Der zauberhafte Eisladen – Vanille, Erdbeer & Magie
Der zauberhafte Eisladen – Einmal Magie mit Schokosoße
Der zauberhafte Eisladen – Streusel, Magie und ein Klecks Sahne
Bazilla – Fee wider Willen
Bazilla – Feen-Internat in Gefahr
»Das diesjährige Los fällt auf …«, begann Madame Rosenquarz. Dann riss sie die Augen auf. Ihre Stimme klang etwas heiser, als sie den Namen verlas: »Familie von Morchelfels!«
Bazilla und ihre Klasse sind aufgeregt: Wie jedes Schuljahr wird ausgelost, bei wessen Familie sie die erste Ferienwoche verbringen – und prompt fällt das Los auf Morchelfels! Ein Dutzend Feen und Alben auf einer Vampirburg … Ob das gut geht? Bazillas Eltern, die Wasserspeier und Geisterritter Sir Toby geben ihr Bestes, und alle haben großen Spaß. Doch plötzlich kündigt sich vampirische Verwandtschaft an! Großonkel Inflatus von Grottenstein samt Frau und Tochter Krätzia sind berüchtigt für ihre Boshaftigkeit. Daher dürfen sie auf keinen Fall mitbekommen, dass Feen und Alben zu Besuch sind. Popelgrüner Schneckenrotz, jetzt ist guter Rat teuer!
Heike Eva Schmidt wurde in Bamberg geboren und lebt in Oberbayern. Nach einem Psychologiestudium war sie zunächst als Journalistin tätig, ehe sie ein Stipendium an der Drehbuchwerkstatt München erhielt. Seitdem arbeitet sie erfolgreich als freie Drehbuchautorin und Schriftstellerin. Nach Der zauberhafte Eisladen folgt mit Bazilla ihre neue Kinderbuchreihe.
Angela Gstalter studierte zunächst Modedesign in Berlin und arbeitete anschließend als Grafikdesignerin für einige Jahre in einer Werbeagentur. Heute lebt sie mit ihrer Familie in der Nähe von Heidelberg und hat sich mit dem selbstständig gemacht, was sie am allerliebsten tut, dem Illustrieren von Kinderbüchern.
Bazilla
Ferien auf Burg Morchelfels
Mit Bildern
von Angela Gstalter
Vollständige eBook-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Boje in der Bastei Lübbe AG
Dieser Titel ist auch als Hörbuch erschienen.
Originalausgabe
Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln
Umschlaggestaltung: Kirstin Osenau unter Verwendung einer Illustration von Angela Gstalter
eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf
ISBN 978-3-7517-1606-2
www.luebbe.de/boje
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lesejury.de
Frist feerschwitzt?
Zilla, aufstehen! Es ist schon nach sieben Uhr!«
Bazilla öffnete die Augen. Um sie herum herrschte tintenschwarze Finsternis. Kein Wunder, sie schlief ja auch in ihrem Sarg. Obwohl Bazilla eine Fee war. Doch die ersten zehn Jahre ihres Lebens hatte sie bei ihrer Vampirfamilie auf Burg Morchelfels verbracht. Durch eine geheimnisvolle Verwechslung bei ihrer Geburt im Mysterien-Wald war Bazilla nämlich vertauscht worden. Dass sie kein Vampir, sondern eine Fee war, kam jedoch erst an ihrem zehnten Geburtstag heraus, als ihr Flügel statt spitzer Zähne wuchsen. Das war ein Schock gewesen, und Bazilla hatte sich anfangs mit Händen und Füßen gegen ihr Schicksal gewehrt. Ebenso dagegen, ins Magische Internat der Feen und Alben zu gehen. Inzwischen hatte sie sich jedoch gut eingelebt und beschlossen, das Beste aus beiden Welten zu machen. Wer außer Bazilla konnte schließlich von sich behaupten, ein Feempir zu sein?
