Wenn du alles gibst,
kannst du dir nichts vorwerfen.
DIRK NOWITZKI
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2020 Horst-Dieter und Carsten Kaikowski
Satz, Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7526-3742-7
Ein Buch dieser Größenordnung in seiner Freizeit zu schreiben braucht Zeit. Wir haben uns sieben Jahre gegeben, als wir 2014 mit diesem Projekt begannen. Eines war uns von vornherein klar: bloß keine klassische Chronik mit Zahlen, Daten, Fakten! Aber gibt ein kleiner Sportverein denn überhaupt etwas anderes her? Nach einem halben Jahr intensiver Recherchearbeit war uns die Antwort klar: ja! 100 Jahre Sportverein schreiben eben doch viele Geschichten, und hinter jeder einzelnen verbirgt sich ein Gesicht. Die prägendsten wollten wir porträtieren. In Anlehnung an das Gründungsjahr entstand schließlich der Titel zu diesem Buch: 19 Gesichter, 21 Geschichten. Einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt es übrigens nicht. Es ist eben keine klassische Vereinschronik.
Mit dem 3. September 2019 erhielt dieses Buch dann jedoch eine völlig neue, ungewollte Bedeutung. In dieser Nacht zerstörte ein verheerendes Feuer das komplette Vereinsheim des TSE, und mit ihm sein gesamtes Archiv. Was bleibt, ist dieses Buch! Wir hoffen, dass es dazu beiträgt, dass die ersten 100 Jahre des Vereins nicht in Vergessenheit geraten. Ganz nebenbei wurden wir unserem eigenen Buchtitel untreu und fügten ein weiteres Kapitel zur Brandnacht von Einfeld hinzu. Ein Sportverein ist eben immer in Bewegung.
Während unserer Arbeit haben wir mit vielen Menschen gesprochen, die uns bei den einzelnen Geschichten und Porträts mit Informationen und Materialien versorgt haben und ohne die dieses Projekt nicht zu realisieren gewesen wäre. Namentlich (in alphabetischer Reihenfolge) erwähnt seien hier:
Joachim Aust, Jutta Aust, Walter Aust, Kirsten Barck, Bernhard Berghofer, Thorsten Bestmann, Inge Boller, Kalli Boller, Ulli Brandt, Dieter Braun, Hermann Büch, Ernst-Paul Czekay, Hans-Georg Czekay, Holger Czekay, Lukas Czekay, Marina Czekay, Michael Czekay, Manfred Dick, Astrid Dittberner, Hans-Peter Falkner, „Tuti“ Falkner, Ralf Genz, Ingrid Gräsel, Marianne Graichen, Renate Groß, Horst Grubert, Kuno Hahn, Sönke Hahn, Christa Heeschen, Herta Heidelberg, Christa Hoffmann, Willi Holdorf, Hermann Hornung, Inge Jarr, Peter Kaack, Hubert Kessler, Hatto Klamt, Harry Koll, Ove Krüger, Horst Lawrenz, Hartmut Lübke, Reinhard Meißner, Manhard Miehlke, Sascha Milivojevic, „Stummi“ Moll, Wilm Mossakowski, Peter Müller, Helge Peters, Paul Pfützenreuter, Johann Ratz, Angelika Rehse, Sönke Rixen, Charlotte Rogge, Nima Sattarzadeh, Hermann Scheel, Gerd-Dieter Schmidt, Rüdiger Schmitt, Bodo Seibel, Dagmar Seibel, Dieter Stass, Willi Stiebert, Karin Tamar, Elisabeth Thullesen, Eva Vöge, Jochen Vöge, Rita Werkmann, Gernot Wessel, Hans-Ulrich Wilken, Herbert Wilken, Wolfgang Wittke, Volker Wurr.
Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen für die Auskunftsfreude ganz herzlich bedanken, gerade auch für die vielen persönlichen und privaten Details über diejenigen, die im Buch Erwähnung finden, und für die vielen Bilder, ohne die ein solches Projekt nur halb so viel wert wäre. Wir haben in all der Zeit viel Zuspruch erhalten. Wenn wir in unserer Auflistung jemanden vergessen haben, tut es uns aufrichtig leid. Dies gilt auch für den Fall, dass wir ein Gesicht oder eine Geschichte unterschlagen haben.
Neben den vielen privaten Quellen haben wir uns weiterer bedient: beim Holsteinischen Courier und bei den Kieler Nachrichten sowie bei den Fotografen Lennard Klimek, Jörg Lühn und Thomas Nyfeler (siehe Abbildungsverzeichnis); beim THW Kiel (Erik Eggers: Schwarz und Weiß, Die Geschichte des Rekordmeisters THW Kiel, Verlag Die Werkstatt, Göttingen, 2008) und in der Einfelder Dorfchronik (Harald Heeschen/Engeline Müller: Ein Streifzug durch Einfelds Vergangenheit, Verlag Books on Demand, Norderstedt, 2013).
Des Weiteren bedanken wir uns beim Vorstand des TSE, der uns in all dieser Zeit stets freie Hand gelassen hat. Er hat nicht nur sein (damals noch vorhandenes) Archiv als die für uns umfangreichste Quelle komplett geöffnet, sondern dieses Projekt auch vollständig finanziert. Die Erlöse aus dem Verkauf des Buches kommen selbstverständlich in voller Höhe dem Verein zugute. Ein großes Dankeschön geht ferner an die Druckerei Books on Demand in Norderstedt und hier insbesondere an Frau Annika Burmeister für die professionelle Vollendung unserer Idee.
Zu guter Letzt danken wir unserer Familie für die große Nachsicht in dieser doch sehr arbeitsintensiven Zeit. Wir freuen uns, dass dieses Projekt rechtzeitig zum Vereinsjubiläum am 7. Februar 2021 abgeschlossen werden kann. Herzlichen Glückwunsch, TS Einfeld!
Horst-Dieter und Carsten Kaikowski
im Juli 2020
Dass ein Sportverein auch Geschichten außerhalb des Sports liefert, ist nicht neu. Auch der TS Einfeld reiht sich nahtlos in diese Riege ein. Und so verbirgt sich hinter einer schlichten bürokratischen Protokollnotiz ein unglaublicher Kriminalfall aus dem Jahr 1971. Was war passiert?
Es ist das Jahr des 50-jährigen Bestehens des Vereins und dies möchte der TSE gebührend feiern. Schließlich zählt er mit seinen knapp 700 Mitgliedern zu den größten in der ganzen Stadt. Und da viele Einfelder sich noch nicht an die Eingemeindung durch die Stadt Neumünster im Jahr zuvor gewöhnt haben, ist die schwarz-weiße Festwoche gleichbedeutend mit dem offiziellen „Dorffest“ des nunmehr nördlichsten Stadtteils. Höhepunkt: das Zeltfest auf dem Marktplatz am 12. Juni 1971, einem Samstag.
In den Unterlagen des TSE wird es später über diesen Tag nur folgenden ebenso lapidaren wie knappen Satz geben: „Abgesehen von dem schlechten Zustand des Zeltes und dem bedauerlichen Vorfall (Todesopfer durch Schießerei) muß man sagen, daß es allen viel Freude gebracht hat.“ Tatsächlich erfahren viele der rund 700 Besucher des Festes erst am darauffolgenden Montag aus der Zeitung, was passiert ist, denn während drinnen ein rauschendes Fest tobt, spielt sich draußen weit nach Mitternacht in der Dunkelheit ein echtes Drama ab. Zwei, die dabei waren, sind Willi Stiebert und Harry Koll.
