Titel
Impressum
Das Ethische
Prolog
1. Kapitel - Erotische Verwicklungen
2. Kapitel - Katholische Anwandlungen
3. Kapitel - Berufliche Ausweichmanöver
Zwischenspiel: - In eigener Sache
4. Kapitel - Der innere Dämon
5. Kapitel - Die Affäre mit dem „Korsar“
6. Kapitel - Eine Schulstunde und Turbulenzen in der Familie
7. Kapitel - Als Helfer in der Not
8. Kapitel - Nachwirkungen der Entlobung
9. Kapitel - Reaktionen auf eine „theologische Revolution“
10. Kapitel - Atheistische Momente
11. Kapitel - Poetische Versuche und letzte Worte
12. Kapitel - Ein Traum von einem Fest der Begegnung
Nachwort des Autors
Literaturverzeichnis
Mehr über Philosophie von Markus Herrmann bei DeBehr
Markus Herrmann
Wie ein Gewitter
gegen den Wind
Etappen auf Sören Kierkegaards Lebensweg
Sein Sekretär Israel Levin erzählt
Historischer Roman
DeBehr
Copyright by: Markus Herrmann
Herausgeber: Verlag DeBehr, Radeberg
Erstauflage: 2021
ISBN: 9783957538772
Grafiken Copyright by AdobeStock © Mannaggia, © Phil Cardamone
Das Ethische ist und bleibt die höchste Aufgabe, die jedem Menschen gestellt ist.
Sören Kierkegaard
Protestantischen wie katholischen Theologenfedern entfließt das Wort „ästhetisch“ wie von selbst, wenn von einer im letzten unernsten, nur schauenden, nur genießenden Haltung die Rede sein soll. Umgekehrt ist den Verfechtern ästhetischer Weltanschauung das Ethisch-Religiöse, gar das positiv-Christliche das, was mit Sicherheit die rechte Haltung verfälscht oder einfach zerstört.
Hans Urs von Balthasar
Prolog
Schon manche haben mich gebeten oder sogar aufgefordert, einmal etwas mehr über meinen Meister Sören Kierkegaard zu schreiben, dem ich jahrelang als Sekretär dienen durfte und dem ich zur Seite stand. Ich weiß demnach eine Menge von Details aus seinem Leben, war ihm nahe und kenne seine Marotten und Schwächen. Bisher habe ich dies Ansinnen abgelehnt, es widerstrebte mir, aus dem Nähkästchen zu plaudern und mich aufzuplustern mit meinem Wissen über diesen Meister.
Seine Schriften verbreiten sich allmählich in diesen Tagen, da er nun vor sechzehn Jahren, 1855, gestorben ist und auf dem „Assistens Kierkegaard“, dem Hilfsfriedhof oder „Kirchgarten“ Kopenhagens, begraben liegt. Dort waren zunächst Grabstätten für die Armen gewesen, doch als sich 1785 ein richtiger Kanzleirat daselbst zur Ruhe ließ, wurde er salonfähig, und allmählich zur bevorzugten Ruhestätte, ja zum Modefriedhof des Goldenen Zeitalters. Dazu zählen wir heute die Vierziger- und Fünfziger Jahre zu Kierkegaards und Hans Christian Andersens Lebzeiten. Mein Herr und Meister ruht also auf diesem Gottesacker. Kierkegaard heißt selbst Kirchhof oder Friedhof, weil seine Ahnen auf einem Hof in Jütland lebten, der an ein Gotteshaus grenzte. Seine Schriften finden bisher nur in unserem kleinen Dänemark Verbreitung, in Kopenhagen ist er jedoch berühmt. Da meine Tage, Monate oder Jahre gezählt sind und ich mich dem Grabe nähere, habe ich mich nun doch entschlossen, etwas über ihn zu Papier zu bringen, um der Nachwelt etwas mitzuteilen, was sie wissen soll und wichtig für das Verständnis des Meisters ist.
Ich will nämlich die Kenntnis dieses Mannes und seiner Schriften weiter verbreiten. Ich erkenne, dass seine Bekanntheit zunimmt, es ist bisher nur ein leises Bächlein, das von ihm kündet und ich will, dass es zu einem reißenden Strom wird. Viele Dinge ereigneten sich in seinem Leben, von denen kaum etwas bekannt ist, und es wäre ein Frevel von mir, die Kenntnis davon mit ins Grab zu nehmen.
Er erhielt immer wieder Besuch von Frauen und Männern, die von ihm gehört hatten, und sie veranlassten ihn zu allerlei Unternehmungen. Sie versuchten, ihn zu beeinflussen und in eine Richtung zu drängen, da sie sein Genie erkannten und glaubten, dass da einer war, der tiefer als andere Zeitgenossen sah und dessen Gedanken die Welt bewegen würden wie kaum ein Zweiter. Ich sprach von Besuchen fremder Leute, doch es war schwer, bis zu ihm vorzudringen, sie hatten sich bei mir anzumelden, ich trug ihm die Wünsche dieser Menschen vor und er entschied, ob er Zeit für ein Gespräch erübrigen konnte. Manchmal war er einfach zu beschäftigt, um Gäste zu empfangen.
Bekanntermaßen war er auf den Straßen Kopenhagens viel unterwegs, und da war er anders, da sprach er mit vielen Leuten und verwickelte sie in lange Gespräche. Selbst einfache Menschen wie einen Gewürzhändler, eine Dienstmagd oder einen Kaminkehrer horchte er aus, er tat es darin wie eines seiner Vorbilder, nämlich der Athener Sokrates. Mit diesem hatte er sich eingehend wissenschaftlich beschäftigt. Er schrieb über ihn seine Magisterarbeit an der Universität Kopenhagen mit dem Titel „Der Begriff der Ironie mit ständiger Beziehung auf Sokrates“.
Er nannte ihn darin einen „Virtuosen der zufälligen Berührung“, der in den Straßen und Gassen von Athen umherstreifte und mit jung und alt jeglichen Standes und Berufes über alles sprach. Kierkegaard tat es ihm gleich in Kopenhagen und seine Magisterarbeit über Sokrates erregte großes Aufsehen, weil sie auf Dänisch geschrieben war statt, wie es die Sitte damals gebot, auf lateinisch. Sie fand dennoch bei seinen Professoren lebhaften Beifall, schon damals zeigte sich zumindest im zweiten Teil der Arbeit seine Begabung, wissenschaftlich und zugleich allgemein verständlich zu schreiben. Allerdings klagte ein Prüfer über die Weitschweifigkeit und Gespreiztheit des Werkes. Möglicherweise waren sie von der ungewöhnlichen Behandlung des Themas überrascht.
Das Studium hatte Sören Aabye Kierkegaard vor allem deswegen abgeschlossen, weil er dies seinem kurz davor verstorbenen, von ihm sehr verehrten Vater versprochen hatte. Die beiden waren sich in den letzten Lebensjahren oft uneins gewesen, weil die Zeit verging, ohne dass Sören zu einem Ende mit seinem Lernen an der Universität kam. Vater Michael schien ihm sogar eine Zeitlang die Unterstützung verweigert zu haben, bis eine Versöhnung zustande kam, vor allem durch das eifrige Bemühen seines Bruders Peter. Diese Übereinkunft soll seinen Vater einige tausend Taler gekostet haben. Nach dessen Tod war sein Wunsch dem Sohn heilig geworden und er verstand die Examensvorbereitung als religiösen Akt.
