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1. Auflage 2019
Copyright © 2019 by Eike Roth
All rights reserved.
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
Covergestaltung: Germancreative
Satz und Layout: Joh.-Christian Hanke
ISBN: 978-3-7494-0328-8
Bildnachweis: Abb. 1 Vahrenholt, Abb. 2 Maue, Abb. 3 Pielke, Abb. 4 WMO, Abb. 5 Spencer, Abb. 6 Quaschning, Abb. 7 Christy, Abb. 8 Meereisportal, Abb. 9 DMI, Abb. 10 und 12 Svensmark, Abb. 11 Roth, Abb. 13 Shaviv, Abb. 14 und 15 Alt.
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Der Mensch scheint einen Hang dazu zu haben, seinen selbst verschuldeten Untergang vorherzusagen. Hier ein Zitat, mit dem ich manchmal Vorlesungen zu Energie- und Umweltfragen eingeleitet habe:
»Wir vergiften die Flüsse und die Grundbestandteile der Natur, wir verwandeln gerade das, was unsere Lebensgrundlage ist, in Nägel für unseren Sarg«.
So etwas hörten die Studenten erkennbar gerne. Sie haben es immer äußerst wohlwollend und mit zustimmendem Kopfnicken und Gemurmel aufgenommen. Dann habe ich den Autor genannt: Plinius der Ältere, in seiner Naturalis Historia, ca. 50 nach Christi. Das hat dann doch etwas Nachdenklichkeit ausgelöst.
Weltuntergangsprognosen gibt es also mindestens seit 2000 Jahren. Überraschenderweise leben wir heute aber immer noch. Wir leben sogar besser, mit besserer Gesundheit und höherer Lebenserwartung als je zuvor. Auch unsere Fähigkeiten und unser Wissen, wie wir uns gegen Erschwernisse und Belastungen jeglicher Art wehren können, sind so gut wie noch nie. Aber das alles nützt nichts, Pessimismus hat wieder einmal Hochkonjunktur. Insbesondere das Klima bietet sich für apokalyptische Vorhersagen an. Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht mit einer beängstigenden Lagebeschreibung beglückt werden:
Es ist fünf vor zwölf! Wenn wir unsere CO2-Freisetzungen nicht schnellstens einstellen und unser Verhalten nicht grundlegend ändern, kommt es unweigerlich zu einer Katastrophe ungeahnten Ausmaßes. Um ein Grad ist es schon wärmer geworden und daran ist der Mensch schuld. Die Folgen sieht man schon. Über all das ist sich die Wissenschaft einig.
Diese Lagebeschreibung ist allgegenwärtig und variiert höchstens noch insofern, als es manchmal auch schon fünf nach zwölf ist. Wer öffentlich an dieser Lagebeurteilung zweifelt, dem wird Verantwortungslosigkeit vorgeworfen und er muss mit gesellschaftlicher Ächtung rechnen. Diskutiert wird nur noch über die Mittel, mit denen wir den erforderlichen CO2-Ausstieg erreichen sollen. Dessen Notwendigkeit steht nicht mehr zur Debatte. Diese zu hinterfragen, wird vielfach bereits als Sakrileg erachtet.
Doch genau das will ich in diesem Buch wagen: Ich möchte die ausgefahrenen Gleise verlassen und der Frage nachgehen, wie abgesichert die zitierte Lagebeschreibung zum Klima tatsächlich ist. Und ob die Wissenschaft sich darüber wirklich so einig ist, wie immer gesagt wird. Denn die Welt ist sich offensichtlich nicht einig: Die USA haben den Rückzug aus dem Klimaabkommen von Paris beschlossen, der neue Präsident von Brasilien hat ihn angekündigt und auch in Australien und Kanada gibt es starke Strömungen für einen Austritt. In vielen Ländern erfreuen sich klimakritische Parteien großen Zulaufs. Im Staate Washington wurden in einer Volksabstimmung verschärfte Klimaschutzmaßnahmen mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. In Frankreich haben sich die massiven Proteste der Gelbwesten an Klimaschutzmaßnahmen entzündet (erhöhte Steuern auf Benzin und Diesel). Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Außerdem hat sich das Klima im 21. Jahrhundert nicht so verhalten, wie es das nach den Rechenmodellen der »etablierten Klimawissenschaft« hätte tun sollen.