Beide erinnern sich: „Die Feier war in vollem Gange, als plötzlich Fremde ins Zelt kamen und Streit gesucht haben.“ Die Provokationen schaukeln sich hoch, draußen wird aus dem Streit eine handfeste Rauferei. Im Nachhinein wird die Polizei feststellen, dass es sich bei den Fremden um vier Sinti und Roma aus Nordrhein-Westfalen handelt, die am Einfelder See auf dem Campingplatz an der Strandhalle ihr Zelt aufgeschlagen hatten. Der eine, der 26-jährige Arnold Rother, zieht Willi Stiebert kräftig an den Haaren, gerät dabei jedoch an den Falschen. Denn der 19-Jährige, der später im TSE eine beachtliche Tennis-Laufbahn bis hoch in die Nordliga hinlegen wird, ist nämlich gelernter Boxer und weiß sich zu wehren. Dies bringt „Arno“ so in Bedrängnis, dass er sich sein Jackett auszieht und es seinem Kompagnon Wolfgang Ahrend übergibt, um sich in den Nahkampf zu begeben. „Damals hat man so etwas mit der Faust geklärt, aber danach war es auch wieder gut“, weiß Stiebert. Doch nicht in dieser Nacht. Denn der Streit eskaliert, als Ahrend in dem Jackett seines Freundes eine Pistole findet, auf Stiebert zielt und Arno zuruft: „Geh weg, ich schieß ihn um.“
Noch heute kommt Harry Koll (damals 18) dies wie in einem schlechten Krimi vor: „Dass die zu dieser Zeit überhaupt eine Pistole dabeihatten, ist unglaublich und zeigt, dass die wirklich ernsthaft Streit gesucht haben.“ Dann fällt der erste Schuss. Für Stiebert läuft es glimpflich ab. Eine unbewusste Kopfbewegung rettet ihm das Leben, denn die Kugel streift ihn nur an der Kopfhaut: „Zwei Millimeter weiter und ich wäre weg gewesen.“ Das Geschoss durchschlägt stattdessen die Zeltwand und die Wand einer Würstchenbude. Auch die Frau, die dort arbeitet, eine Mutter von sechs Kindern, kommt mit dem Schrecken davon. Weitere Schüsse fallen, doch wie durch ein Wunder wird niemand mehr verletzt. Stiebert indes bricht zusammen, wird später ins Krankenhaus gebracht.
Jetzt treten die Fremden die Flucht an. Harry Koll und weitere Einfelder nehmen die Verfolgung auf. In der Straße Grandsee vor Lütjens Bierstuben fällt ein weiterer, letzter Schuss – und dieser ist tödlich.
Wolfgang Ahrend hat wild in die Verfolgermeute geschossen und dabei seinen eigenen Freund Arno getroffen. Er flüchtet in die Nacht, stellt sich jedoch am Tag darauf freiwillig der Polizei. Ein Jahr später wird er zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen unerlaubten Waffenbesitzes und Totschlag verurteilt.
Die zweite Hälfte der 100-jährigen Geschichte des TS Einfeld ist unweigerlich mit dem Namen Herbert Wilken verbunden. Kein anderer Mann gehörte länger dem Vorstand an – 41 Jahre! – und war somit derart unmittelbar an den Geschicken des Vereins beteiligt wie der nur 1,70 Meter große Elektromeister. Dass er 2009 zum Ehrenmitglied ernannt wurde, versteht sich von selbst.
Als alter Stoveraner wurde Herbert Wilken im Jahr 1940 geboren und trat dem Verein mit 16 Jahren bei, um unter Trainer Hans Amelung Handball zu spielen. Sein Vater Johannes gestattete es ihm nicht vorher, denn er sollte zunächst die Schule beenden. „In dieser Zeit bin ich manchmal dreimal täglich mit dem Fahrrad nach Einfeld gefahren“, erinnert sich Wilken an seine Anfangsjahre, die vor allem sportlich eine Herausforderung waren. „Herbert, du musst nicht jeden Ball haben“, rief Trainer Amelung ihm bei seinem allerersten Spiel immer wieder zu. Schon damals deutete sich an, was Herbert Wilken auch in seinem späteren Leben auszeichnete. Er wich den Problemen nicht aus, krempelte die Ärmel hoch und stürzte sich ins Getümmel oder in die Arbeit.
