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BRAMANN Basicsbuch & medien | bibliothek

Band 3

Hg. von Klaus-W. Bramann und Anke Vogel

Thomas Breyer-Mayländer, Klaus-W. Bramann

Online-Marketing und E-Commerce für Buchverlage

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Alle Titel der Reihe werden in der Deutschen Nationalbibliografie angezeigt.

© 2017 Bramann Verlag, Frankfurt am Main

Herstellung

Druck und Bindung

ISBN (Print)       978-3-934054-54-7

Inhalt

Vorwort der Herausgeber

1Grundlagen des Marketings in der digitalen Welt

1.1Marketing-Mix

1.2Online-Marketing

1.3E-Commerce und Multi-Channel-Retail (MCR)

1.4Zielgruppen im Markt der Online-Medien

1.5Marken- und Produktqualität

1.6Digitale Verlagserzeugnisse und Veränderungen im Buchmarkt

2Online-Kommunikationspolitik

2.1Corporate-Websites

2.2Online-PR

2.3Online-Werbung

2.4Suchmaschinen-Marketing

2.5E-Mail-Marketing

2.6Affiliate-Marketing

2.7Social Media

3Produktpolitik

3.1E-Books, Hörbuch und E-Book-Reader

3.2Vom Buch zur Software

3.3Printing-on-Demand (PoD) / Publishing-on-Demand

3.4Prosumenten und Open Innovation

3.5AGFA – die großen Vier als ›Game Changer‹

4Distributionspolitik:
E-Commerce und stationärer Handel

4.1Die Auswirkungen digitaler Produkte auf den Handel

4.2Prinzipien des E-Commerce

4.3M-Commerce

4.4Social Commerce

4.5Neue Verlagskompetenzen: CRM, aCRM, eCRM

4.6Unabhängigkeit vom stationären Handel

5Erfolgskontrolle im Online-Marketing

5.1Webanalyse/Webtracking

5.2Eyetracking/Mousetracking

5.3Kampagnenkoordination

5.4Social-Media-Messung

5.5Impact-Messung im PR-Sektor

5.6Erfolgsmessung für Newsletter-Kampagnen

5.7Erfolgsmessung für Kundenzufriedenheit

6Kontrahierungspolitik (Preis- und Geschäftsmodelle)

6.1Preiswettbewerb bei Verlagsprodukten

6.2E-Books

6.3Neue und gebrauchte Produkte

6.4Individualisierung

6.5Crowdfunding

6.6Partizpatives Authoring und Open Innovation

7Rechtsrahmen für Online-Marketing und E-Commerce

7.1Rechtsrahmen für Online-Marketing

7.2Rechtliche Aspekte des Buchgeschäfts

7.3Open Access und die Vermarktbarkeit von Fachinhalten

8Strategisches Management und digitaler Marketing-Mix

8.1Strategische Auswirkungen des Multichannel-Marketings

8.2Offenheit für alle Vertriebsvarianten

8.3Marketing-Mix als System und Strategie – künftige Herausforderungen

Verwendete und weiterführende Literatur

#Spotlights

Sachregister

Vorwort der Herausgeber

Wer beruflich mit Büchern arbeiten möchte, benötigt ein breites Wissen rund um dieses Medium. Vielfältige Wandlungsprozesse wirken sich derzeit auf die Erstellung von Produkten, den Vertrieb, die Buchvermittlung im weitesten Sinne und die Rezeption aus. Will man diesem Wandel in einer digitalisierten Medienumwelt erfolgreich begegnen, müssen traditionelle Wissensbestände durch neue Informationen ergänzt werden. Die Reihe BRAMANNBasics buch & medien bietet hierfür aktuelles und komprimiertes Wissen.

Das klassische Marketing wird heutzutage durch verschiedene Möglichkeiten der Internetkommunikation und der digitalen Medien ergänzt, die über alle Sparten hinweg in zunehmendem Maße relevant werden. Im vorliegenden Band, der den Titel Verlagsmarketing von Ulrich Huse in idealer Weise ergänzt, werden nicht nur zentrale Begriffe des Online-Marketings und E-Commerce erläutert, sondern auch derzeit virulente und mögliche zukünftige Problemstellungen kenntnisreich und praxisnah diskutiert.