Michael Kierkegaard hatte es als Wollwarenhändler zu beträchtlichem Wohlstand gebracht und Sören Aabye ein ansehnliches Vermögen hinterlassen. Das erlaubte es dem Sohn, sich ganz der Schriftstellerei zu widmen, mit einer Hingabe und Leidenschaft, die Ihresgleichen sucht. Allein viertausend Seiten Tagebücher sind von ihm erhalten, hinzu kommen mehr als ein Dutzend zum Teil dickleibige Bücher, geschrieben in einem Zeitraum von etwa vierzehn Jahren. Und es bewahrheitete sich damit sein eigenes Wort, wonach nur der das gelobte Land sieht, wer eine Leidenschaft hat, ansonsten komme er um in der Wüste.
Schlagartig bekannt wurde er durch „Entweder – Oder“, ein Werk, das er zum Teil in Berlin geschrieben hatte, wo er sich vier Monate von Oktober 1841 bis März 1842 aufhielt, um Vorlesungen unter anderem bei dem Philosophen Schelling zu hören. Sie fanden bei ihm wenig Gefallen, mir gegenüber sagte er, der Philosoph habe „unerträglich salbadert“ und sei auf die Idee verfallen, länger als gewöhnlich zu lesen, woraufhin Kierkegaard seine Zeit bei ihm abkürzte. „Ich war zu alt, um Vorlesungen zu hören, ebenso wie Schelling zu alt war, um sie halten.“ Kierkegaard saß damals die meiste Zeit in seinem Hotelzimmer und schrieb das Buch mit dem Titel, der sprichwörtlich wurde und der ihn zeitlebens verfolgte. Sogar die Gassenjungen in Kopenhagen riefen ihm diese beiden Worte „Entweder – Oder“ bei seinen Spaziergängen hinterher.
Dies taten sie vor allem zu der Zeit, als der „Korsar“, unser Kopenhagener Witz- und Satireblatt, ihn auf die Schippe nahm und über Kierkegaards wunderliches Äußeres spottete, über seine schiefe Gestalt, die ungleich langen Hosenbeine lästerte, mit denen er durch die Straßen lief. Dies war damals Tagesgespräch in unserer Stadt und die hagere Gestalt Kierkegaards erregte Aufsehen, weil er klein war, dünne Beine hatte und einen krummen Rücken, vermutlich wegen „all der Leserei und Schreiberei an den Pulten“, wie seine Jugendliebe Regine Olsen später einmal sagte, und weil er mit einem Regenschirm unter dem Arm oft stundenlang spazieren ging.
In ganz kurzer Zeit veränderte sich seine Beziehung zur Kopenhagener Bevölkerung durch die Affäre mit dem „Korsar“, er wandelte sich unter dem Blick der Menschen vom Meisterdenker zum Dorftrottel, und zugleich auch vom Dichter zum Märtyrer. Zum zweiten Mal hatte er sich mit dem Stadtklatsch überworfen nach seiner Entlobung von Regine Olsen, und diesmal war gleichfalls der Eindruck sehr stark. Viele meinten, er sei ein Müßiggänger und Tagedieb, er erschien zu den üblichen Stunden immer auf dem „Strög“, der Kopenhagener Promenadenstraße, wo er sokratische Gespräche führte.
Manche begegneten ihm, wie Georg Brandes schrieb, in früher Morgenstunde auf den abgelegenen Pfaden am Stadtgraben, für den er sich kurioserweise eine Angelerlaubnis gekauft hatte, um ungestört denken zu können. Solche Wanderungen im Morgennebel, im taubedeckten Gras, hat er in „Die Wiederholung“ geschildert. Wenn er nach Hause kam, schrieb er in Wahrheit viele Stunden an seinen Werken, so dass er die Mitbürger foppen konnte und sich einen Spaß daraus machte, sie an der Nase herumzuführen, weil sie glaubten, er sei ein Nichtstuer. Und alle meinten, über ihn Bescheid zu wissen, deshalb blieb seine Bedeutung bei seinen Zeit- und Landesgenossen damals unerkannt.
Er stürzte sich also in die Arbeit und zitierte öfter den Tyrannen Periander aus Athen, der gesagt hatte: „Fleiß schafft alles.“ Kierkegaard verglich sich sogar einmal mit Simon Stylites, dem Säulensteher der Antike, der sich in den schwierigsten Stellungen niedergebeugt habe und den Schlaf verscheuchte, und der wohl daran getan habe. Nur sei sein Fehler gewesen, dass er es vor den Augen der Menschen tat, und nach dem Beifall des Publikums trachtete. Dies Letztere sei ihm ferne, behauptete Kierkegaard, wohl verscheuche er den Schlaf und wringe seine Seele durch. Dieser Selbstvergleich mit Simon Stylites hat einer schwedischen Schriftstellerin Stoff für ihre Verhöhnung des Theologen geliefert.
Er war ohne bedeutende Stellung, die ihn in den Augen der Zeitgenossen hätte erhöhen können, manche nahmen ihn deswegen kaum ernst. Mit dem Erscheinen von „Entweder- Oder“ hatte er ein Zeichen gesetzt und mit den vielen Werken, die folgten, machte er von sich reden. Freilich muss ich hinzufügen, dass er meist ein Pseudonym benutzte, er machte sich einen Spaß daraus, ein Spiel mit Namen von Verfasser und Herausgeber zu treiben, so dass sich manche Leser verwundert die Augen rieben. Es war bald bekannt in Kopenhagen, wer dahinter steckte. Dies hatte zur Folge, dass sich Viele für Kierkegaard als Person interessierten, anstatt sich an den dadurch gesetzten Abstand zu halten. Doch er behielt seine Gewohnheit bei, Pseudonyme zu gebrauchen, dies gehörte zu seiner Art, er wollte sich verbergen und vor Angriffen schützen. Doch nutzte dies wenig, wie gesagt.
„Etappen auf Sören Kierkegaards Lebensweg“ habe ich den Untertitel dieser Aufzeichnungen genannt. Die Kenner von Kierkegaards Werken wissen, worauf ich anspiele. „Stadien auf des Lebens Weg“ heißt eines der wichtigsten Bücher aus seiner Feder. Zu dem von mir gewählten Titel „Wie ein Gewitter gegen den Wind“ will ich ebenso Stellung nehmen. Es ist ein Zitat, das er einmal gebrauchte und das auch in seinen Tagebüchern sich findet. Der genaue Wortlaut ist: „Das Genie geht wie ein Gewitter gegen den Wind“ und er meinte damit, dass außerordentliche Geister vielfachen Widerständen ausgeliefert sind, und sie sich trotzdem zu behaupten haben. Er sprach damit auch durchaus von sich selbst, denn er war überzeugt, etwas zu sagen zu haben, das nur er ausdrücken konnte. Und er prophezeite im November 1847, dass dereinst seine Schriften und sein Leben Gegenstand des Studiums sein würden. Diese meine Zeilen sind ebenso „Wie ein Gewitter gegen den Wind“ gedacht, vor allem den des Vergessens.