Seine Lehrzeit als Elektroinstallateur verbrachte Herbert zwischen 1956 und 1959 bei der Firma Wigger in Neumünster, wo er auch danach eine Anstellung fand. 1961 wurde er für 18 Monate in die Bundeswehr eingezogen. 1966 übernahm er schließlich für den TSE das erste Mal eine Aufgabe abseits des Handballfeldes. Für zwei Jahre leitete er als Obmann die Sparte, ehe er 1968 in den Vorstand berufen wurde, den er erst 41 Jahre später wieder verlassen sollte.
Als Jugendwart (damals „Jugendleiter“) zeichnete er bis 1974 vor allem für die sommerlichen Jugendfahrten an den Brahmsee verantwortlich. Viele Anekdoten aus dieser Zeit sind im Gedächtnis geblieben – unter anderem von einem seiner Nachfolger als 2. Vorsitzenden, Joachim Sachau. „Achim hat oft versucht, mich zum Narren zu halten. Mal hat er sich im Sprungkasten versteckt und wir mussten ihn suchen. Mal tauchte er beim Nachtschwimmen unter den Steg und kam nicht mehr zum Vorschein.“ In diesen Momenten schlug Herberts Herz und das seiner mitverantwortlichen Betreuer Eva Thieß und Dieter Schlichting höher. „Aber es ist immer alles gut ausgegangen. Und zur Strafe musste Achim von allen die Schuhe putzen.“
Herbert Wilkens Verantwortung wurde zunehmend größer. Im Jahr 1973, zur Zeit der ersten großen Nachkriegsrezession in Deutschland, machte er sich mit seinem bis heute bestehenden Elektrogeschäft selbständig. 1974 wurde er zum Nachfolger des 2. TSE-Vorsitzenden Erwin Düllmann gewählt, da dieser aus Altersgründen ausschied. Diese Doppelbelastung aus Beruf und Ehrenamt machte ihm nichts aus. „Man war flexibel und man musste etwas tun“, sagt er im Rückblick bescheiden. Seine Frau Karola, die er 1969 geheiratet hatte, unterstützte ihn dabei. Schon ein Jahr nach Amtsantritt begannen dann die Planungen für ein neues Vereinsgelände. Die Sportstätte am Fuhrkamp mit nur einem einzigen Sportplatz inmitten des dicht bebauten Wohngebietes war längst zu klein geworden. Also galt es erneut die Ärmel hochzukrempeln. Gemeinsam mit Kuno Hahn und Niels Thullesen präsentierte Herbert Wilken 1976 ein fertiges Sportentwicklungskonzept für den TSE, das nach langen und schwierigen Verhandlungen mit der Stadtverwaltung Neumünster weitestgehend umgesetzt werden konnte. Zwischen 1982 und 1985 entstand das heutige Sportgelände am Roschdohler Weg, das ohne die erhebliche Eigenregie der TSE-Verantwortlichen niemals realisiert worden wäre. Logisch, dass Herbert Wilken die erforderlichen Elektroarbeiten koordinierte – und auch danach noch immer in der Verantwortung für den TSE blieb.
