Die Traumzeit-Chroniken erzählen die Vorgeschichte zum Hauptroman „Die Traumzeit – Die Wiege der Menschheit“, der bereits im Buchhandel erschienen ist. Es ist sinnvoll den Hauptroman vor den Chroniken zu lesen, aber nicht zwingend notwendig.
Die Chroniken erzählen die Entstehung des Terekan-Reiches, dessen Ausbreitung, Aufstieg und Fall bis zu seiner fast vollständigen Vernichtung, womit der letzte Band der Chronik-Reihe an den Hauptroman anschließt, welcher dort beginnt, wo die Chronik enden wird.
Auch die mächtigen Terekan haben einmal klein angefangen, und hatten dabei die gleichen Probleme und die gleichen Gefahren zu meistern, wie jede Spezies, die Raumfahrt entwickelt.
Begleite das Volk der Terekan und die Protagonisten Nir-Ân und Saî-Na bei ihren Abenteuern, die in den Chroniken ausführlich beschrieben werden.
Bisher in der Traumzeit-Reihe erschienen:
Die Traumzeit, Band 1
Die Wiege der Menschheit
Im Buchhandel und online erhältlich.
ISBN: 1730753973
U-Tu System, Heimat des Volkes der Terekan. Irgendwo zwischen Mars und Jupiter. 290.000 Jahre vor unserer Zeit.
Das kleine, scheibenförmige Schiff glitt durch die sternenlose Dunkelheit und nur das Summen des neuen Antriebs war im Innern zu hören.
Nir-Ân saß in seinem Kommandosessel und betrachtete die Anzeigen auf der Konsole. Alle Werte waren im grünen Bereich. Der experimentelle Anshar-Antrieb arbeitete bislang wie erwartet.
Er stand auf und ging zum großen Panoramafenster. Draußen war nichts zu sehen außer Finsternis: das ewige Dunkel des Subraums. Er strich sich über seinen riesigen schwarzen Schädel und starrte in die Leere, die sich vor ihm auftat.
»Wie lange noch bis zum Umkehrpunkt?«, fragte er, ohne sich umzudrehen.
»Noch knapp ein halbes B´ar bis Bel-Gal«, erwiderte Saî-Na. Sie war die Navigatorin des kleinen Aufklärungsschiffes.
»Irgendwelche Probleme bisher festzustellen, Pa-Shû?«, fragte er weiter und drehte sich zu seinem Sicherheitsoffizier um.
»Nichts, Digîr«, erwiderte Pa-Shû schulterzuckend. »Absolut nichts. Der Antrieb arbeitet wie erwartet und die Struktur des Schiffes ist stabil. Bislang läuft alles wie geplant.«
Nir-Ân starrte wieder in die Finsternis des „Nichts“, wie sie den Subraum nannten. Dies war der erste Testflug nach der Fertigstellung des neuen interplanetaren Antriebs. Die Sin-Ta, ein kleines Aufklärungsschiff, war testweise mit diesem Antrieb ausgestattet worden und hatte die Ehre des Jungfernfluges.
Zwar war sie mit knapp dreißig Meter Durchmesser eher ein kleines Schiff, aber sie war sehr schnell und wendig und perfekt für den Test geeignet.
Nir-Ân war, aufgrund seines hohen Ansehens beim Orden, als Kommandant für die Mission ausgewählt worden.
»Stimmt etwas nicht, Digîr?«, fragte die Navigatorin.
»Ich bin nicht sicher«, erwiderte Nir-Ân und starrte weiter ins Dunkel. »Ich spüre dort draußen etwas. Nichts Greifbares, eher eine Vorahnung.«
»Welcher Art?«, fragte Pa-Shû skeptisch.
»Wenn ich das wüsste«, entgegnete der Kommandant gedankenverloren. »Aber da draußen ist irgendetwas.« Saî-Na überprüfte noch einmal ihre Anzeigen. »Nein, Digîr, dort ist nichts außer Dunkelheit und ... Moment, die Sensoren registrieren etwas.«
Nir-Ân drehte sich um. »Bericht!«
Die Navigatorin sah angestrengt auf ihre Konsole. »Ich kann nicht genau erkennen, was es ist. Irgendeine Art Raumverzerrung hat sich in Flugrichtung gebildet. Ich kalibriere die Sensoren neu, einen Moment.«
Dann starrte sie ungläubig auf den Hauptschirm. »Was, beim Großen Schöpfer, ist das?«
Inmitten der absoluten Finsternis war eine gewaltige rote Spirale aufgetaucht, deren Arme sich wie Millionen Tentakel ineinander verschlungen hatten und ein chaotisch wirbelndes Muster bildeten.
