Vollständige eBook-Ausgabe der Hardcoverausgabe

Copyright © 2015 by Jennifer Brown

This translation of How Lunchbox Jones saved me from Robots, Traitors and Missy, the Cruel is published by arsEdition by arrangement with Bloomsbury Publishing Inc. All rights reserved.

Die Originalausgabe ist 2015 im Verlag Bloomsbury Children’s Books, New York, erschienen.

© 2017 arsEdition GmbH, Friedrichstraße 9, 80801 München

Alle Rechte vorbehalten

Text: Jennifer Brown

Übersetzung: Christine Spindler

Covergestaltung und Innenvignetten: Sebastian Schwamm

Umsetzung eBook: Zeilenwert GmbH

ISBN ebook 978 - 3-8458 - 2188-7

ISBN Printausgabe 978 - 3-8458 - 1209-0

www.arsedition.de

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Für Scott-Bot

und

für Team #7223

Wir sind die Shaker!

Die supercoolen Shaker!

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Echt oder nicht?

Nachwort der Autorin

Danksagung

Weitere Titel

Leseprobe zu "Pete Johnson - Wie man seine voll verkorksten Eltern erzieht"

Kapitel 1

Programmbezeichnung: Ahnungslos

Schritt 1: Roboter greift Papier mit Pinzette

Schritt 2: Roboter isst Papier

Schritt 3: Robo-Rülpser

Wenn man den Gerüchten glauben durfte, steckte im Kostüm des Maskottchens der Forest Shade Middle School eine 72-jährige Frau. Doris, die 72-jährige Mutter von Trainer Verde, um genau zu sein. Die Vermutung lag nahe, denn während die Maskottchen anderer Schulen Purzelbäume schlugen und zu Rockmusik tanzten, sah man unseren Waschbären oft in einem Schaukelstuhl sitzen und Hauben für Klopapierrollen stricken.

Nicht, dass ein richtiges Maskottchen einen Unterschied gemacht hätte. Unsere Mannschaft, die »Wilden Waschbären«, hatte seit Menschengedenken kein Spiel mehr gewonnen. In keiner Sportart. Keiner einzigen. Weder Football, Baseball, Cheerleading, Basketball noch rhythmische Sportgymnastik. Nicht einmal ein Lufthockey-Turnier am Freitagabend auf der Eisbahn hatten wir für uns entscheiden können.

Unsere Football-Mannschaft war so schlecht, dass zwei Jahre lang niemand merkte, dass Chuck, das Klassenmeerschweinchen von Mrs. Balinski, auf dem Mannschaftsplan als »Quarterback« eingetragen war. In der Vitrine vor dem Sekretariat war weit und breit kein einziger noch so mickriger Pokal zu sehen. Nur eine Kaffeetasse stand darin mit dem Aufdruck: Für die weltbeste Sekretärin. Jemand hatte das Wort »weltbeste« mit Edding durchgestrichen und »ganz passable« darübergeschrieben.

Alles in allem waren wir die erfolgloseste Middle School der Geschichte. Das hatten wir echt drauf.

Aber das hinderte das Maskottchen nicht daran, an den merkwürdigsten Orten aufzutauchen und zu versuchen, Schwung in den Laden zu bringen. Es wedelte auf dem Parkplatz mit seinen Pompons und schleuderte während der Schulversammlungen Süßigkeiten auf die Tribüne. Auf dem Flur vor den Physik- und Chemiesälen versuchte es, eine Polonaise zu bilden. Die meisten ignorierten den Waschbären. Manche Schüler machten sich über ihn lustig. Einmal pappte ihm jemand ein Post-it auf den Rücken – Tollwutgefahr! Bringt euch in Sicherheit! Das gab vielleicht ein Gerangel am Ausgang der Mensa.

Mir tat die alte Mrs. Verde leid, darum versuchte ich, möglichst nett zu dem Waschbären zu sein. Zugegeben – es wäre schon cool gewesen, wenn in der Vitrine ein Pokal mit meinem Namen darauf gestanden hätte: Luke Abbott hat in der siebten Klasse sämtliche Preise abgeräumt. Aber ich machte mir eigentlich nichts aus Teamgeist, Turniersiegen und dem ganzen Kram. Ich hatte selbst genug Probleme. Dabei ging es vor allem um Rob, meinen großen Bruder, und den größten Verrat aller Zeiten.

Aber warum sollte ich das an unserem Maskottchen auslassen? Wenn der Waschbär Flyer verteilte, nahm ich immer einen, ohne ihn auch nur anzuschauen. Hauptsache, dass überhaupt jemand einen Flyer nahm und die alte Mrs. Verde nicht das Gefühl hatte, ihre wertvolle Strickzeit zu vergeuden.

So kam es, dass ich keine Ahnung hatte, was das für ein zerknüllter orangefarbener Zettel war, den Dad aus meinem zerschrammten Ordner fischte, als ich eines Tages von der Schule heimkam.

»Was ist das denn?«, fragte er und strich ihn glatt.