Trotzdem hatte das Leben auf einer Vampirburg Spuren hinterlassen. So bestand Bazilla nach wie vor auf ihren Sarg und die schwarze Bettwäsche mit den knallorangen Fledermäusen.
Jetzt gähnte und streckte sie sich, ehe sie den Sargdeckel beiseiteschob.
»Guten Morgen, Schlafmütze!«, rief ihre beste Freundin Mimula Veilchenblau, genannt Molly. Sie und die anderen Feen aus dem Schlafsaal waren bereits wach. Schließlich begann in einer Stunde der Unterricht im magischen Internat.
Ächzend krabbelte Bazilla aus ihrem Sarg und blinzelte in die helle Morgensonne. Es fiel ihr immer noch schwer, vor Mitternacht schlafen zu gehen, statt um diese Zeit erst aufzustehen – so wie auf Burg Morchelfels. Dort waren die Schlafenszeiten nicht verwunderlich: Schließlich vertrugen Vampire kein Sonnenlicht. Daher war Bazilla jetzt morgens meist noch schrecklich müde. Aber zum Glück waren ja bald Ferien.
Bazilla freute sich, die Tage bei ihren Eltern und ihrem Bruder Bronchus auf Burg Morchelfels zu verbringen. Das würde ein Spaß werden! Aufbleiben bis in die Puppen, auf dem Geisterpony Rosinante durchs Schloss reiten und den Kopf ihres Besitzers Sir Toby verstecken. Der Geisterritter wird keine ruhige Minute mehr haben, dachte Bazilla vergnügt. Ebenso wie die beiden steinernen Wasserspeier Nöfnöf und Aquila, die vom Turm aus die Burg bewachten.
»Was machst du eigentlich in den Ferien?«, fragte Bazilla Molly, während die beiden zum Zähneputzen ins Gemeinschafts-Badezimmer gingen.
Ihre Freundin zuckte die Schultern. »Kommt drauf an, wo wir landen«, sagte sie.
»Hä? Wir haben doch noch gar keinen Flugunterricht gehabt«, wunderte sich Bazilla.
Molly sah sie kopfschüttelnd an. »Ich meine doch, wo wir nach der Feerlosung landen«, erklärte sie. Als Bazilla sie immer noch ratlos anstarrte, runzelte Molly die Stirn. »Sag bloß, deine Eltern haben dir nichts davon erzählt?«
Bazilla wurde ungeduldig. »Wovon?«
Molly blieb vor der Badezimmertür stehen. »Von unserer Tradition. Jedes Jahr kommen die Namen aller Schüler und Schülerinnen des Internats in einen Lostopf. Wessen Name gezogen wird, dessen Familie beherbergt die jeweilige Klasse für die schulfreie Woche bei sich zu Hause.«
»Davon wusste ich ja gar nichts!«, rief Bazilla. »Das heißt, von sämtlichen Feen und Alben an unserer Schule wird immer nur ein Name gezogen?«, vergewisserte sie sich.
Molly nickte. »Vergangenes Jahr ist das Los auf Calluna gefallen.« Auf Bazillas fragenden Blick fügte sie hinzu: »Eine Fee zwei Klassen über uns. Weil sie die Gewinnerin war, haben ihre Mitschülerinnen und Mitschüler die Feerien bei Callunas Eltern verbracht. Deswegen ist ihre Klasse bei der morgigen Feerlosung auch nicht mehr dabei. Damit wir anderen auch eine Chance haben.«
Bazilla kratzte sich am Kopf, sodass ihre wilden schwarzen Haare noch etwas mehr abstanden. »Mama hat von so einer Verlosung auch nichts geschrieben«, grübelte sie. Ab und zu schickten sie und ihre Familie sich Briefe per Fledermaus-Post. Meist schrieb Gräfin von Morchelfels. Bazillas Vater fügte in seiner altmodischen Schrift noch ein paar Grüße und mahnende Worte an seine Tochter hinzu. Dass sie weiterhin fleißig sein sollte, zum Beispiel. Bronchus war stinkefaul und kritzelte allerhöchstens seine Unterschrift unter die Briefe. In keinem von ihnen hatte Bazillas Mutter allerdings die Auslosung erwähnt.
