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3., überarbeitete und erweiterte Auflage 2016
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ISBN 978-3-17-028664-1
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Federn lassen
und dennoch schweben –
das ist das Geheimnis
des Lebens
Hilde Domin
Belz Maria, Dipl.-Psych. Im Schwerpunkt für Kulturen, Migration und psychische Krankheit; Asklepios Fachklinikum Göttingen
Rosdorfer Weg 70, 37081 Göttingen, E-Mail: m.belz@asklepios.com
Beyer Jörg, Prof. Dr. med., Stv. Klinikdirektor/Leitender Arzt – Klinik für Onkologie am Universitätsspital Zürich,
Rämistrasse 100, CH 8091 Zürich, E-Mail: joerg.beyer@usz.ch
Brieger Matthias, Dipl.-Psych., Psychotherapeut, Psychotraumatologie (DeGPT), Psychoonkologie (DKG) niedergelassen in eigener Praxis
Engelbergerstr 19, 79106 Freiburg, E-Mail: brieger@psychotherapie-freiburg.net
Diegelmann Christa, Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin, niedergelassen in eigener Praxis, EMDR/VT Supervisorin, Lehrtherapeutin, Leiterin ID Institut
Wilhelmshöher Allee 259, 34131 Kassel, E-Mail: idinstitut@aol.com
Ditz Susanne, Dr. med., Frauenärztin, Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytikerin, Mitglied im Vorstand der DGPFG. Psychoonkologie und Psychosomatik an der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 440, 69120 Heidelberg, E-Mail: susanne.ditz@med.uni-heidelberg.de
Dorst Brigitte, Prof. Dr. Dipl.-Psych., Psychoanalytikerin und Psychotherapeutin in eigener Praxis, Lehranalytikerin am C. G. Jung-Institut Stuttgart, Wissenschaftliche Leiterin der Internationalen Gesellschaft für Tiefenpsychologie (IGT), Leiterin des Sophia-Zentrums für Meditation und spirituelle Psychologie
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Eibach Hannelore, Dr. med., Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin, niedergelassen in eigener Praxis, Dozentin KIP
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Geßner-van Kersbergen Servatia, Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin, niedergelassen in eigener Praxis, Leiterin von Fortbildungen in Energetischer Psychotherapie-Bifokale multisensorische Interventionen
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Hammer Cornelia, Dipl.-Psych. Psychologische Psychotherapeutin, Psychoonkologin, niedergelassen in eigener Praxis, autorisierte Lehrerin für zapchen, Mitbegründerin ZAPCHEN TSOKPA Institut Kassel
Friedrich-Ebertstr. 159, 34119 Kassel, E-Mail: info@zapchen-kassel.de
Heinle Caroline, Dr. med., Dipl.-Psych., Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin, Traumatherapeutin DeGPT, Psychoonkologin,
Im Baien 5, 88693 Deggenhausertal, E-Mail: drheinle@t-online.de
Hübner Jutta, PD Dr. med., Leiterin Informationsdatenbank der Deutschen Krebsgesellschaft
Kuno-Fischer-Str. 8, 14057 Berlin; huebner@krebsgesellschaft.de
Hüther Gerald, Prof. Dr. rer. nat., Dr. med. habil., Leiter der Akademie für Potentialentfaltung (www.gerald-huether.de). Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Göttingen
Von-Siebold-Str. 5, 37075 Göttingen, E-Mail: ghuethe@gwdg.de
Isermann Margarete, Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin, EMDR Supervisorin, Leiterin ID Institut (www.idinstitut.de)
Wilhelmshöher Allee 259, 34131 Kassel, E-Mail: idinstitut@aol.com
Kleine-Tebbe Anke, Dr. med., Chefärztin Brustzentrum, DRK Kliniken Berlin Köpenick
Salvador-Allende-Str. 2–8, 12559 Berlin, E-Mail: a.kleine-tebbe@drk-kliniken-berlin.de
Mehnert Anja, Prof. Dr. phil., Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin (VT), Leiterin der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie und Sektion Psychosoziale Onkologie, Universitätsklinikum Leipzig
Philipp-Rosenthal-Straße 55, 04103 Leipzig, E-Mail: anja.mehnert@medizin.uni-leipzig.de
Mohr Carsten, Dr.med., Hautarzt, Medizinischer Leiter im Heilhaus Kassel, niedergelassen in eigener Praxis,
Brandaustr. 10, 34127 Kassel, E-mail: c.mohr@heilhaus.org
Moser Petra, Dr. med., Ärztin, Psychotherapie, Spezielle Psychotraumatologie (DeGPT), EMDR-Supervisorin und Facilitatorin EMDR-Institut Deutschland, niedergelassen in eigener Praxis
Marktstr. 8, 88212 Ravensburg, E-Mail: dr.petra.moser@web.de
Muffler Elvira, Dipl.-Soz.-Päd., Heilpraktikerin für Psychotherapie, Supervisorin SG, Psychoonkologin in der ambulanten Krebsberatung; Praxis für Psychotherapie und Supervision in Berlin; Leiterin der M.E.G. Wandlitz (Regionalstelle der Milton Erickson Gesellschaft für Klinische Hypnose)
Am Güterbahnhof 8, 16348 Wandlitz, E-Mail: info@elvira-muffler.de