Ich zuckte die Schultern und ging zum Kühlschrank. »Keine Ahnung.«

Er studierte den Zettel mit gerunzelter Stirn, dann las er laut vor: »Die Wilden Robo-Waschbären brauchen dich. Komm am Montag nach der Schule um 15 Uhr zu einem Informationstreffen. Sei bereit, sonst gibt es Saures!«

»Das reimt sich ja überhaupt nicht.« Ich griff nach der Flasche mit Orangensaft. »Sollte das nicht heißen: Sei bereit, sonst gibt es Streit?«

Dad sah von dem Zettel auf. »Robotik, was? Klingt interessant. Vielleicht solltest du zu dem Treffen gehen.«

»Wieso?«

»Wieso nicht?«

»Hab keine Zeit. Mein Zeitplan ist optimal.«

»Dein Zeitplan sieht so aus: Von der Schule heimkommen und bis zum Abendessen Onlinespiele spielen.«

»Sag ich doch, optimal. Außerdem möchte ich mich nicht allein mit dem Waschbären treffen. Ich kann nicht stricken, und ich habe gehört, dass sie einen zwingt, Herzchenpullover und Eulenmützen und so was anzuprobieren.« Ich schraubte die Flasche auf und nahm einen großen Schluck.

Dad ließ den Zettel auf die Arbeitsplatte fallen und reichte mir ein Glas. »Na, so schlimm wird es schon nicht sein. Wer weiß, vielleicht bist du gut in Robotik.«

Ich starrte ihn an. »Dad, schon vergessen? Wir sind die Forest Shade Middle School. Wir sind nie in irgendetwas gut. Das ist unser Markenzeichen.« Stimmte nicht ganz. In manchen Fächern war ich gut, Mathe und Physik und so. Und Onlinespiele hatte ich richtig gut drauf, besonders Angriff der Aliens. Wenn die Forest Shade ein »Zerstör den virtuellen Alien«-Team hätte, könnten wir jede Meisterschaft gewinnen.

Dad nahm den Orangensaft und schenkte ihn in das Glas ein, dann hielt er einen Finger hoch. »Ihr habt eine ganz passable Sekretärin. So steht es in eurer Vitrine.«

»Das hat doch damit nichts zu tun«, sagte ich. Aber bevor ich ausreden konnte, ging die Tür auf, die in die Garage führte, und mein älterer Bruder Rob kam rein.

»Hey«, sagte er zu Dad und ließ seinen Autoschlüssel auf den Küchentisch fallen. »Hey, kleiner Bruder. Wie läuft’s so?«

Ich marschierte mit meinem Glas aus der Küche, als hätte ich ihn nicht gehört. Als ich draußen war, meinte Dad: »Immer noch nichts, hm?« Und Rob erwiderte: »Nö, er behandelt mich wie einen Geist.«

Ich schaltete den Fernseher an und fläzte mich aufs Sofa. Genau, er war für mich wie ein Geist. Mein großer Bruder Rob. Mein »bester Kumpel« Rob. »Ich werde immer für dich da sein«-Rob. Wenn ich es verhindern konnte, hielt ich mich nicht im gleichen Raum mit ihm auf. Er war absolut wie ein Geist für mich.

Die Art von Geist, die wie ein Stein in meiner Brust saß, der mir das Schlucken fast unmöglich machte.

Ich rutschte auf den Boden, hob den Controller auf und stülpte mir das Headset über. Dann machte ich es mir auf dem Sitzsack gemütlich, den ich gern meine Zockerzentrale nannte, und lud Angriff der Aliens. Sofort hörte ich Randys Stimme.

»Jo, Luke, was geht? Wollen wir es den Aliens zeigen?«

»Jap, nachdem du dich gestern ausgeloggt hattest, habe ich unter der Treppe einen großen Grünen geparkt.«

Randys Lachen knisterte so laut in meinem Kopfhörer, dass ich ein Auge zusammenkniff, aber immerhin übertönte es Dad und Rob, den Verräter, also war es okay. »Was gibt es da zu lachen?«

Randy musste erst wieder zu Atem kommen. »Ein großer Grüner … das klingt total … als würdest du einen Nasenpopel meinen.« Er schob ein weiteres Lachen ein, dann atmete er durch und fügte hinzu: »Hast du im Badezimmer vielleicht einen großen Braunen geparkt?« Er lachte sich halbtot. Sein Japsen klang wie das Kläffen eines Welpen und war ansteckend. Ein großer Brauner im Badezimmer. Was für ein Brüller.

Ich war Randy nie persönlich begegnet. Wir trafen uns nur online in einem epischen Kampf gegen Aliens. Er hatte zwar einen seltsamen Sinn für Humor, aber es war cool, mit ihm abzuhängen, selbst wenn wir uns nur vom Hören kannten. Seit der Sache mit Rob brauchte ich dringend einen Freund. Mit Randy hatte ich eine Menge gemeinsam. Wir standen beide auf Onlinespiele und hassten Aliens. Und … na ja, wir hatten eigentlich über nichts sonst gesprochen. Was gab es denn sonst noch? Alles andere machte das Leben nur unnötig kompliziert.

Wir loggten uns ein und wählten unsere Spielfiguren. Während wir zockten, dachte sich Randy für jeden Alien einen Nasenpopel-Namen aus. (»Schau mal, da kommt Rotz!« »Achtung, der Alte Krustie ist im Anmarsch, Luke! Lauf!« »Wow, was für ein Klumpen. Den schnäuzen wir weg.«) Dann hörte ich Moms Auto in die Garage fahren, und Dad rief, ich solle mein Zeug wegräumen, damit er Abendessen machen konnte.