»Komisch, dass du nichts mitgekriegt hast«, wunderte Molly sich. »In unserer Klasse wurde doch auch schon darüber geredet! Vor allem für Philo gab’s fast kein anderes Thema.«
Jetzt erinnerte sich Bazilla dunkel, dass sie kürzlich ein paar Satzfetzen von Philomene und Luna aufgeschnappt hatte. Die beiden waren beste Freundinnen, was man von Bazilla und Philomene von Lindenblatt nicht behaupten konnte. Deswegen interessierte Bazilla sich auch nicht sonderlich für Philos Gerede.
»Für die Familien ist es eine besondere Ehre, die Schulklasse ihres Kindes zu beherbergen«, sagte Molly altklug. »Deswegen geben sich die Gewinner-Eltern auch voll viel Mühe, den Feen und Alben eine schöne Feerienwoche zu bereiten.«
»Also, das würden wir auf Morchelfels auch«, trumpfte Bazilla auf. »Bei uns kann man toll Fangen und Verstecken spielen. Und an unserem riesigen Tisch im Rittersaal hätte das halbe Internat Platz! Daher müssten Mama und Papa sich eigentlich auch beworben haben.«
»Hm. Normalerweise werden die Familien zwei Wochen vor Beginn der Feerien von Madame Rosenquarz benachrichtigt und daran erinnert, ihre Namen für den Lostopf abzugeben«, meinte Molly. »So war es jedenfalls bei meinen Eltern.«
»Ich könnte wetten, sie haben es vergessen«, murrte Bazilla. »Manchmal sind meine Eltern furchtbar zerstreut. Vor allem, wenn alle hungrig sind.«
»Vielleicht hat die Madame ihre Adresse feerwechselt«, warf Molly ein.
»Oder sie hat eine Brieftaube geschickt«, seufzte Bazilla. »Bei so einem Leckerbissen hat Bronchus sicher nicht darauf geachtet, ob ein Brief dabei war.«
»Ups«, sagte Molly.
»Ich werde gleich Mama schreiben«, beschloss Bazilla.
»Dafür ist es zu spät«, gab ihre Freundin zu bedenken. »Die Feerlosung findet morgen Nachmittag nach Unterrichtsschluss statt. Im großen Saal.« Sie warf Bazilla einen mitfühlenden Blick zu.
»Grüner Krötenschlonz! So was Blödes!«, schimpfte die.
Molly überlegte kurz. »Warum bittest du nicht einfach Madame Rosenquarz, euren Namen noch nachträglich in den Lostopf zu werfen?«
»Weil die dann bestimmt denkt, Vampire sind schlampig und verpeilt«, gab Bazilla zurück.
»Quatsch«, widersprach Molly. »Schließlich hat deine Familie vor Kurzem geholfen, das Internat und den Park zu retten. Schon vergessen?«
Natürlich nicht! Bazilla erinnerte sich sehr gut an die gemeinsame Rettungsaktion von Feen und Vampiren, als Menschen ihren Park abholzen wollten. Mit vereinten Kräften war es ihnen gelungen, das magische Internat zu retten.
»Trotzdem. Madame Rosenquarz würde mir die Sache sicher noch wochenlang unter die Nase reiben.« Damit stapfte Bazilla ins Badezimmer.
Die anderen Feen saßen bereits hinter Duschvorhängen mit zarten Blütenmustern in ihren jeweiligen Badewannen. Auch auf Bazilla und Molly warteten zwei Schaumbäder.