Er meinte, dass ein Ethiker zu Lebzeiten immer ein solches Schicksal habe, verkannt zu sein. Seine Aufgabe sei es, die Menschen zum Guten zu bringen. Doch dies mache sie zornig gegen den Ethiker, dass er sage, jeder könne es ebenso wie er, er ist der Stachel in ihrer Existenz und dies bewirkt, dass sie ihn forthaben wollen. Erst wenn er tot ist, ehren sie ihn. Dann ist der Stachel von ihnen genommen. Wenn er schon zu Lebzeiten nachgibt, dann legen sie es ihm als Schwäche aus. Bleibt er bei seiner Ansicht, so erbittert sich die Welt gegen ihn. Wenn er tot ist, sagt sie: es war doch richtig von ihm.
Diese Zusammenhänge hat er mir einmal erläutert. Er hatte ja mit zahlreichen Gegnern zu Lebzeiten zu kämpfen und verwickelte sich in Auseinandersetzungen, die an seiner Gesundheit zehrten. Vielen, denen die Kopenhagener Verhältnisse vertraut sind, wird dabei die Sache mit Bischof Mynster einfallen, den Kierkegaard anfangs sehr verehrte, doch im Laufe der Jahre immer kritischer sah. Anlässlich der Gedenkrede zum Tod des Bischofs durch seinen Nachfolger Hans Martensen kamen die Gegensätze zum Ausbruch. Der neue Bischof bezeichnete seinen Vorgänger Mynster als „Wahrheitszeugen“, „ein Glied in der heiligen Kette“, woran sich Kierkegaard stieß. Martensen war an der Universität einer von seinen Tutoren gewesen.
Im Februar 1854 schrieb Kierkegaard seinen berühmten Artikel dagegen und ließ ihn dann neun Monate ungedruckt liegen. Im Dezember schleuderte er ihn heraus. Den Angriff führte Kierkegaard in der örtlichen Presse und in der Zeitschrift „Der Augenblick“, die er auf eigene Kosten druckte und die in neun Nummern von Mai bis September 1855 erschien. Martensen erwiderte und bezeichnete Kierkegaard als einen Thersites, der auf dem Grab des Helden, also Mynsters, tanzte. Diese homerische Gestalt, den Odysseus wegen seiner Schmähworte gegen die Fürsten züchtigte, galt als hässlichste der Griechen und als frech und feige. Der Vergleich mit Thersites war also sehr abwertend gemeint. Doch Kierkegaard startete seine Angriffe gegen die ganze bestehende Staatskirche und die Christenheit:
„Was ich will?“, fragte er und antwortete: „Ich will Redlichkeit. Wenn es dies ist, was die Generation oder die Mitwelt will, wenn sie sich ehrlich, redlich, vorbehaltlos offen, geradezu gegen das Christentum empören, zu Gott sagen will: `Wir können, wir wollen uns dieser Macht nicht beugen´, doch wohlgemerkt, es muss ehrlich, redlich, vorbehaltlos, offen geradezu geschehen – nun wohl, wie seltsam es erscheinen mag, dann bin ich dabei, denn Redlichkeit will ich.“ Der Theologe behauptete, dass die Kirche im Wesentlichen eine weltliche Institution geworden sei. Sie stecke mit dem Staat unter einer Decke. Eine Bürokratie führe sie an, deren vordringlichste Sorge die Förderung der materiellen Interessen ihrer Mitglieder sei.
Das Wort in Armut zu verkündigen, bedeute zum Beispiel, eine einträgliche Karriere zu verfolgen. Verzicht auf irdische Güter hieße, eben solche zu erwerben. Kierkegaard sah darin einen gigantischen Schwindel. Dies alles gipfelte in seiner Forderung an die Leser, sich nicht an der „öffentlichen Gottesverehrung“ zu beteiligen, weil es darauf hinauslaufe, den Allerhöchsten zum Narren zu halten.
Früher, als er selbst in der Kopenhagener Frauenkirche gepredigt hatte, war sie ehrwürdig und heilig gewesen. Jetzt hielt er sie für einen „zweideutigen Ort“. Mit solchen scharfen Angriffen, die sich gegen die Substanz der Kirche richteten, machte er sich viele Feinde. Während des so genannten Kirchenkampfes veröffentlichte Kierkegaard neben den bitteren Anklagen eine versöhnliche, erbauliche Rede mit dem Titel „Gottes Unveränderlichkeit“. Unser bedeutender Literaturkritiker Georg Brandes hat ihn in einer Schrift als den „Tycho Brahe unserer Philosophie“ bezeichnet. Er irre sich wie dieser in seiner Auffassung vom Mittelpunkt des Weltsystems, sagte er in seiner kritischen Würdigung, und fügte hinzu: „Er war in vielen Punkten im Aberglauben seiner Zeit befangen, doch er hat unser Geistesleben mit einer Fülle von selbständigen Beobachtungen und Ideen bereichert.“
Kierkegaard war in zahlreiche Fehden verwickelt, von denen die mit Bischof Mynster wohl am schwierigsten war. Sein Vater hatte ihn angehalten, die Predigten dieses Mannes zu hören. Er hatte ihm einmal einen Reichstaler versprochen, wenn er eine seiner Predigten laut las, und einmal sogar vier Taler, wenn er eine in der Kirche anhören und dann niederschreiben würde. Sören sagte Nein und warf dem Vater vor, dass es unmoralisch sei, ihn auf diese Weise kaufen zu wollen. Bischof Mynster war der Pfarrer seines Vaters, wie Sören ja die Religiosität von Michael Kierkegaard geerbt hatte. Er pflegte dies als den besten Beweis für die Unsterblichkeit der Seele zu bezeichnen und den Beleg, dass es Gott gibt. Dies müsse so sein, weil sein Vater es ihm in seiner Kindheit gesagt hat.
Und nach dessen Tod wurde seine Pietät ihm gegenüber stärker und sie bewahrte ihn davor, den Schritt über die Grenze vom Glauben zum Unglauben zu tun. Von seinem Vater hatte er ja auch die Schwermut, unter der Sören Aabye zeitlebens litt. Vieles sollte wohl auch darauf zurückzuführen sein, dass sein Vater in seiner Jugend, als er Schafe hütete auf der jütländischen Weide und Schlimmes erlitt, einmal Gott verflucht haben soll und diese Szene verfolgte ihn zeitlebens. Als er zweiundachtzig war, dachte er noch daran. Michael litt in seiner Jugend körperliches Ungemach und seelischen Mangel. Er ermangelte des Schutzes und Schirms der Bäume und Menschen, es gab nur die leere Fläche und die sprachlosen Tiere. Auf solche Art zog seine Seele die ganze stumme Melancholie der Heide in sich ein. Er verlor sich in jene Grübeleien und Traumgesichte, wie sie einen Menschen überkommen, der nur mit sich selbst umgeht.
Einsamkeit, Eintönigkeit und Schwermut der jütländischen Heide klingen im Werk des Sohnes nach. Sein Vater Michael war diesem harten Leben als Hirtenjunge entronnen und avancierte in Kopenhagen zu einem erfolgreichen Kaufmann, der Reichtümer ansammelte. Doch die Erinnerung an den Fluch ging dem schwermütigen Mann nach und trieb ihn zu einer Frömmigkeit, in der nur das Bild des Gekreuzigten ihm Trost gewähren konnte. Möglicherweise war diese Sünde der Ausgangspunkt für andere Verfehlungen wie etwa sexuelle Ausschweifungen, die der eigentliche Grund für seine Verzweiflung gewesen sein könnten. Er heiratete auch erst mit achtunddreißig Jahren.