Thomas Breyer-Mayländer hat seit 2001 eine Professur für Medienmanagement an der Hochschule Offenburg inne, wo er seit 2011 auch Prorektor für Marketing und Organisationsentwicklung ist. Zuvor war er u.a. Geschäftsführer der Zeitungs Marketing Gesellschaft (ZMG), der zentralen Marketingorganisation der deutschen Zeitungsverlage und Referent beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Klaus-W. Bramann ist langjähriger Dozent am mediacampus frankfurt und seit 1999 Verleger für Fachthemen der Medienbranche im Bereich der Aus- und Weiterbildung. Beide Autoren haben zahlreiche Bücher veröffentlicht und sind mit Verlagsthemen auch als Berater unterwegs.

Januar 2017

Klaus-W. Bramann und Anke Vogel

1

Grundlagen des Marketings in der digitalen Welt

Ein Special-Interest-Verlag, der unter anderem Zeitschriften und Bücher für Jäger und die holzverarbeitende Industrie produziert, stellt fest, dass seine Top-Seller immer weniger zum Gesamtumsatz des Unternehmens beisteuern. Diese Titel begründeten einst den Erfolg des Verlags und konnten als ›cash cow‹ bis vor drei Jahren bei allen Neuauflagen ebenfalls bedeutende Umsätze und Erträge generieren. Die Controller der Muttergesellschaft sind der Meinung, das Problem liege wohl im Bereich des Marketings. Der Verlagsleiter entscheidet sich daraufhin für eine umfassende Werbekampagne, die jedoch nicht die erhoffte Wirkung zeigt. Die Konzernzentrale ist weiterhin unzufrieden mit Kennwerten und Leistungskennziffern. Ein Kernpunkt der Kritik diesmal: Eine ›echte‹ Veränderung, die auch dem digitalen Wandel Rechnung trägt, stehe aus.

Die Digitalisierung der Wirtschaft durch die Internet-Kommunikation, die gestiegene Nutzung des #E-Commerce und das zunehmende Engagement breiter Bevölkerungsschichten auf den Social-Media-Plattformen hat Auswirkungen auf viele Branchen. Autos werden beispielsweise nicht mehr nur von Privatleuten gekauft, sondern auch von untereinander unbekannten Privatpersonen gemeinsam genutzt und geliehen, die Wertschöpfung verlagert sich damit vom Verkauf der eigentlichen Technik auf Dienstleistungen rund um das Thema Mobilität. Selbst reine Dienstleistungsbereiche, wie Taxi-Unternehmen, sind von dieser Entwicklung betroffen – gibt es doch Apps, mit denen man sich statt eines Taxis einen unlizenzierten Privatchauffeur chartern kann. Es ist daher keine exklusive Problemstellung der Medienbranche im Allgemeinen bzw. der Verlagsbranche im Besonderen, dass Produktformen, Nutzungsszenarien und Geschäftsmodelle sich verändern. Viele historisch überkommene und lieb gewordene ›Spielregeln‹ unterliegen einer intensiven Veränderung. Auch im Bewusstsein der Leser und der Buchhandelskunden ist dieser Veränderungsprozess spürbar.

In diesem Buch geht es um unterschiedliche Methoden, Konzepte und Produkte des digitalen Marketings im Buchsektor. Die tragenden Säulen hierbei sind E-Commerce und Online-Marketing, wobei die Online-Kommunikation als eine Art ›Teildisziplin‹ des Online-Marketings einen besonders großen Stellenwert einnimmt. Um die Begriffe von Anfang an terminologisch sauber voneinander zu trennen: Digitales Marketing ist mehr als digitale Kommunikation, und diese umfasst wiederum mehr als nur Aspekte digitaler Werbemöglichkeiten.

Marketing umfasst alle Maßnahmen, um Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen

Marketing umfasst ein breites Aufgabenspektrum. Lange Zeit wurde Marketing mit der Funktion des Absatzes gleichgesetzt. Es ging darum, die erstellten Leistungen (Bücher, E-Books etc.) dem Markt zugänglich zu machen und für deren erfolgreiche Vermarktung zu sorgen; Produkte wurden ›auf den Markt gebracht‹. Diese Vorgehens- und Sichtweise vernachlässigt jedoch die Tatsache, dass Produkte nur dann erfolgreich im Markt untergebracht werden können, wenn sie auch den Erfordernissen des Marktes entsprechen. Ein Buch, das geschrieben, lektoriert, gestaltet, gedruckt und gebunden wurde, ist nichts anderes als teures Altpapier, wenn es nicht die Bedürfnisse der Kunden bzw. einer Leserschaft anspricht. Daher muss eine umfassendere Sichtweise des Marketings genutzt werden. Marketing in diesem erweiterten Sinne bedeutet die Ausrichtung eines Verlags an den Erfordernissen des Marktes und somit an den Bedürfnissen der Kunden. In unserem Beispielverlag könnte es beispielsweise bei der Zielgruppe der Jäger darum gehen, statt eines Buchs über das Jagdrecht eine App anzubieten, bei der die Jagdzeiten so hinterlegt sind, dass sie je nach Aufenthaltsort des Jägers die länderindividuellen aktuellen Gegebenheiten der Schon- und Jagdzeiten anzeigen.

Die Konzentration und Fokussierung auf den betriebswirtschaftlichen Faktor Absatzmarkt ist immer dann gerechtfertigt, wenn es sich auch tatsächlich um einen Engpass handelt, auf marketing-neudeutsch um einen ›Bottleneck‹. Denn nur dann, wenn ein Markt ein Käufermarkt ist, wenn die Marktmacht auf Seiten der Nachfrager liegt, die zwischen einer großen Zahl von Anbietern und Angeboten auswählen können, ist dieses Vorgehen korrekt. Für den Buchmarkt in Deutschland trifft dies auf jeden Fall zu. Er ist ein derartig vielschichtiger Markt, in dem – inklusive der Kleinstverleger sowie der Self-Publisher-Szene – mehr als 20.000 Verlage jährlich rund 100.000 Neuerscheinungen (Bücher inkl. E-Books) publizieren. Die Zahl der lieferbaren Medien liegt bei mehreren Millionen, was auch auf die Printing-on-Demand-Technik zurückzuführen ist, mithilfe derer Bücher je nach Bedarf in Einzelexemplaren oder Kleinauflagen produziert werden können. Am Marketing und einer Marktorientierung der produzierenden Unternehmen führt somit kein Weg vorbei. Das belegt auch die weithin akzeptierte Typologie (Breyer-Mayländer u.a. 2014, 29f), nach der Buchverlage unterschieden werden.

VERLAGSTYPOLOGIE

PUBLIKUMSVERLAGE

Publikumsverlage bedienen in erster Linie general interest; sie orientieren sich an dem Unterhaltungsbedürfnis sowie an allgemeinen (kulturellen) Interessen ihrer Kunden. Publikumsverlage beschäftigen sich mit Zeitströmungen, die das Lesepublikum bewegen, um entsprechende Stoffe zu erwerben und Produkte zu entwickeln. Als Special-Interest-Verlag kümmern sie sich in großen Verlagshäusern aber auch um Spezialthemen, die für den interessierten Laien aufbereitet werden. Publikumsverlage arbeiten eng mit den großen Handelsketten zusammen und sind durch einen hohen Kapitaleinsatz für Bestseller gekennzeichnet; ihr Erfolg ist weitgehend vom Handel und der Resonanz in den Medien abhängig.

Die breite Themenpalette führt dazu, dass nicht nur einheitliche Markenfamilien mit einem gemeinsamen Markendach existieren, sondern in komplexen Verlagsgebilden auch zahlreiche Imprints (thematisch-inhaltlich strukturierte Einzelmarken) mit klaren Kompetenzprofilen geführt werden. Bertelsmann/Random House, Holtzbrinck und die Bonnier-Gruppe praktizieren eine derartige Mehr-Marken-Strategie.

VERLAGE FÜR FACHINFORMATIONEN

Fachverlage bedienen professional und scientific interest; sie orientieren sich an Themenfeldern, die für Berufsgruppen und Wissenschaftsdisziplinen relevant sind, und dienen der Fortbildung und Fachinformation. Ihr Absatz stützt sich vor allem auf eine gut sortierte Kundendatei. Je nach Themengebiet und Aktualisierungszwang sind sie mehr oder weniger stark durch digitale Produktformen geprägt. Im Wissenschaftssektor ist das gedruckte Buch eine mögliche Produktvariante. Auch hier praktizieren die Marktführer eine Mehr-Marken-Strategie.