Ich schaltete das Spiel ab und schaute in die Küche. »Ist Du-weißt-schon-wer weg?«

Dad, der im Waschbecken Pilze putzte, sah auf. »Wer? Ach, du meinst deinen Bruder, den du wie den letzten Dreck behandelst? Ja, der ist fort.«

»Gut.«

Ich nahm den Ordner und meine Jacke und wollte beides in mein Zimmer bringen.

»Irgendwann musst du ihm verzeihen, Luke«, sagte Dad.

Ich blieb stehen. »Nie im Leben.«

»Doch, das wirst du, weil er dein Bruder ist. Und im Herbst geht er aufs College.«

Ich seufzte. Wieso kapierte Dad nicht, dass genau das das Problem war. Rob haute im Herbst ab, um aufs College zu gehen. Wieso kapierte Mom es nicht? Wie konnten sie einfach nur stolz auf ihn sein und sich für ihn freuen und völlig verdrängen, was das wirklich bedeutete? Rob ließ uns im Stich. Und wofür? Um aufs College und in die Flugschule weit weg in Kalifornien zu gehen. Danach würde er in die Astronautenschule gehen und anschließend in irgendeine ferne Galaxie düsen und womöglich nie wiederkommen. Dabei hatte er versprochen, dass er immer für mich da sein würde. Er hatte sein Versprechen gebrochen. Bedeutete das denn außer mir niemandem etwas?

Aber ich sagte nichts davon zu Dad, denn er würde es nicht kapieren.

Schließlich deutete Dad mit dem Kinn auf den zerknautschten orangefarbenen Zettel auf der Arbeitsplatte. »Vergiss den nicht. Sei bereit, sonst gibt es Kabelsalat«, sage er mit monotoner Roboterstimme.

Ich ging rüber und schnappte mir den Zettel. »Das reimt sich überhaupt nicht«, motzte ich. Dann brachte ich meinen Ordner in mein Zimmer und ließ den zerknüllten Robotik-Zettel achtlos in den Papierkorb fallen.

Kapitel 2

Programmbezeichnung: Walter

Schritt 1: Roboter quietscht und surrt auf seinen Roboterrädern herum

Schritt 2: Befreundeter Roboter macht eine Pause und chillt

Schritt 3: Roboter schnickt dem gechillten Roboter ein Bonbon in den Mund. Robo-Schmatzer!

Am nächsten Tag wartete mein Freund Walter vor meinem Schließfach auf mich. Walter ging in die sechste Klasse. Ich mochte Walter, obwohl manche Kids dachten, dass es gegen den Coolness-Code verstieß, wenn ein Siebtklässler sich mit einem Sechstklässler anfreundete. Uns verband eine einzigartige Freundschaft. Er wartete jeden Tag auf mich, damit wir uns über Autos unterhalten konnten. Diese Art Freundschaft.

Dabei wusste ich nichts über Autos.

Okay, ich wusste natürlich, dass man bei einem Schneesturm besser im Auto fuhr, als zu Fuß ging. Ich wusste, dass sie vier Räder hatten und dass es vermutlich gar nicht gut war, wenn eins davon plötzlich wegflog, während man gerade auf dem Highway dahinsauste. Ich wusste, dass Smarties und Pommes in den Sitzritzen verschwanden und nie wieder auftauchten … ja, und das war so ziemlich alles, was ich über Autos wusste.

Walter hingegen wusste absolut alles, was es je über Autos zu wissen gab. Er war von ihnen besessen. Anscheinend baute er zusammen mit seinem Onkel Reuben etwas, das sich Kit Car nannte. Dabei handelte es sich wohl um ein riesiges Modellauto, das man allerdings nicht mit Klebstoff zusammenleimte. Und obendrein konnte man sogar damit fahren, wenn es erst mal fertig war. Walter redete unentwegt über Zündkerzen, Vergaser und Differenzial-dies-oder-jenes und lauter so Zeug, das für mich klang, als hätte er es sich ausgedacht. Autos waren das einzige Thema, über das Walter sprach.

War mir egal. Walter war ein netter Kerl. Außerdem gab seine Mom ihm jeden Tag Süßigkeiten in die Schule mit. Das ganze Gerede über Autos war viel besser zu ertragen, wenn es einem mit Schokolade versüßt wurde.

»Hey, Walter«, sagte ich, während ich mich am Schloss meines Schließfachs zu schaffen machte. »Was gibt’s Neues aus der aufregenden Welt der fahrbaren Untersätze?«

»Alter, gestern hat mein Onkel das Chassis für unseren Wagen bekommen«, sagte er und seine schwarzen Locken wippten dazu begeistert.

»Großartig«, sagte ich. Ich verkniff mir die Frage: »Was zur Hölle ist ein Chassis?« Denn dann würde er es mir lang und breit erläutern und ich käme zu spät zum Sportunterricht. Das würde ich ihn lieber bei anderer Gelegenheit fragen, wenn ich dadurch zu spät zu etwas Langweiligem wie Gesundheitskunde kam. Ein Chassis war für mich nur interessant, wenn es dazu die selbst gemachten Karamellbonbons von Walters Mom gab. Ich knallte meinen Rucksack ins Schließfach.