Als der ihm gefährlich ähnliche Sohn von jenem Geheimnis im Leben des Vaters erfuhr, war es ihm, als laste ein Fluch auf der Familie. Selbst die ausgezeichneten Geistesgaben mussten ihm zum Verhängnis werden und nur der strenge christliche Glaube konnte einem derart belasteten Leben Möglichkeiten abgewinnen.
Sören Aabye war das jüngste von sieben Kindern, seinen ersten Vornamen erhielt er von einem fröhlichen Onkel und seinen zweiten von einem damals kurz vorher verstorbenen fernen Verwandten. Sein Vater war bereits siebenundfünfzig, seine Mutter fünfundvierzig Jahre alt, als er am 5. Mai 1813 zur Welt kam. Fünf dieser Sprösslinge starben bereits früh, zwei im Alter von dreiunddreißig Jahren, weshalb Sören auch mit seinem Ableben zu diesem Zeitpunkt, spätestens mit vierunddreißig, rechnete. Das Bewusstsein, dass die Zeit knapp bemessen ist und das Ende naht, begünstigte wie bei vielen solchen Geistern auch bei ihm die Produktionsfähigkeit, und es erklärte die ungeheure Arbeit, die er in diesen Jahren leistete.
Seine erste Schrift trug deshalb den Titel „Aus eines noch Lebenden Papieren“ und dies erklärt sich aus der Voraussicht seines nahen Todes. Sören ist dann auch nur zweiundvierzig Jahre alt geworden, völlig aufgezehrt von seiner manischen Schreibtätigkeit, möglicherweise hatte er auch ein Rückenleiden, das von einem Sturz von einem Baum in seiner Jugend herrührte. Die Ärzte waren uneinig, was der Grund für seinen frühen Tod gewesen sei.
Sicher ist, dass er ein besessener Schreibarbeiter war, so dass ihn diese Anstrengung wohl auch bald ins Grab brachte. Als „Wie ein Gewitter gegen den Wind“ sah er sich selbst und seine Schriftstellertätigkeit begann ja mit der Verlobungsaffäre, von der ebenfalls ganz Kopenhagen sprach. Sören Aabye hatte sich am 10. September 1840 mit der damals siebzehnjährigen Regine Olsen verbunden. Sie war die Tochter eines Etatsrats, des Kontorchefs der Hauptfinanzbehörde, also eines hohen Beamten mit guten Beziehungen. Diese Liaison hielt knapp ein Jahr, in dem sie sich trafen und Briefe wechselten. Kierkegaard kam zu dem Schluss, dass er für die Ehe ungeeignet sei, dass eine glückliche Beziehung mit Regine mithin unmöglich sei.
Er hat versucht, bei ihr Verständnis für seine religiöse Schwermut zu wachzurufen. Als dies scheiterte, hielt er es für seine Gewissenspflicht, die Verlobung zu lösen. Das alles geschah unter inneren Qualen, die kaum darzustellen sind. Möglicherweise spielte eine Rolle, dass er sich zum religiösen Schriftsteller berufen sah und dies mit einer Familiengründung als unvereinbar betrachtete.
So löste er die Verlobung und dies verursachte in Kopenhagen einen Skandal, der seinesgleichen suchte, und er floh nach Berlin, wo er in seinem Hotelzimmer sein erstes Buch schrieb, in dem es ja über weite Strecken auch um die Ehe geht. Anderswo hat er von ihr als der „wichtigsten Entdeckungsreise, die ein Mensch unternehmen kann“, geschrieben.
„Jede andere Kenntnis des Daseins ist oberflächlich im Vergleich mit der eines Ehemanns, denn er allein hat sich gebührlich ins Dasein vertieft“, schrieb der Mann, der nur ein knappes Jahr verlobt war. Der Dichter Homer, so Kierkegaard, spreche auch von seinem Helden Odysseus, der „vieler Menschen Städte gesehen und ihren Sinn erfahren hat“. Nach Kierkegaards Auffassung hätte er möglicherweise ebenso viele und angenehme Dinge erfahren, wenn er bei seiner Ehefrau Penelope geblieben wäre.
Schon damals war Sören Aabye also so etwas wie „ein Gewitter gegen den Wind“. Es liegt mir fern, dieses turbulente Leben auf diesen Nenner zu bringen. Aber ich denke, dieser Titel beschreibt ihn am besten. Ich werde in diesen Zeilen von verschiedenen Auseinandersetzungen in seinem Leben berichten. Er war überzeugt, zu den herausragenden Geistern seiner Zeit zu gehören, und Georg Brandes, einer der bedeutendsten Literaturkritiker unserer Tage, hat ihm ja schon mit einem Werk gewürdigt und sieht in ihm einen großen Dänen. Unser kleines Land hat große Geister nötig, und die Tatsache, dass auch ein Hans Christian Andersen zur selben Zeit und in derselben Stadt wie Kierkegaard lebte, spricht Bände. Doch der Märchenerzähler und der Philosoph gingen sich aus dem Weg, wenn sie es konnten.
„Aus eines noch Lebenden Papieren“ bezieht sich ja auch auf Andersen. Es war wohl eine Art Generalabrechnung mit ihm, Kierkegaard war noch jung und hitzig, vielleicht war er auch eifersüchtig auf den Mann, der im Unterschied zu ihm Leser in ganz Europa hatte.
„Andersen kann Märchen über die Galoschen des Glücks schreiben, ich darüber, wo der Schuh drückt“, gab er dabei zum Besten. Ihm fehlte das Gespür für die Doppelbödigkeit, die verborgene Ironie, den Sarkasmus, die zeitgenössische Satire und geniale Naivität in Andersens Märchen. Dennoch bedankte sich dieser gerührt über die Zusendung eines Exemplars von „Entweder – Oder“ in zweiter Auflage. Er schickte dem Gegenüber auch später, ich glaube, es war 1848, die große zweibändige Ausgabe seiner „Neuen Märchen“ mit der sinnigen Widmung:
„Entweder mögen Sie meine Sachen, oder Sie mögen sie nicht, jedenfalls kamen sie ohne Furcht und Zittern, und das ist immerhin etwas.“ Dies verriet schon einige Ironie, indem er sich auf zwei Titel Kierkegaards („Entweder – Oder“ und „Furcht und Zittern“) bezieht und es beschreibt das Verhältnis der beiden. Ich denke, wenn zwei solche Genies – ich gebrauche das Wort mit Bedacht und wohlerwogen - in einer Stadt leben, ist es wohl verständlich, dass sie einander wenig Beachtung schenken, denn sie sind mit ihren eigenen Aufgaben beschäftigt. Auch ein Leonardo da Vinci und Michelangelo waren ja in Rivalität verbunden.
