Abbildung 1: Jude aus Worms (16. Jhdt.)
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© 2017 Norbert Flörken
Herstellung und Verlag:
BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783744891905
Die vorliegende Ausgabe versammelt die einschlägigen Verordnungen (»Judenordnungen«) nach den ältesten erreichbaren Ausgaben. Die Textgestaltung hält sich an die Vorlagen; ein Vokal mit einem aufgesetzten »e« wird in der Form ,
oder
beibehalten.
Als die Juden in Preussen 1845 von ihrem König aufgefordert wurden, erbliche Nachnamen anzunehmen, legte sich der Siegburger Jude Jizchak bar Mosche Awraham Hakohen1 nicht einen der üblichen hebräischen Nachnamen, sondern den Namen »Isaac Bürger« zu – etwas Erstrebenswerteres als den Namen und die Rechtsstellung eines Bürgers/Citoyen gab es für ihn nicht.
Bis dahin war es ein weiter Weg gewesen: durch die Jahrhunderte wurden die Juden in Europa von der christlichen Mehrheitsgesellschaft herumgestossen, ermordet, schikaniert, ausgegrenzt. Seit dem Mittelalter wechselten sich Perioden der Duldung ab mit solchen der Verfolgung. Die folgenden Dokumente zeigen, wie Kurköln und andere Landesherren die Juden in ein enges Regulierungskorsett zwängten. Erst die Französische Revolution und auf dem linken Rheinufer die wenigen französischen Jahre gaben den Juden in Kurköln die Gleichberechtigung und die bürgerlichen Freiheiten: der 1772 in Bonn geborene Salomon Oppenheim brachte es im Köln der 1820er Jahre zu einem angesehenen und wohlhabenden Bankier und Mitglied der Handelskammer. Am Ende des 19. Jahrhunderts wies der nunmehr explizit rassistische Antisemitismus auf die drohende Katastrophe im 20. Jahrhundert hin.
1 Er war über 30 Jahre lang ein engagierter Vorsitzender der Siegburger jüdischen Gemeinde. In seine Amtszeit fielen u.a. die Neuorganisation der Synagogengemeinden im Rhein-Sieg-Raum sowie der Bau der neuen Synagoge in Siegburg, an beidem hatte er maßgeblichen Anteil. Auch im öffentlichen Leben aktiv, wurde er 1846 als erste Jude in den Siegburger Gemeinderat gewählt. 1858 wurde als Stadtverordneter wiedergewählt und bekleidete dieses Amt bis 1862. Er ist gestorben 16.06.1864. Siehe vor allem (Linn, 1983, S. 114 ff).
Wir, Karl der Fünfte, von Gottes Gnaden Römischer Kaiser […]3 entbieten allen und jeglichen Kurfürsten, Fürsten - geistlichen und weltlichen - Prälaten, Grafen, freien Herren, Rittern, [Edel]Knechten, Hauptleuten, Landvögten […]4 und sonst allen andern unsern und des Reichs Untertanen und Getreuen […]5 unsere Gnade und alles Gute […]:
Uns hat Josel Jude von Rosheim, unserer [all]gemeinen Judischheit im Heiligen Reiche Teutscher Nation Befehlshaber, klagweise vorgebracht, wie dass etliche Juden über und wider ihre Freiheiten, Privilegien, Schutz, Schirm und Geleit, damit sie von Päpsten, [all]gemeinen Konzilien, unsern Vorfahren am Reiche Römischen Kaisern und Königen seliger und löblicher Gedächtnis [sowie von] uns und dem Heiligen Reiche gnädiglich begabt und versehen wären, auch unsern und des Heiligen Reichs aufgerichteten Landfrieden und sonderlich auch wider unser kaiserliches Mandat, derselben unserer [all]gemeinen Judischheit halben, auf unserm nächstgehaltenen Reichstag zu Speyer des vierundvierzigsten Jahrs der mindern Jahrzahl aus[ge]gangen.
Über das [=obwohl] sie einem jeden, so [An]spruch und Forderung zu ihnen sämtlich oder sonderlich zu haben vermeint, vor uns, unserm kaiserlichen Kammergericht, oder an Enden [=Gerichtstätten], da sich dasselbe gebührt, rechtens nie vor gewesen (=verweigert) und noch nicht seien, [seien sie] gewaltiglich, vornehmlich auf unsern und des Heiligen Reichs Straßen und auch in etlichen Städten, Märkten und Dörfern an ihren Leib, Habe und Gut mit Mord, Totschlag, Raub, Wegführung, Gefängnis, Austreibung [aus] ihrer häuslichen Wohnung, Zerstörung und Versperrung ihrer Synagogen und Schulen, auch an Geleit und Zoll merklich beschädigt, beleidigt, beschwert und gesteigert worden.
