
Schon lange gehört die Provence zu meinen persönlichen Sehnsuchtslandschaften. Begonnen hat diese „Liebesaffäre“ vor rund drei Jahrzehnten. Zusammen mit Freunden war ich nach dem Abitur aufgebrochen, um Südfrankreich zu erkunden - übrigens mit einem Reisehandbuch meines heutigen Verlegers im Gepäck. Stilecht fuhren wir mit einer Ente und einem R 4 durch den Midi, durchstreiften ein paar alte Dörfer und Burgen, tranken im Platanenschatten Café au lait, um schließlich nach einer Fahrt zwischen Lavendelfeldern hindurch an einem heute noch existierenden Campingplatz am Lac d’Esparron de Verdon zu landen. Wir badeten, faulenzten in der Sonne, tranken Rotwein und rauchten Gauloises. Mit anderen Worten: Wir erfreuten uns an all jenen Dingen, die wir für die Quintessenz des französischen Savoir vivre hielten. Nun, ein Restaurant habe ich in diesen Wochen bis auf die Pizzeria am Campingplatz nicht gesehen; es sollten noch ein paar Jahre und einige Frankreichreisen vergehen, bevor ich dem Midi auch kulinarisch verfallen war. Das Rauchen habe ich längst aufgegeben, meine Liebe zu Südfrankreich aber ist geblieben und hat sich in zahlreichen Reiseführern und einem Provence-Krimi („Roter Lavendel“) niedergeschlagen.
Bon voyage!
Provence und Côte d’Azur sind ohne Zweifel ein Land der Städte, Aix-en-Provence gilt gar als die französische Bilderbuchstadt schlechthin. Nicht ausgespart bleiben darf selbstverständlich ein Besuch der berühmt-berüchtigten Millionenmetropole Marseille. Entlang der Côte d’Azur reihen sich „Badeorte“ mit mondäner Vergangenheit wie Menton, Nizza und Cannes wie Perlen auf einer Schnur. Zu den schönsten Orten an der Küste zählen trotz der nicht abreißenden Besucherflut immer noch Saint-Tropez und Cassis. Wer ein Faible für kleine, verträumte Bergdörfer hat, wird in der Provence ebenfalls nicht enttäuscht: Tourtour, Gourdon, Sainte-Agnès oder Le Castellet wetteifern um die Touristengunst. Einen besonderen Reiz üben aber die provenzalischen Kleinstädte aus, die von ihrer Größe her oftmals besser als Markt charakterisiert werden sollten: so beispielsweise Cotignac oder Aups im Haut-Var, L’Isle-sur-la-Sorgue in der Vaucluse, Sisteron in der Haute-Provence und Saint-Rémy-de-Provence, die Geburtsstadt von Nostradamus.


Freunde klassischer Altertümer finden nirgendwo außerhalb Italiens mehr römische Bauten vor als in Südfrankreich; manche römischen Monumente wie der Pont du Gard und die Siegestrophäe von La Turbie sind gar einzigartig, doch auch das antike Theater von Orange und das Amphitheater von Arles bestechen durch ihre Proportionen. Sieht man von der Antike ab, so hat vor allem die Romanik ihre Spuren in der Provence hinterlassen. Neben den drei berühmten Zisterzienserklöstern Le Thoronet, Sénanque und Silvacane sind die Kathedrale Saint-Trophime in Arles und die Wallfahrtskirche Saint-Gilles für ihre Formensprache berühmt. Wer sich für moderne Kunst interessiert, kann an der Côte d’Azur in einen wahren Kunstrausch verfallen. Angefangen bei der weltberühmten Fondation Maeght in Saint-Paul-de-Vence bis hin zu mehreren faszinierenden Museen, die jeweils einem einzigen Künstler gewidmet sind - wie in Biot (Fernand Léger), Nizza (Matisse) und Antibes (Picasso) -, ist einiges geboten. Zu den Highlights zählen zudem die von Picasso, Matisse und Cocteau ausgemalten Kapellen und das Musée d’Art Moderne et d’Art Contemporain in Nizza.