VERLAGE FÜR BILDUNGSMEDIEN

Verlage für Bildungsmedien bedienen educational interest, wobei die Aus- und Weiterbildungsinteressen im Schul- und Lehrbuchsektor von den föderalen Strukturen des differenzierten Schul- und Universitätssystems abhängen. Im weiteren Sinn gehören sie zu den Fachverlagen; sie entwickeln und verbreiten wissenschaftlich fundierte und pädagogisch aufbereitete Lern- und Lehrmaterialien.

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Wertorientierter Prozess der betrieblichen Leistungserstellung unter Einbeziehung der Marktbedürfnisse. Quelle: Schönstedt/Breyer-Mayländer 2010, 231; abgeleitet von Kotler/Bliemel 1999, 130

Die oben stehende Grafik verdeutlicht den Stellenwert des Verlagsmarketings im Prozess der betrieblichen Wertschöpfung. Die Wertschöpfungskette selbst und die damit verbundenen Geschäftsmodelle werden jedoch im digitalen Zeitalter »auf den Kopf gestellt« (Huse 2013, 15). Denn statt der bisherigen Konzentration auf die technische Produktion und Distribution als ökonomisch wertbestimmende Faktoren ist nunmehr die Erstellung und Konzeption des Contents und die sich aus ihr erzielbare Wertschöpfung zentrales Anliegen. Wer sich mit den Zukunftsstrategien der Verlage im digitalen Markt befasst, muss daher immer wieder die Frage möglicher Wertschöpfungsketten und der sich aus ihr ergebenden Geschäftsmodelle im Blick haben.

Digitalisierung und disruptive Innovationen

Bei der Digitalisierung handelt es sich im Prinzip um ein eher altes technologisches Phänomen: die Umsetzung von kontinuierlichen Signalen der analogen Welt in eine codierte Sprache. In diesem Sinne waren das Morsealphabet und die Blindenschrift des 19. Jahrhunderts erste Erscheinungsformen einer Codierung, die aber erst mit dem Binärcode und dessen Umsetzung in die digitale Computerwelt in der zweiten Hälfte des vorausgehenden Jahrhunderts massenkompatibel wurde. Dieser Wandel betraf zu Beginn lediglich die Veränderung der Prozesstechnologie. Ein gedrucktes Buch, das erstmalig mithilfe einer volldigitalisierten Druckvorstufe hergestellt wurde, unterschied sich nicht von einer Printausgabe, bei der ausbelichtete Filme in konventioneller Bogenmontage zusammengefügt wurden, um daraus die für den Druck benötigten Offsetdruckplatten herzustellen. Weder die Produktebene noch die Lebenswelt der Leser waren dadurch betroffen. »Aber Digitalisierung im Verständnis der letzten zehn Jahre ist mehr. Im Fokus des Digitalisierungshypes steht nicht etwa die Übertragung von analoger Information auf ein digitales Medium. Vielmehr geht es um die Übertragung des Menschen und seiner Lebens- sowie Arbeitswelten auf eine digitale Ebene. Menschen brechen aus der lokalen Offline-Welt aus und wollen omnipräsent, vernetzt und always-on sein. Sie verstehen sich selbst als Individuen in der immer gegenwärtigen Sphäre der Digital Community.« (Hamidian/Kraijo 2013, 5)

Ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre befassten sich Entscheidungsträger in Unternehmen der Medienindustrie intensiver mit der Digitalisierung, da zunehmend Produkte, Vertriebsstrukturen und damit komplette Märkte bzw. Marktsegmente digitalisiert und verändert wurden. Zahlreiche Branchenvertreter sahen sich dabei in einer Opferrolle; wurden sie doch nach eigenem Empfinden von dieser Entwicklung unfair überrollt. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Axel Springer, hat diese Haltung jedoch zurecht kritisiert, als er darauf hinwies, dass nicht nur die Medienbranche von der Digitalisierung betroffen sei, sondern auch andere Branchen. Er plädierte stattdessen für einen Perspektivenwechsel: weg von der Rolle als Opfer und hin zu der eines Pioniers, der die Entwicklung selbst gestaltet (Döpfner 2010, 180).

