen-tisch sein und sich an der Lebenswelt der Lernenden orientieren. Dabei soll die Inhalts-verarbeitung vor Form-Fokussierung stehen: Grammatik hat vor allem dienende Funktion, sie hilft dabei, Bedeutungen und Inhalte zu strukturieren.

Aufgabenorientierung: Aufgaben sollen der Entwicklung der kommunikativen Fertigkeiten und des natürlichen und authentischen Spracherwerbs dienen.

Individualisierung und Personalisierung: Der Fremdsprachunterricht soll differenzierende und lernerorientierende Aufgaben anbieten, indem er auf die individuellen Bedürfnisse der Lernenden abgestimmt und gestaltet wird: Lernende sprechen und schreiben als sie selbst.

Autonomieförderung: Den Lernenden soll eine breite Palette der Lernstrategien vermittelt werden, um für sie individuell passende Strategien auswählen zu können. Dabei ist Unvoreingenommenheit bei der Auswahl der Inhalte, der Methoden und der Sozialformen (Partner-, Gruppen- und Projektarbeit etc.) im Unterricht anzustreben.

Interaktionsorientierung: Der mündlichen Kommunikationsfähigkeit ist ein hoher Stellenwert beizumessen. Kollaboratives Lernen spielt dabei eine fördernde Rolle. Lernen wird als kognitiver, sozialer Prozess angesehen, an dem die Lernenden aktiv und selbstgesteuert beteiligt sind.

Reflexionsförderung: Durch Vergleiche der Sprachen bekommen die Lernenden Einsichten in Strukturen. Es sollen lernerorientierte Themen bzw. Fragestellungen angeboten werden, die die Lernenden zu selbstständigen und problemlösenden Aktivitäten motivieren.

Automatisierung: Einübung sprachlich produktiver Routinen fördert einerseits die Flüssigkeit der mündlichen Produktion und andererseits werden Kapazitäten für die gleichzeitige Bewältigung von aufwendigeren, kognitiven Prozessen freigesetzt.

Transparenz und Partizipation: Zieltransparenz gibt den Lernenden die Möglichkeit, die Unterrichtsschwerpunkte zu erkennen und sich an pädagogischen Entscheidungen zu beteiligen.

Evaluationskultur: summative und formative Evaluation von Lernprozessen, Evaluation von Lehre, Rechenschaftspflicht: Im Sinne von transparenter Bewertung und Initiierung von Selbstständigkeit und lebenslangem Lernen müssen auch Verfahren der Selbsteinschätzung eine wesentliche Rolle bei der Evaluierung spielen. Das geeignete Instrument dazu stellt das Europäische Portfolio der Sprachen dar.

Mehrsprachigkeit als Voraussetzung für Entscheidungen in Bezug auf Unterrichtsmaterial, Motivation und Übungsgestaltung.

Lehr- und Lernkultursensibilität: Berücksichtigung kulturspezifischer Verarbeitungsformen von Lernstoff (vgl. Funk 2010, 943f.)