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Layout: freya_art, Christina Diwold
Lektorat: Ulla Janascheck, Dorothea Forster
Bildnachweis: Daniela Dettling, Wolf Ruzicka

Pflanzenillustrationen: BioLib, Wikipedia

Illustration S. 11: Lara-Maria Dettling

weitere siehe Seite 224

printed in EU

Anmerkung: Die hier wiedergegebenen Informationen sind nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt, dennoch übernehmen weder die Autorin noch der Verlag eine Haftung für Schäden, welcher Art auch immer, die sich direkt oder indirekt aus dem Gebrauch der hier vorgestellten Anwendungen ergeben könnten.

Wichtig: Das Räuchern ersetzt nicht den Gang zum Arzt. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass kranke und psychisch kranke Menschen sich an ihren Arzt des Vertrauens, einen Psychologen bzw. an eine ärztliche Anlaufstelle wenden sollen. Die Räucherung stellt keine Heilbehandlung im Sinne der Schulmedizin bzw. der Psychotherapie dar. Schwangere und Stillende sollten ebenso nicht räuchern!

DANIELA DETTLING

Handbuch
des Räucherns

KRÄUTER • WURZELN • RINDEN • HARZE

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INHALT

EINLEITUNG

Entdeckung des Feuers

Unsere Sinne sind die Türen zu tiefgründigen Erfahrungen

Pflanzen lesen und verstehen

Wie wird geräuchert?

1. Räuchern auf Edelstahlsieb

2. Räuchern mit Kohle

3. Räuchersticks – Räucherbündel

4. Räucherstäbchen

Rezept: Räucherstäbchen selbst gemacht

Aus der Räucherpraxis

Rezept: Weihrauchöl

Haben Pflanzen eine Seele?

Der Jahreskreis, seine Feste & die passenden Kräuter

Lichtmess – Imbolc/Brigidh, 1./2. Februar

Frühjahrs-Tagundnachtgleiche – Ostara, 21. März

Maifest – Beltane, 1. Mai/Walpurgis 30. April

Sommersonnenwende – Litha, 21. Juni

Schnitterfest – Lughnasadh/Lammas, 1. August

Herbst-Tagundnachtgleiche – Mabon, 23. September

Keltisches Sylvester – Samhain, 1. November/Halloween, 31. Oktober

Wintersonnenwende – Jul, 21. Dezember

Raunächte

Rezept: Siaßes Koch

RÄUCHERKRÄUTER VON A–Z

Pflanzen im Porträt

Blüten, Blätter und Samen

Harze

Hölzer und Rinden

PFLANZENPORTRAITS

Ahorn Acer

Alant Inula helenium

Alpenveilchen Cyclamen purpurascens

Apfel Malus

Augentrost Euphrasia officinalis

Baldrian Valeriana officinalis

Beifuß Artemisia vulgaris

Beinwell Symphytum officinale

Bilsenkraut Hyoscyamus niger

Birke Bertula pendula

Braunelle, kleine Prunella vulgaris

Brennnessel Urtica

Brombeere Rubus

Buche Fagus sylvatica

Dost Origanum vulgare

Eberesche und Esche Sorbus aucuparia/Fraxinus excelsior

Ehrenpreis Veronica officinalis

Eibe Taxus baccata

Eiche Quercus

Eisenkraut Verbena officinalis

Efeu Hedera helix

Engelwurz Angelica sylvestris/Angelica archangelica

Erika (Heidekraut) Calluna vulgaris

Erle Alnus glutinosa

Farn (Wurmfarn) Dryopteris

Fette Henne Sedum

Fichte Picea abies

Flieder Syringa

Föhre Pinus sylvestris

Frauenmantel Alchemilla vulgaris

Fünffingerkraut Potentilla reptans

Gänseblümchen Bellis perennis

Gänsefingerkraut Potentilla anserina

Goldrute Solidago canadensis/virgaurea

Gundermann (Gundelrebe) Glechoma hederacea

Haselnuss Corylus avellana

Hauswurz Sempervivum tectorum

Heckenrose Rosa canina

Hagebutte (Fruchtform)