Es gibt also Zweifel und Widerspruch in der Welt. Berechtigt oder nicht, das soll hier untersucht werden. Vorher möchte ich aber nochmals kurz auf Plinius und alle anderen Untergangswarnungen der Zwischenzeit zurückkommen: Bisher waren alle falsch. Vermutlich wird auch diese falsch sein. Damit wäre eigentlich alles gesagt. Aber es gibt da noch das Sprichwort vom Krug, der so lange zum Brunnen geht, bis er bricht. Vielleicht ist das Brechen ja gerade jetzt angesagt und beim Klima sind die Warnungen tatsächlich berechtigt? Eine sorgfältige Diskussion ist daher sehr wohl notwendig. Mit meinem Buch will ich einen kleinen Beitrag hierzu leisten.
Zum Aufbau: In Kapitel 2 möchte ich auf die Klimaziele des Pariser Abkommens eingehen. Das Klima können wir aber nicht direkt beeinflussen. Wir müssen vielmehr erst die CO2-Konzentration ermitteln, bei der sich das gewünschte Klimaziel einstellt (wenn CO2 der wesentliche Klimatreiber ist). Diese CO2-Konzentration können wir dann durch geeignete Beschränkung unserer CO2-Freisetzungen ansteuern. Für diese Umrechnungen sind komplexe Computerprogramme erforderlich, die in Kapitel 5 diskutiert werden. Vorher aber will ich in Kapitel 3 noch untersuchen, ob bzw. wie nicht-klimatische Wirkungen des CO2 zu berücksichtigen sind und in Kapitel 4 will ich den Wechselwirkungen von Klimaschutzmaßnahmen mit der Lösung anderer Probleme nachgehen. Kapitel 6 ist dann möglichen anderen Einflussfaktoren auf das Klima gewidmet. Kapitel 7 befasst sich mit Maßnahmen, mit denen wir versuchen oder versuchen sollten, das Ziel zu erreichen. Kapitel 8 ist dann eine Zusammenfassung in 25 Punkten und Kapitel 9 fasst für Kurzleser die wichtigsten Erkenntnisse in sechs kurzen Sätzen zusammen. Ganz am Ende erlaube ich mir noch einige Schlussbemerkungen, einschließlich einer Stellungnahme zu den Freitagsdemonstrationen der Schüler und Schülerinnen für mehr Klimaschutz.
»Klima« ist der langjährige (meist 30 Jahre) Mittelwert von Wetterdaten. Sein Wesensmerkmal ist der Wandel. Geändert hat es sich schon immer, es ändert sich jetzt und es wird sich auch in der Zukunft ändern. Bekannt sind vor allem die Wechsel zwischen Warm- und Eiszeiten in etwa 100000-jährigem Rhythmus (wobei – wenn man die Geschichte fortschreiben darf – der nächste Wechsel langsam fällig wird, denn die Warmzeiten waren immer viel kürzer als die Kaltzeiten).
Aber auch in der jetzigen Warmzeit gab es erhebliche Klimaschwankungen. Abb. 1 zeigt die Temperaturentwicklung der letzten 12000 Jahre. Man sieht insbesondere viererlei:
Da Schwankungen der Parameter der Erdumlaufbahn um die Sonne viel längerfristig sind, kommen als Ursache für die in Abb. 1 gezeigten Klimaänderungen wohl nur Schwankungen der Intensität der Sonne infrage, unterstützt vielleicht noch durch langfristige Änderungen der Meeresströmungen und der Vulkanaktivität. Der Mensch hatte in dieser Zeit sicher noch keinen Einfluss auf das (globale) Klima.
Abb. 1.: Entwicklung der global und jahreszeitlich gemittelten, bodennahen Lufttemperatur der Erde seit dem Ende der letzten Eiszeit. Quelle:/Var 2012/.
Prinzipiell ist der Temperaturverlauf gem. Abb. 1 seit Langem bekannt. Aus der Geschichte weiß man auch, dass es der Menschheit insgesamt in den warmen Zeiten stets besser gegangen ist als in den kalten:
Folgerichtig hat man die wärmeren Zeiten immer schon als »Klimaoptimum« bezeichnet (»Römisches Klimaoptimum«, »Mittelalterliches Klimaoptimum«). Dabei wissen wir gar nicht, ob diese Bezeichnung überhaupt berechtigt ist: Es waren zwar die warmen Zeiten immer besser als die kalten, ob aber »noch etwas wärmere Zeiten« nicht »noch bessere Zeiten« wären, wissen wir nicht, da fehlt uns ganz einfach die Erfahrung. Bei Rückschlüssen aus den beiden »holozänen Klimaoptima« (Abb. 1) mit tatsächlich höheren Temperaturen ist Vorsicht geboten, weil die Informationen aus so alter Zeit spärlich sind. Aber immerhin hatte sich die Menschheit damals gewaltig weiterentwickelt. »Noch besser« bei »noch wärmer« ist daher keineswegs abwegig.