Und wiewohl sie etliche aus Euch demütiglich angerufen und gebeten [haben], gegen diejenige, so sie also beschädigt und beschwert [haben], nach vermöge des Reichs Landfriedens unseren Schutz, Schirm und Geleit zu handeln, auch bei ihren Freiheiten, Privilegien, Schutz, Schirm und Geleit bleiben und sie darüber oben gemeldeter Maßen nicht dringen oder beleidigen zu lassen, so haben sie doch bei Euern eines Teils dasselbe nicht bekommen noch erlangen mögen, das [der all]gemeinen Judischheit zu merklichen Beschwerung, Schaden und Nachteil [ge-]reichte, und [sie haben] sich deswegen [bei] uns abermals hochlich beschwert, und uns darauf demütiglich angerufen und gebeten, [all]gemeiner Judischheit hierin mit unserer kaiserlichen Hilfe gnädiglich zu erscheinen, sie zu schützen und zu schirmen.
Und dieweil uns dann als Römischen Kaiser gebührt, einen jeden bei Recht und seinen habenden Freiheiten zu handhaben und vor unbilliger Gewalt zu schützen und [diese] zu verhüten, des [wir] auch zu tun gänzlich gemeint sind. Und [wir haben] darauf die gemeldete Judischheit hiervor in unsern und des Heiligen Reichs Schutz und Schirm genommen und ihnen unser und des Reichs freie Sicherheit und Geleit vor Gewalt und zu Recht gegeben haben, laut unseres Briefs, [der] darum aus[ge]angen [ist].
Demnach gebieten wir Euch allen und Euern jeden [be]sonders, bei Vermeidung unserer und des Reichs schwerer Ungnade und Strafe, und den Pönen [=Strafen bzw. Sanktionen], in jetzt gedachten unserm Schutz- und Geleitbrief und der Judischheit Freiheiten und Privilegien [ein]begriffen, von Römischer Kaiserlicher Macht ernstlich mit diesem Brief und wollen, dass Ihr dieselbe unsere [all]gemeine Judischheit sämtlich und sonderlich bei oben bestimmten päpstlichen, [all]gemeiner Konzilien, aller unserer Vorfahren am Reiche und unseren gegebenen Freiheiten, Privilegien und Konfirmationen, Schutz, Schirm und Geleit handhabt und gänzlich bleiben [lasst], das alles ruhig gebrauchen, genießen, auch allenthalben im Heiligen Reich und desselben zugetanen Fürstentümern, Grafschaften, Herrschaften, Landen, Städten und Gebieten sicher handeln und wandeln lasst, und darüber ihr Leib, Hab oder Güter nicht beschädigt oder beleidigt, auch in Gemeinschaften, Landen, Städten oder [in] Sonderheit von ihren häuslichen Wohnungen, Schulen und Synagogen eigentätlichs Vornehmens nicht [weg]treibt noch die zerstört oder versperrt, auch sie mit neuen, ungewöhnlichen Zoll und Geleitgeld und sonst in andern Wegen wider altes Herkommen, Recht und Billigkeit nicht beschwert, dringt oder steigert, noch jemand anderen [dies] zu tun befehlet, schaffet oder gestattet, auch den Taten, so also dieselbe Judischheit sämtlich und sonderlich wider des Reichs Landfrieden, unseren kaiserlichen Schutz, Schirm und Geleit und dieses unser Gebot und Mandat an ihrem Leib, Habe oder Gut angreifen, vergewaltigen und beschädigen würden, keine Hilfe, Vorschub noch Beistand, heimlich noch öffentlich, nicht beweiset in keiner Weise noch Wege, als lieb Euch und einem jeden sei, oben berührte Pönen und Strafen zu vermeiden. Das meinen wir ernstlich.
Mit Urkunde dieses Briefs, mit unserm kaiserlichen aufgedruckten Ingesiegel.
Geben in unserer und des Reichs Stadt Augsburg, am dreißigsten Tag des Monats Januar, anno etc. im achtundvierzigsten, unsers Kaisertums im achtundzwanzigsten und unserer Reiche im dreiunddreißigsten.
