Es gibt kaum ein Spielgerät, das Kinder von Beginn ihres Lebens an so fasziniert wie ein Ball. Schon Babys erkunden ihn mit Mund und Händen, setzen ihn in Bewegung, verfolgen mit dem Blick genau, wohin er rollt. Sobald sie sich auf allen vieren fortbewegen können, krabbeln sie dem Ball hinterher, versuchen ihn einzuholen und mit den Händen zu fassen. Kaum können sie stehen und sich aufrecht bewegen, kicken sie den Ball mit dem Fuß. Er rollt … und bleibt dann irgendwo liegen. Sie rennen ihm nach, holen ihn wieder und setzen das Spiel fort.
Der Ball hat einen hohen Aufforderungscharakter, schon der kleinste Impuls führt dazu, dass er in Bewegung, ins Rollen gerät.
Beim Spielen mit dem Ball erleben Kinder, dass sie etwas bewirken können: Sie setzen den Ball in Bewegung und spüren, dass sie durch das eigene Handeln eine Wirkung erzielen können. Sie erleben Selbstwirksamkeit – eine wichtige Quelle beim Aufbau eines positiven Selbstwertgefühls (Zimmer 2019a).
Einführung
Ballvergnügen von Anfang an
Der Ball als Spiel- und Sprachanlass
Mit diesem Buch arbeiten
Bewegungshandeln als Ausgang für sprachliche Prozesse
Strategien zur Unterstützung der Sprachentwicklung
1.Lautbildung (Phonetik)
Entwicklung der Lautbildung
Spielideen zur Lautbildung
Die Mundmuskulatur stärken (Mundmotorik)
Schwierige Lautverbindungen üben
Sprachspiele für schwierige Konsonantenverbindungen
2.Lautwahrnehmung und Lautunterscheidung (Phonologie)
Spielideen zur Lautwahrnehmung und Lautunterscheidung
Reime – Spiele mit der Sprache
3.Wortschatz und Wortbedeutung (Lexikon und Semantik)
Entwicklung des passiven und aktiven Wortschatzes
Welche Wortarten gibt es?
Spielideen zur Erweiterung des Wortverständnisses
Spielideen zur Erweiterung des Wortschatzes
4.Sprachmelodie (Prosodie)
Entwicklung der prosodischen Fähigkeiten
Spielideen zum differenzierten Umgang mit der Sprachmelodie
5.Vom Wort zum Satz
Regeln zur Bildung von Wörtern und Sätzen
Entwicklung der grammatikalischen Fähigkeiten
Lernmechanismen
Spielideen: Satzmuster bilden (Zweiwortsätze, Mehrwortsätze)
Spielideen: Wie die Wörter sich verändern – Flexionen
Spielideen zu Steigerungsformen
Zum guten Schluss
Verwendete Literatur und Tipps zum Weiterlesen
Bälle gibt es in vielen unterschiedlichen Varianten, aus unterschiedlichem Material, sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Größe, Farbe, Oberfläche, ihres Gewichts. Es gibt Stoffbälle, Wasserbälle, Gummibälle, Tennisbälle, Lederbälle, Luftballons, Tischtennisbälle etc. Alle Bälle haben unterschiedliche Eigenschaften, sind leicht oder schwer und fordern zu unterschiedlichen Handhabungen auf. Aber allen gemeinsam ist die runde Form, die die unendliche Bewegung ermöglicht, die unzählige Möglichkeiten des Spielens – allein oder mit anderen – eröffnet.
Kein Wunder, dass Bälle Kinder vom ersten Lebenstag an faszinieren – und kein Wunder, dass das erste Wort vieler Kinder – nach Mama (MaMaMa…) und Papa (PaPaPa…) das Wort „Ball“ (BaBa…) ist. Dies liegt allerdings auch daran, dass der Laut b einer der ersten Laute im (deutschsprachigen) Lauterwerb ist.
„Ba-ba“ – das ist das erste Wort, das Leon (1,5 Jahre alt) zielgerichtet auf einen Gegenstand spricht.
Der Ball ist Leons Lieblingsspielzeug. Immer wieder kickt er ihn mit dem Fuß, wirft ihn mit beiden Händen, rennt ihm hinterher, wenn er wegrollt. Er sucht ihn sogar unter der Kommode, wenn er ihn darunter verschwinden sieht. „Da Da Da“, ruft er aufgeregt, als der Ball unter dem Schrank verschwunden ist, „Da Da daaa“. Und als die Mutter ihn fragt: „Was ist denn da?“, sagt Leon „Ba-Ba“.
Das Weltbild des Kindes prägt seinen Wortschatz. Was ist für das Kind wichtig? Bedeutsam sind seine unmittelbare Umgebung, seine wichtigsten Bezugspersonen – aber auch Lieblingsspielzeuge wie der Ball. Kleine Kinder benennen das, womit sie gerne umgehen, womit sie Erfahrungen sammeln, was ihre Neugierde weckt.
Ziel der „Ballgrammatik“ ist es, das Sprachbildungspotenzial alltäglicher Spiel- und Bewegungssituationen zu erkennen und bewusster anzuwenden.
Der Ball ist Spielanlass und Sprachanlass zugleich.
Das Interesse am Ball hört auch bei älteren Kindern nicht auf. Jetzt ist es vielleicht der Fußball, der Handball, der Wasserball, der sie fasziniert, mit dem sie allein, mit einem Spielpartner oder in der Gruppe spielen. Sie verständigen sich im Spiel. Sie stellen Regeln auf, müssen Regeln verstehen, sich die Spielregeln gegenseitig erklären, sie ggf. auch abändern, wenn es die Situation erfordert. Sie kommunizieren über den Ball miteinander.
Und so bietet der Ball auch für ältere Kinder, die mehrsprachig aufwachsen, einen guten Zugang zur deutschen Sprache.
Für Kinder und auch für Jugendliche, die einer besonderen Unterstützung beim Erwerb der deutschen Sprache bedürfen, kann der Ball eine Brücke zur Interaktion mit anderen, zur Bildung von sozialen Kontakten darstellen, er kann jedoch auch zum „Transporteur“ für das Erlernen neuer Wörter und Begriffe, von Redewendungen und sogar von grammatikalischen Regeln werden.