Herzgespann Leonurus cardiaca

Himbeere Rubus idaeus

Holunder Sambucus nigra

Hopfen Humulus lupulus

Ingwer Zingiber officinale

Iris Iris germanica

Jasmin Jasminum officinalis

Johanniskraut Hypericum perforatum

Kamille Matricaria chamomilla

Kapuzinerkresse Tropaeolum

Kastanie Castanea

Klette Arctium lappa

Königskerze Verbascum densiflorum

Kornelkirsche (Hartriegel) Cornus mas

Labkraut Galium

Lärche Larix decidua

Lavendel Lavandula angustifolia

Linde Tilia

Lorbeer Laurus nobilis

Löwenzahn Taraxacum

Lungenkraut Pulmonaria officinalis

Mädesüß Filipendula ulmaria

Malve Malva

Margerite Leucanthemum vulgare

Melisse Melissa officinalis

Minze Mentha

Mistel Viscum album

Nachtkerze Oenothera biennis

Nelke Syzygium aromaticum

Nelkwurz Geum

Odermenning Agrimonia eupatoria

Orange Citrus sinensis

Quendel Thymus pulegioides

Rainfarn Tanacetum vulgare

Ringelblume Calendula officinalis

Rose (Zierrose/Gartenrose) Rosa

Rosmarin Rosmarinus officinalis

Rotklee Trifolium pratense

Salbei Salvia officinalis

Schafgarbe Achillea millefolium

Schlehe Prunus spinosa

Schlüsselblume Primula veris

Schwarzpappel Populus nigra

Sonnenblume Helianthus annuus

Sonnenhut Echinacea

Spitzwegerich/Breitwegereich Plantago lanceolata/P. major

Steinklee Melilotus officinalis

Sternanis Illicium verum

Storchenschnabel Geranium robertianum

Tanne Abies alba

Taubnessel, weiß Lamium album

Thymian Thymus vulgaris

Ulme Ulmus

Vergissmeinnicht Myosotis

Veilchen Viola

Wacholder Juniperus communis

Walderdbeere Fragaria vesca

Waldmeister Galium odoratum

Wegwarte Cichorium intybus

Weide Salix

Weidenröschen Epilobium parviflorum

Weißdorn Crataegus

Wermut Artemisia absinthium

Wilde Karde Dipsacus fullonum

Wilde Möhre Daucus carota

Ysop Hyssopus officinalis

Zeder Cedrus

Zimt Cinnamomum

MISCHUNGEN, die gerne verräuchert werden

Räucher-Mischungen

Nachwort

Dem uralten Wissen rund ums Räuchern und den damit verbundenen Ritualen und Räucherwerk werde ich in diesem Buch meine Aufmerksamkeit, Freude und Hingabe schenken. Seit einigen Jahren schon begleiten mich die alten Bräuche und die Weisheit der Heilpflanzen, die beim Räuchern frei wird.

EINLEITUNG

Als Landkind war ich immer schon mit den Jahreszeiten verbunden. Viele der Jahreskreisfeste wurden damals in meiner Kindheit gefeiert und waren von wunderbaren Bräuchen und Ritualen begleitet.

Die Feste des bäuerlichen Volksbrauchtums unterscheiden sich von Gebiet zu Gebiet beispielsweise in den Festspeisen oder Gesängen. Eines haben sie dennoch gemeinsam: Man steigt kurz aus dem Alltag aus, setzt sich im Kreise der Familie und Freunde zusammen und feiert in Dankbarkeit das Osterfest, Fruchtbarkeitsfeste wie das Maifest, Walpurgis, Erntedankfeste oder Allerheiligen und die Raunächte. Die acht Jahreskreisfeste mit ihren Bedeutungen, Ritualen und zugehörigem Räucherwerk werden uns durch das gesamte Buch begleiten.

Das Brauchtum des Räucherns ist Teil unserer Kultur. Die Rituale, die wir damit verbinden, können wir vom Altbewährten übernehmen oder uns neue erfinden. Immer sind sie reich an Energie, kraftvoll, beruhigend und ausgleichend.

Alles, was in diesem Buch notiert ist, entstammt meiner persönlichen Erfahrung sowie der aktiven Energiearbeit mit dem Mysterium Mensch und den Pflanzenseelen.

Wenn wir mit der Natur zusammen arbeiten und leben, dann erwacht damit auch unser Urinstinkt, sie zu beschützen. Das ist besonders jetzt, da der Klimawandel ja schon stattgefunden hat und eine neue Ordnung mit sich bringt, ungemein wichtig. Wenn wir wieder lernen, gezielt auf die Zeichen zu achten, sie zu hören und richtig zu deuten, dann wird das für unser geistiges und spirituelles Wohlbefinden von immenser Stärke sein.