Zwischenergebnis Klimaoptimum: Wir wissen, dass es vor 1000 und vor 2000 Jahren etwa gleich warm war wie heute, dass die warmen Zeiten immer gut für die Menschheit waren und dass es uns auch heute besser geht als in den zurückliegenden kalten Jahrhunderten. Daraus abgeleitet können wir vermuten, dass »noch ein bisschen wärmer« uns gut tun würde. Das können wir aber nur vermuten, denn wo das Klimaoptimum tatsächlich liegt, wissen wir nicht. Wir wissen auch nicht, wie breit dieses Optimum ist und wie rasch es bei Überschreiten des Optimums wieder schlechter wird. Solange wir das nicht wissen, fehlt dem Klimaschutz das Fundament. Was auch immer wir tun oder lassen oder auch nur anstreben, wir können nicht sicher sein, dass es richtig und wichtig ist – und nicht unbedeutend oder gar falsch. Hier besteht dringender Forschungsbedarf.
Trotz dieser Unsicherheiten hat die Politik im Pariser Klimaabkommen von 2015 bekanntlich vereinbart, die globale Erwärmung auf »deutlich unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Wert« zu begrenzen, besser sogar auf »unter 1,5 Grad« /UN 2015/. »Vorindustriell« bezieht sich dabei auf die Zeit um 1850 herum. Damals war es zwar schon geringfügig wärmer als am Höhepunkt der Kleinen Eiszeit (ca. 1650), aber noch ungefähr ein Grad unter dem, was bisher als »Optimum« bezeichnet wurde. Auf solch ein historisch ermitteltes »Optimum« bezogen, heißt die Pariser Vereinbarung, dass dieses nur um »weniger als ein Grad« überschritten werden darf, besser sogar um »weniger als 0,5 Grad«. Welche Berechtigung gibt es für diese scharfe Grenze?
Ich möchte diese Frage noch etwas zuspitzen: Von den »zulässigen« zwei Grad bzw. 1,5 Grad haben wir ein Grad schon erreicht. Mit diesem Erreichen einher ging eine wesentliche Erhöhung unseres Lebensstandards, eine erhebliche Verbesserung unserer Gesundheit, fast eine Verdoppelung unserer Lebenserwartung und eine deutliche Abnahme von Hunger und Elend in der Welt trotz stark wachsender Bevölkerung. Ich glaube nicht, dass irgendjemand an dieser Lagebeurteilung ernsthaft Zweifel haben kann. Natürlich haben viele Faktoren zu dieser Entwicklung beigetragen, aber aus der gesamten geschichtlichen Entwicklung wissen wir, dass die eingetretene Erwärmung um ein Grad mitgeholfen hat, dieses hochwillkommene Ergebnis zu erreichen. Diese Erwärmung war ganz eindeutig gut und wir sollten uns über sie freuen! Ich wiederhole, wir sollten uns darüber freuen, freuen, weil durch sie vieles besser geworden ist. Aber die Erwärmung wird verdammt und wir sollen plötzlich enorme Anstrengungen unternehmen, um eine weitere Erwärmung um auch nur ein halbes Grad zu vermeiden. Sonst würden Katastrophen ungeahnten Ausmaßes drohen. Da müssen schon gute Argumente her! Die wollen wir uns nachfolgend ansehen.
Eine wissenschaftlich fundierte quantitative Begründung für gerade zwei Grad (1,5 Grad) als Ziel ist im Pariser Abkommen nicht enthalten. Auch sonst werden diese Ziele – wenn überhaupt – normalerweise nur qualitativ begründet. Aber selbst die Qualität scheint mir zum Teil diskussionswürdig zu sein.