»Ja, jetzt warten wir nur noch auf das Schaltgetriebe und die koaxiale Welle, dann können wir uns daranmachen, das Auto richtig zusammenzubauen.«

Ich vermutete, es handelte sich nicht um die Art Welle, zu der unser Waschbär-Maskottchen die Zuschauer im Stadion aufforderte, wenn wir Football spielten. »Das ist echt cool. Ich kann es kaum erwarten, dieses Koala-Ding zu sehen.« Falls diese Welle etwas war, das man wirklich sehen konnte.

»Wenn das Auto fertig ist, frage ich meinen Onkel, ob wir dich auf eine Spritztour mitnehmen können«, versprach Walter. »Dann gehen wir Hamburger essen.«

Endlich sagte er etwas, das ich verstand. »Klingt super. Ich liebe Hamburger.« Und was ein Hamburger war, wusste ich zum Glück.

Wir latschten in Richtung Sporthalle. Walter hatte in der ersten Stunde keinen Sport, aber sein Klassenzimmer lag auf dem Weg, darum gingen wir immer ein Stück zusammen, bis er zum Informatikraum abbog.

»Oh hey, Jelly Beans gefällig?«, fragte er und wühlte in der Vordertasche seines Rucksacks. »Mom hat sie geschickt. Mit Feinschmecker-Aromen.«

»Schmeckt eins davon nach Chassis?«

»Hä?«

»Ach, sollte ein Witz sein«, sagte ich. Ich wollte nur sichergehen, ob Chassis nicht was Essbares war, denn ich war mir immer noch nicht ganz sicher und es klang irgendwie nahrhaft. Kirsch-Chassis mit Schokoladensoße und Haselnüssen. Das hörte sich echt lecker an. »Danke.« Ich nahm eine Handvoll und kippte sie mir alle gleichzeitig in den Mund.

»Iih«, sagte Walter und biss eine rote Jelly Bean in zwei Hälften.

»Was denn?«

»So vermischen sich doch die ganzen Geschmacksrichtungen.«

Ich zuckte die Schultern. »Ist gar nicht schlecht, ein bisschen wie Obstsalat.«

Walter grinste und nickte. Kleine Stückchen der roten Jelly Bean hatten sich in seiner Zahnspange verfangen.«Ja, meine Mom liegt mir immer damit in den Ohren, dass ich mehr Obst und Gemüse essen soll«, sagte er. Er nahm eine Handvoll und warf sie sich auch alle gleichzeitig in den Mund. Er machte ein Mmh-Geräusch, aber ich konnte sehen, dass er versuchte, das Gesicht nicht angeekelt zu verziehen. Ich glaube, das mochte ich an Walter am liebsten. Er war für so ziemlich alles zu haben.

Nach dem Aufwärmen ließ Trainer Verde uns in Mannschaftsaufstellung antreten und schritt vor uns auf und ab.

»Heute, werte Herren«, sagte er, »werden wir mit unseren Vorbereitungen für die Football-Meisterschaft beginnen.« Alle ächzten. Nichts konnte das Herz eines Schülers der Forest Shade Middle School vor Angst so in die Hose rutschen lassen wie das Wort »Meisterschaft«. Außer vielleicht »Wettbewerb«, »Wettkampf«, »Pokal«, »Preis« … Na gut, vielleicht gab es eine Menge Wörter, die das Herz eines Schülers der Forest Shade Middle School vor Angst in die Hose rutschen ließen.

Trainer Verde wedelte mit einem Blatt in der Luft herum und das Murren erstarb. »Ich will keine dummen Bemerkungen hören, wenn es um etwas so Wichtiges geht. In zwei Wochen ist Start der Hallen-Football-Meisterschaft und wir brauchen Spieler für unsere Mannschaft.«

»Hat das Meerschweinchen die Mannschaft verlassen?«, fragte jemand, woraufhin alle kicherten.

Trainer Verde wirkte genervt. »Diesmal werden keine Tiere ins Team aufgenommen«, erklärte er. »Nur Menschen sind zugelassen.« Und wieder fanden alle es zum Schießen, denn – mal im Ernst – so etwas bekam man nur an der Forest Shade zu hören.

»Männer, ich möchte, dass ihr da draußen alle euer Bestes gebt«, sagte Trainer Verde, während er mit hinter dem Rücken verschränkten Armen wie ein Feldwebel vor unseren Reihen entlangging. Wir verdrehten die Augen. Alle wussten, dass Trainer Verde uns nur dann »Männer« nannte, wenn er vorhatte, uns hart ranzunehmen. Wenn wir Hallenrunden liefen, waren wir »Jungs«. Wenn wir Hallenrunden ohne Klimaanlage liefen und dabei die Knie hochzogen, waren wir »Männer«.

Dass er uns jetzt »Männer« nannte, bedeutete, dass wir diesem Meisterschaftsterror nicht entkommen würden. »Wir brauchen eine starke Football-Mannschaft«, betonte er. »Es geht das Gerücht, dass der beste Quarterback der Goat Grove womöglich ausfällt, weil er sich das Handgelenk verletzt hat. Und ihr wisst, was das bedeutet.«

Überraschtes Raunen echote durch die Halle. Die Goat Grove Middle School war unser offizieller Rivale. Die Goat Grove war die zweitschlechteste Middle School in ganz Kansas City und gewann immer nur gegen die Teams der Forest Shade. Damit war klar, was Trainer Verde meinte: Da die Goat Grove ohne ihren besten Quarterback antreten musste, bestand zum ersten Mal die Chance, dass wir sie vielleicht besiegen konnten. Ich hatte allerdings meine Zweifel.