Diese Verbindung von Mutter Natur zu mir, jenes Band existiert schon viele Jahrzehnte. In den letzten Jahren, vielleicht ist es mit dem Älterwerden klammheimlich, still und leise einhergegangen, vernehme ich die Pflanzenseelen mit ihrer Sprache wieder verstärkt. Als kleines Kind sprach ich bereits mit ihnen, heute zeigen sie mir eine vielschichtige, noch tiefere Kommunikationsweise und eröffnen mir den Blick in eine Welt, die vielen verschlossen ist. Jedoch nur deshalb, weil die Menschen aufgehört haben hinzuhören. Erst wenn es leise wird im Inneren, können wir die Pflanzensprache wahrnehmen und das Vernommene auch deuten und nutzen.

Die Pflanzen sind immer an unserer Seite, sie brauchen den Menschen genauso wie der Mensch sie braucht.

Das uralte Wissen der Kräuterheilkunde, die Signaturenlehre, die Beschäftigung mit dem Wesen der Pflanzen verbunden mit dem Räuchern und den zugehörigen Ritualen geben uns die Möglichkeit, uns selbst etwas Gutes zu tun und eine ganz persönliche Kräuterarbeit zu entwickeln. Ich habe mich ausführlich mit der feinstofflichen Welt der Pflanzen beschäftigt. Intuitives Eintauchen unterstützt uns dabei, dass wir zu uns selbst finden, wichtige Themen bearbeiten und lösen sowie das eine oder andere persönliche Kraut entdecken.

Mein Kontakt mit der Natur ist sehr behutsam und mitfühlend, beseelt und vertrauensvoll. Ich achte und betrachte die Natur – sie fasziniert mich in all ihren Facetten – es sind Millionen von Wundern, die täglich vor der Haustüre passieren. Mit wachem Auge und offenem Herzen kann jeder die Magie spüren.

Ich wünsche allen Leser/innen viel Freude mit diesem Buch. Möge es Ihnen gelingen, die Natur als Gesamtheit anzusehen, den Geist der Pflanze zu erkennen, ihre Seele zu ergründen, die sie behütet und beschützt. Es ist ein neues Zeitalter, in welchem wir uns befinden – in den letzten 150 Jahren erforschten wir intensiv die Inhaltsstoffe der Pflanzen, um uns die Wirkungen für die Naturheilkunde und Pharmazie erklären zu können. Die Studien zu den Pflanzenseelen, den Devas, sind noch sehr jung. Und das ist auch gut so, denn so haben wir nun viel Zeit, immer mehr eins zu werden mit Mutter Natur. Die Seele der Natur – sie darf wieder erwachen und sichtbar werden – ein neues goldenes Zeitalter ist für mich eingetreten und dankbar bin ich, ein paar Schritte mitgehen zu dürfen.

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ENTDECKUNG
DES FEUERS

„Der Homo erectus beherrschte das Feuer,
was kein Tier kann, und beschlug Steine zu
symmetrischen Kunstwerken.“

RUDOLF STEINER

Ein großer Schritt in der Entwicklung des Menschen und eine markante Unterscheidung zu den anderen Säugetieren unseres Planeten ist die Entdeckung und Nutzung des Feuers. Die anthroposophische Lehre bezeichnet diese Entdeckung gar als die Geburtsstunde der Menschheit.

Forscher in Südafrika entdeckten in der „Wonderwerk-Höhle“ Feuerstellen, die über eine Million Jahre alt sind. Neben den Brandresten von Zweigen, Blättern, Rinden und Knochen stießen sie auch auf einfache Werkzeuge.

Demzufolge war der Homo erectus, der aufrechte Mensch, bereits vor dem Neandertaler der Nutzer des Feuers. Laut einer Aufzeichnung des Biologen Richard Wrangham nahmen die Frühmenschen bereits vor fast 1,9 Millionen Jahren am Feuer gekochte Speisen zu sich.

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Wahrscheinlich hielten sie ursprünglich ein natürliches Feuer, welches durch einen Brand oder Blitzeinschlag zustande kam, aufrecht und bewachten es gut.

Vor ca. 32.000 Jahren wurde dann das erste „Feuerzeug“ erfunden. Die Entdeckung, dass zwei aufeinandergeschlagene Steine einen Funken erzeugen, um damit dann ein Feuer zu entfachen, muss ein wahrer Segen für die Menschheit gewesen sein.