Müller-Busch H. Christof, Prof. Dr. med., ehem. leitender Arzt der Abt. für Anästhesiologie, Schmerztherapie und Palliativmedizin am Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe, Berlin, ehem. Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), Wissenschaftlicher Leiter des Masterstudiengangs »Palliative Care«, International University of Dresden
Rüsternallee 45, 14050 Berlin, E-Mail: Muebu@t-online.de
Münch Urs, Dipl.-Psych., Psychologischer Psychotherapeut und Psychoonkologe (DKG), Zertifizierter Singleiter für Krankenhäuser, Leiter der Projektgruppe Psychosozial Onkologie des Tumorzentrums Berlin e.V., Sprecher der Sektion Psychologie der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin. DRK Kliniken Berlin | Westend, Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie / Darmzentrum Westend
Spandauer Damm 130, 14050 Berlin, E-Mail: u.muench@drk-kliniken-berlin.de
Özkan Ibrahim, Dr. disc. pol., Dipl.-Psych., Psychologischer Psychotherapeut, leitender Psychologe des Schwerpunkts Kulturen, Migration und psychische Krankheit; Asklepios Fachklinikum Göttingen, Institutsambulanz
Rosdorfer Weg 70, 37081 Göttingen, E-Mail: ibrahim@ibrahim.info
Reddemann Luise, Prof. Dr. med., Ärztin für Psychotherapeutische Medizin und Nervenheilkunde, Psychoanalytikerin, Honorarprofessur für Psychotraumatologie an der Universität Klagenfurt
Im Mediapark 15, 50670 Köln, E-Mail: l.reddemann@t-online.de
Schilling Gabriele, Feldenkraislehrerin, ausgebildet von Mia Segal, Gruppen- und Einzelarbeit in ATM und FI in Deutschland und auf Mallorca
Hoher Weg 123, 14542 Werder/Havel, E-Mail: ga.schilling@gmx.net
Schwabe Kerstin, Dr. med., niedergelassen in eigener Praxis mit den Schwerpunkten: Psychotherapie, Klassische Homöopathie, TCM und medizinisches Qigong
Lietzensee-Ufer 3, 14057 Berlin, E-Mail: info@ganzheitlich-behandeln.de
Siedentopf Friederike, PD Dr. med., Leiterin des Brustzentrums, Martin-Luther-Krankenhaus, Berlin
Caspar-Theyß-Str. 27-31, 14193 Berlin, E-Mail: friederike.siedentopf@gmx.de
Tausch Daniela, Dr. phil., Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin, in eigener Praxis niedergelassen, langjährige Leiterin des Stuttgarter Hospizdienstes
Theaterstr. 8, 97070 Würzburg, E-Mail: daniela.maria.tausch@gmail.com
Völkel Ulrike, Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin, Psychoonkologin in psychotherapeutischer Praxis und Leiterin Psychosoziale Abteilung Onkolog. Rehabilitationsklinik Bellevue
Brüder-Grimm-Str. 20, 63628 Bad Soden-Salmünster, E-Mail: voelkel-team@t-online.de
Wollschläger Hanna, Dr. med., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychotraumatologie (DeGPT), Psychoonkologie (DKG), niedergelassen in psychotherapeutischer Praxis
Kronenstr. 9, 79100 Freiburg, E-Mail: praxis.wollschlaeger@mac.com
Dieses Buch ist ein Plädoyer für die Stärkung ressourcenorientierter Sichtweisen in der Psychoonkologie. Wir stellen vielfältige Herangehensweisen zur Entwicklung psychischer Widerstandskraft (Resilienz) im Umgang mit einer Krebserkrankung vor. Neuere Ansätze aus unterschiedlichen Disziplinen werden erstmals für die psychoonkologische Arbeit adaptiert. Der Impuls für das Buch ging von unserem diesjährigen interdisziplinären Symposium »Psyche und Körper ermutigen – Ressourcenorientierte Psychoonkologie« aus, das große Resonanz fand. Ermutigt durch unsere langjährige psychotherapeutische Arbeit mit onkologischen PatientInnen und bestätigt durch den Austausch mit KollegInnen im Rahmen der von unserem Institut durchgeführten curricularen psychoonkologischen Fortbildungsreihe sind wir der Überzeugung, dass einer explizit ressourcenorientierten Sichtweise in der Psychoonkologie größere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Warum ist das sinnvoll? Aktuelle Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Neurobiologie, Stressforschung und Psychoneuroimmunologie sowie der Positiven Psychologie und Resilienzforschung zeigen, wie effektiv es für die Krankheitsverarbeitung ist, wenn gezielt neuronale Ressourcen-Netzwerke aktiviert, gestärkt und neu entwickelt werden. Es geht darum, körperliche, emotionale und kognitive Prozesse anzuregen, um Einfluss auf die Stressphysiologie zu nehmen, um individuelle Bewertungsprozesse zu ändern und positive Emotionen wachzurufen. Ziel ist dabei, das individuelle Bewältigungspotential besser nutzen zu können. Dabei geht es nicht um »positives Denken« oder um die Verleugnung von Belastungen. Vielmehr geht es um eine explizite Aktivierung individueller Ressourcen, die die Resilienz stärken und die Kompetenz im Umgang mit den Herausforderungen einer Krebserkrankung erhöhen. Die Anzahl der Menschen, die mit einer Krebserkrankung leben, wird in den nächsten Jahrzehnten erheblich ansteigen. Gezielte psychoonkologische Interventionen können den Umgang mit der Erkrankung erleichtern und die Lebensqualität nachhaltig verbessern.
