Die Autorin

Mariam T. Azimi – Foto © Lela Ahmadzai

Mariam T. Azimi ist 1975 in Kabul geboren und im Alter von sechs Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland geflohen. In Bochum und Kairo studierte sie Islamwissenschaften, Orientalische Philologien und Pädagogik. Mariam T. Azimi arbeitet im Auswärtigen Amt und lebt mit ihrer Familie in Berlin.

Das Buch

Eine junge Frau zwischen zwei Welten: Wo gehöre ich hin? Wo ist mein Zuhause?

Wana, eine junge Frau Anfang vierzig, ist als Kind aus Kabul geflohen, und eigentlich glücklich: Mit Freund Alexander und Sohn Leo wohnt sie in Berlin und hat einen guten Job. Dass ihre Großfamilie mit all ihren Erwartungen im fernen Ruhrpott wohnt, hat sie bisher alles andere als gestört. Das ändert sich, als Wana einen schweren Autounfall hat und von ihrer Familie gepflegt werden muss. Eine Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit ist unausweichlich, ein Leugnen ihrer Herkunft nicht mehr möglich. Immer präsent ist die Frage: Wo gehöre ich hin und wo ist mein Zuhause?

Mariam T. Azimi

Tanz zwischen zwei Welten

Roman

Ullstein

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List ist ein Verlag
der Ullstein Buchverlage GmbH

© 2021 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
© by Mariam T. Azimi
Alle Rechte vorbehalten
Umschlaggestaltung: Büro für Gestaltung, Cornelia Niere
Umschlagmotiv: © Jacqui Miller / stocksy;
© ekmelica / shutterstock
Autorinnenfoto: © Lela Ahmadzai
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ISBN 9783843724203

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Widmung

Für alle, die aus ihrem Zuhause flüchten müssen,
ohne es jemals loslassen zu können.
Und für jene, die auf der Suche nach einem Zuhause
sich selbst verloren haben.


Aber vor allem für


Laith,
Hila
und
Lemar,


die mein Zuhause sind.

Prolog

Wana lag auf dem Rücken unter ihrem Baum und schaute in die Baumkrone. Es fühlte sich seltsam an, wieder hier zu sein, aber es machte sie gleichzeitig glücklich. Sie wusste genau, wo sie war, obwohl sie nichts anderes sah als ein Stück vom Himmel und einen Ast, gespickt mit den unverkennbaren orangeroten Blüten, die wie Glocken herabhingen. Es roch nach Kabul. Nach klarer Höhenluft, nach verbranntem Holz und Maulbeerbäumen. Es roch nach Zuhause. Nach dem letzten, das sich wirklich wie eines angefühlt hatte.

Es muss Frühling sein, wenn die Frucht kleiner als die Blüte ist, dachte Wana und spürte eine Hand an ihrer Wange. Obwohl sie ihn nicht sah, wusste sie sofort, dass es die Hand ihres Vaters war. Wana legte den Kopf zur Seite und schmiegte ihr Gesicht daran.

»Es hat mich gequält, als sie Erde auf dich geschaufelt haben. Ist das so, wenn man stirbt? Sterbe ich? Oder bin ich schon tot? Bist du in Frieden gestorben, Boba?«

»Denk daran, was ich dir beigebracht habe, Batschem, denk an die richtigen Antworten, wenn dich Munkar und Nakir, die schwarzen Engel mit den blauen Augen, befragen. Das sind die Antworten: Mein Herr ist Allah, meine Religion ist der Islam, der Prophet Mohammed …«

Sie hörte Bobas tiefe, ruhige Stimme und schluchzte. Wie hatte sie ihn vermisst. Sie versuchte, sich zu konzentrieren, versuchte, sich die Antworten zu merken, aber sie spürte nur Bobas große, warme Hand an ihrem Gesicht, roch die Mischung aus Haarpomade und Tabakrauch und genoss den Klang seiner Stimme. Was genau geschehen war und noch passieren würde, war nicht mehr wichtig. Sie war bei ihm und froh, ihn wiederzuhaben. Ihn an einem so vertrauten Ort zu wissen, gab ihr Frieden.

Sein Daumen streichelte ihre Wange. Ganz leicht. Wana spürte, dass er wollte, dass sie blieb. Gäbe es Leo nicht, würde sie bleiben wollen, hier bei ihm, unter diesem Baum. Doch plötzlich verschwand die Hand von ihrem Gesicht, und Wana setzte sich hastig auf. Sie griff sich an die Wange.

»Was soll ich denn machen? Er ist doch noch so klein, er braucht mich«, flüsterte Wana mit erstickter Stimme.

Sie spürte, dass sie allein, dass Boba fort war. Sie konnte ihn nicht mehr riechen. Sie stand auf, wischte sich die Tränen weg und ließ ihren Blick über den alten Garten schweifen – ihr Königreich, als sie ein Kind gewesen war, von dem sie geglaubt hatte, es nie wiederzusehen. Jetzt wusste sie, dass sie immer wiederkommen konnte. Dass es kein Abschied für immer sein würde. Sie straffte die Schultern und verabschiedete sich von ihrem Granatapfelbaum, wie schon einmal vor sechsunddreißig Jahren. Und genau wie damals wusste sie auch jetzt, dass eine neue Zeit anbrechen würde und dass die Dinge nie wieder so sein würden, wie sie einmal gewesen waren.