Nachdem Bazilla mit dem üblichen Ausruf »Igitt, Wasser!« in ihr würzig duftendes Wacholder-Bad gestiegen war, kam ihr plötzlich eine Idee. Sie tauchte einmal kurz unter, dann sprang sie wieder aus der Wanne, wickelte sich in ihr Handtuch und putzte sich rasch die Zähne.
Inzwischen war auch Molly aus der Wanne geklettert und hatte sich in einen flauschigen Bademantel gehüllt.
»Ich weiß jetzt, wie Morchelfels doch noch an der Feerlosung teilnehmen kann«, flüsterte Bazilla ihrer Freundin zu, während sie in ihre schwarze Latzhose und ihr schwarz-grau geringeltes T-Shirt schlüpfte.
Molly, die Zahnbürste im Mund, sah sie gespannt an. »Was hast du vor?«, wisperte sie. Dabei blubberte etwas Zahnpasta-Schaum aus ihrem Mund.
Bazilla blickte sich verstohlen um. Die anderen Feen hatten sich inzwischen auch angezogen und verließen jetzt plappernd und kichernd das Bad. »Ich schleiche mich heute Nacht aus dem Schlafsaal und werfe heimlich einen Zettel mit unserem Namen in den Lostopf«, verkündete sie, während auch Molly und sie sich in Bewegung setzten. »Dann denken alle, meine Familie hat sich ebenfalls beworben.«
Ängstlich sah Molly sie an. »Oh, Zilla, pass bitte auf, dass dich keiner dabei erwischt.«
»Ich warte, bis alle schlafen«, versicherte Bazilla. »Außerdem kann Elvis mir helfen.« Sie blieb abrupt stehen. »Popelgrüner Schneckenschleim – den hab ich total vergessen!«
Hastig rannte Bazilla zurück in den Schlafsaal. »Elvis, bist du wach?«
Ein leises Fiepen war die Antwort. Dann kam ein pummeliger Hamster unter ihrer Bettdecke hervorgekrabbelt. Anders als seine Artgenossen besaß Elvis jedoch Fledermausflügel. Er war nämlich ein Flederhamster und Bazillas bester Freund. Sein Dasein als Vamp-Tier verdankte Elvis einem Großonkel aus der entfernten Verwandtschaft des Grafen von Morchelfels. »Lange Geschichte«, sagte Bazilla immer und winkte ab, wenn jemand sie fragte, wie Elvis zu ihr und auf die Burg gekommen war. Schließlich zählte nur, dass sie beide seitdem unzertrennlich waren.
Jetzt spannte Elvis seine Fledermausflügel und flatterte schlaftrunken ein Stückchen hoch. Doch gleich darauf plumpste er mit einem Bauchklatscher auf das Kopfkissen und schlief wieder ein.
»Nicht deine Zeit, was?«, flüsterte Bazilla. Sie kraulte ihm kurz sein pelziges Köpfchen, ehe sie ihren schlummernden Freund behutsam vom Kopfkissen hob und in der Brusttasche ihrer Latzhose verstaute. Dann sauste sie in den Speisesaal.
Doch sie hatte keinen rechten Appetit. In Bazillas Magen schien ein Doppelgänger von Elvis Loopings zu fliegen, so aufgeregt war sie beim Gedanken an ihr nächtliches Vorhaben.
Im Lehrerzimmer versammelten sich währenddessen die Lehr-Feen und -Alben. Sie hatten auf weiß gepolsterten Stühlen mit goldenen Lehnen Platz genommen. Der Duft von frisch aufgebrühtem Kräutertee, den die Tee-Fee wie jeden Morgen ausschenkte, zog durch den Raum. Die Tanz-Lehrerin Madame Wasabia nahm soeben einen Schluck aus einer Tasse mit Goldrand, als die Internats-Leiterin Madame Rosenquarz den Raum betrat.
»Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Morgen findet ja die jährliche Feerlosung statt«, fing sie an. »Bei welcher Familie eine unserer Klassen die Feerienwoche verbringen wird, entscheidet das Los. Wie ihr wisst, kann es nur einen Gewinner oder eine Gewinnerin geben.« Die Madame machte eine Pause und räusperte sich. »Allerdings haben Madame Grünstaub, Alchemillus Flex und ich darauf verzichtet, eine Familie zu benachrichtigen …«
Der Lehr-Albe ergriff das Wort. »Es handelt sich um die Familie von Morchelfels. Obwohl wir Graf und Gräfin sehr schätzen, halten wir eine Vampirburg nicht für den geeigneten Ort für ein Dutzend Feen- und Alben-Kinder. Allein schon wegen der, äh, Essgewohnheiten.«
»Nicht zu vergessen die verqueren Schlafenszeiten der Vampire«, warf Madame Grünstaub ein. »Außerdem wären da noch die Mitbewohner. Sprechende Wasserspeier, ein Geisterritter und dazu noch Kakerlaken und Ratten.«
»Aber was machen wir, wenn Bazilla nach der Auslosung Fragen stellt?«, gab Madame Wasabia zu bedenken. Sie gab in Bazillas Klasse Tanz-Unterricht und kannte ihre naseweise Schülerin.
»Nun, da der Zufall entscheidet, sollte eigentlich niemand das Ergebnis infrage stellen«, antwortete Madame Rosenquarz.
»Wenn keiner merkt, dass ein Name fehlt, wird auch niemand Verdacht schöpfen«, bestätigte Madame Grünstaub.
»Dann sind wir uns also einig«, sagte Madame Rosenquarz. »Wir müssen uns keine Gedanken machen und können während der Feerien in aller Ruhe einige Dinge im Internat renovieren.« Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Ich freue mich schon darauf, die Schlafsäle in neuem Glanz erstrahlen zu lassen!«
Mission auf Feenspitzen und ein großer Knall
Der Unterricht zog sich an diesem Tag wie Kaugummi. Zu allem Überfluss hatten Bazilla und ihre Klasse heute eine Doppelstunde Pflanzen- und Blumenkunde bei einem Lehr-Alben namens Hortus Geranium. Bei seinen langatmigen Ausführungen über den Aufbau der Pflanzenzelle fielen den Schülern beinahe die Augen zu. Nur Alexander Sechs von Sieben, Klassenbester und ein Ausbund an Liebenswürdigkeit, schrieb fleißig mit.
Auch Bazilla war kein bisschen müde. Es war allerdings die Aufregung über ihr bevorstehendes Abenteuer, die sie wachhielt. Hoffentlich gelang es ihr, sich unbemerkt aus dem Schlafsaal zu schleichen! Vor allem musste sie sich dabei vor Philomene in Acht nehmen. Die hatte sie, Molly und zwei andere Feen schon einmal verpetzt, als diese sich heimlich nachts in den Park begeben hatten. Zwar wollten sie damals für die bevorstehende Prüfung zur Wunscherfüllung üben – aber dank Philomene wären sie beinahe von Madame Rosenquarz erwischt worden. Das gilt es heute Nacht zu vermeiden, dachte Bazilla. Vor Spannung war sie ganz zappelig.
»Bazilla? Möchtest du eine Frage stellen oder etwas zum Unterricht beitragen?«, fragte Geranium in diesem Moment.
»Ich, ähm …« Krampfhaft suchte Bazilla nach einer Ausrede. Die anderen sahen zu ihr rüber. Da bemerkte sie das schadenfrohe Funkeln in Philomenes Augen. Bestimmt wartete die hochnäsige Fee nur darauf, dass Bazilla sich blamierte. Doch den Gefallen würde sie Philo nicht tun, beschloss Bazilla und holte tief Luft. »Ich wollte fragen, wie viele Nachtschattengewächse es gibt.« Diesen Begriff hatte Bazilla zufällig mal aufgeschnappt.