„Wenn man mit seinen eigenen Händen viel geschaffen hat, will man auch ein wenig gut davon haben“, berichtet Wilken über seine Motivation, die Vorstandsarbeit über einen solch langen Zeitraum zu betreiben, weit über seinen Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2006 hinaus. „Außerdem denkst du nicht an Rücktritt, wenn du viel um die Ohren hast.“ Gemeinsam mit Kassenwart Jochen Vöge lenkte und leitete er – zudem zwischen 1996 und 2006 auch noch Obermeister der Elektroinnung Neumünster, danach deren
Ehrenobermeister – das Alltagsgeschäft des TSE, hielt den Verein fern von Problemen oder Skandalen. Nur ein einziges Mal dachte er ans Aufhören. Es war im Jahr 1990, als er den 1. Vorsitzenden Hatto Klamt nach dessen schwerem Unfall vertreten musste: „Es hatte sich bei Hattos Privatadresse eine ganze Badewanne voller Post angesammelt. Irgendwo war auch etwas vom TSE dabei, und das musste ich herauspicken. Letztlich war meine Frau Karola die treibende Kraft weiterzumachen. Außerdem muss immer ein alter Crack dabei sein.“
Im Rückblick auf seine letzten Jahre im Vorstand zeigt sich Herbert Wilken versöhnlich: „Es hat sich bestätigt, dass der Vorstand verjüngt werden musste. Wenn die Grenze erreicht ist, musst du gehen.“ 2009 gab er den 2. Vorsitz an den 39 Jahre jüngeren Carsten Kaikowski ab. Sich aus dem TSE zurückzuziehen, entspräche
jedoch nicht seinem Naturell. Nach dem Ende seiner aktiven Handballzeit hatte Herbert sich bereits 1980 dem Tennis zugesprochen, das er auch im Ruhestand weiter mit Freude ausübt.
Ebenso legt er regelmäßig das Deutsche Sportabzeichen ab – 2016 zum 30. Mal! – und ist fester Bestandteil der männlichen Minderheit der TSE-Rückenschule bei Dagmar Seibel. Außerdem erfreut er sich an seinen vier Enkelkindern (von seinen Kindern Kyra und Marko), die allesamt die sportliche Lebenseinstellung ihres Opas geerbt haben und begeistert Handball spielen.
Der beschlossene Waffenstillstand vom 11. November 1918 beendete den 1. Weltkrieg und der deutsche Kaiser Wilhelm II. wurde zur Abdankung gezwungen. In Einfeld herrschten wie überall Not und Elend, im Dorf mit seinen rund 1.000 Einwohnern hatte zunächst jeder mit sich selbst zu tun. Die massive Ausweitung der Geldmenge zur Beseitigung der Staatsschulden in den Anfangsjahren der folgenden Weimarer Republik führte zu einer riesigen Inflation. Es gab Geldscheine zu 100 Billionen Mark. Mit den Geldscheinen zu 1 Mark wurden die Wände beklebt, da Tapeten teurer waren. Der Schwarzmarkt blühte.
Unter den Eindrücken dieser schweren Zeit fasste der damals 24-jährige „Junglehrer“ der Dorfschule, Paul Elwert, den Entschluss, in Einfeld einen Turn- und Sportverein zu gründen. Seine Einladung zu einer Gründungsversammlung am 7. Februar 1921 in das damalige Bahnhofshotel (heute befindet sich in dem Gebäude das griechische Restaurant Dionysos) fand großen Anklang bei den Einfelder Bürgern und so wurde noch am selben Abend der Turn- und Sportverein Einfeld gegründet. Als Satzungszweck wurde festgelegt: „Der Verein will es sich zur Aufgabe machen, Turnen und jegliche Sportart zu betreiben.“ Spontan fanden sich 20 Einfelder zu einer Männerabteilung zusammen und 17 Personen bildeten die Jugendsparte. Durch die Gründungsversammlung wurden Paul Elwert zum 1. Vorsitzenden, Carsten Heeschen zum 2. Vorsitzenden, Hans Horst zum Schriftführer und Hermann Kahl zum Kassierer gewählt. Der TSE war geboren.
Das Turnen fand in einem Klassenzimmer der damaligen Dorfschule (der heutigen Betreuten Grundschule und Stadtteilbücherei) und auf dem Saal im Bahnhofshotel statt. Man spielte Schlagball, Faustball, Fußball und Handball. Als Sportplatz diente der freie Platz neben der Schule.