Das Buch bietet allen Berufsgruppen, die mit onkologischen PatientInnen arbeiten oder arbeiten wollen, speziell PsychotherapeutInnen, eine inspirierende Quelle mit vielfältigen Anregungen für die psychoonkologische Arbeit und die Auseinandersetzung mit den eigenen Grundhaltungen. Es ist eine Schatzkiste mit innovativem Wissen geworden. Die AutorInnen berichten aus ihrer langjährigen Erfahrung, dass ein bewusst ressourcenorientiertes Vorgehen dazu beiträgt, »das Schwere leichter zu machen«, sowohl für die PatientInnen als auch für die eigene Psychohygiene.
Zum Auftakt werden aktuelle Trends, Konzepte und Perspektiven in der Onkologie anhand zweier grundlegender Beiträge aus dem Bereich der Schulmedizin aufgezeigt. Jörg Beyer stellt aktuelle Diskussionen und Trends für die kommenden Jahre im Bereich der Krebsmedizin dar. Er betont, wie zukunftsweisend die Ausrichtung der onkologischen Therapien an der individuellen Situation krebskranker Menschen ist. Neue Entwicklungen in der Palliativmedizin und Schmerztherapie beschreibt H. Christof Müller-Busch anschaulich. Er vermittelt, wie notwendig dabei eine ganzheitliche und multiprofessionelle Herangehensweise ist und betont die Bedeutung einer an neuesten Erkenntnissen ausgerichteten fundierten Schmerztherapie.
Unter Ressourcenorientierte Konzepte für die Psychoonkologie werden in sechs Beiträgen neue konzeptionelle Perspektiven für die Psychoonkologie entwickelt. Besonders Gerald Hüther veranschaulicht aus neurobiologischer Sicht, dass jede Heilung immer und grundsätzlich Selbstheilung ist. Er betont die wechselseitige Abhängigkeit körperlicher und psychischer Prozesse und beschreibt, wie länger andauernde körperliche Veränderungen zur Anpassung zentralnervöser Verarbeitungsmechanismen und damit psychischer Zustände führen. Andererseits zeigt er, wie psychische Veränderungen, besonders die Aktivierung emotionaler Zentren des Gehirns, auf den Körper wirken. Ein Update der bekannten Diskussion um die Zusammenhänge von Krebs und Stress gibt Margarete Isermann. Sie erläutert, dass für die Psychoonkologie zukunftsweisende Impulse aus der Psychoneuroimmunologie zu erwarten sind. Die gezielte Aktivierung von Ressourcen und positiven Emotionen hat dabei einen besonderen Stellenwert und wird dementsprechend auch die praktische Arbeit bereichern und verändern. In ihrem Beitrag »TRUST: Impulse für einen integrativen Behandlungsansatz« stellt Christa Diegelmann den »Bauplan« für einen integrativen Behandlungsansatz vor, anhand dessen sich psychotherapeutisch-psychoonkologische Haltungen und Interventionen entwickeln lassen. Das Fundament dazu bilden Salutogenese, Resilienz und Positive Psychologie. Die Autorin hebt dabei besonders auch die Psychohygiene der BehandlerInnen hervor und baut darauf, dass dadurch bei den PatientInnen eine »Resilienz-Resonanz« entsteht. Wie fruchtbar dies wie auch eine vertrauensvolle Kommunikation und Kooperation im interdisziplinären Team für die medizinische Behandlung ist, beschreibt Friederike Siedentopf. Sie zeigt, wie in einem Brustzentrum die Integration psychosomatischer Aspekte in die medizinische Behandlung in beispielhafter Weise umgesetzt wird. Ibrahim Özkan erläutert, dass gelingende Kommunikation im Kontext von Krankheit auch interkulturelle Sensibilität und Kompetenzen erfordert. Obwohl es in der Psychoonkologie bereits viele Ansätze gibt, sich von der traditionellen psychiatrischen Diagnostik zu lösen, sind auch die neueren diagnostischen Ansätze eher defizit- und pathologieorientiert. Christa Diegelmann und Margarete Isermann zeigen auf, wie wichtig parallel dazu eine Ressourcen- und Resilienzdiagnostik ist. Sie stellen dazu mehrere bereits etablierte Instrumente und drei neue Diagnostik-Tools vor.