Die Folge der Digitalisierung der Medien- und Verlagsbranche sind disruptive Entwicklungen – um ein ›Buzzword‹ der Marketing- und Management-Szene zu verwenden. Clayton M. Christensen hat in seinem Werk The Innovators Dilemma (1997) beschrieben, wie erfolgreiche Unternehmen im Hinblick auf ihre Zukunftsplanung darunter leiden, dass sie zwar in der Lage sind, ihr etabliertes Produktschema und Geschäftsmodell zu perfektionieren, dass es ihnen aber meist nicht möglich ist, ihr eigenes Geschäftsmodell komplett aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, es sozusagen auf den Kopf zu stellen. Genau dieses Phänomen bezeichnet der Terminus #disruptive Innovation. Kundenorientierung und konventionelle Marktforschung funktionieren jedoch nur dann am besten, wenn man den Bedarf von Produkten ermittelt, die in ihrer Funktion oder ihrem Nutzen der Zielgruppe vertraut sind. Man kann auch hier auf einen überlieferten Spruch von Henry Ford zurückgreifen, der mit Blick auf Innovation einmal angemerkt hat: »Wenn ich die Menschen gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt ›schnellere Pferde‹.«

Bei disruptiven Veränderungen ist die neue Methode oftmals zu Beginn schlechter als das bisher etablierte Verfahren. Sie ist aber mitunter kostengünstiger oder ermöglicht grundsätzlich neue Funktionalitäten und genügt am Ende der ersten Entwicklungsphase zumindest den Ansprüchen der Kunden mit einfachem Anspruchsniveau. Die innovativen Produkte führen hingegen meist zu einer weiteren Diversifikation in einem Segment, das oberhalb des Anspruchsniveaus des Marktes liegt. Ein konkretes Beispiel mag diesen abstrakt klingenden Zusammenhang verdeutlichen: Ob digitale Fotografie wirklich auch etwas für den professionellen Bereich, z.B. für die Herstellung von Bildbänden, sein kann, wurde zu Beginn dieser neuen Technologie kritisch hinterfragt. Die ersten Produkte in diesem Umfeld wiesen keineswegs schon alle Elemente der besseren Technologie auf, und die Anwendung in Verbindung mit Social Media (siehe Kap. 2.7), wie Instagram, Facebook oder WhatsApp, war zu dieser Zeit noch gar nicht vorstellbar (Boyny 2010, 91). Aber diese Methode hat den Produkten einen neuen ›Status‹ verschafft, der in Verbindung mit dem Aufkommen der Smartphones dazu geführt hat, das Grundprodukt Fotoapparat im Publikumsgeschäft zu einer Teilfunktion eines multifunktionalen Smartphones zu degradieren. Das Segment der professionellen Fotografie und der ambitionierten Hobbyfotografie ist im Volumen merkbar zurückgegangen und heute überwiegend digital geprägt.

Photosharing: Das Einstellen von Fotos und Videos auf Plattformen, um diese mit (selbst ausgewählten) ›Freunden‹ zu teilen

Zurück zur Theorie: Die Schwierigkeit für Entscheidungsträger besteht darin zu erkennen, wann eine disruptive Veränderung vorliegt und somit eine weitere lineare Verbesserung des Produkts im Sinne einer erhaltenden Industrie nur noch wenig wirtschaftlichen Sinn macht. Da etablierte Marktteilnehmer im Rahmen größerer Veränderungsprozesse in ihrem bisherigen Marktsegment etwas zu verlieren haben, schaffen sie es in der Regel nicht, zu den Innovatoren für disruptive Veränderungen zu gehören. Es war eben nicht das Unternehmen Bertelsmann, das den Online-Buchhandel revolutionierte, sondern der Marktaußenseiter Amazon. Und es war nicht das Unternehmen Kodak, das den Markt der digitalen Fotografie aufrollte, den es einst erfunden hatte, sondern andere Hardwarehersteller aus dem Bereich der digitalen Kommunikation. »The reason is that good management itself was the root cause. Managers played the game the way it was supposed to be played. The very decision-making and resource-allocation processes that are key to the success of established companies are the very processes that reject disruptive technologies.« (Christensen 1997, 86)

1.1

Marketing-Mix

Ein neuer Titel aus dem Bereich Management und Kommunikation kommt demnächst auf den Markt. Er soll Führungskräfte bzw. Politiker ansprechen, die Verantwortung für die öffentliche Positionierung von Organisationen tragen. Ein Buch für Profis also, das jedoch auch von interessierten Laien gelesen werden soll. Es geht darum, die typische Fachbuchklientel zu erweitern. Offensichtlich stellt ein solches Projekt im Bereich der Produktpolitik hohe Anforderungen, denn das Image des Verlags und der Reihe muss zur Zielgruppe und Zielsetzung des Buches passen. Die inhaltliche Qualität (Inhalt, Sprache, Stil etc.) muss genauso passen wie die formale Ausgestaltung (Umfang, Bindung, Layout etc.).