Ein sanftes Rütteln ging durch das Schiff. Nir-Ân sah zu Saî-Na hinüber, die Daten auf ihrer Konsole ablas. »Wir sind schneller geworden, Digîr. Aber wir haben selbst nicht beschleunigt.«
»Wie das?«, fragte der Kommandant.
»Digîr«, mischte sich der Sicherheitsoffizier ein. »Laut Anzeige werden wir von diesem Objekt angezogen!«
»Voller Stopp! Anshar-Antrieb aus!«, befahl Nir-Ân.
Saî-Na tippte einige Befehle in ihre Konsole und schüttelte den Kopf. »Antrieb ist aus, aber wir sind noch immer im Subraum!«
Nir-Ân ging etwas näher zum Hauptschirm und betrachtete das Objekt. Es leuchtete von innen heraus, als würde sich eine gewaltige Energiequelle in ihm verbergen. »Irgendwelche Daten, Pa-Shû?«
»Keine exakten, Digîr, aber dieses Objekt, was immer es sein mag, hat einen Durchmesser von mindestens zwanzig Ku-Bir.«
Der Kommandant pfiff durch die Zähne. »Das ist wahrlich groß! Kannst du sonst etwas erkennen?«
»Nein, Digîr, die Strahlung, die es aussendet, ist so groß, dass es die Sensoren stark beeinträchtigt.«
»Irgendwelche Vorschläge, was das sein könnte?«, fragte Nir-Ân weiter.
Sowohl Pa-Shû als auch Saî-Na schüttelten den Kopf. Das Rütteln setzte erneut ein. »Wir werden wieder schneller«, sagte Pa-Shû beunruhigt.
»Hauptenergie aus!«, rief Nir-Ân und ging zu seinem Kommandosessel. Er setzte sich hin und schnallte sich an. Saî-Na deaktivierte die Energiekammer und sofort hörte das Rütteln auf. Die Notbeleuchtung ging an und die Systeme liefen auf Hilfsenergie.
Nir-Ân betrachtete das Objekt fasziniert.
Es war noch größer geworden und die Schwingungen des inneren Wirbels schneller. Er schüttelte den Kopf. »Es sieht aus wie ein riesiges Ban-Shû mit all diesen Fäden und Tentakeln.«
»Digîr, sieh doch!«, rief Pa-Shû und starrte auf den Schirm. Zahlreiche Tentakel hatten sich aus dem roten Gewirr aus leuchtenden Fäden gelöst und schossen auf das Schiff zu. Wie ein gewaltiges Nesseltier, das sein Opfer zu sich ziehen wollte, umschlang es das Schiff. Ein Schlag traf die Sin-Ta und schüttelte sie durch.
»Volle Kraft zurück!«, rief Nir-Ân.
Saî-Na startete den Sublicht-Antrieb und aktivierte den Umkehrschub. Der kleine Aufklärer ächzte und knarrte und einige Lichter fielen aus. Die Struktur des Schiffes litt stark unter den entgegengesetzten Kräften.
Alle drei starrten auf den Schirm, wo das rote Objekt immer mehr Fäden aussandte, die das Schiff umklammerten. Dann gab es einen Ruck und die Fäden wurden straff. In der Mitte des Objektes erschien ein schwarzer Strudel, der immer größer wurde.
»Digîr, es zieht uns hinein!«, rief Pa-Shû aufgeregt. »Wir müssen hier weg!«
»Wir sind schon auf vollem Umkehrschub«, sagte Saî-Na. »Wenn ich die Hilfsenergie hinzu schalte, reißt es das Schiff auseinander!«
Nir-Ân schüttelte den Kopf. »Es ist zu spät. Umkehrschub aus und festhalten«, sagte er ernst.
Er biss sich auf die Lippe und kaute darauf herum. Das Schiff wurde immer näher zum Wirbel gezogen, dessen Inneres nun zur Gänze schwarz war. »Digîr. Die Struktur hält das nicht mehr lange aus. Der Zug ist zu stark!«, rief Pa-Shû eindringlich.
»Voller Schub voraus!«, befahl der Kommandant.