Psyche ermutigen wird von Luise Reddemann mit einem sehr persönlichen Beitrag eingeleitet. Sie ermutigt dazu, in der Begleitung von Menschen in Grenzsituationen als »ganze Menschen« zu reagieren und dabei sowohl den Schmerz als auch die Fülle des Lebens zu würdigen, um wahrhaft professionell handeln zu können. Den Themenfeldern Sinnfindung, Spiritualität und Trauer widmen sich hier vier Beiträge, jeweils aus ganz verschiedenen Richtungen. Anja Mehnert beschreibt in ihrem Überblick Konzepte, die Sinnhaftigkeit und Lebenssinn im Kontext von Belastungsverarbeitung beinhalten. Darüber hinaus stellt sie unterschiedliche gruppentherapeutische Interventionen vor, die auf Lebenssinn fokussieren. Petra Moser zeigt, dass gelebte Spiritualität im Alltag zu einer unerschöpflichen Kraftquelle werden kann. Die stärkende Wirkung von Metaphern und Imaginationen wird in dem Beitrag von Daniela Tausch anschaulich dargestellt. Das von ihr vermittelte Erfahrungswissen aus der Begleitung von Sterbenden und Trauernden wirkt ermutigend und anregend. In-Beziehung-Sein, Präsenz, Achtsamkeit und Ermutigung sind einige Kriterien, die Brigitte Dorst als Voraussetzung für eine spirituell ausgerichtete therapeutische Grundhaltung erachtet. Ihr Beitrag inspiriert dazu, eigene Wege zu entfalten, um Heilungs-, Wandlungs- und Selbstwerdungsprozesse erleben und begleiten zu können. In drei weiteren Beiträgen werden jeweils konkrete ressourcenorientierte Interventionen vorgestellt. Christa Diegelmann beschreibt wesentliche Kriterien und Beispiele von TRUST-Interventionen, die darauf zielen, die therapeutische Arbeit in dem individuell optimalen »Affekt-Toleranz-Fenster« zu gestalten. Die flexible und kreative Handhabung auch neuer Tools wird von ihr aus der Perspektive der Resilienzstärkung und Positiven Psychologie exemplarisch mit drei ausführlichen Fallvignetten veranschaulicht. Hanna Wollschläger und Matthias Brieger eröffnen mit ihrem Beitrag ein weiteres Feld, indem sie die therapeutische Arbeit u. a. mit Literatur und Bilderbüchern, die üblicherweise in der Arbeit mit Kindern Anwendung finden, auf die Arbeit mit Erwachsenen erweitern. Auch andere Medien kommen dabei zum Einsatz, um neue Trigger als Zugang zu Ressourcen zu etablieren. Hannelore Eibach hat in ihrer langjährigen Arbeit mit der Katathym Imaginativen Psychotherapie zahlreiche sinnstiftende Rituale entwickelt. Menschen, die eine schwere Erkrankung oder andere kritische Lebenssituationen zu bewältigen haben, können dadurch wieder neuen Halt, Trost und Orientierung finden. In diesem Buch stellt sie erstmals ein langjährig erprobtes Steinritual für die Arbeit in Gruppen vor. Der Beitrag von Caroline Heinle vermittelt, inwiefern eine konsequente Ressourcenorientierung für die psychoonkologische Betreuung innerhalb eines Akutkrankenhauses von Nutzen ist. Aus der Perspektive der onkologischen Rehabilitation beschreibt Astrid Biskup, wie effektiv und sinnvoll spezifische ressourcenorientierte Behandlungsbausteine für Prozesse der Krankheits- und Krisenbewältigung sein können.
In Körper ermutigen beschäftigen sich die Beiträge abschließend einerseits mit den Themen Fatigue, Ernährung, Sport und Bewegung sowie Sexualität, die bei einer Krebserkrankung eine große Bedeutung haben, aber noch zu wenig Beachtung erfahren. Andererseits werden spezielle körperbezogene Interventionen vorgestellt, die sich in der psychoonkologischen Arbeit sehr bewährt haben. Es wurden von uns besonders Interventionen ausgewählt, die auf Achtsamkeit basieren, da sich deren Wert auch zunehmend für die Psychoonkologie zeigt. Zum Einstieg beschäftigt sich Susanne Ditz mit dem Thema »Tumor-bedingte Fatigue«. Die Autorin erläutert den aktuellen Stand zu diesem bislang noch unzureichend wahrgenommenen Symptomkomplex und fordert eine routinemäßige Berücksichtigung von Fatigue-Manifestationen in der onkologischen Versorgung. Die Rolle von Ernährung, Sport und Bewegung bei Krebs in Prävention, Therapie und Rehabilitation betont Anke Kleine-Tebbe, indem sie aktuelle Erkenntnisse als handlungsleitende Empfehlungen zusammenstellt. Ulrike Völkel plädiert für ein erweitertes Verständnis von Sexualität und macht Mut, trotz krankheitsbedingter Einschränkungen neue Wege im Umgang mit der eigenen Sinnlichkeit und Lust zu erkunden. Kerstin Schwabe stellt GuoLin-Qigong vor, das zur Traditionellen Chinesischen Medizin zählt und hauptsächlich bei Krebserkrankungen eingesetzt wird. Die verschiedenen Wirkebenen werden von ihr anschaulich dargestellt. Bei der Feldenkraismethode, die von Gabriele Schilling auch anhand konkreter Übungsanleitungen praxisnah vermittelt wird, geht es darum, die bewusste Körperwahrnehmung zu schulen und zu verbessern, bis diese unbewusst in Bewegungsabläufe übernommen wird. Das von Cornelia Hammer vorgestellte »zapchen« ist eine sanfte, körperbezogene Arbeit, die aus tibetisch/westlichen Heilweisen entwickelt wurde, um u. a. Körperbewusstheit und Achtsamkeit für die Impulse des eigenen Körper-Seins zu entwickeln. Es ermöglicht, Ängste, Spannungen und Belastungen anzuerkennen, diese sich aber nicht beliebig ausbreiten zu lassen. Servatia Geßner-van Kersbergen erläutert die Grundprinzipien der Energetischen Psychotherapie. Diese Behandlungstechnik stützt sich auf Elemente der Traditionellen Chinesischen Medizin (Meridianlehre), der Humanistischen Psychologie (Selbstakzeptanz), der Verhaltenstherapie (Exposition) und verschiedener moderner Verfahren wie Hypnotherapie, NLP und EMDR. Am Beispiel eines Standardprotokolls kann die Anwendung multisensorischer Interventionen nachvollzogen werden. Die Technik kann auch als Selbsthilfewerkzeug von PatientInnen zur Belastungsreduzierung genutzt werden. Hypnotherapeutische Interventionen zur Symptomlinderung in der Onkologie werden im nachfolgenden Beitrag von Elvira Muffler praxisnah auch anhand von Fallvignetten dargestellt. In der Onkologie sind hypnotherapeutische Kenntnisse von besonderer Bedeutung, da die hohe psychische Belastung zu spontanen Tranceprozessen führt und dadurch eine besonders hohe Suggestibilität besteht, die man durch gezielte Interventionen auch unmittelbar zur Entlastung nutzen kann. Stabilisierende körperbezogene Rituale stellt zum Abschluss Hannelore Eibach vor. Diese einfachen Übungen können bei regelmäßiger Praxis Wege zur inneren Balance von Körper und Psyche bahnen.