2 Fundstelle: http://www.hstad-online.de/ausstellungen/online/juden_der_vor-modernen_zeit/Geschichte_der_Juden/Virtuelle_Ausstellung/Eintr%C3%A4ge/2007/11/13_Handel_und_geldleihe.html
3 Es folgen zahlreiche weitere Titel.
4 Es werden weitere Adressaten aufgezählt.
5 Auf Wiedergabe der feierlichen Adressformel wurde hier verzichtet.
Von Gottes gnaden, Wir, Ernst7, erwöllter unnd bestettigter zu ertzbischoffenn zu Cölln, des Heiligen Römischen Reichs durch Italienn ertzcanntzler unnd churfurst, bischoffenn zu Lüttich, administrator der stiffte Munster, Hildeßheim unnd Freisingh, furst zu Stabell, pfaltzgraff bey Rhein, inn Ober- unnd Niedern Bayernn, Westphaln, Enngern unnd Bullionn hertzogh, marggraff zu Franchimondt, fuegenn allenn unnd jedenn unnsers Rheinischen Ertzstiffts drostenn, amptleuthen, vogtenn, schultheißenn, richternn, burgermeistern, kelnern, zolnern, communen, hind[er]saßenn, unnd[er]thanen unnd v[er]wandten, was würdenn unnd stanndts die sein gemeinlich, unnsere gnaidt zuvor. Unnd hiemit zu wißenn, nachdem unnsere getrewe rheinische lanndtstendt unnd gehorsame unnd[er]thanen uf etlichen gehaltenen lanndt- unnd ausschußtegen, sonnd[er]lich aber in anno etc [16]89, wie auch ahnjetzo bey dieser unnserer gegenwurtt unnd irer unnser lanndtstendt versamblung, vor eine hohe beschwernus angezogen unnd vorgegeben, daß die judden in unnseren ertzstifft unnd[er]geschleifft unnd vergleittet wurden, mitt unnd[er]thenigster pitt, wir alß die hohe obrigkheitt geruheten, dieselbige judden entweder abzuschaffenn oder, da eß jhe auß sonnderlichen bedennckhen vor dießmahl nit beschehenn konndt, ein solche Ordnung darunder zu machen, damit ires ubermeßigen Wuchers halb unnd sonnsten die arme gemeine unnd unnd[er]thanen nicht dergestallt, wie
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biß anhero im werckh gespuertt, zumahl unnd genntzlich außgesogen unnd v[er]dorbenn werdenn möcht.
Wann wir unns nun gnedigh unnd vätterlich darauf erclert, daß wir woll erleidenn köndten, das uff ein zimbliche durchgehennde ordtnung gedacht wurde, auch begertt, unnsere lanndtstendt etliche ansehennliche geuebte unnd erfahrnen persohnen auß irem mittell zu beratschlagung eines solchen gemeinnützigen wercks unnsern rheetten zuordtnen wollten, wie sie gehorsamblich gethann, unnd dann unns darauf vonn allerseits deputierten eheberuerten unnsern stenndten nach gehapten reiffen berathschlagungh volnkommentliche relation beschehen, darauß wir soviell befunden, d[aß] ir solch zusammen getragenn bedenckhen unnd Ordnung, unnsern Rheinischen Ertzstifft, lannden unnd unnd[er]thanen heilsamen nutz unnd nöthwenndig, allß habenn wir unns darüber mit inenn unnd sie hinwied[er]umb mitt unns vergliechen, dieselbig gnedigklich bewilligt, ratificiert unnd auctotorisirt, thuenn auch solchs hiemit unnd in crafft dießes, alles inmaßen wie follgt etc.
Erstlich, dieweill die judden in unnserm ertzstifft etlich hundertt jahr über herkhommen geduldet wordenn, dergestallt, das sie in- unnd außerhalb eheberuertes unnsers ertzstiffts uf gereide unnd bewegliche guetter und pfendt, vortth hanndtschrifft unnd guett vertrawen unnd glaubenn vermögh gemeiner juddenschafft freiheitt
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unnd geprauch denn christenn leihenn unnd mit inen handtiern mugen, so laßenn wir dieselbige bey solchem althen herkommen unnd freiheittenn, doch das sie sich in irem thuen unnd hanndien dieser unnser ordtnungh durchauß gemeeß hallten sollen, dießmahls verpleibenn.
Es soll sich aber hinfuro kein judd oder judinn inn unnserm ertzstifft niederschlagenn, betrettenn oder finden laßenn, der oder sie habenn dann zuvor unnser oder in der unnderherligkheitt der unnderherrn - so auß habenden sonndern Privilegien unnd allther gewönnheit juddenn zu hallten, welchenn wir darahn durch diese unnsere ordtnungh nichts derogiert oder abgebrochenn haben wollen - rechtmeßigh gewönlich gliedt unnd vorwardt unnd[er] unnser oder irer, der unnderherrn hanndt unnd siegell erlanngt, auch sich sonnsten deß einzugs unnd jährlichen tributs vergliechen.