»Digîr?«, fragte Saî-Na ungläubig.
»Los jetzt!«, rief Nir-Ân.
Die Navigatorin tippte einige Kommandos in die kleine Sesselkonsole. Mit voller Kraft rasten sie auf das Objekt zu. Da die Entfernung nicht so schnell abnahm, erkannte man gut, welch gewaltige Ausmaße es hatte.
Mit offenem Mund starrte Pa-Shû in den Schlund, der sie empfing und schloss die Augen. »Möge der Große Schöpfer uns gnädig sein«, flüsterte er.
Nir-Ân blickte hochkonzentriert auf das Loch, in das sie hinein gezogen wurden, doch innerlich war er enorm aufgewühlt. Dann schloss auch er die Augen, und die Sin-Ta verschwand in dem schwarzen Wirbel.
Mi-Ku System, zwölf Lichtjahre entfernt.
Das kleine Schiff fiel in den Normalraum zurück und eine winzige Sonne wurde in einiger Entfernung sichtbar: ein weißer Zwergstern. Die Sin-Ta hatte den Übergang durch den schwarzen Schlund relativ unbeschadet überstanden. Nur einige Plasmakopplungen waren ausgefallen und eine Konsole zerstört. Doch sie hatten einiges an Energie verloren. Noch immer starrten die drei Insassen gebannt auf den Hauptschirm und hatten noch gar nicht realisiert, was soeben geschehen war.
Nir-Ân war der Erste, der das Wort ergriff: »Wo sind wir, Saî-Na?«
Die Navigatorin stellte einige Berechnungen auf ihrer Konsole an und schaute dann auf. »Den Daten nach zur urteilen sind wir nicht mehr im U-Tu System, Digîr. Laut Astrometrie sind wir fast sieben Nu-Tu von zu Hause entfernt. Den Spektraldaten dieses Sternes nach zu urteilen, im Mi-Ku System«, entgegnete die Navigatorin.
Pa-Shû ging zu Saî-Na und betrachtete die Daten auf der Konsole ungläubig. »Aber wie ist das möglich?«
»Das kann ich nicht beantworten, aber es ist eine Tatsache, dass wir nun hier sind«, erwiderte Saî-Na ungerührt.
Der Sicherheitschef schaute sie erstaunt von der Seite an. »Es scheint dich nicht besonders zu beeindrucken, oder?«
»Nein, es beeindruckt mich wirklich nicht. Wir werden eine Lösung für dieses Problem finden. Da bin ich sicher. Wie siehst du das, Digîr?«
Nir-Ân war in Gedanken und studierte die Daten der Außensensoren der letzten Minuten.
»Digîr?«, wiederholte die Navigatorin.
Der Kommandant sah sie an, als würde er sie zum ersten Mal sehen. Dann schaute er zu Pa-Shû und schließlich zum Hauptschirm. »Ich glaube, ich weiß, wie wir hierher gekommen sind. Kennt ihr die Legende des Auges von Q´l-Dun?«
Saî-Na nickte. »Alle Navigatoren der Flotte kennen diese Geschichte. Das Phantom, das jeder in der Handelsflotte schon einmal gesehen hat oder zumindest kennt jeder eine Person, die davon gehört hat, dass es jemand gesehen hat. Ein rotes Auge, das so schnell wieder verschwindet, wie es auftaucht.
Eine nette Geschichte, aber vermutlich nicht mehr.«
»Du willst sagen, dass das, was uns hierher gezogen hat, dieses Auge des Q´l-Dun ist?«, fragte Pa-Shû verwundert.
»Ja«, erwiderte der Kommandant. »Ich glaube, dass es sich dabei um eine Art Portal durch den Raum handelt. Eine Art kosmischer Abkürzung. Bis vor Kurzem wussten wir nicht einmal, dass es den Subraum gibt.
Nun reisen wir in einem Schiff durch dieses seltsame Nichts, mit einer Geschwindigkeit die weit höher ist als die des Lichts. Ja, ich glaube, dass das Auge des Q´l-Dun existiert und wir gerade hindurchgeflogen sind.«
Saî-Na zuckte mit den Achseln. »Zumindest wäre es eine logische Erklärung für unsere derzeitige Position.«
»Wie lange wird es dauern, wenn wir mit dem Anshar-Antrieb wieder zurück nach N´Bir fliegen?«, wollte Nir-Ân wissen.