Die Vielfalt der Beiträge mit einer Kombination aus grundlegender Wissensvermittlung, innovativen Konzepten, theoretischen Überlegungen, praxisbezogenem Erfahrungswissen und konkreten Interventionen und Übungen ist in dieser Form neu. PatientInnen und Angehörige können viele der vorgestellten Tools auch selbstständig anwenden und BehandlerInnen können sie ebenfalls zur eigenen Psychohygiene nutzen. Erfahrungen verändern. Dieses Buch soll dazu anregen. Uns hat die Beschäftigung mit ressourcenorientierten Sichtweisen eine breitere Perspektive und erweiterte Handlungskompetenz im Umgang mit Krankheit, Leben und Tod eröffnet und uns insgesamt mehr Glücksempfinden und Sinnerfahrungen geschenkt.
Zum Schluss ein Zitat aus der Todesanzeige eines plötzlich verstorbenen Kollegen:
Sobald dein Geist erwacht ist, wirst du jeden Tag mit einem Lächeln beginnen können, denn du weißt, welch großes Geschenk das Leben ist. Buddhistische Weisheit
Wir bedanken uns sehr herzlich bei allen, die zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben, nicht zuletzt bei unseren PatientInnen, denen wir viele wertvolle Erfahrungen verdanken. Möge dieses Buch zu neuen Sicht- und Handlungsweisen ermutigen.
Erfreulicherweise hat das Buch »Ressourcenorientierte Psychoonkologie« eine große Verbreitung gefunden. Für die dritte Auflage wurde das Buch umfassend überarbeitet und aktualisiert und wir haben auch drei neue Beiträge aufgenommen. Das Thema Hautkrebs betrifft zunehmend mehr Menschen. Carsten Mohr widmet sich diesem Thema kompetent und ermutigend. In dem Beitrag von Urs Münch »Singen als Ressource« wird anschaulich, warum das Konzept der Singenden Krankenhäuser immer mehr Verbreitung erfährt. Das Kapitel über das SPOR-Konzept haben wir weggelassen, da es in der Rehabilitationsklinik nicht mehr angeboten wird. Im Abschlusskapitel »Immer ist JETZT die beste Stunde: Die Gegenwart als Ressource« hat Christa Diegelmann ein anschauliches Plädoyer für mehr Achtsamkeit im psychoonkologischen Alltag zusammengestellt.
Insgesamt hat die Psychoonkologie weiter an Bedeutung gewonnen, was sich u. a. auch in der Entwicklung und Veröffentlichung einer S3 Leitlinie »Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatienten« zeigt.
Eine ressourcenorientierte Grundhaltung und das Bewusstsein für eine individualisierte Behandlung sind in klinischen Settings zunehmend zu finden. In vielen der in diesem Buch dargestellten Bereiche gibt es inzwischen bemerkenswerte neue Forschungsergebnisse. Besonders die Erkenntnisse der Hirnforschung, Psychoneuroimmunologie und Resilienzforschung untermauern die Bedeutung ressourcenorientierter Interventionen bei körperlichen Erkrankungen.
Kassel, im Februar 2016
Die Onkologie ist derjenige Wissenszweig in der Medizin, der sich mit Krebs befasst, insbesondere mit der Erforschung, Prävention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge bösartiger Erkrankungen. Jedes Jahr sind mehr Menschen von der Diagnose Krebs betroffen, die meist in hohem Maße emotional besetzt ist und mehr als andere Diagnosen zu einer breiten gesellschaftlichen Diskussion über Ursachen und Therapie der Erkrankung führt. Hunderttausende von WissenschaftlerInnen und TherapeutInnen beschäftigen sich weltweit mit dem Thema Krebs. Der folgende Beitrag soll aktuelle Diskussionen darstellen und Trends und Perspektiven der kommenden Jahre im Bereich der Krebsmedizin aufzeigen.