Auf Ebene der Kontrahierungspolitik stellt sich die Frage nach der Preisklasse, in der sich ein solches Produkt mit einer entsprechenden Auflage positionieren lässt; im gegenwärtigen Markt wäre eine der psychologischen Preisgrenzen bei 20 bzw. 25 Euro zu sehen. Im Distributions-Mix kann der Verlag über den klassischen stationären Buchhandel, den Fachbuchhandel, den Online-Buchhandel und den Bereich Kongresse, Seminare oder sonstige Fachveranstaltungen gehen. Dabei kann u.a. der Online-Buchhandel in enger Wechselwirkung mit Online-PR mit Blick auf die klar beschreibbare Zielgruppe gesondert gesteuert werden. Denn teure Anzeigen dürften im Rahmen der Kommunikationspolitik für einen solchen Titel kaum zu finanzieren sein. Dennoch kann in Verbindung mit Ansätzen der Online-PR eine sinnvolle Kommunikationsstrategie realisiert werden.

Das Aufgabenspektrum des Verlagsmarketings orientiert sich am klassischen Marketing-Mix. Aus dem amerikanischen Sprachgebrauch sind es die vier ›P‹ (Product, Place, Promotion und Price), die in jeweilig sinnvoller Kombination die Marktorientierung sicherstellen. Nur wer das Gesamtkonzept im Blick hat, kann vernünftige Entscheidungen treffen und mit seinen operativen oder strategischen Entscheidungen den Markterfolg gestalten.

Die Produktpolitik (Product) ist der Ausgangspunkt der Marketingüberlegungen. In der Praxis erweist es sich stets als sehr problematisch, wenn Verzögerungen oder Schwächen auf der Ebene der Produktpolitik bzw. des Produkt-Mix dadurch kompensiert werden sollen, dass einer der drei anderen Bereiche des Marketing-Mix (meist die Kommunikationspolitik) stärker betont werden. Auf gut deutsch: Schlechte Produkte werden nicht dadurch besser, dass der Verkäufer auf dem Markt lauter schreit. Die genaue Vorstellung der Zielgruppenerwartungen, das Wissen um das Besondere des jeweiligen Inhalts (Content) ist entscheidend, um Marktchancen abschätzen zu können.

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Klassische Gliederung des Marketing-Mix, bezogen auf den Buchmarkt.

Quelle: Schönstedt/Breyer-Mayländer 2010, 230; in Anlehnung an: Meffert 2000, 115

Die Kontrahierungspolitik (Price) spielt hinsichtlich des Preisniveaus und des Preisabstandes zwischen Printausgaben und E-Books eine wichtige absatzstrategische Rolle. Sobald sich Verlage für bestimmte Preise entschieden haben, gelten die Bestimmungen des Buchpreisbindungsgesetzes. Als Anreizsystem für den Einzel- und Zwischenhandel jedoch ist die Kontrahierungspolitik ein Themenfeld, das im Bereich der Konditionen und Rabattstrukturen zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten bietet.

Das Zusammenspiel zwischen Verlag und verbreitendem Buchhandel wird maßgeblich durch die Distributionspolitik (Place) bestimmt. Hier müssen die Vertriebskanäle so ausgewählt werden, dass ein wirtschaftlich sinnvoller Vertrieb möglich ist und die Zielgruppen möglichst günstig, schnell und effizient über die unterschiedlichen Kanäle erreicht werden. Neben den klassischen Handelskanälen geht es, vor allem bei Fachverlagen, um die Suche nach alternativen Vertriebsmodellen innerhalb des Direktvertriebs.

Im dem von Laien meist als Marketing schlechthin wahrgenommenen Bereich der Kommunikationspolitik (Promotion) kommen die Kanäle Werbung, persönlicher Verkauf und PR bei sehr vielen Buchprojekten nebeneinander und zeitlich parallel zum Einsatz.