Vielfach werden mögliche Kipperscheinungen im Klimasystem zur Begründung der niedrigen Zielwerte angeführt. Z. B. sind in den Permafrostböden in Sibirien und Nordamerika erhebliche Mengen CO2 und Methan eingefroren, die beim Auftauen freigesetzt werden können. Methan ist eindeutig ein Treibhausgas, CO2 sowieso, deren Freisetzung verstärkt daher den Treibhauseffekt. Das setzt wieder mehr CO2 und Methan frei, und so weiter. Nun wird befürchtet, dass ab einer gewissen Erwärmung der Prozess nicht mehr zum Stillstand kommen könnte, sondern sich von da weg selbstständig, ohne weiteren externen Antrieb, immer weiter aufschaukeln könnte, bis die Erde so heiß wird, dass sie für Menschen kaum noch bewohnbar wäre. Ein solcher Grenzwert wird als »tipping point« und das dann selbstständige Wechseln des Klimas hin zu einem neuen Zustand wird als »Kippen« des Klimas bezeichnet. So ein Kipp-Prozess ist natürlich prinzipiell theoretisch möglich (wie generell vieles theoretisch möglich ist), aber eine nachvollziehbare Argumentation, wie er tatsächlich abläuft und ab welcher Erwärmung der irreversible Ablauf wahrscheinlich wird, konnte ich nirgends finden. Das beschriebene Kippen bleibt eine theoretische Möglichkeit, mit deren Eintreten in der Praxis nicht gerechnet werden muss.
Es sind aber nicht nur fehlende Beschreibungen zu Start und Ablauf, die ablehnende Bewertung wird auch durch konkrete Beobachtungen bzw. Rekonstruktionen und durch eine grobe Quantifizierung unterstützt: Vor grob 5000 Jahren war es deutlich wärmer als heute (Abb. 1) und in noch viel weiter zurückliegenden Zeiten war es sogar viel wärmer. Es gab sogar Zeiten, in denen beide Pole der Erde völlig eisfrei waren (dann war wohl auch sämtlicher Permafrost aufgetaut, mit Ausnahme vielleicht auf ein paar wenigen hohen Bergen). Und es gab Zeiten, in denen die CO2-Konzentration viel höher war als heute. Anzeichen dafür, dass es dabei jemals zu Kipperscheinung mit Weglaufen des Klimasystems in Richtung kaum bewohnbarer Heißerde gekommen wäre, gibt es keine (jedenfalls habe ich nirgends welche beschrieben gefunden). Warum sollte so etwas jetzt bei sehr viel kleineren Änderungen bevorstehen? Außerdem wird durch die Erwärmung in überschaubarer Zeit sicher nicht der gesamte Permafrostboden auftauen. Es wird nur seine Grenze etwas näher an den Pol heranrücken. Der Permafrostboden wird also nur etwas kleiner werden, aber ganz sicher nicht verschwinden. In etwa gleichem Ausmaß wird die Waldgrenze weiter polwärts nachrücken. Und Wald speichert viel CO2. Die Klima-Rückwirkung aus dem tauenden Permafrost dürfte sich daher eher in Grenzen halten. Die Gefahr wird wahrscheinlich ganz wesentlich überschätzt.
Es werden noch andere mögliche Kipperscheinungen im Klima diskutiert, die sind m. E. aber auch nicht wahrscheinlicher. Wenden wir uns daher nochmals der Vergangenheit zu, vielleicht können wir noch ein bisschen mehr aus ihr lernen: Der einzige bekannte Vorgang, der eventuell als »Kippen« des Klimas bezeichnet werden könnte, ist der Wechsel zwischen Warm- und Eiszeiten. Von unserer jetzigen Warmzeit aus kann das Klima daher möglicherweise in eine Eiszeit »kippen« (wird es eventuell auch in nicht allzu ferner Zukunft tun), aber ein Kippen in eine extreme (und das Leben wesentlich erschwerende) Heißzeit hat es, wie gesagt, noch nie gegeben.
Zwischenergebnis Kipperscheinungen: Solche sind zwar theoretisch möglich, es gibt aber keine Anzeichen für eine akute Gefahr und alle diesbezüglich vorgetragenen Argumente sind massiv umstritten. Zur Begründung niedriger Temperaturgrenzwerte taugen Kipperscheinungen bei nüchterner Bewertung nicht.