Tatsächlich erkranken immer mehr Menschen an Krebs. Bösartige Erkrankungen folgen in den industrialisierten Ländern den Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf Platz zwei der Todesursachen. Da Krebs vorrangig eine Erkrankung des älteren Menschen ist, liegt die Hauptursache für den Anstieg in dem zunehmenden Altersdurchschnitt der Bevölkerung. Weitere Ursachen sind ein individuelles Fehlverhalten mit Nikotin- und Alkoholkonsum, Bewegungsmangel und Fehlernährung sowie Umweltfaktoren in einer zunehmend urbanen Lebensweise. Infektionen und beruflich bedingte Krebserkrankungen, die in weniger entwickelten Ländern deutlich häufiger sind, spielen in den industrialisierten Ländern dagegen nur eine nachgeordnete Rolle. Die Kenntnis einer genetisch bedingten familiären Krebsdisposition ist vor allem für die Prävention und Früherkennung bedeutsam. Dennoch lässt sich auch heute nur ein Teil der Krebserkrankungen erklären – für die Mehrzahl von ihnen sind die genauen Ursachen ihrer Entstehung noch nicht bekannt. Die Wahrscheinlichkeit, zu irgendeinem Zeitpunkt im Leben an Krebs zu erkranken, beträgt nach den aktuellen Daten der SEER Datenbank der USA ca. 47 % für jedes männliche und ca. 42 % für jedes weibliche Neugeborene (http://seer.cancer.gov). Dank einer systematischen Früherkennung und Fortschritten in der Therapie einzelner Krebserkrankungen wird jedoch weniger als die Hälfte der Betroffenen an ihrer Krebserkrankung sterben.
Die letzten Jahrzehnte sind durch ein zunehmendes Verständnis der Biologie von Krebserkrankungen gekennzeichnet. Vor allem die rasante Entwicklung in der Molekularbiologie, mit der Möglichkeit, das menschliche Genom komplett zu analysieren, und Techniken, welche die gleichzeitige Analyse von Tausenden von Genorten erlauben, haben hierzu beigetragen. Weiterhin sind viele der Mechanismen erforscht, welche die Zellfunktion und das Zellwachstum in normalen und bösartigen Zellen regulieren. Dieses Wissen kann schon heute in der Diagnostik und für gezielte therapeutische Interventionen genutzt werden, z. B. bei chronischen myeloischen Leukämien, bei Brustkrebs, Darmkrebs und Nierenzellkrebs. Vielfach haben sich hierdurch Behandlungsmöglichkeiten eröffnet, die noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wären. Dennoch sind viele der häufigen Krebsarten auch heute noch unzureichend erforscht. Die medizinische Grundlagenforschung wird daher auch in den kommenden Jahren im Bereich der Krebserkrankungen einen hohen Stellenwert behalten.
Für die Mehrzahl der Krebserkrankungen gilt, dass die Heilungschancen sinken, je weiter sich die Erkrankung am Ort der Entstehung ausgebreitet oder sogar in entfernt gelegene Körperorgane metastasiert hat. Gezielte Maßnahmen der Früherkennung (»Screening«) von Krebserkrankungen erlauben die Diagnose häufig zu einem Zeitpunkt, zu dem die Krebserkrankung noch ganz auf den Ursprungsort der Entstehung begrenzt und damit in sehr hohem Maße heilbar ist. Dennoch ist das Screening nicht unumstritten. Es besteht immer das Risiko, dass gesunde Menschen dadurch fälschlicherweise als krebskrank eingestuft werden (»falsch positive Befunde«) oder Krebserkrankungen trotz des Screenings nicht erkannt werden (»falsch negative Befunde«). Der Nutzen eines Screenings der gesamten Bevölkerung ist nur für wenige Krebserkrankungen belegt, wie z. B. für Brustkrebs, Darmkrebs, Hautkrebs, evt. auch Prostatakrebs. Allerdings können in Familien mit bekanntem genetischem Risiko zusätzliche gezielte Screening-Maßnahmen sinnvoll sein. In der Regel hilft hier eine eingehende genetische Beratung. Früherkennung (»Screening«) ist in folgenden Fällen sinnvoll:
Die Erkrankung sollte
• ein relevantes Gesundheitsproblem darstellen.
• häufig sein bzw. besondere Risikokollektive sollten erkennbar sein.
• leicht und zuverlässig erkennbare Vorstufen haben.
• eine Latenzzeit zwischen Vorstufen und invasiver Erkrankung haben.
Der Test sollte
• einfach, billig und wenig belastend durchführbar sein. Kein Risiko!
• zuverlässig die Erkrankung erkennen (hohe Sensitivität).
• zuverlässig nur die Erkrankung anzeigen (hohe Spezifität).
Die Behandlung
• der Vorstufen sollte möglich sein.
• sollte einfach sein und eine breite Akzeptanz haben.
In der Therapie von Krebserkrankungen fanden in den letzten Jahrzehnten kleine »Revolutionen« statt. Neue Therapieverfahren haben die Heilungsaussichten einiger Krebserkrankungen deutlich verbessert, begleitende Behandlungen (»Supportivtherapie«) haben Schwere und Häufigkeit gefürchteter Komplikationen wie z. B. Übelkeit und Erbrechen deutlich reduziert, die Fachdisziplinen Chirurgie, Strahlentherapie und medikamentöse Tumortherapie kooperieren untereinander eng im Rahmen einer sogenannten »multimodalen« Therapie, und nicht zuletzt hat sich das Menschenbild in der Onkologie gewandelt. Eine gut durchgeführte Krebsbehandlung hat nicht mehr nur den Tumor und eine daraus resultierende, alleine durch die ÄrztIn festgelegte Behandlungsstrategie im Fokus. Wünsche und Erwartungen der betroffenen krebskranken Menschen werden einbezogen und das medizinische Behandlungskonzept an die individuelle Lebenssituation des Menschen angepasst, die durch dessen subjektive Vorstellungen ebenso bestimmt wird wie durch Faktoren wie etwa Alter, Begleiterkrankungen, soziale, familiäre und religiöse Einbindungen und viele andere mehr. Eine solche Vorgehensweise ist sehr zeitaufwendig, wird jedoch den Betroffenen in stärkerem Umfang gerecht, als dies in den vergangenen Jahrzehnten einer oft technokratischen Medizin der Fall war.