1.2

Online-Marketing

Ein Blick in die Fachliteratur zeigt: Die Themenfelder des Online-Marketings oder Aufgabenstellungen von spezialisierten Online-Marketing-Agenturen sind keineswegs klar geordnet. Speziell das Thema Online-Marketing hat mit zunehmender Verbreitung und Etablierung einen Bedeutungswandel in Theorie und Praxis erfahren. Wurden Ende der 1990er Jahre Internet- und Online-Marketing auf die Kommunikationsfunktion innerhalb des Marketing-Mix reduziert, findet heute vorzugsweise eine Verengung auf Suchmaschinen-Marketing in Form von Search Engine Advertising (SEA) und Search-Engine-Optimization (SEO) statt (siehe Kap. 2.4). Beide Sichtweisen greifen zu kurz. Denn Online-Marketing umfasst alle Maßnahmen bzw. Maßnahmenbündel, die darauf abzielen, Besucher auf die eigene oder eine ganz bestimmte Internetpräsenz zu lenken, von wo aus Websitebetreiber Geschäfte tätigen oder anbahnen können (Lammenett 2014, 26).

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Verhältnis von Online-Marketing und Marketing-Mix.

Quelle: Lammenett 2014, 27; vom Autor ergänzt

Die Art, wie das Online-Marketing im Buchverlag ausgestaltet wird, beeinflusst auch die unterschiedlichen Marketingaktivitäten im Rahmen des Marketing-Mix. In Sinne dieser Definition werden in diesem Buch anhand des klassischen Marketing-Mix die Marketingaufgaben in Buchverlagen analysiert. Neuere Gliederungsansätze, die die vier ›P‹ um zwei weitere ergänzen (People [Personal] und Physical Facilities [Ausstattung]; Huse 2013, 21) oder die vier ›P‹ in vier ›C‹ umwandeln (Content, Commerce/Convenience, Co-Location, Communication/Community; Lammenett 2014, 24), sind für Buchverlage nicht automatisch aussagekräftiger. Es geht vielmehr auch in der digitalen Welt darum, die unterschiedlichen Teilfunktionen und Aufgabenfelder sinnvoll miteinander zu kombinieren und in ein Gesamtkonzept zu integrieren.

Dass der digitale Wandel bei der unternehmerischen Steuerung mehr als den reinen Online-Marketing-Aspekt betrifft, zeigt die oben stehende Übersicht, die auch die Ebene der Geschäftsmodelle mit einbezieht, die man nach einem übergreifenden Marketingverständnis in den Marketing-Mix integrieren kann.

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Aufgabenbereiche des Online-Marketings.

Quelle: Lammenett 2014, 28; vom Autor ergänzt

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Themenfelder des digitalen Buch-Marketings. Quelle: Damke 2009, 210; vom Autor ergänzt

Im Sinne einer übergreifenden Ausrichtung eines Unternehmens an den Bedürfnissen der Kunden in digitalisierten Märkten werden in diesem Buch nicht nur digitale, sondern auch klassische Marketingformen mit einbezogen. Denn auch Offline-Maßnahmen können sich auf den Erfolg digitaler Verlagsstrategien auswirken. Die Ausführungen erschöpften sich daher nicht in der Beschreibung möglicher Maßnahmen zur Steigerung der Website-Nutzung, sondern es werden alle Bereiche des Marketing-Mix einbezogen, die für die Produkt- und Prozessebene des digitalen Buchgeschäfts relevant sind, wobei Online-Kommunikation und E-Commerce unstrittig die beiden Hauptsäulen des digitalen Marketings bilden.