Ich erwähnte schon die Affäre mit dem „Korsar“, dem Witz- und Satireblatt, das eine hohe Abonnentenzahl hatte und Revue hielt über die Ereignisse in Kopenhagen. Es behandelte politische und akademische Autoritäten voller Spott und Hohn. Es war ein Ausläufer der liberalen Opposition mit gewissen republikanischen Tendenzen, der Jude Meir Aron Goldschmidt gab es heraus und redigierte es glänzend. Viele ergötzten sich an den Artikeln und Zeichnungen in diesem Blatt, aber jeder fürchtete auch, selbst ins Visier der Redakteure zu geraten. Die meisten sympathisierten aber auch mit der Zeitung, weil es Dinge zu sagen wagte, die mancher für sich behielt. Beim Erscheinen von „Entweder–Oder“ hatte Goldschmidt noch geschrieben, der Autor sei ein „Aristokrat des Geistes, er verspottet das ganze Menschengeschlecht, zeigt dessen Jämmerlichkeit auf; aber er ist dazu berechtigt, er ist ein ungewöhnlicher Geist.“ Das hatte Kierkegaard natürlich gefreut, aber nun litt er sehr unter den Karikaturen, die dort über ihn zu sehen waren, und er hatte ohnehin nur wenig Achtung übrig für die Journalisten im Allgemeinen. Ich bekam einmal eine Szene auf der Straße mit, wo sich zwei Bekannte über die kurz zuvor erschienenen satirischen Zeichnungen unterhielten. Der eine sagte:
„Nun haben sie den Kierkegaard aufs Korn genommen. Sein krummer Rücken, seine langen Spaziergänge, und was das Beste ist, seine ungleich langen Hosenbeine sind Anlass des Spotts.“ Die beiden lachten herzhaft über dieses letzte Detail und der andere meinte:
„Der Kierkegaard war ja jahrelang eine bekannte Figur auf den Straßen, ohne dass jemand dies aufgefallen wäre.“ Und der andere ergänzte:
„Das ist köstlich, wie sie ihn veralbert haben. Die Zeitung schrieb: `Die Erfahrung zeigt, dass die Beine der Herrenhosen e n t w e d e r gleich lang sind, o d e r, dass das eine länger als das andere ist. Tertium non datur´. Ein Drittes ist unmöglich. Das finde ich herrlich.“ Die beiden wussten über den Fall bestens Bescheid und schütteten sich aus vor Lachen darüber, dass das Blatt den Philosophen verulkte. Sie erzählten sich auch, dass eine ganze Schar von Leuten ihn bei der Rückkehr von seinen Kutschenfahrten oder Spaziergängen empfing, sie sich in die Seite pufften und auf seine Hosenbeine zeigten. Und der andere wusste auch noch etwas:
„Der Schneider, der ihm die Hosen geliefert hat, muss fürchten, dass er seine Kunden verliert und sein Geschäft pleitegeht. Er hat sich geweigert, weiter für Kierkegaard zu nähen.“ Das war sehr skurril und erheiterte die Stadt. Aber die beiden Herren, denen ich lauschte, verfielen bald in einen respektvollen Ton, als Kierkegaard tatsächlich selbst zufällig des Weges kam und bemerkte, wie die Leute höflich und zuvorkommend wurden, als er die beiden um Feuer für die Zigarre bat. So zeigte sich, dass er doch ein berühmter Mann war.
Er bezeichnete das Ganze auch als „Komödie“. Insgesamt hielt er aber wenig von Journalisten. Wenn Christus heute wiederkäme, so behauptete er, würde er statt der Pharisäer die Zeitungsleute aufs Korn nehmen. Er stellte sich sogar einmal vor, auch wenn ihm Blutdurst fremd sei, wie er „Feuer“ rufen würde, wenn bei einem Erschießungskommando die Gewehrläufe auf Journalisten gerichtet wären. Derart ausgeprägt war seine Abneigung gegen diesen Berufsstand.
Er hielt die Tyrannei der Journalliteratur für die erbärmlichste ihrer Art. Ein Schriftsteller müsse verlieren, wenn ihn eine Zeitung angreife, es sei denn, er gebe selbst ein Blatt heraus. Dies komme aber einer Niederlage gleich, denn dann sei er zum Journalisten herabgesunken. Trotz dieser Schmähreden gegen die Presse war er von seiner christlichen Pflicht zur Nächstenliebe überzeugt. Er schrieb ja auch das dicke Buch „Der Liebe Tun“ über dieses ethische Gebot. Auf vierhundert Seiten begründet und erläutert er, warum Christen diese so wichtige Aufgabe erfüllen sollten. So schreibt er: „Wie lächerlich, wie hemmend, wie unzweckmäßig die Nächstenliebe auch in der Welt scheinen kann, sie ist doch das Höchste, was ein Mensch auszurichten vermag.“ Es komme darauf an, sagt er darin auch, den Menschen zu lieben so wie er ist, mit all seinen Unvollkommenheiten und Schwachheiten, auch wenn er sich gleichgültig abwendet, wenn er dich verrät und verleumdet. Und er sagte mir gegenüber wie er es auch seinem Tagebuch anvertraute, dass er dankbar sei, dass er in seinem vielfach missratenem Dasein sich als sein Lebensglück die ursprüngliche und unzerstörbare Vorstellung bewahrt habe daran, dass Gott die Liebe ist. So sei es ihm das ersehnte Ziel seiner Arbeit, die Menschen wachzurufen, dass sie doch ihr Leben nutzen sollten, diese Wahrheit sich zu Herzen nehmen.
Ich halte „Der Liebe Tun“ für sein schönstes Werk und für das, dem ich die meiste Verbreitung wünsche. Es ist ja schon nach fünf Jahren eine zweite Auflage von ihm erschienen, ebenso wie von seiner „Einübung im Christentum“. Bei den „Stadien auf des Lebens Weg“ brauchte es dafür dreizehn Jahre und für „Furcht und Zittern“ vierzehn. Auch andere Bücher von ihm erlebten schon eine zweite Auflage. Sicher ist „Entweder - Oder“ mit dem griffigen Titel sein wichtigstes Buch, aber mancher Leser hat dabei schon kapituliert auf der Strecke von achthundert Seiten. Kierkegaard legte Wert auf die Feststellung, dass er dies innerhalb von elf Monaten geschrieben habe, den zweiten Teil zuerst, und vor Beginn der Niederschrift hätten nur ein paar der einleitenden Aphorismen vorgelegen. Damit widersprach er der Ansicht, die in Kopenhagen im Umlauf war, das Buch sei eine Sammlung von Papieren, die der Verfasser lange Zeit in seinem Pult liegen gehabt hatte. Die Lektüre dieses Werkes ist selbstredend äußerst bereichernd.
Als besten Einstieg in Kierkegaards Werk empfehle ich hingegen „Einübung im Christentum“, in dem es viele starke Stellen auch zum Neuen Testament gibt. Darin unterscheidet er scharf auch zwischen der Haltung, die der christliche Glaube tatsächlich von seinen Anhängern fordert, und den abgemilderten und weltlichen Ersatzstoffen, die unter diesem Namen weit verbreitet sind.