Er teilte uns in Teams auf und wir stellten uns draußen in Spielposition auf. Gleich nach dem Anpfiff bekam Brian Blye Nasenbluten und musste ins Krankenzimmer gehen. Und das noch vor dem ersten Ballkontakt. Beim ersten Spielzug der ersten Halbzeit stießen drei Jungs mit den Köpfen zusammen, als sie sich gleichzeitig nach einem vierblättrigen Kleeblatt duckten. Sie mussten sich für ein paar Minuten ins Gras legen. Das Kleeblatt war, wie sich herausstellte, doch nur dreiblättrig gewesen.

Am Ende der Stunde waren wir alle verschwitzt und erschöpft, hatten blutige Knie und Grasflecken an den Ellenbogen. Jimmy Nathan hatte es geschafft, sich sämtliche Finger der linken Hand zu verstauchen, die Brille von Miller Standfords hing schief auf seiner Nase, jemand hatte das Fenster eines vorbeifahrenden Autos zerbrochen und Bobby Mintell suchte seinen linken Schuh.

Alle Spiele waren 0 : 0 ausgegangen.

Es gab nichts, weswegen die Goat Grove sich Sorgen machen musste.

Kapitel 3

Programmbezeichnung: Der Trauerkloß

Schritt 1: Roboter fällt in eine Grube

Schritt 2: Roboter sieht in der Grube ein Monster

Schritt 3: Roboter macht sich vor Angst in die Robo-Shorts. So eine Zahnradkacke!

Direkt nach der Mittagspause hatten wir »Lebenskompetenzen«. Das Fach war ätzend, denn Mr. Terry, unser Lehrer, war ein Griesgram mit einer Stimme, die die letzte Silbe jedes Wortes nach unten zog. Seine Sätze klangen, als stürzten sie gerade in eine tiefe Grube. Selbst die glücklichen Sätze.

Außerdem hatte ich noch nicht geschnallt, wofür das Fach überhaupt gut sein sollte. Dad hatte mir gesagt, dass wir vermutlich lernen würden, wie man seine Einnahmen und Ausgaben plante, Buchhaltung führte, Kreditkartenzinsen ausrechnete und so Zeug. Bis jetzt hatten wir jedoch nur Filme angeschaut und Bleistifte in die Schaumstoffkacheln an der Decke geschossen.

Über dem Tisch von Evan Miller steckten exakt 47 Bleistifte mit der Spitze voran in der Decke und Mr. Terry hatte es überhaupt nicht bemerkt. Es war unser Lieblingsspiel. Wir nannten es Raketenstifte, und es ging dabei darum, sich die beste Bleistiftwurftechnik auszudenken und dann zu warten, bis Mr. Terry sich umdrehte, damit wir sie ausprobieren konnten.

Von den 47 Bleistiften stammten 13 von mir. Ich war stolz darauf, denn obwohl es nur ein kleiner Sieg war, fühlte es sich doch berauschend an. Auch wenn man seinen Jubel nur lautlos und rein pantomimisch ausdrücken durfte.

Aber als Mr. Terry heute ins Klassenzimmer kam, brachte er einen Karton mit, in dem es rasselte und klapperte. Er erreichte seinen Platz vor der Klasse in dem Moment, als die Glocke wie üblich etwas zu spät läutete, und ließ den Karton scheppernd auf einen Tisch in der ersten Reihe fallen. Jessie Conley, die an diesem Tisch saß, fuhr zusammen und spuckte ihren Kaugummi auf den Boden. Dann quiekte sie.

»Wer von euch hat diesen Flyer bekommen?« Mr. Terry hielt ein orangefarbenes Blatt hoch, das mir bekannt vorkam. Genau so eines hatte ich gestern in den Papierkorb geworfen. »Willy Waschbär hat sie gestern kurz vor Schulschluss verteilt. Na, wie sieht es aus?«

Ein Junge in der ersten Reihe hob die Hand. »Wer ist Willy Waschbär?«

»Unser Maskottchen, du Doofie«, sagte Amber Watts und verdrehte die Augen.

»Ich dachte, unser Maskottchen heißt Waldo«, warf Jessie ein.

»Ich habe gehört, dass es Wotan heißt«, sagte Gannon Match.

»Meine Mom behauptet, sein Name wäre Werner«, fügte Melody Stemp hinzu.

Steve Samuel schüttelte den Kopf. »Unser Maskottchen heißt Doris Verde.«

»Doris?«, echote es ungläubig durch den Raum.