»Das ist eine interessante Frage!«, freute sich der Lehr-Albe. »Es gibt ungefähr einhundert Gattungen Nachtschattengewächse. Wer von euch kennt welche?«
Sofort meldete sich Alexander. »Tollkirsche und Stechapfel«, sagte der Albe.
»Richtig!«, rief Hortus Geranium. »Aber auch Tomaten, Kartoffeln und Auberginen zählen dazu. Habt ihr das gewusst?«
»Wen interessiert’s?«, flüsterte Rosmarinus seiner Banknachbarin Griseldis zu. Jedoch so leise, dass der Lehrer es nicht hörte.
Bazilla atmete auf. Noch mal davongekommen! Zum Glück ertönte kurz darauf der wohlklingende Gong, der das Ende des heutigen Schultags verkündete.
Im Blindflug brachte Bazilla den restlichen Nachmittag, das Abendessen und vor dem Zubettgehen zwei Runden Fee ärgere dich nicht hinter sich.
Endlich steckte Madame Wasabia, die heute Aufsicht hatte, den Kopf durch die Tür des Schlafsaals. »Licht aus, meine Lieben und gute Nacht«, sagte die Fee.
»Gute Nacht, Madame«, antworteten die Mädchen im Chor und kuschelten sich unter ihre Bettdecken.
Molly zwinkerte Bazilla verschwörerisch zu, ehe sie sich auf die Seite drehte und die Augen schloss.
Auch Bazilla zog den Deckel ihres Sargs zu. »Elvis, bist du wach?«, flüsterte sie. Ihr Flederhamster quiekte leise an ihrem linken Ohr. Sie wartete noch einige Minuten, dann knipste sie ihre Taschenlampe an. Diese war ein Geschenk ihres Bruders Bronchus zum Einzug ins Internat gewesen. Seitdem hatte die Lampe ihr schon gute Dienste geleistet. Elvis blinzelte ins helle Licht, dann machte er Männchen und blickte Bazilla erwartungsvoll an. Flüsternd weihte sie das Vamp-Tier in ihren Plan ein. »Ich habe extra weißes Papier mit in den Sarg geschmuggelt«, verriet sie ihm. »Darauf schreibe ich unseren Namen. Aber dann kommt der schwierigste Teil des Plans, Elvis: Wir müssen es schaffen, den Zettel einzuwerfen, ohne dass uns jemand erwischt.«
Ihr Flederhamster rieb aufmunternd seine rosa Nase an Bazillas Wange.
Dadurch bestärkt schrieb sie sorgfältig in Großbuchstaben »Familie von Morchelfels« auf das Papier, wobei sie sich bemühte, die Schrift genauso schön und gleichmäßig wie die ihrer Mutter in den Briefen aussehen zu lassen.
Elvis legte sein Köpfchen schief und quiekte.
Bazilla nickte. »Klar nehme ich dich mit. Vielleicht musst du sogar mit dem Zettel im Maul zum Lostopf im großen Saal fliegen, wenn ich es nicht schaffe, unbeobachtet hier rauszukommen.«
Stolz spannte Elvis seine Fledermausflügelchen. Dabei verlor er das Gleichgewicht und purzelte auf Bazillas Bauch.
Sie kicherte, dann legte sie den Finger auf die Lippen. »Wir müssen leise sein«, wisperte sie. »Wenn Philo aufwacht und petzt, war’s das mit der Teilnahme an der Feerlosung!«
Daher geduldete sich Bazilla noch eine Weile, auch wenn sie sich so kribbelig wie Brausepulver fühlte. Erst als sie sich sicher war, dass wirklich alle schliefen, schob sie behutsam ihren Sargdeckel beiseite.
Elvis flatterte als Späher eine Runde über die Betten der Feen. Danach landete er auf Bazillas Schulter und quiekte leise. »Alles okay«, sollte das heißen.