Noch immer beruht die medikamentöse Tumortherapie auf dem klassischen Wirkprinzip, Zellgifte zu verabreichen, welche die Zellteilung hemmen und damit das Wachstum der sich schneller und häufiger als gesunde Zellen teilenden Krebszellen. Diese Therapie wirkt relativ unselektiv gegen alle sich teilenden Zellen und ist damit nicht besonders intelligent. Dennoch wird auch heute noch die Mehrzahl der Krebserkrankungen durch eine solche Therapie erfolgreich behandelt. Weitere Wirkprinzipien sind im Folgenden aufgeführt:
Antihormonelle Therapie : Hierbei wird ausgenutzt, dass einige Krebserkrankungen wie z. B. viele Arten von Brustkrebs und nahezu alle Arten von Prostatakrebs in ihrem Wachstum auf die Stimulation durch körpereigene Hormone angewiesen sind. Wird der Krebserkrankung die hormonelle Stimulation durch die Gabe entsprechender Medikamente entzogen, kommt das Wachstum zum Stillstand. Diese Therapie führt vor allem bei jüngeren Menschen durch den resultierenden Hormonentzug häufiger zu Nebenwirkungen, kann aber gerade bei älteren Menschen sehr nebenwirkungsarm eingesetzt werden.
Hemmung der Angioneogenese : Wir wissen heute, dass viele Krebserkrankungen die zu ihrem Wachstum notwendigen Gefäße selbst induzieren und den Körper durch Botenstoffe zu Gefäßneubildungen anregen, die den Tumor dann mit den notwendigen Nährstoffen versorgen. Neu entwickelte Medikamente hemmen diese Botenstoffe und führen in der Regel in Kombination mit einer klassischen Chemotherapie zu einem Schrumpfen des Tumors oder gar zu dessen vollständigem Verschwinden.
Antikörpertherapie : Viele Krebszellen tragen an ihrer Zelloberfläche Moleküle, die auf gesunden Zellen nicht oder in geringerem Umfang vorkommen und die gezielt durch eigens gegen diese Moleküle gerichtete Antikörper angegriffen werden können. Ist das Molekül auf der Krebszelle vorhanden, wird diese durch Bindung des Antikörpers zerstört. Fehlt das Molekül z. B. auf gesundem Körpergewebe, so entfaltet der Antikörper aufgrund fehlender Bindung seine Wirkung nicht. Durch die Antikörpertherapie kann somit eine viel gezieltere Wirkung gegen die Krebszelle erreicht werden, als dies mittels der klassischen Chemotherapie möglich ist. Häufig ergänzt sich die Wirkung einer Antikörpertherapie mit derjenigen einer klassischen Chemotherapie.
Hemmung der intrazellulären Signaltransduktion: Aufgrund eines besseren Verständnisses und der Aufklärung der intrazellulären biochemischen Signalübermittlung gelang es, gezielt Stoffe zu entwickeln, die sehr erfolgreich in diese Abläufe eingreifen und das Signal zur Zellteilung noch in der Zelle selbst stoppen können. Diese Medikamente haben in den letzten Jahren bei mehreren zuvor nur sehr schwer behandelbaren Krebserkrankungen große Erfolge erzielt und werden auch in den kommenden Jahren die Möglichkeit der medikamentösen Tumortherapie verbessern.
Gezielte Manipulation der körpereigenen Immunabwehr: Seit langem ist bekannt, dass unser Immunsystem in der Lage ist, Krebszellen zu erkennen und diese gezielt zu zerstören. Krebszellen können jedoch wiederum das Immunsystem gezielt blockieren und so der Zerstörung entgehen. Diese Blockade kann wiederum durch neu entwickelte, hochpotente Medikamente gehemmt werden, so dass die »Blockade der Blockade« (engl. »Immune Checkpoint Inhibition«) schließlich doch die Zerstörung der Krebszellen bewirkt. Dieser Ansatz ist ebenso wirkungsvoll wie gelegentlich durch eine überschießende Immunreaktion auch nebenwirkungsreich und gefährlich. Dennoch werden in diese neuartige Klasse von Krebstherapeutika aktuell große Hoffnungen gesetzt.
Andere Therapieverfahren haben in der medikamentösen Krebsbehandlung kaum einen Stellenwert. Die Gentherapie würde zwar für diejenigen Krebserkrankungen eine kausale Therapie darstellen, deren genetische Ursache bekannt ist. Allerdings ist die Gentherapie noch nicht hinreichend gut untersucht, als dass sie in absehbarer Zeit beim Menschen angewandt werden könnte. Auch für die Mehrzahl der Verfahren der unspezifischen Immunstimulation (»Immuntherapien«) ist ihr Nutzen in der Krebsbehandlung noch immer nicht belegt, auch wenn sie von vielen Betroffenen in ihrem Wunsch, »selbst etwas gegen die Krebserkrankung zu tun« häufig parallel zur schulmedizinischen Krebsbehandlung angewandt werden. Innerhalb der Schulmedizin werden unspezifische Immuntherapien nur selten bei einer sehr eng umgrenzten Zahl von Krebserkrankungen wie z. B. bei der lokalen Therapie von Harnblasenkrebs eingesetzt.