»Doris fängt ja noch nicht mal mit W an«, betonte Amber. »Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Werner klingt viel besser als Doris. Aber es heißt nicht Werner, sondern Willy. Mr. Terry muss es schließlich wissen.«

»Ich verstehe auch nicht, wieso der Name unbedingt mit W anfangen soll«, sagte Jessie und drehte sich nach hinten um, damit sie die ganze Klasse sehen konnte. »Bruce wäre für einen Waschbär doch auch ein prima Name. Oder Ellen.«

»Genau«, sagte Steve. »Oder Doris. Denn das ist sein richtiger Name.«

»Ladies, Jungs, lasst uns wieder aufs Thema zurückkommen«, wiederholte Mr. Terry immer wieder, aber es hörte längst keiner mehr zu. Die »Geeignete-Namen-für-Waschbären-Debatte-in-Zimmer-109« war viel zu weit fortgeschritten. Er hielt den Zettel hoch. »Hat jemand von euch den Flyer bekommen?«

Plötzlich war eine Stimme zu hören.

»Ich habe einen«, sagte sie.

Es war eine sehr tiefe, seltsame Stimme, die so laut dröhnte, dass sie die Fenster zum Klirren brachte. Sie klang eher so:

und Vögel, die vom Himmel gefallen sind, und all so was.)

Augenblicklich herrschte Stille im Raum. Es war eine ungemütliche Stille. So als würden wir alle den Atem anhalten und die Sekunden zählen, die zwischen dem Blitz und dem darauffolgenden Donner liegen, um auszurechnen, wie weit das Gewitter entfernt ist.

Selbst Mr. Terry wirkte überrascht. Als wären unsere Köpfe verbunden wie die Männchen beim Tischfußball, drehten sich alle gleichzeitig gaffend um.

»Ich habe einen«, wiederholte die Stimme, und sie kam eindeutig aus dem Mund des Jungen, der am letzten Tisch ganz hinten saß.

Lunchbox Jones.

Noch nie hatte jemand Lunchbox Jones reden gehört. Die meisten dachten, Lunchbox Jones könne überhaupt nicht sprechen. Dass er es vielleicht im Jugendknast verlernt hatte. Oder dass ein Berglöwe, gegen den er mit bloßen Händen gekämpft hatte, ihm die Stimmbänder rausgerissen hatte. Oder dass er einen dauerhaften Schaden am Kehlkopf davongetragen hatte, als er seinen alten Kunstlehrer aufgefressen hatte. Oder dass er ein Schweigegelübde abgelegt hatte, um all die Morde zu vertuschen, die er auf dem Kerbholz hatte.

Alle kannten Lunchbox Jones, aber niemand kannte Lunchbox Jones. Nicht wirklich. Alles, was wir über ihn wussten, war, dass er stets eine blaue Lunchbox aus Plastik dabeihatte und dass er ständig in Schwierigkeiten steckte wegen etwas, das niemand gesehen hatte. Und dass er unheimlich war. Richtig, richtig unheimlich.

Top-Charts der unheimlichsten Dinge der Weltgeschichte, die jemals jemanden in Angst und Schrecken versetzt haben:

8. Schlangen mit Reißzähnen. Und Schlangen ohne Reißzähne.

7. Spinnen, besonders die Sorte, die dich anspringt, wenn du ihr mit einem Schuh zu nahe kommst. Als hättest du sie damit provoziert, und nun heißt es: »Was willst du, du Opfer? Ich mach dich fertig!«

6. Clowns, die sich in Schränken verstecken.

5. Einen Bekannten treffen, während du in der Unterwäscheabteilung irgendeines Kaufhauses bist. Besonders, wenn es sich bei der Bekannten um Mrs. Poole handelt, deine alte Musiklehrerin aus der Grundschule, und sie stehen bleibt und deiner Mutter ausführlich erzählt, wie gern sie dich hatte und dass sie dich vermisst, während sie die ganze Zeit Unterwäsche in der Hand hält.

4. Sockenpuppen, besonders die Sorte, bei der ein Knopfauge nur noch an einem Faden hängt und immer an der Sockenbacke hin- und herschwingt, wenn die Puppe den Mund bewegt, sodass du beim Hinsehen das Gefühl hast, als wäre auch dein Augapfel kurz davor, aus der Augenhöhle zu fallen.

3. Filme, in denen schwer atmende maskierte Kerle mit ungewöhnlichen Waffen durch neblige Wälder schleichen.

2. Echte Serienkiller.

1. Lunchbox Jones.

Lunchbox Jones hatte schulterlange, krause Haare und trug immer eine Jacke in Tarnfarben. Eine Theorie dazu besagte, dass die Jacke es ihm leichter machte, auf dem Heimweg seiner Beute aufzulauern. Aber niemand wusste, ob er Tiere oder Menschen jagte. Nur einer Sache waren sich alle sicher: Wenn jemand so trottelig war, mit seinem Hund den Weg von Lunchbox Jones zu kreuzen, dann würde einer von beiden – Hund oder Herrchen – auf der Strecke bleiben.

Kein Mensch wusste, was in seiner blauen Lunchbox war, aber auf der ganzen Forest Shade Middle School gab es keinen Schüler, der den Schneid hatte, ihn danach zu fragen. Es gab alle möglichen Gerüchte: eine Sammlung von Menschenherzen, verschiedene Gifte und Folterwerkzeuge, ein winziger, tollwütiger Marder. Einig waren wir uns nur darin, dass keiner es wirklich herausfinden wollte.

Selbst Mr. Terry wirkte fassungslos, dass Lunchbox etwas gesagt hatte. Er hielt inne, machte große Augen, schluckte schwer und stammelte dann: »G-gu-gut. Das f-f-freut mich.« Dann gewann er seine Fassung wieder. Er räusperte sich einige Male und wandte seine Aufmerksamkeit uns anderen zu, während wir – einer nach dem anderen – die Köpfe wieder nach vorne drehten.