Mobile Marketing

Immer mehr E-Commerce und Internet-Nutzung findet mobil statt. Demnach betrifft ein stark wachsender Bereich des digitalen Marketings mobile Endgeräte (engl. mobile devices). Dabei muss zwischen der Leistung und dem tatsächlichen Nutzungsverhalten unterschieden werden. So zeigen zahlreiche Studien, dass z.B. Tablets u. a. auch mobil eingesetzt werden, die häufigste Nutzungssituation jedoch das entspannte Surfen zu Hause ist. Echte Mobilität und damit eine Nutzung in den mobilen Phasen des Tagesablaufs (Pendeln zur Arbeit etc.) wird heute zumeist über Smartphones erreicht. Zwar konnte 2016 in der deutschen Bevölkerung noch keine flächendeckende Abdeckung mit diesen Endgeräten festgestellt werden, trotzdem haben sie für das Marketing einzelner Produktgruppen eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Knapp 80 Prozent der deutschen Bevölkerung über 14 Jahren nutzen das Internet und davon findet rund ein Drittel als Nutzung über mobile Endgeräte statt – mit steigender Tendenz. Damit ergeben sich gerade für den Buchmarkt, in dem nur selten eine von Alter und Lebensstil völlig undifferenzierte Zielgruppe angesprochen wird, Chancen und Potenziale für das mobile Marketing. Zu diesem Schluss kommt auch die AGOF-Studie facts & figures ›Bücher‹ vom September 2015: »Bei Büchern ist die Informationssuche und der Kauf im Internet dank der Vielzahl an Online-Shops und der damit verbundenen Unabhängigkeit von Ladenöffnungszeiten für viele Menschen inzwischen ganz selbstverständlich. Damit sollte auch die Relevanz des Internets als Werbemedium für die Buchbranche zunehmen […]. Angesichts der im Netz vorhandenen Kundenpotenziale könnte die Buchbranche […] die digitale Kommunikation zu einem stärkeren Bestandteil im Media-Mix machen.«

AGOF: Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung

Die Entwicklung des Mobile-Marketings verläuft analog zu der des Online-Marktes ab Ende der 1990er Jahre: hohe Zuwächse auf geringer Basis bei zunehmender Etablierung und Professionalisierung. Zu letzterem gehört auch eine verbesserte Messbarkeit der Werbewirkung, die zunehmend mit Kennzahlen abgesichert werden kann. Die Zunahme der Adblocker (Werbeblocker) für mobile Endgeräte hat den Markt zwar in seiner Dynamik gebremst, doch wird diese Behinderung von den Akteuren durch native (betriebssystemspezifische) Werbeformen umgangen.

Im Rahmen der Werbekommunikation erweisen sich die kleinen Bildschirme der mobilen Endgeräte häufig als Begrenzung, sodass Online-Kampagnen selten problemlos eins zu eins auf die mobilen Kanäle übertragen werden können und mehr Aufwand für das (noch kleine) spezielle Werbemedium bedeuten. Die Folge: Markenartikler, die aktuellen Werbungtreibenden im Mobile-Business, veranschlagen selbst bei großen cross- bzw. transmedialen internationalen Kampagnen lediglich kleine Budgetanteile für das mobile Marketing. Damit werden die Möglichkeiten, die Konsumenten im Tagesablauf in Abhängigkeit von Uhrzeit und Ort anzusprechen, nur begrenzt genutzt.

Das Beispiel des Jeansherstellers Diesel zeigt, wie eine reale Einkaufssituation mit mobilen und sozialen Medien verbunden werden kann. Diesel promotete ein Jeans-Modell im Rahmen einer crossmedialen Kampagne. Dabei wurde im Laden mit Hilfe eines DIN A4-Plakats eine Jeans mit einem QR-Code versehen; die Kunden konnten diesen Code mit dem Smartphone aufnehmen und mussten dann via Facebook Freunde auffordern, ›Likes‹ zu setzen. Wer eine vorgegebene Anzahl seiner Freunde über diesen Aktionsverkauf informierte und von diesen im Gegenzug ein ›Like‹ auf die Facebook-Seite bekommen hatte, konnte an der Ladenkasse diese Jeans zu einem besonderen rabattierten Preis kaufen. Auch wenn diese Marketingaktion keineswegs die komplette Klaviatur der technischen Möglichkeiten des mobilen Marketing ausspielt und aufgrund der Ladenpreisbindung nicht eins zu eins auf den Bucheinzelhandel zu übertragen ist, so zeigt sie doch, dass es sinnvolle Verknüpfungsmöglichkeiten zwischen Verkaufszielen, motivierenden Gewinnspielaktionen und dem Experimentiertrieb gerade der jüngeren Zielgruppe geben kann. In diesem Beispiel sorgen die Kunden und Interessenten selbst für eine zielgruppenspezifische Medialeistung. Hier bieten sich auch für den Buchsektor zahlreiche Möglichkeiten, wenn Klarheit darüber besteht, welche Zielgruppen welche Themen positiv wahrnehmen.

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Ein QR-Code (engl. quick response) besteht aus schwarzen und weißen Quadraten, die in einem größeren Quadrat binär kodierte Daten verschlüsseln.

Kap. 6.2E-Book-Flatrate.