Ein Stein enthielt das Mineral Pyrit (Schwefelkies) und der zweite Stein war ein Feuerstein. Wenige Funken brachten einen bereitgelegten Zunderschwamm zum Brennen. „Brennt wie Zunder“ ist ein uraltes abgeleitetes Sprichwort aus dieser Entdeckung.

Den Zunderschwamm finden wir auch heute noch auf Bäumen wachsend. Ich trockne und verwende ihn stückweise als natürlichen Anzünder für meine Räucherungen statt der Räucherkohle. Das Räucherwerk wird anschließend auf den glühenden Zunderschwamm aufgelegt.

Wie kam nun das Feuer auf die Erde?

HIERZU GIBT ES VERSCHIEDENE THEORIEN:

In der griechischen Mythologie finden wir Prometheus, Bruder des Göttervaters Zeus. Nachdem die Erde von den Göttern erschaffen wurde, gab es niemanden, der sie hätte bewundern können. Daraufhin formte Prometheus Menschenfiguren aus Ton und Athene, die Göttin der Weisheit, hauchte ihnen Leben ein. Als die anderen Götter diesen das Feuer nicht schenken wollten, kam es zu einem Streit zwischen Prometheus und den Göttern. Flugs entzündete er einen Riesenfenchel an der Sonne und brachte so das Feuer zu den Menschen.

Als Strafe wurde Prometheus von den Göttern an einen Felsen gekettet und dort erst nach 30 Jahren von Herakles wieder befreit. Die Menschen erhielten von den Göttern ebenso eine Strafe: Sie sandten die bezaubernde Pandora mit einer geheimnisvollen Truhe auf die Erde. Von Pandoras Schönheit geblendet und berauscht nahmen die Menschen das Geschenk an. Mit dem Öffnen der Truhe kamen jedoch all die Krankheiten auf sie herab, die sie seither quälen.

Zur Freude über Kraft und Energie des Feuers kam nun auch das Leid.

Mit dem Feuer kam das Räuchern

Das Feuer war Wärmequelle, ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen Tiere und diente zum Schutz des Überlebens. Rund um die Feuerstelle sammelte man sich und kommunizierte.

Feuer brachte den Rauch und das Räuchern mit sich. Schnell erkannten unsere Vorfahren, dass der Rauch der verglimmenden Tannennadeln oder getrockneter Wacholderäste eine wohltuende Wirkung auf die Atmung und das Gemüt hatte. Verräucherte Kräuter oder Wurzeln sorgten für ein entspannendes Wohlbefinden, beflügelten die Stimmung oder führten zu halluzinogenen Traumreisen.

Mit dem aufsteigenden Rauch wurden Segenswünsche, Bitten, Wünsche und Sorgen zu den Göttern gesandt. Dazu wurden bestimmte Kräuter verräuchert wie z. B. Dost zum Schutze oder Engelwurz für das wiederkehrende Licht. Heiler und Schamanen verbanden sich über den aufsteigenden Rauch mit ihren Spirits, den Ahnengeistern.

Während der Räucherung sind die Wege zur geistigen Welt kurz und die Tore weit geöffnet. In vielen Kulturen wird seit jeher geräuchert, um den Verstorbenen die Reise ins Licht zu erleichtern und den Weg zu weisen. In der heutigen Palliativmedizin weiß man um die Wirkung von Düften und Aromen. Helfen sie doch auch den Hinterbliebenen, Abschied vom lieben Freund oder Familienmitglied nehmen zu können.

Die Kraft des Feuers wird beim Räuchern sichtbar. Jetzt gilt unser Respekt den Pflanzengeistern. Das Feuer zerstört das trockene Pflanzenmaterial – das Alte, was nicht mehr Bestandteil der Zukunft sein soll. Es bedarf eines Wandels. Das Alte muss gehen, damit das Neue einziehen darf. Der bei der Räucherung entstehende, als Rauch aufsteigende Duft enthält die gesamte feinstoffliche Kraft der Pflanzen. Die Botschaft ihres Wesens wird uns über den duftenden Rauch mitgeteilt.

Viele Jahrtausende alt ist die Räucherkunde und wer dieses Kräuterwissen besaß, genoss großes Ansehen und hatte Macht. Für die alten Ägypter war beispielsweise ein Tag ohne zu räuchern ein verlorener Tag. Ihre Räucherschalen standen vor den Tempeleingängen und Räucherwerk aus fernen Ländern wurde in Gold aufgewogen.

Bei der Durchführung von schamanischen Ritualen wurde seit jeher geräuchert. In Afrika räuchern Medizinmänner zu Heilzwecken und die Indianer werfen bei großen Festen das Räucherwerk direkt in die glühenden Kohlen. In Indien wird das Räuchern mit Räucherstäbchen praktiziert und in China gibt es schon seit Tausenden von Jahren sehr tiefgreifende Räucherzeremonien, in welchen man sich spirituell mit der Pflanze verbindet.

Heilung durch das Verräuchern von Kräutern, Rinden, Harzen und Wurzeln war auch den Druiden bekannt. Zur Reinigung der Atmosphäre, zum Vertreiben von Krankheitserregern, übler Gerüche und anderen medizinische Zwecken, für heilige Zeremonien und Rituale sowie für das Seelengemüt räucherten und räuchern die Naturheilkundigen bis heute.

Besonders der Weihrauch findet bei Reinigungs-Räucherungen eine große Verwendung, da er mit seinen Inhaltsstoffen, den Boswelliasäuren die Luft von Krankheitskeimen, Bakterien und schlechten Gerüchen klärt. Mit dem Weihrauch wurde die Atmosphäre nach Krankheiten oder Tod desinfiziert.

Gewusst wie – Benefits des Räucherns

In unserem Kulturraum verbindet man oftmals mit dem Räuchern den Kirchenweihrauch. Dieser löst bei manchen Menschen ein Unbehagen aus, erinnert man sich doch damit an die schlechten, sündigen Laster, die der Mensch hat und dafür Buße tun muss.

Im Volkstum verbindet man mit dem Räucherkult das Räuchern in den Raunächten, einen Brauch aus der heidnischen Zeit unserer keltischen und germanischen Vorfahren, bei dem man die Ställe der Tiere aufsucht und sie mit der Wirkung der Räucherkräuter und Segensgebeten versieht. Man erbittet in einem Ritual Schutz für die Haus- und Hofbewohner im kommenden Jahr. Traditionell verwendet man für diese Räucherung Salbei, Wacholder und Weihrauch.

„Die sieben Hauptsünden Stolz, Habsucht, Neid, Zorn, Unkeuschheit, Unmäßigkeit, Trägheit oder Überdruss wurden früher häufig als ‚Todsünden‘ bezeichnet. Sie sind Grundgefährdungen des Menschen und heißen Hauptsünden, weil sie oft Wurzel weiterer Sünden sind.“

ANSELM GRÜN

Schutz vor bösen Geistern und Dämonen nimmt bei den Räucherungen unserer Vorfahren einen großen Stellenwert ein. In alten Zeiten dachte man, dass man jene mit dem aufsteigenden Rauch vertreiben könne. „Dämonen“ können nun Ängste sein, aber auch alles Negative wie Neid, Hass, Gier, Süchte, Eifersucht oder Groll. „Dämonen“ sitzen hartnäckig in unseren Gedanken und flüstern uns allzeit und beständig Sätze ein wie: „Du kannst das nicht“, „Du bist klein und schwach“ oder „Versuchs gar nicht erst …“

Jeder hat sie in sich sitzen, manches Mal stärker, anderes Mal schwächer – mit einer Schutz-Räucherung kann hier viel losgelassen und davor bewahrt werden.

Räuchern hilft uns zu entspannen, die Seele baumeln zu lassen, Blockaden zu lösen oder mit Energien anzureichern. Wenn negative Energien sich in Räumen ansammeln, hervorgerufen durch Streit, Neid, Missgunst oder Angst, dann wirkt eine klärende Räucherung mit verschiedenen Reinigungskräutern wahre Wunder. Bereits nach wenigen Minuten spürt man, wie die negative Energie weicht und Harmonie in die eigenen vier Wände einzieht.

Wenn wir in die feinstoffliche Welt der Kräuter eintauchen dürfen, werden wir uns mehr mit der Natur verbunden fühlen.

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Wir erkennen den Rhythmus der Pflanzenwelt und erfahren die großen Kräfte, die in ihr stecken. Sehr stimmig ist es, wenn wir während der Räucherung achtsam unsere Wünsche, Hoffnungen und Sehnsüchte, Sorgen und Anliegen formulieren und sie direkt in den aufsteigenden, sich bewegenden Rauch sprechen. Der Effekt der Räucherung wird dadurch noch verstärkt, denn die eigene Stimme hat eine immense Kraft. Zusammen mit der Pflanzenkraft und den gesprochenen Worten wird die Räucherung noch mehr Einfluss auf den Erfolg des formulierten Anliegens haben.

Eine weitere Möglichkeit, die Stimme zu nutzen, ist der Gesang. Die Atmung wird beim Singen vertieft und durch das Einatmen gelangen noch mehr wohltuende Wirkstoffe in den Körper. Ich beginne meine Räucherung gerne mit einem Summen in tiefen Tonlagen, erhöhe die Töne dann ein wenig. Ich singe gerne Mantra-Lieder oder trommle sanft auf einer Trommel. Jeder kann für sich selbst herausfinden, wie die Räucherung stimmig und eindrucksvoll wird.

Eine Räucherzeremonie kann der nötige Gegenpol zum Stress sein, um sich wieder zu erden, zu verlangsamen.

Räuchern braucht Zeit – die sollte man sich nehmen. Es würde nicht zwischen Tür und Angel funktionieren. Ein Ritual bedarf einer Vorbereitung. Man wählt seine Räucherutensilien mit Bedacht aus. Es gibt Tage, da greife ich zu einer kleinen unscheinbaren Räucherschale, dann wieder wähle ich gerne besondere Räucherkelche für meine Meditationen. Und das passende Räucherwerk zu finden, das ist wohl nun die rechte Kunst. Je nach gewähltem Räucherwerk können wir die Umgebung reinigen, harmonisieren, heilen, schützen, energetisieren, einen geistigen Raum schaffen, träumen und vieles mehr. Unsere Sinne sind offen.

Die Wirkung der Kräuter setzt während der Räucherung sofort ein. Wie harmonisch die Düfte im Raum hängen, über unsere Nase aufgenommen werden und ins limbische System transportiert werden. Es dauert nur wenige Augenblicke und man ist zentriert im Hier und Jetzt. Die Aromen wirken auf den ganzen Körper, den Geist, das Unterbewusstsein, die Seele.

Wenn man den spiralförmig aufsteigenden Rauchsäulen Aufmerksamkeit schenkt, kann man hier vieles erkennen und wahrnehmen.

Ist zum Beispiel der Rauch sehr geradlinig und ruhig, so ist die Energie des Menschen bzw. der Umgebung ausgeglichen, entspannt – er ist mit sich im Reinen. Wäre die Räuchersäule aber sehr unruhig und würde sich in alle Richtungen bewegen, so könnte dies auf eine Unruhe im Herzen, im Geiste als auch der Umgebung hindeuten.

Wir lassen während der Räucherung den Alltag hinter uns und entspannen uns für eine Weile.

Es darf im Leben auch einmal ruhiger zugehen, die Muße darf im Vordergrund stehen und während der Räucherung blenden wir alle Reize, die sonst auf uns einströmen, einfach aus. Wir verändern unseren Bewusstseinszustand während einer Meditation oder einer Traumreise – es darf alles möglich sein. Mit dem aufsteigenden Rauch verbinden wir uns mit den Spirits, dem Göttlichen – das Wahrnehmbare verbindet sich mit dem Unsichtbaren, das Erdige mit dem Übersinnlichen.

Ätherisch bedeutet übersetzt duftig, engelhaft, fein, zart oder himmlisch: die ätherischen Öle der Kräuter, Wurzeln, Rinden und Harze nehmen wir über die Schleimhäute der Nase und den Mund auf. Wir atmen die Kraft der Natur tief in uns ein.

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UNSERE SINNE

SIND DIE TÜREN ZU TIEFGRÜNDIGEN ERFAHRUNGEN

Wenn wir unsere Sinne bewusst nutzen, dann ist dies ein hilfreicher Weg, um zufriedener, ruhiger, weniger gestresst, entspannter zu werden – einfach um sich besser zu fühlen und zu entschleunigen. Wir werden überrascht sein, wie intensiv wir gezielt mit den Händen, den Fingern, den Füßen und Zehen fühlen.

Wir brauchen nur unsere Sinne zu öffnen – die Wahrnehmung wird sich sofort, im Hier und Jetzt, intensivieren.