Im Vorwort schreibt er, dass er den Menschen wandeln will, der sich zur Christenheit zählt, ein Grundverhalten einüben, das ihn zum Christen macht. Es lag ihm also eine bestimmte Absicht zugrunde, die Gläubigen zum echten Menschsein zu erziehen. Von diesem Buch hat er im September 1850, als es erschien, wie üblich ein Exemplar an Bischof Mynster geschickt und dieser war sehr zornig gewesen und hatte es „ein unheiliges Spiel mit dem Heiligen“ genannt.
Als Kierkegaard beim Bischof deswegen vorsprach, war dieser sehr sanft zu ihm. Er zeigte Verständnis, dass „jeder Vogel singt, wie ihm der Schnabel gewachsen ist“. Doch gleichzeitig meinte er, dass es kaum von Nutzen sein werde. „Die Hälfte des Buches enthält ja Angriffe auf Martensen, die andere Hälfte auf mich.“ Ich halte dies für übertrieben. Es ist durchaus nützlich und auch heute noch mit Gewinn zu lesen. Die Hintergründe dafür zu kennen, ist kaum notwendig. Das ist mein persönlicher Ratschlag für die Lektüre an den Leser dieser Zeilen, der sich mit Kierkegaard über meine Darlegungen hinaus beschäftigen will.
1. Kapitel - Erotische Verwicklungen
Nach diesen Präliminarien mit den wesentlichen Fakten zu dem großen Denker, als den ich ihn schon heute, im Jahr 1871, sehe, will ich nun einige Etappen auf seinem Lebensweg schildern, die bisher wenig bekannt sind und die ein Licht werfen auf seinen Charakter und sein Werk. Ich könnte alles anonym halten, könnte es bei den anderen Protagonisten im Ungefähren belassen, aber ich will Ross und Reiter nennen, soweit sie mir bekannt sind. Sören Kierkegaard war eine bekannte Erscheinung in Kopenhagen und er verkehrte in angesehenen Häusern, war Teil des gesellschaftlichen Lebens, so etwa bei Professor Heiberg, der zu den führenden Köpfen in der dänischen Hauptstadt gehörte. Dieser hatte vom „Tagebuch des Verführers“, einem Teil aus „Entweder-Oder“ geschrieben, dass es ein literarisches Werk sei, das einen anwidert, anekelt und empört, und dieser Verriß förderte den Verkauf.
Auch Heibergs Ehefrau spielte eine bedeutende Rolle im Geistesleben Kopenhagens; seine Gattin war Schauspielerin am „Königlichen Theater“, das mit seinen Aufführungen für viel Gesprächsstoff sorgte. Diese Johanna Heiberg verkörperte viele Paraderollen, die ihr auf den Leib geschnitten schienen, und war mit allen Fasern ihrem Beruf ergeben. Sie war der Liebling des Publikums und zu ihren Ehren veranstalteten die Studenten sogar einmal einen Fackelzug. Ihr Gatte weihte alle seine Dichtungen ihr, die er als „eine einzige Liebeserklärung“ bezeichnete.
Sie las wie so viele andere „Entweder - Oder“, das Werk Kierkegaards, das für so großes Aufsehen sorgte. Es erschien unter dem pseudonymen Herausgeber „Victor Eremita“. Er hatte alle Verhandlungen mit dem Verlag und der Druckerei durch seinen Freund Grödwand führen lassen, um selbst unerkannt zu bleiben. Doch schon nach kurzer Zeit gaben die Zeitungen Kierkegaard als Verfasser bekannt.
Der Titel vor allem war einprägsam und wurde zu einem geflügelten Wort in Kopenhagen, er traf gleichsam ins Mark unserer Gesellschaft und wie ein genialer Wetterstrahl reizte er seine Leser, weckte seine Neugier und stellte sie vor eine Wahl. Wer das Buch gelesen hat, weiß, dass es sich in einem Teil um die Gegenüberstellung eines ästhetischen und eines ethischen Lebenswandels handelte. Für ihn hatte das Individuum, das letzteren Prinzipien folgte, einen tieferen Grund, während der, der nach ersteren Gesichtspunkten lebt, nur oberflächlich bewegt ist. Damit brachte Kierkegaard die Sache auf den Punkt, teilte das Dasein gleichsam ein in diese Existenzsphären, wie er sie nannte, und das Religiöse kam in den „Stadien auf des Lebens Weg “ später noch dazu.
Frau Heiberg fühlte sich nun durch die Lektüre von „Entweder - Oder“ herausgefordert, weil Kierkegaard offenbar dem ethischen Leben den Vorzug gab, einem Dasein nach den Geboten Gottes, während er das ästhetische, das sich am Schönen ausrichtete, als lasterhaft und unmoralisch verurteilte. Er drückte es aber anders aus. So schrieb er:
„Ein ästhetisch lebender Mensch existiert ins Blaue hinein und neigt dazu, für alles, was der vorgegebene Moment an Unterhaltung, Aufregung und Interessantem bringt, zu leben. Er ist weit davon entfernt, etwas Bestimmtem oder Beständigem verpflichtet zu sein, so kann er zu einer Zeit etwas tun und denken und das genaue Gegenteil davon zu einem anderen Zeitpunkt. Es mangelt seinem Leben deshalb an Stabilität und Sammlung. Es ist aber falsch anzunehmen, dass er immer durch spontane Regungen geleitet ist. Er kann im Gegenteil reflektiert und berechnend sein. So ist sein Leben ohne sicheren Grund und sinnentleert.
Das Selbstverständnis des ethischen Menschen hingegen gründet in einer realistischen Beurteilung seiner eigenen Möglichkeiten, in der er gegen die Wechselfälle von Glück und Unglück gefeit ist. Er weigert sich auch, Erfolg oder Misserfolg daran zu messen, ob seine Pläne in der Welt Wirklichkeit werden. Es geht ihm vor allem um die Gesinnung, die Energie und die Aufrichtigkeit, mit der er sie ausführt. Die beobachtbaren Folgen der ausgeführten Handlungen sind zweitrangig. Wenn aber das ethische Individuum seine Aufgabe vollendet, den guten Kampf gekämpft hat“, dann sei der einzige Mensch geworden, dem kaum einer gleiche. Der Ästhetiker hingegen sei der Verzweifelte. Frau Heiberg empörte sich über die Abwertung dieser Lebensweise, entschloss sich, deswegen mit Kierkegaard zu reden und erhielt sogleich Zugang zu ihm, denn sie kannte ihn von gemeinsamen Empfängen in ihrem Haus. Der Philosoph fragte denn auch die Dame bei ihrem Eintreffen:
„Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs?“ Frau Heiberg war hübsch zu nennen, ihre Erscheinung beeindruckte, sie unterstrich ihre Reize auch mit Rouge auf den Wangen, trug eine Perlenkette um den Hals, einen Armreif und ein lindgrünes, geblümtes Kostüm. Kurzum, sie verkörperte den Prototyp einer Schauspielerin und sie war begierig darauf, den neuen Stern am Schriftstellerhimmel näher kennenzulernen und ein wenig Dampf abzulassen über das, was ihr bei der Lektüre sauer aufgestoßen war. Sie nahmen beide gegenüber in seinem Arbeitszimmer Platz. Und nachdem Kierkegaard sie so freundlich angesprochen hatte, platzte sie gleich heraus.