Saî-Na stellte einige Berechnungen an. »Unsere Energie würde vermutlich ausreichen, aber unsere Nahrungsvorräte ganz sicher nicht. Wir würden fast zwei volle Nu benötigen!«
Pa-Shû stützte sich auf seine Konsole und überlegte.
»Wenn das Portal in unserem System existiert und hierher führt, dann sollte es auch hier existieren und wir müssten in der Lage sein, es zu finden.«
Er drehte sich zu Nir-Ân. »Digîr, du hast gesagt, dass du etwas gespürt hast, kurz bevor das Auge aufgetaucht ist. Spürst du das auch hier?«
Der Kommandant schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe bereits danach gesucht. Aber hier ist offenbar nichts, oder aber ich kann es nicht fühlen.« Er überlegte.
»Saî-Na, bitte starte eine volle Scanneranalyse der Umgebung«, fuhr er fort. »Ich will wissen, wo wie hier gelandet sind und was uns hier erwartet. Wenn wir einen Planeten finden, der ...«
Er wurde jäh unterbrochen, als eine starke Erschütterung durch das Schiff lief.
»Bericht!«, sagte Nir-Ân und schaute auf den Hauptschirm. Es war nichts zu sehen.
»Irgendetwas hat uns hinten getroffen«, sagte Pa-Shû.
»Ich registriere leichte Beschädigungen am Heck. Ein Asteroid vielleicht. Ich könnte ...«
Wieder wurde das Schiff getroffen, diesmal um einiges härter. Eine Plasmaleitung platzte und setzte eine Konsole in Brand. Die automatische Feuerlöschanlage löste das Problem jedoch schnell.
»Voller Stopp!«, befahl Nir-Ân. »Hilfsenergie in die Außensensoren!«
»Digîr«, sagte Saî-Na nach einigen Herzschlägen.
»Ich registriere ein kleines Schiff etwa zwei Ku-Bir entfernt. Ich versuche, ein Bild davon zu erhalten.«
Alle schauten zum Hauptschirm und sahen ein etwa zwanzig Meter langes Objekt, das einer vierfingrigen Hand ähnelte, deren Finger spitz zuliefen.
Die Hülle des Schiffes war sehr unregelmäßig und im Licht der kleinen Sonne kaum auszumachen.
»Sie rufen uns«, sagte der Sicherheitschef und aktivierte die Komm.
»Ch´i-in qua!«, hörten sie eine dünne und kratzige Stimme aus den Lautsprechern. Fast hätte Pa-Shû laut lachen müssen, so lächerlich klang die Stimme.
»Tschin Kwa?«, wiederholte Pa-Shû fragend. »Was soll das bedeuten?«
Nir-Ân schüttelte den Kopf. »Nun, ich denke nicht, dass es eine Einladung zum Abendessen war.«
»Ch´i-in qua o-casir qui-ita!«, sagte die fremde Stimme erneut.
»Sollten wir nicht antworten, Digîr?«, fragte Saî-Na.
»Kanal öffnen«, erwiderte der Kommandant bestätigend.
»Ist offen.«
»Hier spricht Digîr Nir-Ân vom terekanischen Aufklärungsschiff Sin-Ta. Stellen sie sofort das Feuer ein, wir sind unbewaffnet und verfolgen keine feindlichen Absichten. Wir verstehen ihre Sprache nicht und bitten um eine Unterredung.« Stille. Einige Herzschläge lang.
»Haben sie die Nachricht erhalten?«, fragte Nir-Ân in Richtung Pa-Shû.
»Ja. Aber dass sie es verstanden haben, wage ich zu bezweifeln, denn sie gehen auf Abfangkurs!«, erwiderte der Sicherheitschef.
»Ch´i-in ni qua aro! Nu ni anqua!«, kam die Antwort des fremden Schiffes und im Hintergrund hörten sie ein anderes Wesen gehässig lachen.
Dann eröffneten sie erneut das Feuer und die Sin-Ta erlitt zahlreiche Serientreffer. Die Panzerung der Außenhaut flog in Stücken davon und an einigen Stellen durchbrachen die Treffer die Hülle.
Die automatische Reparatur griff sofort ein und versiegelte die Löcher. Das kleine Schiff bezog Position hinter der Sin-Ta und war bereit, den Angriff fortzusetzen.
»Saî-Na, bring uns hier weg! Voller Schub!«, rief der Kommandant und schnallte sich wieder auf seinem Sessel an.