Ich muss wohl der Letzte gewesen sein, der noch nach hinten schaute, denn plötzlich blickte mir Lunchbox in die Augen. Sofort verflüssigten sich meine Eingeweide. Er stierte mich an und dann bleckte er ohne Vorwarnung seine Zähne und ließ sie zuschnappen. Klack! Es klang allerdings eher so:

(Drum herum musst du dir noch Knochen und Totenschädel vorstellen und Sachen, die aus seinem Mund hervorschießen.)

Ich keuchte und drehte den Kopf schnell nach vorn.

»Hat noch jemand den Flyer bekommen? Also, noch jemand außer … äh, außer … äh …« Mr. Terrys Stimme erstarb. Selbst er schien nicht zu wissen, wie Lunchbox richtig hieß. Womöglich nannten sogar seine Eltern ihn Lunchbox. Falls er überhaupt Eltern hatte. Manche Kids glaubten, er wäre das Resultat eines missglückten Klon-Experiments.

Ich rutschte in meinem Stuhl ein Stück nach unten. Jetzt würde ich auf keinen Fall mehr erwähnen, dass ich auch einen Flyer hatte.

»Nun, das ist schon in Ordnung«, sagte Mr. Terry, wirkte aber etwas geknickt. »Ich habe noch eine Menge Flyer übrig. Aber zuerst möchte ich euch zeigen, worum es bei Robotik überhaupt geht.«

Er griff in den Karton und holte eine Maschine heraus. Sie war silbern und weiß mit schwarzen Gummirädern, die zu einem Panzer gepasst hätten. Drähte und Arme standen in alle Richtungen ab. »Das ist unser Roboter«, sagte er. Wir beugten uns alle vor.

»Was macht man damit?«, fragte Darius Smith.

Mr. Terry ließ seinen Blick zweifelnd auf dem Roboter ruhen. »Nun, wir programmieren ihn darauf, bestimmte Aufgaben auszuführen.«

»Die Zeitung reinbringen und den Rasen mähen?« Ein paar Mädchen kicherten, und Darius sah in die Runde, als wäre er stolz darauf, dass er unfreiwillig einen Witz gemacht hatte.

»Nicht direkt«, sagte Mr. Terry. »Eher so Sachen wie Kegel mit einem Pingpong-Ball umwerfen oder einen Würfel in ein quadratisches Loch stecken.«

Jessie verzog das Gesicht. »Das ist alles?«

»Sie bauen diesen coolen Roboter und lassen ihn nichts weiter tun, als einen Würfel in ein quadratisches Loch stecken?«, fragte Amber, woraufhin Mr. Terry nickte.

»In das Loch sollte man lieber Gauner stecken«, meinte Gannon.

Mr. Terry zog seine Mundwinkel in die Position extra-mürrisch. »Robotik ist sehr spannend.«

»Es klingt aber nicht spannend«, sagte Darius.

»Es klingt komplett langweilig«, ergänzte Jessie. »Ich sehe das wie Gannon. Gauner sind viel cooler als Würfel.« Zustimmendes Gemurmel.

»Seht her. Ich lasse mal ein Programm laufen, dann seht ihr, wie spannend es ist«, sagte Mr. Terry. Er beugte sich über den Roboter und fummelte an einigen Knöpfen herum, dann kratzte er sich am Kopf und fummelte noch mal an den Knöpfen herum. Schließlich richtete er sich auf, trug den Roboter zum Arbeitstisch an der Wand, drückte mit großem Getue auf den letzten Knopf, stemmte die Hände in die Hüften und trat einen Schritt zurück.

Wir lehnten uns alle weit nach vorn und hefteten unsere Blicke auf den Roboter. Er erwachte surrend zum Leben, schob sein Gehäuse ein paar Zentimeter nach oben, machte ein Geräusch, als würden sich in ihm Teile drehen, gab Gas und bewegte sich etwa zwei Zentimeter vor.

Dann kippte er auf die Seite und schaltete sich mit einem Pop! und einem Rauchwölkchen ab.

In der darauf folgenden Stille starrten wir den toten Roboter an. Mr. Terry kratzte sich am Kopf.

»War das so gedacht?«, fragte Jessie schließlich.

»Bestimmt nicht«, meinte Amber und wedelte sich mit der Hand vor dem Gesicht herum. »Es stinkt.«

Steve lachte und wedelte ebenfalls mit der Hand herum. »Sie haben Ihren Roboter darauf programmiert zu stinken, Mr. T.?«

Die Klasse brach in Gelächter aus, das sich in ein theatralisches Husten verwandelte, während sich alle mit den Händen Luft zufächelten. Wir lachten und husteten und redeten so laut, dass wir kaum die Pausenglocke hörten.