Ein weiteres immer wieder (qualitativ!) vorgebrachtes Argument für die genannten Temperaturgrenzen sind erwärmungsbedingte Zunahmen von Extremwetterereignissen. Seit 30 Jahren sagen die Klimamodelle so etwas voraus. Wie ich weiter unten zeigen werde, ist bisher aber noch nicht viel davon zu sehen, noch ist alles normal und «Wetter«, die Tendenz ist sogar eher beruhigend.
Verantwortlich für die erwartete Zunahme extremer Wetterereignisse soll der erwärmungsbedingt höhere Energie- und Wasserdampfgehalt der Luft sein. Dem steht jedoch entgegen, dass die Hauptantriebskraft für das Wetter auf der Erde örtliche Temperaturunterschiede sind, und weil beim Treibhauseffekt die Pole stärker wärmer werden als der Äquator, nehmen diese Temperaturunterschiede im globalen Maßstab mit zunehmendem Treibhauseffekt ab. Das sollte eher wetterberuhigend wirken. Was überwiegt, kann heute wohl niemand seriös beantworten.
Folglich hilft die Theorie nicht weiter, man ist vielmehr auf Beobachtungen angewiesen. Aber nicht auf Einzelereignisse, sondern auf (möglichst längerfristige und auch möglichst großräumige) Zeitanalysen. Zwei solche möchte ich beispielhaft herausgreifen: Tropische Wirbelstürme und globale monetäre Schäden durch Wetterkapriolen. Bei beiden wird immer wieder gesagt, sie hätten in letzter Zeit zugenommen. Dadurch wäre, so heißt es weiter, auch der Beweis für die sich anbahnende Katastrophe durch die anthropogene Klimaerwärmung erbracht.
Faktencheck: In Abb. 2 ist die Zahl der weltweiten tropischen Wirbelstürme von 1970 bis heute und in Abb. 3 sind die von 1990 bis Juli 2018 durch Wetterkapriolen jeglicher Art insgesamt verursachten Schäden wiedergegeben, /Maue 2019/ und /Pie 2018/. Abb. 2 zeigt in der oberen Kurve die tropischen Wirbelstürme insgesamt (alle Stürme mit maximaler Windgeschwindigkeit > 34 Knoten) und in der unteren Kurve die Stürme mit Hurrikanstärke (maximale Windgeschwindigkeit > 64 Knoten). Bei beiden Kurven sieht man bis etwa Mitte der 1990-er Jahre keine klare Tendenz und dann einen leicht abfallenden Verlauf. Abb. 3 zeigt recht klar einen Abfall. Die behauptete Zunahme stimmt ganz einfach nicht und damit ist auch der angebliche Beweis hinfällig. Man muss eben die Statistik ansehen und darf nicht aus Einzelereignissen schließen.
Abb. 2: Globale Häufigkeit tropischer Wirbelstürme 1970 bis heute. Die obere Kurve gibt alle Wirbelstürme an, die eine Windgeschwindigkeit >34 Knoten erreichten, die untere Kurve alle jene, die Hurrikanstärke erreichten (> 64 Knoten). Aufgetragen sind jeweils laufende Summenwerte für 12 Monate. Quelle: /Maue 2019/.
Noch eine kleine Ergänzung zu den Wirbelstürmen: Abb. 2 ist weltweit. Speziell das Festland der USA wurde 2017 von 2 Hurrikanen der Kategorie 4 getroffen (Harvey und Irma), während es davor 12 Jahre lang von schweren Hurrikanen (Kategorie 3 und größer) verschont blieb, das war der längste Zeitraum seit Beginn der systematischen Aufzeichnungen. Das eine wird gerne als Beweis für eine Zunahme der Hurrikantätigkeit ausgegeben, das andere als Beweis für das Gegenteil. Beides ist unzulässig, weil es Einzelereignisse sind. Nach /Klot 2018/ gibt es seit 1900 weder in der Frequenz noch in der Intensität der das Festland der USA treffenden Hurrikane einen signifikanten Trend.
Abb. 3: Globale Schäden durch Wetterkapriolen 1990 bis 2018, zur Vergleichbarkeit über die lange Zeit gemessen in Prozent des jeweiligen globalen Bruttoinlandproduktes. Quelle: /Pie 2018/.