Leise stieg Bazilla aus ihrem Sarg. Mit dem beschrifteten Zettel für den Lostopf in der Hand huschte sie zur Tür. Sie hielt den Atem an, als sie langsam, ganz langsam, die Klinke herunterdrückte. Die Tür schwang lautlos auf. Zur Sicherheit drehte Bazilla sich noch einmal zu ihren Mit-Feen um. Alle atmeten tief und gleichmäßig. Erleichtert flitzte sie mit Elvis auf der Schulter aus dem Zimmer.
Bläuliche Feen-Lichter erhellten schwach den Gang, und alles war ruhig. Behutsam schlich sie den Flur entlang und die Treppe hinunter. Dann stand Bazilla in der großen Halle vor der geschnitzten Tür zum Empfangssaal. Dahinter befand sich der Lostopf. Bis hierher war alles gut gegangen. Trotzdem klopfte Bazillas Herz vor Spannung so laut, dass sie dachte, das ganze Internat müsste davon aufwachen: Tap, tap, tap.
Aber – Moment mal! Was sie da hörte, war nicht ihr Herz. Es waren Schritte, die sich aus dem Gang links näherten! In diesem Augenblick fiepte auch Elvis warnend. Offenbar machte eine der Lehrkräfte einen nächtlichen Kontroll-Rundgang!
Sie mussten sich verstecken! Und zwar schnell. Hektisch blickte sich Bazilla um. Doch nirgendwo im Flur gab es eine Nische oder einen Vorhang, hinter dem sie hätte verschwinden können. Blieb nur eine Möglichkeit …
Bazilla drückte die Tür zum großen Saal auf und schob sich durch den schmalen Spalt. Möglichst lautlos schloss sie die Tür hinter sich und sah sich um. Ganz vorne auf einem Tisch mit geschnitzten Löwenfüßen thronte ein rundes goldenes Gefäß: der Lostopf. Doch dafür hatte Bazilla momentan keinen Blick. Die zierlichen Stühle, die großzügig verteilt im Raum standen, boten keine Versteck-Möglichkeit. Also drückte sie sich hinter der Tür an die Wand und hoffte inständig, dass die Person, deren Schritte sie gehört hatte, nicht hier reinkommen würde.
Jetzt drang das Tap, tap, tap, tap gedämpft von draußen an ihr Ohr. Direkt vor der Tür hielten die Schritte an. Bazilla kniff die Augen zu und hielt die Luft an. Sie presste sich noch dichter an die Wand. Auch Elvis gab keinen Mucks von sich. Nach drei Sekunden Stille entfernte sich das Geräusch wieder.
Bazilla stieß den Atem aus. »Puh, das war knapp«, flüsterte sie, und Elvis auf ihrer Schulter quiekte zustimmend. Jetzt hieß es Beeilung, ehe die Lehrerin oder der Lehrer den Rundgang beendet hatte und womöglich zurückkam.
Bazilla flitzte zwischen den Stühlen hindurch nach vorne. Tatsächlich konnte sie das goldene Gefäß auf dem Tisch erreichen, ohne auf einen Stuhl steigen zu müssen. Vorsichtig nahm sie den Deckel ab. Elvis flatterte schwerfällig hoch und spähte neugierig von oben in den Lostopf, ehe er mit einem Plumps auf der Tischplatte landete. Auch Bazilla warf einen Blick ins Innere. Mehrere gefaltete Zettel lagen darin. Das Papier sah genauso aus wie das, worauf sie den Namen ihrer Familie geschrieben hatte. »Glück gehabt«, wisperte sie. Sorgfältig faltete Bazilla ihren Zettel genau wie die anderen und warf ihn dazu. »Und jetzt nichts wie weg«, sagte sie, während sie Elvis behutsam vom Tisch pflückte.
Nachdem sie durch den Türspalt gespäht und sich vergewissert hatte, dass die Luft rein war, flitzte Bazilla zurück in den Schlafsaal.