Mr. Terry hob betrübt den Roboter auf. »Ihr könnt gehen.«

Kapitel 4

Programmbezeichnung: Druck

Schritt 1: Roboter knallt an die Wand

Schritt 2: Die Wand schlägt zurück

Schritt 3: Roboter haut den Kopf an die Wand, bis ihm die Audiosensoren abfallen

»Luke, kann ich dich kurz sprechen?«

Ich war nach Unterrichtsschluss gerade zufrieden auf dem Weg zu den Parkplätzen gewesen und hatte als Warm-up für den Alienkampf mit Randy meine Finger gedehnt und gelockert. Als ich meinen Namen hörte, blieb ich stehen und drehte mich um. Mr. Terry kam mir hinterhergetrottet. Seine zu kurze Krawatte hüpfte bei jedem seiner Schritte. Ich stöhnte innerlich. Wenn man nach dem letzten Klingeln von einem Lehrer aufgehalten wird, obwohl bereits der Fluchtwagen am Straßenrand wartet, ist das die reinste Folter. Gerade so, als sollte man aus dem Gefängnis entlassen werden, aber weil die Tür klemmt, muss man erst auf den Schlosser warten. Und während man wartet, wird man bereits wegen etwas anderem verurteilt und muss noch mehr Zeit absitzen.

Als Mr. Terry bei mir ankam, war er so außer Puste, dass er erst mal wieder zu Atem kommen musste. Ich konnte sehen, wie Dad sich den Hals verrenkte, um mitzubekommen, was los war. Er dachte wahrscheinlich, dass ich in Schwierigkeiten steckte.

Augenblick mal. Steckte ich am Ende wirklich in Schwierigkeiten? Hatte Mr. Terry einen Blick auf die Deckenkacheln geworfen? Na toll. Nun würde Mr. Terry mich vor meinem Dad zusammenfalten und ich hätte gleich doppelt Ärger. Ich ergebe mich.

Ich hielt die Hände hoch. »Ich schwöre, dass nur dreizehn Bleistifte von mir stammen. Ich hatte ein Problem mit dem Anpeilen, weil Ambers neue hochtoupierte Frisur mir im Weg war.«

Ein verwirrter Ausdruck erschien in Mr. Terrys Gesicht, doch er schüttelte ihn ab. »Ich wollte mit dir über Robotik reden.«

Oh. Er hatte wohl gesehen, wie der Waschbär mir den Flyer gegeben hatte, und wusste jetzt, dass ich vorhin im Unterricht gelogen hatte, weil ich nicht zugeben wollte, dass ich einen bekommen hatte. »Ach, den Flyer hatte ich total vergessen«, platzte ich raus. »Na ja, nicht direkt vergessen. Es ist nur so, dass Lunchbox Jones unheimlich ist und ich mit meinem Zeitplan vollauf zufrieden bin.« Für mich klang das ganz vernünftig.

Jetzt wirkte Mr. Terry noch verwirrter, und da kam ich auf die Idee, dass ich vielleicht besser die Klappe halten sollte.

»Ich habe mir gedacht, dass du unheimlich gut ins Team passen würdest«, sagte er. »Es geht am nächsten Montag direkt nach dem Unterricht los. Wirst du es dir überlegen?«

Jetzt war ich es, der verwirrt dreinsah. Oder vielleicht nicht unbedingt verwirrt, sondern eher zutiefst schockiert. Was sollte das denn? Mich hatte noch nie jemand in einem Team haben wollen. »Warum?«, fragte ich.

»Warum was?«

»Warum wollen Sie mich dabeihaben? Ich verstehe doch nichts von Robotern.«

»Weil ich denke, dass du eine Bereicherung für unser Team wärst«, sagte er. Ich hob eine Augenbraue und er seufzte. »Also, hör zu, ich will dir reinen Wein einschenken. Wir haben keine Robotik-Meisterschaft mehr gewonnen seit …« Er hielt inne und tippte sich nachdenklich ans Kinn. »Wir haben noch nie gewonnen. Und mir ist zu Ohren gekommen, dass du ein Meister der Onlinespiele bist.«

»Wer hat das behauptet?«, wollte ich wissen. Ich und ein Meister der Onlinespiele? Wer sagte denn so was? Natürlich … ich hatte es schon ziemlich meisterhaft drauf. Darauf hatte ich mir bisher aber nicht groß was eingebildet. Aber ja, auch ich konnte mit einer Begabung punkten. Ich räusperte mich. »Ich will damit nicht sagen, dass es nicht den Tatsachen entspräche. Ich habe mir da ein tolles System ausgedacht, vor allem im Kampf gegen diese Aliens, die aus Raumkapseln steigen. Wissen Sie, ich nehme den Controller und …«

Mr. Terry seufzte. »Ich habe nur gehört, wie du zu Walter einmal gesagt hast, dass du gerne Onlinespiele spielst. Und ich habe mit Mrs. Henley und Ms. Borchevic geredet, und sie sagen beide, dass du in ihren Fächern, Mathe und Physik, echt gut bist.«

»Na ja, ich bin nicht gerade ein Mathe- oder Physikgenie«, sagte ich. »Außer natürlich, Mrs. Henley und Ms Borchevic würden das …«

»Magst du Computer, Luke?«, unterbrach mich Mr. Terry.

Ich zuckte die Schultern. »Klar. Die mag doch jeder.«

Er strahlte. »Siehst du? Du bist ideal. Wir brauchen jemanden, der uns zum Sieg führen kann, und ich denke, dieser Jemand könntest du sein, Luke Abbott.« Bei den letzten Worten stach er mir mit dem Finger gegen die Brust. Ich rieb mir die Stelle am Brustbein, die er getroffen hatte.