Tropische Wirbelstürme und globale monetäre Schäden durch Wetterkapriolen sind 2 Beispiele, es gibt noch viel mehr Beobachtungen mit stets gleichem Ergebnis. Ich habe eine einzige Ausnahme gefunden, bei der es tatsächlich eine statistisch signifikante globale Zunahme gibt: Die Zahl der warmen Tage ist größer geworden. Aber das ist bei einer Erwärmung (die wir zweifelsfrei in den letzten 100 Jahren hatten) eine triviale Begleiterscheinung und sagt nichts darüber aus, ob sich das Wetter insgesamt in Richtung extremerer Ereignisse verschoben hat. Dass dieses Argument überhaupt als »Beweis« für die Zunahme von Extremwetterereignissen vorgebracht wird, ist für mich ein Indiz dafür, dass es stichhaltige Hinweise auf so eine Zunahme nicht gibt.
Aber ob ein bestimmtes Wetter nun »extremer« ist oder nicht, ist sowieso eine nicht ganz so einfache Frage: 2018 gab es in Deutschland eine sehr lange Periode mit äußerst wenig Niederschlag und im Januar 2019 gab es sehr lange anhaltende und äußerst intensive Schneefälle. Bei beiden Ereignissen war die Länge das Ungewöhnliche und vielfach wird der Verdacht einer gemeinsamen Ursache geäußert: Infolge der Klimaerwärmung hätten sich die Jetströme so verlagert, dass großräumige Wetterlagen jetzt nicht mehr wie bisher typischerweise etwa 7 Tage lang angehalten, sondern deutlich länger. Das ist durchaus möglich, das Klima hat sich ja zweifellos geändert und im neuen Klima können selbstverständlich länger anhaltende Wetterlagen häufiger sein. Nur, was bedeutet das? Ist das Klima damit »extremer« oder ist es »stabiler« geworden?
Auch weltweit wird über das Jahr 2018 immer wieder gesagt, es wäre das Jahr mit den schlimmsten Wetterkapriolen gewesen. Diese würden beweisen, dass die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels bereits fühlbar sind. Erstens bin ich nicht so sicher, ob das mit den »schlimmsten Wetterkapriolen« überhaupt stimmt. Aktuelle Ereignisse erscheinen einem immer besonders wichtig, ihre statistische Einordnung muss aber stets gesondert überprüft werden, siehe die obigen Beispiele. Zweitens, selbst wenn 2018 tatsächlich das Jahr mit den schlimmsten Wetterkapriolen war, dann war das jedenfalls bis heute immer noch »Wetter« und nicht »Klima«. Drittens, selbst wenn sich in einigen Jahren herausstellen sollte, dass 2018 der Beginn eines Klimas mit extremeren Ereignissen war, würde das nichts über die Ursache der Klimaänderung sagen: Mensch oder Natur? Viertens schließlich war 2018 jedenfalls von der Temperatur her nichts Besonderes: Es war kälter als 2017 und 2017 war kälter als 2016, auch 1998, 2010 und 2015 waren wärmer als 2018 /UAH 2018/. Als »Beginn eines neuen Klimas« eignet sich 2018 daher kaum. Ich möchte das noch etwas schärfer formulieren: 2018 beweist nichts, außer, dass das Wetter sehr variabel ist.
Zwischenergebnis Extremwetterereignisse: Entgegen der weitverbreiteten Ansicht ist eine statistisch signifikante Zunahme extremer Wetterereignisse bisher nicht beobachtbar. Aber auch wenn sie eines Tages beobachtbar sein sollte, wäre sie zunächst einmal eine Folge der Erwärmung und würde noch nichts über die Ursache der Erwärmung aussagen. Falls die Natur Ursache ist, bleibt uns Menschen nichts Anderes übrig, als uns an die geänderten Verhältnisse anzupassen. Und wenn wir es selbst sind, hilft das auch.
Vielfach wird die Notwendigkeit, das Zwei-Grad-Ziel (1,5-Grad-Ziel) einzuhalten, auch mit dem Anstieg des Meeresspiegels begründet. Dieser würde ganze Küstenstaaten bedrohen. Das wollen wir gleich näher untersuchen. Hier zunächst hinsichtlich der »normalen« Probleme des Meeresspiegelanstieges. Das Sonderproblem flacher Koralleninseln, die möglicherweise durch ansteigenden Meeresspiegel und wärmer werdendes Meerwasser gefährdet werden, kommt dann in Kapitel 2.3.4 dran.