Bereits im Jahr 1922 gab es beim TSE eine Frauenabteilung und einen Spielmannszug, diesen allerdings nur ein paar Jahre. Die Mitgliederzahl stieg schon im Jahr 1923 auf 155 an. Erste überregionale Sportbegegnungen wurden organisiert, zum Beispiel 1924 nach Rugenbergen bei Hamburg.
Auch in der Leichtathletik waren Sportler des TSE seit dem Gründungsjahr aktiv. So siegte eine Männermannschaft 1930 bei den Reichsjugendwettkämpfen des Kreises Bordesholm im Staffellauf. Bleibt festzustellen, dass die Vision des damaligen Junglehrers und der weiteren Gründungsmitglieder bereits wenige Jahre später in Einfeld erfolgreich war. Die sportlichen Veranstaltungen, die durch den TSE durchgeführten Wanderungen (wie modern der TSE damals schon war – heute ist „Walken“ wieder modern), die Sportfeste und Vogelschießen trugen wesentlich zum Gemeinschaftsgefühl im Dorf bei. Der Grundstein der nunmehr 100-jährigen Geschichte des TS Einfeld war gelegt.
Spieler, Trainer, Schiedsrichter, Fußballobmann, Spielausschussleiter, Vorsitzender des Sportgerichtes, Vereinsvorsitzender – diese Ehrenämter waren und sind in den meisten Fällen in einem Verein auf viele Schultern verteilt. Nicht so im TS Einfeld! Hier übernahm diese Posten allesamt nur eine einzige Person: Kurt Boller. Eine Geschichte über Aufopferung für den TSE und ein „wirklich allerletztes Mal.“
Der am 29. Oktober 1931 in Schönkirchen geborene Kurt Boller kam nach Kriegsende – wie viele andere ausgebombte Kieler – mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder Kalli nach Einfeld. Die Familie bezog eine kleine Wohnung in der damals neu errichteten Finnenhaussiedlung am Grandsee. Zu der Zeit war an einen geregelten Sportbetrieb nicht zu denken, aber Kurt wollte als wendiger Mittelstürmer seinen geliebten Fußballsport betreiben. Durch seine Schulzeit in der Wilhelm-Tanck-Schule in Neumünster und der anschließenden Lehre zum Industriekaufmann bei den Köster’schen Bekleidungswerken in Neumünster bekam er Kontakt zu einigen Spielern von Olympia Neumünster. So kam es, dass er sich 1948 dem leistungsstärkeren MTSV anschloss. Nach dem Aufstieg 1950 in die Bezirksliga folgte im Jahr darauf der Aufstieg in die Landesliga. Dies war nach der Oberliga bis zur Gründung der Fußball-Bundesliga im Jahr 1963 die zweithöchste deutsche Spielklasse.
Bei einem Pokalspiel 1952 gegen Bornhöved zog sich Kurt Boller eine schwere Knieverletzung zu. Diese komplizierte Verletzung, verbunden mit der wohl damals auch nicht optimalen medizinischen Versorgung, führte dazu, dass er auf dem hohen fußballerischen Niveau nicht mehr mithalten konnte. Aber ein Leben ohne Fußball und ohne die Kameradschaft innerhalb eines Sportvereins war für ihn nicht denkbar. Am 1. Juni 1953 trat Kurt Boller in den TSE ein. Ein Glücksfall für die Entwicklung der Fußballsparte, denn selbstverständlich kickte er sofort in Einfelds Ligamannschaft.
Daneben übernahm er die Aufgabe eines Jugendtrainers und als man ihn fragte, übernahm er Ende 1955 auch wie selbstverständlich das Amt des Fußballobmannes von Emil Stass. In der damaligen Zeit war der Fußballobmann sowohl für die Kinder und Jugendlichen als auch für die Erwachsenen zuständig, natürlich ehrenamtlich und ohne Aufwandsentschädigung. Von nun an galt: „Da musst du Kurt fragen. Das macht Kurt. Bring das zu Kurt. Das hat Kurt immer gemacht.“ Eine in der Fußballsparte des TSE beispiellose und aufopfernde Funktionärstätigkeit hatte begonnen.
So hatte er als Fußballobmann wesentlichen Anteil an der Planung und am Bau des Sportheimes und der Sportplätze am Fuhrkamp in den Jahren 1960/61. Als der TSE für den aus gesundheitlichen Gründen zurückgetretenen Karl Feldmann für das zweite Jahr seiner Amtsperiode einen neuen 1. Vorsitzenden brauchte, wurde Kurt Boller auf der Jahreshauptversammlung am 15. Februar 1963 einstimmig für ein Jahr gewählt. Doch auch nach weiteren zwölf Monaten hatte sich kein Mitglied dazu bereit erklärt, den Vorsitz beim TSE zu übernehmen. Wieder wurde Kurt gebraucht – und Kurt war da. Erst auf der Jahreshauptversammlung am 25. Februar 1966 konnte mit Werner Oppe ein Nachfolger gefunden werden, wobei Kurt jedoch gleichzeitig zum 1. Beisitzer in den Vorstand gewählt wurde. In diesen drei Jahren waren zunächst Heinz Maas und danach Günther Ripke Fußballobmann. Doch beide konnten auf Grund ihrer beruflichen Situation und der damit verbundenen längeren Ortsabwesenheit diese Tätigkeit nicht zu ihrer eigenen Zufriedenheit ausüben. Was lag näher, als Kurt zu fragen.
Natürlich wurde Kurt von „seinen“ Fußballern 1966 wieder zum Obmann gewählt. Er liebte und lebte diese Tätigkeit, die er bis 1991 ununterbrochen ausübte. Es gibt nicht wenige ältere Fußballer im TSE, die sich an Spartenversammlungen erinnern, bei denen sich Kurt „ein letztes Mal“ zum Fußballobmann hatte wählen lassen. Um dann zwei Jahre später bei der nächsten Spartenversammlung festzustellen, dass sich trotz seiner ganzen Bemühungen im Vorfeld kein Kandidat zur Wahl stellte. Wenn dann einer der anwesenden Fußballer Wiederwahl vorschlug, wurde Kurt „diesmal aber wirklich ein allerletztes Mal“ gewählt. Daneben engagierte er sich für den TSE viele Jahrzehnte beim Kreisfußballverband Neumünster als Beisitzer im Kreissportgericht (1955 bis 1958), als dessen Vorsitzender (1958 bis 1972) und als Kreisspielausschussobmann (1972 bis 1993), außerdem als aktiver Schiedsrichter.
In dieser Funktion war er lauffreudig, unheimlich regelsicher und sehr energisch. Meckernde Spieler hatten es nicht leicht bei ihm. Er hatte nicht den Ruf eines Heimschiedsrichters. Wenn zum Beispiel bei einem Spiel des TSE der angesetzte Unparteiische nicht erschien und Kurt pfeifen musste (die Regel sah das so vor), dann entschied er bei strittigen Szenen eher gegen den TSE. Aber das ist nur eine These, oder? Sein stetiger Einsatz, die Zielstrebigkeit und vor allem seine Korrektheit prägten auch sein Berufs- und Familienleben. Nach bestandener Lehre zum Industriekaufmann wurde er 1953 von den Bekleidungswerken Köster übernommen. Hier blieb er bis zur Abwicklung der Firma im März 1975. Er hatte sich bis zum Prokuristen hochgearbeitet. Danach war Kurt, auch dank der Vermittlung des damaligen 1. Vorsitzenden Karl Begas, als Angestellter beim Arbeitsamt Neumünster tätig.