Trotz der vielen Städte und Dörfer sind Provence und Côte d’Azur ein dünn besiedelter Landstrich, die rauen Höhen der Haute-Provence und die kargen Täler der Seealpen sind genauso wie die unwirtliche Camargue von menschlicher Besiedlung weitgehend verschont geblieben und bieten eindrucksvolle Naturerlebnisse. Wanderfreunde finden im Luberon und den anderen provenzalischen Gebirgszügen ein reiches Betätigungsfeld. Drei National- und drei Regionalparks sollen zudem den Erhalt der natürlichen Umwelt langfristig sichern helfen. Während der Grand Canyon du Verdon gewissermaßen schon zum Pflichtprogramm einer Provence-Reise gehört, lassen sich die Gorges de la Nesque sowie die Gorges du Cians und die Gorges de Daluis als vergleichsweise unberührte Schluchten empfehlen. Auch die stellenweise stark zersiedelte französische Mittelmeerküste kann mit landschaftlichen Highlights aufwarten: Malerisch ist vor allem der Küstenabschnitt zwischen Menton und Nizza, wo sich die Ausläufer der Seealpen bis an das Ufer heranschieben, sowie die türkisblauen Calanques von Cassis; eine Augenweide stellt der Gegensatz zwischen dem rot leuchtenden Estérel-Gebirge und dem kräftigen Blau des Mittelmeers dar. Gelegentlich wurde auch ein wenig nachgeholfen, um die Natur in besonders üppiger Form zum Blühen zu bringen. Der Garten der Fondation Ephrussi de Rothschild auf Cap Ferrat und der Jardin Serre de la Madone in Menton gehören zu Recht zu den schönsten Beispielen europäischer Gartenbaukunst.


Eine Reise in die Provence ist immer auch ein kulinarisches Erlebnis, das schon mit einem morgendlichen Marktbummel beginnen kann. Auf den Ständen türmen sich Obst und Gemüse zu bunten Bergen, und selbstverständlich fehlen auch regionale Köstlichkeiten wie Lavendelhonig oder der in Kastanienblättern gereifte Ziegenkäse aus Banon nicht. Fleischgerichten wie dem berühmten Lamm aus Sisteron kommt natürlich eine große Bedeutung zu, wobei manch deftige Spezialität wie Pieds et Paquets - ein in Weißwein und Kalbsfond gekochter Schweinebauch mit Pansen, Lammfüßen und -kutteln - sicher nicht jedermanns Sache ist. Gewürzt wird traditionell viel mit Thymian, Rosmarin, Lorbeer, Oregano, Bohnenkraut und Majoran - den berühmten Kräutern der Provence.
Für einen reinen Badeurlaub lassen sich - zugegebenermaßen - nicht nur entlang der Côte d’Azur und der provenzalischen Küste geeignete Strände finden. Doch ein Flair, wie es die klassischen Badeorte der Côte d’Azur zu bieten haben, wird man andernorts vergeblich suchen. Selbst Großstädte wie Nizza und Marseille besitzen einen recht passablen Hausstrand. Manch traumhafter Strand auf der Halbinsel von Saint-Tropez mag während der Hochsaison zwar etwas überlaufen sein, dafür locken in der Camargue rund um Les Saintes-Maries-de-la-Mer ausgedehnte, wenig besuchte Sandstrände, an denen man teilweise auch die Hüllen fallen lassen kann. Den Süßwasserfans sei der Lac de Sainte-Croix oder der kleinere Esparron-de-Verdon empfohlen. Besonders pittoresk ist das Baden unterhalb des berühmten Pont du Gard.

Sandburgen bauen und im Meer planschen gehört für Kinder zu den Lieblingsbeschäftigungen im Sommer, wird mit der Zeit dann aber doch etwas langweilig; Kinder sind bekanntlich sehr kritische Urlauber. Nachdem sie ein paar Tage im Sand gebuddelt haben, verlangen sie nach Abwechslung. Ein Abstecher zum Kinderspielplatz oder eine Runde Minigolf sind zwar ganz nett, die Begeisterung hält sich aber meist auf Dauer in Grenzen. Besser auf den kindlichen Aktionsdrang zugeschnitten ist ein Bootsausflug zu den Calanques bei Cassis oder ein Besuch des „Marineland“ bei Biot. Im größten europäischen Meerwasserzoo sind neben Seelöwen und Pinguinen auch Schwertwale, Haie und Delphine zu bewundern. Das Interessante am Meer sind neben den Badefreuden natürlich die Meeresbewohner. Da man weder vom Boot noch vom Strand aus viele Fische zu Gesicht bekommt, darf ein Besuch des Ozeanographischen Museums von Monaco nicht fehlen. Für jugendliche Wasserratten empfiehlt sich zudem das Aqualand bei Fréjus, eine ausgedehnte Wasserlandschaft mit Riesenrutschen, einem Wildwasserbach und zahlreichen anderen Attraktionen.