Generell ist der Meeresspiegel in Warmzeiten um gut 100 m höher als in Eiszeiten, weil in Letzteren viel Wasser in Gletschern gespeichert ist. Einen solchen Anstieg um ca. 100 Meter gab es auch am Ende der letzten Eiszeit. Doch auch danach ist der Meeresspiegel noch langsam weiter angestiegen, mit deutlichen örtlichen und zeitlichen Unterschieden, insgesamt aber um etwa 5 Meter. Zurzeit steigt er im globalen Durchschnitt um ca. 2 bis 3 mm pro Jahr weiter an, in manchen Regionen deutlich schneller, in anderen langsamer, in manchen sinkt er sogar. Die Gründe hierfür sind vielfältig und nur zum Teil verstanden. Das immer noch anhaltende Auftauchen früher eisbelasteter Kontinente aus der Erdkruste, das Einbringen von Schwemmmaterial der Flüsse ins Meer und die vom Menschen betriebene Entnahme von Grundwasser mit letztendlicher Abgabe ins Meer zählen sicher dazu. Aber auch die erwärmungsbedingte Ausdehnung des Meerwassers und das Abschmelzen von Landeis. Meereis hingegen schwimmt und sein Schmelzen verändert den Meeresspiegel daher nicht.
Eine sorgfältige Analyse /Cur 2018/ kam zum Ergebnis, dass der Anstieg des Meeresspiegels im letzten Jahrhundert innerhalb der natürlichen Variabilität in den letzten Jahrtausenden lag. Eine Beschleunigung in der letzten Zeit und ein Einfluss des Menschen sind nicht zu erkennen. Wer hat recht, /Cur 2018/ und die vielen ähnlichen Aussagen, oder die alarmierenden Aussagen, die den Einfluss des Menschen zu erkennen meinen? Die Wissenschaft ist zerstritten! Ich wage es da nicht, Schiedsrichter zu sein.
Die heutigen Gebirgsgletscher sind zu klein, um einen großen Einfluss auf den Meeresspiegel haben zu können. Aber das Antarktiseis und das Grönlandeis sind riesig. In der Antarktis ist die Situation zweigeteilt: Auf der antarktischen Halbinsel und im Westantarktischen Eisschild scheint das Abschmelzen gegenwärtig klar zu überwiegen. Ursache hierfür ist sicher die allgemeine Erwärmung, es wird aber auch ein Beitrag durch zunehmende Vulkantätigkeit unter dem Eis diskutiert. In der sehr viel größeren Ostantarktis wächst das Eis demgegenüber ziemlich eindeutig. Bei Temperaturen immer noch weit unter dem Nullpunkt und mehr Niederschlag ist das auch plausibel. Die Gesamtbilanz der Antarktis ist klar positiv, wie Satellitenmessungen zeigen /NASA 2015/. Sogar so stark positiv, dass nach Meinung mancher Forscher die globale Landeisbilanz derzeit positiv ist.
Schwieriger ist es in Grönland, da sind die Aussagen noch stärker widersprüchlich. Insbesondere in den letzten Jahren wird aber nicht nur über ein Schrumpfen, sondern manchmal auch über ein Wachsen des Eises berichtet. In Kapitel 5.10 werde ich darauf nochmals zurückkommen.
Von manchen Autoren wird allerdings befürchtet, dass unser heutiges Tun einen unumkehrbaren Abschmelzprozess des grönländischen Eisschildes einleiten könnte. Dadurch würde der globale Meeresspiegel um ca. 7 m steigen und zahlreiche Städte und ganze Länder überfluten. Aber selbst wenn eine solche Entwicklung tatsächlich kommen sollte, würde sie auf jeden Fall viele Jahrtausende brauchen (und dann vielleicht in Konkurrenz zur nächsten Eiszeit stehen, die nach Erfahrung langsam fällig werden könnte, aber das ist ein anderes Thema). Rekonstruktionen aus dem Eem-Zeitalter, der Warmzeit vor der letzten Eiszeit, zeigen, dass es damals in Grönland 6000 Jahre lang um bis zu acht Grad wärmer war als heute. Das hat dem Eis natürlich zugesetzt, es aber nicht zerstört, nur etwa ein Viertel ist davon abgeschmolzen /Welt 2018/. Auch wenn es jetzt weiter wärmer wird (was niemand genau weiß, siehe Kapitel 5), wird das Grönlandeis wohl noch lange leben.
Bei einem Prozess, der, wenn er überhaupt kommt, viele Jahrtausende braucht, sind kurzfristige Maßnahmen wohl auf keinen Fall erforderlich. Ein solches Problem zu lösen, sollten wir besser unseren Fähigkeiten in 1000 Jahren überlassen.
Kurzfristige Maßnahmen braucht man demgegenüber aus ganz anderen Gründen: Man braucht sie beispielsweise gegen Überschwemmungen, die durch Sturmfluten, Monsunregen und dergleichen ausgelöst werden. Das sind die realen Probleme. Regelmäßig sehen wir entsprechende Bilder aus Bangladesch, Indien und anderen – vornehmlich armen – Küstenländern über den Bildschirm flimmern. Dagegen müssen wir etwas tun, unabhängig davon, ob die Häufigkeit zunimmt oder nicht. Was zu tun ist, das haben andere – wohlhabendere – Länder gezeigt. So wurden beispielsweise in Holland erfolgreich Deiche gebaut.
Ich kenne keine statistischen Werte, aber typische starke Sturmfluten in besonders überschwemmungsgefährdeten Gebieten könnten vielleicht bei etwa 5 m Höhe liegen. So hoch muss man dann die Deiche bauen. Ein solcher Deich muss nach vielleicht 100 Jahren neu gebaut oder zumindest generalsaniert werden. Wenn der Meeresspiegel – aus welchem Grund auch immer – um 3 mm pro Jahr steigt, muss man den neuen Deich dann eben nicht 5 m hoch bauen, sondern 5,30 m hoch. Außerdem muss man vielleicht woanders, wo man früher keinen Deich gebraucht hat, dann einen 30 cm hohen Deich bauen. Das sind die Auswirkungen des Meeresspiegelanstieges! OK, das kostet Geld und verlangt vielleicht weltweite Solidarität, rechtfertigt aber wohl keinesfalls eine völlige Umstellung unseres Energiesystems, wie sie zum Schutz des Klimas häufig gefordert wird.
Zwischenergebnis Meeresspiegel: Das eigentliche Problem ist nicht der langsame Anstieg um ca. 2–3 mm pro Jahr, sondern der oft plötzliche Anstieg um mehrere Meter in kürzester Zeit, ausgelöst durch Sturmfluten und dergleichen. Dagegen müssen wir etwas tun, unabhängig davon, ob wir einen Klimawandel haben oder nicht und unabhängig von dessen Ursachen. Und was wir dagegen tun, hilft auch gegen den langsamen Meeresspiegelanstieg und es hilft auch dann, wenn wir selbst diesen verursachen.
Immer wieder ist die Meinung zu hören, dass flache Inseln in tropischen Meeren vom Meeresspiegelanstieg besonders bedroht sind. Sie könnten, so wird gesagt, überschwemmt werden und von der Landkarte verschwinden.
Faktencheck: Grundsätzlich sind diese Inseln etwas Vergängliches. Vereinfacht ausgedrückt entstehen bzw. wachsen sie durch Vulkanausbrüche, Geländehebungen und Korallenwachstum und sie verschwinden bzw. schrumpfen durch Nachlassen/Verlagern der Vulkantätigkeit, Geländesenkungen und indem sie von Wellen weggespült werden. Auf sehr lange Sicht hin wird keine der heute vorhandenen Inseln überleben, aber neue werden kommen. Im Wettstreit zwischen Werden und Vergehen verändern die Inseln laufend ihre Gestalt und ihre Größe. Hinzu kommt noch der Meeresspiegelanstieg. Nach einer neueren Studie, /Duv 2018/, die 709 Inseln (einschließlich z. B. Marshall Inseln und Malediven) über mehrere Dekaden hinweg sorgfältig untersucht hat, waren 73,1 % der Inseln stabil, 15,5 % sind gewachsen und 11,4 % sind geschrumpft, verschwunden ist keine. Ein zerstörerischer Einfluss des steigenden Meeresspiegels auf die Inseln ist nicht zu erkennen. Außerdem hat die Studie noch ein weiteres relevantes Ergebnis erbracht: In den untersuchten Regionen war der Meeresspiegelanstieg stark unterschiedlich (von 2 bis 5 mm/a). Das hat aber keinen systematischen Einfluss auf die Ergebnisse gehabt. Auch das legt den Schluss nahe, dass der (langsame) Meeresspiegelanstieg keine große Bedeutung für die Inseln hat.