Der archaische Sinn – das Riechen

Seit Anfang der 90er-Jahre beschäftigen sich Neurologen, Mikrobiologen und andere Forscher vermehrt mit dem Geruchssinn – wie der Duft von der Nase ins Gehirn steigt, welche Empfindungen, Gefühle und Erinnerungen er auslöst.

Eine Hundenase verfügt über ca. 150–250 Millionen Sinneszellen, die menschliche Nase muss sich mit ca. 20–30 Millionen begnügen. In der Nasenhöhle sind diese auf ca. 5–10 Quadratzentimetern zusammengefasst. Die Macht des Geruchssinns nutzen wir tagtäglich:

Es gibt Düfte, die uns Harmonie, Nähe, Essenslust, Freude und nostalgische Erinnerung bringen. Doch auch Düfte, die negative Erinnerungen in uns hochrufen, sind in unserem limbischen System gespeichert und werden sofort wachgerüttelt, sobald unsere Nase die jeweiligen Aromen mit den Riechrezeptoren in der Riechschleimhaut über die Atemluft wahrnimmt.

Unsere tiefsten Winkel der Seele werden beim Aufnehmen und Erkennen eines Duftes offengelegt. Themen, die wir geheim halten möchten, vielleicht jahrelang vor uns selber und vor anderen verbergen und fest verschlossen halten, können bei der Erinnerung an einen Duft wieder ins Bewusstsein finden als Gefühl, Bild oder diffuse Erinnerung.

Wenn wir diesen Erinnerungsprozess bewusst steuern wollen, dann kann bei einer Räucherung genau das passende Aroma oder Kraut auf die Räucherschale oder in die Duftlampe gelegt werden.

Die Botschaft der Pflanze wird direkt über unsere Nase aufgenommen und auf dem Weg zum limbischen System wird sie bereits die Energiearbeit auslösen.

Der Duft – die Brücke zum Unterbewusstsein

Anatomisch gesehen nimmt der Riechsinn eine Sonderstellung ein: Er umgeht den Thalamus und seine Informationen kommen direkt an auf den Mandelkernen (Amygdala) und dem Frontallappen, größter Lappen der Großhirnrinde. Dies mag auch ein Grund dafür sein, warum wir Düfte immer emotional einstufen: Entweder lieben wir sie und empfinden sie als positiv oder wir ekeln uns davor und finden sie grauenhaft.

Unsere Vorfahren hatten mit Sicherheit feine Nasen, gelang es ihnen doch damit Gefahr zu wittern und Nahrung aufzuspüren. Im Laufe der Zeit wurde unsere Nase durch ein zu hohes Maß an künstlichen, synthetischen Düften „manipuliert“ und hat bei so manchen sogar verlernt, Düfte korrekt wahrzunehmen. Doch in einem unterscheiden wir uns nach wie vor nicht vom Urmenschen – bei der Partnerwahl. Forschungen zufolge wählt unsere Nase intuitiv jenen Menschen als unseren Partner aus, dessen Immunsystem von unserem gänzlich abweicht – der Grund liegt in der Vererbung der unterschiedlichen Geninformationen.

Bereits um die 20. Schwangerschaftswoche entwickelt sich beim menschlichen Embryo der Geruchssinn – also weit vor der Geburt können wir schon riechen. Auch nach der Geburt ist der Duftsinn so stark ausgeprägt, dass die Empfindungen und Gefühle an einen Geruch ein Leben lang mit diesem verknüpft werden. Wenn Babies während dem Stillvorgang den Duft von z. B. Orange riechen, werden sie jenen immer als angenehm empfinden und ihn mit Geborgenheit in Verbindung bringen.

Der Geruchssinn – das Riechen – verknüpft im Gehirn Erinnerungen, positive als auch negative Empfindungen. Bestimmte Assoziationen werden mit dem Geruch verbunden.

Die Werbebranche nutzt dieses Wissen massiv für ihre Werbekampagnen: Man betritt einen Supermarkt und es strömt der Duft von frisch gebackenem Brot beim Betreten des Geschäftes in die Nase. Aufmerksame Kunden suchen hier oft vergebens nach der frischen Brotbackstation, denn hier wird nur mit Diffusern und ätherischen Ölen bzw. synthetisch erzeugten Lebensmittelaromen gearbeitet.

Der Duft nach frisch gebackenem Brot steigert die Kauflaune der Kunden und daher wird er manipulativ eingesetzt. Und wenn der Kunde sich länger im Geschäft aufhält, beeinflusst dass nachgewiesen den Tagesumsatz.