Viele Krebserkrankung die von Körperorganen ausgehen (»solide Tumoren«) und hierbei vor allem die frühen, lokal begrenzten Stadien, werden unverändert durch deren operative Entfernung geheilt. Auch wenn man denken könnte, dass sich die Tumorchirurgie über die letzten Jahrzehnte wenig geändert hat, trifft dies nur bedingt zu. Die prä- und intraoperative Planung hat sich deutlich verbessert. Verbesserte technische Möglichkeiten erlauben kürzere und kleinere Eingriffe, die für die Betroffenen weniger belastend und weniger traumatisierend sind. Die Bedeutung des Organerhalts für die Lebensqualität nach erfolgreich abgeschlossener Krebsbehandlung wurde erkannt und hat zur Folge, dass die Zahl der radikalen und oft verstümmelnden Eingriffe glücklicherweise deutlich zurückgegangen ist. Die Einsatzmöglichkeiten der »minimal invasiven Chirurgie« nehmen zu und verstärken diesen Trend.
In der Strahlentherapie hat es – ähnlich wie in der medikamentösen Krebsbehandlung – sehr grundlegende technische Verbesserungen gegeben. Durch den Einsatz zwar sehr teurer, aber auch sehr effektiver Strahlentechniken, wie z.B. der Linearbeschleuniger oder der »intensitätsmodulierten Bestrahlung (IMRT)«, konnten die Belastung und die Nebenwirkungen der Strahlentherapie für die Betroffenen deutlich reduziert werden, bei gleichzeitiger Steigerung der Erfolgsrate. Bei einigen Krebserkrankungen, wie z. B. dem Prostatakrebs, kann heute die alleinige Strahlentherapie eine Operation sogar ganz ersetzen, was gerade für ältere Menschen erhebliche Vorteile hat. Ob dagegen die Vorteile der nächsten technischen Innovation, die der zielgenaueren Photonentherapie, die hohen Investitionskosten rechtfertigen, muss durch entsprechende Untersuchungen erst noch nachgewiesen werden.
Chirurgie, Strahlentherapie und medikamentöse Krebstherapie haben jeweils behandlungsspezifische Vor- und Nachteile in Bezug auf eine lokale Tumorkontrolle und die Kontrolle einer Metastasierung ( Tab. 2.1). Was ist daher naheliegender, als deren Vorteile durch eine kluge Kombination der Wirkprinzipien in der Krebsbehandlung zu nutzen? Tatsächlich ist eine solche »multimodale Therapie« erst in den letzten Jahren an einer größeren Zahl von PatientInnen untersucht und erfolgreich angewandt worden. Keine Fachdisziplin kann heute mehr beanspruchen, alleine bei der Behandlung von Krebserkrankungen erfolgreich zu sein. Im Idealfall wird ein Behandlungskonzept in einer gemeinsamen Konferenz unter Einbeziehung aller beteiligten Fachdisziplinen festgelegt (»Tumorkonferenzen«).
ChirurgieBestrahlungMedikamentöse Therapien
Tab. 2.1: Einsatzbereiche klassischer onkologischer Therapien
Trotz aller Erfolge der Früherkennung und der Krebsbehandlung kommt der primären Prävention, welche Krebserkrankungen ursächlich vorbeugt, grundsätzlich die höchste Priorität zu. Vorrangig ist dabei die individuelle Prävention, die jede(r) Einzelne für sich selbst entscheiden und umsetzen kann. Durch eine Gestaltung der eigenen Lebensweise mit konsequenter Nikotinabstinenz, Beschränkung des Alkoholkonsums, regelmäßiger körperlicher Aktivität und einer gesunden, maßvollen Ernährung kann das individuelle Risiko, an Krebs zu erkranken, deutlich gesenkt werden. In Bezug auf die Prävention von Lungenkrebs sind die konsequente Nikotinabstinenz und eine strenge Umsetzung des Nichtraucherschutzes sogar die einzigen verfügbaren Maßnahmen. Krebsprävention ist auch durch Impfung gegenüber Viren mit potentieller Kanzerogenität, wie z. B. gegen das Hepatitis-B-Virus und das Humane Papilloma-Virus, erstmals möglich geworden. Der tatsächliche Nutzen solcher Impfungen ist allerdings noch nicht abschließend erforscht. Der Einsatz weiterer gezielter Impfungen wäre als Krebsprävention wünschenswert, steht aber im klinischen Einsatz nicht zur Verfügung. Eine wesentliche Einschränkung einer primären Prävention liegt zudem in der Tatsache begründet, dass bei den meisten Krebserkrankungen die genauen Ursachen, die an deren Zustandekommen beteiligt sind, auch heute noch nicht bekannt sind.
Ohne aus Platzgründen auf Details näher eingehen zu können – eine professionell durchgeführte Supportivtherapie kann eine häufig traumatisierende Krebsbehandlung für die Betroffenen und Angehörigen erträglicher machen. Viele Krebsbehandlungen wurden dadurch komplikationsärmer und können in zunehmendem Umfang auch ambulant durchgeführt werden, ohne dass die soziale Einbindung eines Menschen zerreißt. In guten Einrichtungen wird heute die Krebsbehandlung von Teams aus ÄrztInnen verschiedener Fachdisziplinen, speziell ausgebildeten Pflegekräften, SozialarbeiterInnen und einer Vielzahl verschiedener TherapeutInnen begleitet. Zunehmend zeigt sich wie schon in den USA auch in Deutschland der Trend, Krebsbehandlungen nur noch in hierfür spezialisierten Einrichtungen (»Cancer Centers«) durchzuführen.