„Ich will hiermit protestieren gegen die Verachtung alles Ästhetischen, wie es sich in dem Buch ´Entweder-Oder` ausdrückt, dessen Verfasser Sie offensichtlich sind, wenn auch ein gewisser Victor Eremita als Herausgeber angegeben ist.“ Kierkegaard lächelte, so dass seine Zähne sichtbar wurden, doch er blieb höflich und sagte:
„Sie gehen recht in der Annahme, dass ich es geschrieben habe, auch wenn ich es zu verbergen suche, aus guten Gründen, um dem Gerede über mich in Kopenhagen aus dem Weg zu gehen, aber es lässt sich schwer vermeiden in einer so kleinen Stadt.“ Dann gestand Sören Aabye der Schauspielerin zu, dass es legitim sei, wenn sie von Berufs wegen dem Ästhetischen den Vorrang gebe. Da fiel ihm Frau Heiberg schon ins Wort und rief:
„Ein Übermaß an Spiritualisierung ist schädlich und zerstörerisch, zu viel Moral führt zu Grausamkeit. Sehen Sie die Geschichte der großen Kirchen an, der katholischen wie der protestantischen, die beide die sogenannten Ketzer verfolgt haben, Abweichler von der Meinung der Glaubenden auf dem Scheiterhaufen verbrannt haben. Selbst der Reformator Calvin ließ ja bekanntlich Michel Servet auf diese Art umbringen. Das System des Glaubens hatte hier den Vorrang vor der Liebe, wie es doch eher umgekehrt sein sollte. Das Leben genießen hingegen ist einer seiner Vorzüge, das Sinnliche braucht auch sein Recht, moralischer Rigorismus, wie Sie ihn vertreten, ist heuchlerisch und spießerhaft. Ich bin sehr für das Ästhetische, denn es bereichert uns alle und das Schöne wird die Welt eher erlösen als alles dumpfe Moralisieren.“ Frau Heiberg lehnte sich zufrieden zurück. Damit glaubte sie Kierkegaard klar gemacht zu haben, was sie dachte, und der Philosoph holte auch tief Luft, um ihr zu entgegnen.
„Ich gestehe dem Ästhetischen ein gewisses Recht zu, Frau Heiberg, aber hier ist Übermaß von Übel. Nehmen Sie den Bereich der Erotik: Wer auf diesem Feld nur Abenteuer sucht, wird dies früher oder später bereuen, sich gegen die Gebote Gottes versündigt zu haben. Die Folgen des ästhetischen Lebensgenusses sind oft schwerwiegend, wie etwa auch erotische Abenteuer uneheliche Kinder hervorbringen, für die dann jemand aufkommen muss und deren Erziehung sich als schwierig erweist.“
Frau Heiberg schüttelte den Kopf und kniff die Lippen zusammen, sie dürfte sich ihren Teil gedacht haben und holte dann zum Gegenschlag aus:
„Wie ist es denn mit Ihnen, verehrter Herr Kierkegaard, Sie führen ja selbst mehr ein ästhetisches Leben, wie ich anmerken darf. Sie sind Schriftsteller, der seine Gedanken niederschreibt und sich selbst verwirklicht auf diese Weise, zudem sind Sie häufig im Theater zu sehen, kaufen oft in Buchläden ein, jede Woche zwei oder drei Werke, wie ich mir habe sagen lassen – Sie unternehmen Kutschfahrten aufs Land, trinken gerne ein Glas Wein. Sie genießen schon Ihr Leben, wenn ich dies behaupten darf. Sie sind selbst ein Ästhetiker. Es gibt den Spruch vom `Wasser predigen und Wein trinken´, das auf Sie anzuwenden ich jedoch zögere, das ginge mir zu weit.“ Das harte Wort jedoch war ausgesprochen und Kierkegaard schüttelte den Kopf, denn dieser Vorwurf traf ihn doch ins Mark:
„Frau Heiberg, Sie drohen aber jetzt, sich zu versteigen und die Dinge zu verfälschen. Wohl stimmen die Tatsachen, die Sie über mich erzählen, aber Sie verschweigen gleichzeitig die andere Hälfte der Wahrheit. Ich bin ein ernsthaft und hart arbeitender Schriftsteller, der seine Texte schreibt oder diktiert, oft viele Stunden am Tag, und da darf ich mir auch Manches gönnen, um einen Ausgleich für die geistige Tätigkeit zu haben. Zudem unterstütze ich die Armen, wo es geht, jeden Donnerstag kommen die Almosenempfänger, denen ich einen gewissen Betrag zukommen lasse. Ich will also auch mein ethisches Konto begleichen, wohl soll die Rechte geben, ohne dass es die Linke weiß, wie es im Evangelium heißt, aber zu meiner Rechtfertigung kann ich dies doch anführen.
Ich wehre mich auch dagegen, den Vornehmen, Mächtigen, Reichen und Gebildeten wie Sie es sind, das Ästhetische zuzuerkennen, den Armen aber höchstens das Religiöse. Aber diese haben damit beides, während die Begüterten ohne das Eine auch das Andere kaum haben. Ich wiederhole aber, dass ein Übermaß des Ästhetischen doch zum Untergang der Persönlichkeit führt, die Weisungen der Bibel in den Zehn Geboten bleiben für alle Zeiten bestehen und sie sind Anleitungen zu einem glücklichen Leben.“ Frau Heiberg spielte zwischendurch nervös mit ihrem Armreif aus Holz und befingerte die Perlenkette um den Hals. Sie hörte dennoch aufmerksam zu und noch einmal raffte sie sich zu einer Entgegnung auf:
„Der Mensch muss sich im Leben nehmen, was ihm zusteht. Schenkungen gibt es kaum. Wer wenig genießen kann, wird auf die Dauer wenig ertragbar, hat einmal ein Denker gesagt, und so bleibe ich bei meinem Urteil, dass moralischer Rigorismus das Leben vergällt und madig macht. Ich habe Calvin erwähnt, der in Genf eine Theokratie errichtete. Tanzen, Singen und Theaterbesuch waren verboten, so halten es die Menschen kaum aus, sie brauchen auch in geistiger Hinsicht Luft zum Atmen und müssen Auslauf haben, alle moralischen Fesseln engen sie ein. Sie haben die unehelichen Kinder erwähnt, die aus Seitensprüngen hervorgehen, aber auch sie sind von Gott geliebt. Auch ein Genie wie Leonardo da Vinci war ein solches. Leben und leben lassen, heißt die Devise und Friedrich der Große meinte `Jeder soll nach seiner Fasson selig werden´.“ Kierkegaard biss sich auf die Lippen und hatte das Gefühl, eine aufdringliche Dame zu Gast zu haben, die er möglichst bald wieder loswerden wollte. Gleichzeitig faszinierte ihn dieses Wortgefecht, und so ging er noch einmal auf ihre Argumente ein:
„Es ist schon gut, Frau Heiberg, dass Sie auch berühmte Persönlichkeiten für Ihre Anschauung anführen und zitieren, ich hingegen kann den deutschen Dichterfürsten Goethe ins Feld führen: `Ihr schickt ins Leben uns hinein, Ihr lasst den Menschen schuldig werden, dann überlasst Ihr ihn der Pein, denn alle Schuld rächt sich auf Erden.´ Rein ästhetischer Genuss führt ins Verderben, die Sinnlichkeit hat schon manches Leben zerstört, denken Sie etwa an den Dichter Percy Shelley, der zahlreiche Liebschaften hatte und am Ende bei einem Segelunfall so früh starb. Ein eigenes Ding ist es mit einem religiösen Dichter. Einen Glaubenshelden zu besingen ist ebenso sehr eine ästhetische Aufgabe wie einen Kriegsheros. `Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang´ zitiere ich auch einen anderen deutschen Dichter, Friedrich Schiller. Vielleicht können wir uns auf einen goldenen Mittelweg einigen, Frau Heiberg, schon der griechische Philosoph Aristoteles bezeichnete dies als die richtige Methode, um zum Glück zu gelangen, zu viel Moral ist, wie Sie sagen, ebenso ungesund wie zu viel Sinnlichkeit, insofern kann ich mich etwas korrigieren, wenn Sie wollen.“ Frau Heibergs Gesicht strahlte bei diesen Worten, sie hatte dem Theologen ein Zugeständnis abgerungen, und war glücklich darüber. Sie sagte sich vierzehn Tage später für einen weiteren Besuch an.
Sie hätte noch Fragen an Kierkegaard auf dem Herzen, betonte sie, es sei aber besser, wenn sie die Gespräche für sich behielten. Kierkegaard lächelte, er fand wenig dabei, mit einer verheirateten Frau zu sprechen, er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und überlegte, was sie an ihm finden mochte. Sein Mammutwerk „Entweder-Oder“ hatte ihn doch in der Stadt bekannt gemacht, sagte er sich selbst. Sie kam auf seine Arbeit zu sprechen und er gab Auskunft, dass er an Titeln wie „Der Begriff Angst“ und „Die Krankheit zum Tode“ sitze. Auf ihre Nachfrage hin erläuterte er, dass er der erste sei, der eine Monographie über dieses Thema im erstgenannten Buche schreibe. Angst sah er wie einen Schwindel, der einen ergreife, wenn jemand in die Tiefe blickte, sie sei etwas Diffuses, wenig Greifbares, wohingegen die Furcht sich immer auf etwas Konkretes beziehe. Und zu der „Krankheit zum Tode“ zitierte er sich selbst und meinte, dass nicht ein einzelner Mensch lebe, ohne wenigstens etwas verzweifelt zu sein, ohne doch zuinnerst eine Unruhe zu tragen, einen Unfrieden, eine Disharmonie, eine Angst vor einem unbekannten Etwas. Diese Schrift habe er Paul Martin Möller zugeeignet, der der Einzige sei, dem er dies außer seinem Vater zuteilwerden lasse. Dieser Mann nähre, so Kierkegaard, als Philosophieprofessor eine wachsende Skepsis gegenüber Hegel und hebe stattdessen die zentrale Bedeutung der Persönlichkeit hervor.
„Er hat meinen Blick dafür geschärft, dass die Menschen sich oft selbst betrügen und verstellen“, sagte Kierkegaard und begründete damit seine Widmung an Paul Martin Möller in „Der Begriff Angst“.
„Sicher werden Sie damit wieder Aufsehen erregen in Kopenhagen“, zeigte sie sich überzeugt, und strich sich ihr Kleid auf den Knien glatt, während sie gleichzeitig die Stirn in Falten legte.
„Ich werde wieder ein Pseudonym benutzen“, sagte er dann und fügte hinzu: Er wolle einige Dinge anstoßen, die Christenheit an ihre Verpflichtungen erinnern, Gott und dem Nächsten gegenüber, der Glaube sei das Absolute, er fordere den ganzen Menschen. Und er fuhr fort:
„Ich will darauf aufmerksam machen und die Gläubigen an den Abfall vom Christentum erinnern. Unsere Zeit hat vergessen, was es ist, es ist notwendig, es wieder in seiner ganzen Strenge zu verkünden. Es kommt weniger darauf an, die Wahrheit zu wissen, sondern zu sein. Christus war sie und die jetzt Lebenden sollten ihm nachfolgen. Nur die kämpfende Kirche ist Wahrheit, nur wer ihm nachfolgt, ist ein richtiger Gläubiger.“ Dann flocht er ein, weil es ihm gerade einfalle, es sei doch ein schönes Wort, um auszudrücken, dass die ganze Schöpfung nur e i n e m Herrn dient, sich nur e i n e m zuwendet, wie es das lateinische Wort „Universum“ besage. Viele Menschen ärgerten sich am Christentum, weil es so düster, dunkel und streng sei, aber in Wahrheit sei der Grund dafür, weil es hoch sei, weil es den Menschen zu etwas Außerordentlichem machen wolle, dass sein Geist es kaum fassen kann. Christus sei das Absolute und es gebe es ihm gegenüber nur eine einzige Situation: die der Gleichzeitigkeit.
„Die dreihundert, siebenhundert, die fünfzehnhundert oder achtzehnhundert Jahre seit meinem Erdenwandel spielen dabei kaum eine Rolle. Wie der Polarstern seine Stellung beibehält, so steht dieses Paradox unerschütterlich und unverändert. Und wenn das Christentum zehntausend Jahre bestünde, so ist es im entscheidenden Sinn doch gleich geblieben und dies kann ihm kaum etwas anhaben, denn was es ist, wird nur dem Glauben offenbar“, sagte er. Über unsere Zeit urteilte er hart. Wenn Christus heute wiederkäme, so würde ihm wieder die Todesstrafe blühen oder die, die an seine Stelle träte.
„Und die Orthodoxie würde es besonders eilig haben, ihn zu arretieren und zu verurteilen“, sagte er. Heute sei viel Halbheit zu spüren, die Pastoren säßen auf ihren Posten und predigten am Sonntag, ohne selbst danach zu leben, behauptete er. Es sei genauso gut möglich, eine Spieldose auf die Kanzel zu stellen, den Küster daneben und ihn ein paar Gesten ausführen zu lassen, und die Maschine gebe die üblichen frommen Phrasen wieder wie etwa:
„Wenn auch alle abfallen, so will ich doch dem Christentum treu bleiben, dieser milden Lehre, welche tröstet und allen Kummer heilt, und den Freuden ihren rechten Geschmack gibt. Das ist meine innerste Überzeugung und so weiter und so fort.“ Diese Worte hatte er geradezu gesäuselt, um das Lächerliche daran deutlich zu machen. Erbauung sehe anders aus, die Gläubigen hätten nach so einer Predigt dann auch ihre Aufgabe erfüllt, sie könnten sich wieder ihrem Alltagsleben zuwenden. Mit diesen Pfarrern sei es wie mit einem Gymnastiklehrer, der selbst außerstande ist, zu schwimmen, und der die Leute darin unterrichtet, indem er sich selbst auf die Flussbrücke stellt und ruft:
„Schlagt nur rasch mit den Armen umher.“ Nur einmal habe er, Kierkegaard, Partei ergriffen für einen Pastor namens Visby, der die Verhältnisse in dänischen Gefängnissen verbessern wollte. Er hatte dessen niedriges Gehalt und schlechte Arbeitsverhältnisse beklagt, sodass er gezwungen war, manchmal dreimal am Sonntag zu predigen. Doch Visbys Predigten machten selbst auf hartgesottene Verbrecher in den Gefängnissen Eindruck, vor allem könne dieser improvisieren: