© 1988 Verlag Schulte & Gerth, Asslar
© 1990 Verlag Klaus Gerth, Asslar
© 2021 Damaris Kofmehl
Umschlagzeichnung: Ulrike Heyne
ISBN: 9783752697346
BoD - Books on Demand GmbH
Lieber Leser,
dieses Buch habe ich mit 17 Jahren geschrieben. Es ist unglaublich, wenn ich heute darüber nachdenke. Aber Schreiben war wirklich immer meine grosse Leidenschaft. Schon im Kindergarten diktierte ich meine Geschichten meiner Mutter. Ich konnte es kaum erwarten, in die Schule zu kommen, um endlich schreiben zu lernen. Nun war ich nicht mehr zu bremsen. Ich füllte Schulhefte um Schulhefte mit Geschichten. Ich schrieb in den Ferien, in langweiligen Mathestunden, ich wollte nichts anderes tun als schreiben. Mein grosses Ziel war es, eines Tages ein Buch zu veröffentlichen. Und mit 15 Jahren ist es mir gelungen. Ich schrieb das Buch „Conny reisst aus“ und „Die Abenteuerklasse“ war geboren. In der Zwischenzeit sind viele Jahre vergangen. Ich habe über vierzig Bücher geschrieben, und ein Ende ist nicht in Sicht. Du findest alle meine vielen Bücher, für Jugendliche und Erwachsene, auf meiner website:
www.damariskofmehl.ch oder in jedem Buchhandel.
Und nun wünsche ich dir viel Spass beim zweiten Band der Abenteuerklasse.
Damaris Kofmehl, 2021
Es ging auf Mitternacht zu. Nichts rührte sich im Gefängnis. Die grauen Wände der Gänge glotzten sich gleichgültig an und schwiegen. Ein Wächter machte seine Runde, und die dumpfen Klänge seiner Schritte verstärkten die Eintönigkeit und Einsamkeit der Mauern. Sein Atem ging langsam, regelmäßig und immer im Takt seiner Schritte. Es schien, als könne ihn nichts und niemand aus der Ruhe bringen, es sei denn, ein ungewöhnlicher Laut breche die Stille – aber nichts deutete auf etwas Auffälliges hin in dieser Nacht.
Ab und zu unterbrach der Mann seinen Gang, meistens, um ein paar Sekunden Pflichtlauschen durchzuführen – obwohl er ohnehin schon im voraus das Ergebnis wusste – oder um einen Blick auf die Uhr zu werfen, und einmal, um sich eine Zigarette anzuzünden. Danach setzte er seinen nächtlichen Routinemarsch fort. Wirklich nichts deutete darauf hin, dass Gefahr drohte, und niemand konnte ahnen, dass sich ein Unheil anbahnte, ein Unheil mit verheerenden Folgen. Nur einer wusste Bescheid. Ein einziger unter den vielen, die sich in diesem Gebäude befanden, kannte die Gefahr, und dieser eine war Walter Wolf. Seine Zelle lag auf der Westseite des Gefängnisses, dort, wo man ihn besonders gut unter Kontrolle hatte, denn Walter galt als einer der gerissensten Verbrecher der ganzen Schweiz. Unter keinen Umständen durfte man riskieren, dass er wieder auf freien Fuß kam. Deshalb hatte man ihn auch in dieses gut gesicherte Gefängnis überwiesen und ließ ihn nicht irgendwo anders seine neunjährige Strafe absitzen. Kein anderes Gefängnis nämlich war so gut mit Alarmanlagen ausgerüstet wie dieses hier. Tag und Nacht wurden die Zellen, das Gebäude und seine Umgebung genau überwacht, und es war unmöglich, unbemerkt herauszukommen – sogar für einen Gauner wie Walter. Trotzdem war natürlich Vorsicht geboten, denn wer Walter Wolf – oder Lupo, wie man ihn auch nannte – schon einmal näher kennengelernt hatte, sollte eigentlich wissen, dass er selbst in den hoffnungslosesten Situationen stets einen verrückten Ausweg fand, wie unbarmherzig und brutal er dabei auch handeln musste.
Damit hatte er sich in den vergangenen Jahren in der Verbrecherwelt einen Namen gemacht. Auf der Fahndungsliste stand er ziemlich weit oben, und es gab wahrscheinlich keinen Polizisten, der dem Namen »Lupo« nicht schon irgendwo einmal begegnet war. Sei es bei Banküberfallen, Rauschgifthandel oder Spionage, überall tauchte der gefürchtete Name auf, bei allen möglichen und unmöglichen Aktionen hatte Lupo seine Finger im Spiel, einfach überall, wo das große Geld lockte. Ständig versetzte er seine Mitmenschen in Panik und gab den Kriminalbeamten knifflige Rätsel auf. Man munkelte sogar, dass die Polizei ihren Laden schließen könnte, wenn es ihn nicht mehr gäbe. Nun, das war etwas übertrieben, aber immerhin hielt Walter seine Verfolger laufend in Trab und zwang sie oft dazu, seinetwegen Überstunden zu machen. Das war aber auch bitter nötig, wenn man ihm auf den Fersen bleiben wollte! Er war schlau wie ein Fuchs, listig wie eine Elster und darüber hinaus stark wie ein Stier. Wer es wagte, auch nur ein Wort gegen ihn auszusprechen, musste mit einem blauen Auge rechnen, und wer sich ihm widersetzte, konnte froh sein, wenn er nach einer Minute noch alle Knochen beisammen hatte. Alle mussten sich ihm bedingungslos unterordnen, wollten sie mit ihm auf gutem Fuß stehen – sonst wurde ihre Haut bald mehrfarbig. Sogar seine engsten Kumpel nahmen sich vor ihm in acht und waren auf der Hut bei allem, was sie taten und mit ihm besprachen. Mit seinen Muskeln konnte Walter einfach jeden in Schach halten.
Eine Kirchturmuhr schlug zwölf. Dichter, feuchter Nebel umhüllte die Landschaft und netzte die Straßen mit kleinen Wasserperlen. Es war stockfinster. Kein Geräusch war zu vernehmen, weder von Autos noch von Kneipen. Ausgestorben schien die ganze Gegend. Hier und da kläffte ein Hund, aber die schwere Luft erstickte jeden Laut.
Wie ein schwarzes Ungeheuer ragte das Gefängnis in die Dunkelheit hinein, und wenn die Scheinwerfer den finsteren, kahlen Betonmauern nachschlichen, die das Gebäude umgaben, wirkte die schauerliche Festung wie eine riesige, viereckige Burg. Unheimlich und bedrohlich gähnte sie zum pechschwarzen Himmel empor, als wollte sie jeden verschlingen, der sich in ihre Nähe wagte.
Walter saß auf der Bettkante und starrte durch das vergitterte Fenster seiner Zelle auf die schwarze Mauer.
Der Scheinwerfer beleuchtete den Flecken, den Walter anblickte, und kroch stumm weiter. Der Gefangene zuckte nicht einmal mit den Wimpern, als das Licht den fixierten Punkt anstrahlte. Er war mit seinen Gedanken ganz woanders. Dort, hinter der Mauer, winkte die Freiheit, und dort, jenseits dieses scheußlichen Gebäudes, wartete seine Bande. Irgendwo hinter dem Hügel mussten seine Kumpel jetzt auf der Lauer liegen und auf den geeigneten Zeitpunkt warten, irgendwo in dieser Waschküche.
Ein Lächeln flog über sein leeres Gesicht, als der Scheinwerfer wieder an seinem Blickfeld vorbeihuschte. »Da nützt euch selbst der stärkste Scheinwerfer nichts«, dachte er, »da nützt euch die höchste Mauer nichts. Auch die sicherste Alarmanlage kann mich nicht aufhalten, wenn die Zeit gekommen ist.« Und die Zeit war gekommen. Noch in dieser Nacht würde es eine leere Zelle mehr geben in diesem Gefängnis, und schon morgen würde die ganze Stadt davon sprechen, dass Walter Wolf aus dem Gefängnis geflohen sei. Wie hieß es wohl auf den Titelseiten der Zeitungen? »Gaunerkönig Walter Wolf ausgerissen!«? Oder vielleicht: »Das Meistertrio hat wieder einmal zugeschlagen!«? Nein, so lautete die Schlagzeile bestimmt nicht. Schließlich konnte niemand wissen, mit wessen Hilfe er aus dem Gefängnis entkommen war.
»Und wenn schon«, dachte er, »die sollen ruhig wissen, wie raffiniert und unübertrefflich meine Bande ist. Schließlich schadet es nichts, wenn alle vor mir in den Boden versinken, sobald sie mich erblicken. Immerhin habe ich mich zu einem der gefürchtetsten Gauner emporgearbeitet, und das will was heißen.« Der Scheinwerfer schlich an der Mauer entlang, erhellte jede Stelle für einen kurzen Augenblick und ließ sie wieder ins Dunkel der Nacht tauchen. Walter gähnte und fuhr sich durchs schwarze, krause Haar.
»Wenn bloß nichts schiefgeht«, dachte er, während er auf das Leuchtzifferblatt seiner Armbanduhr starrte und der Bewegung des Sekundenzeigers folgte, »wenn sie mich nur rechtzeitig rausholen. Ich verspüre nicht die geringste Lust, hier zu verrosten.« Drei Jahre verbrachte er nun schon in dieser stickigen Kammer, und rund das Doppelte sollte er noch absitzen. Kein Wunder bei all den kleineren und größeren Verbrechen, die er in den letzten Jahren begangen hatte! Er, Silvio und Tom waren so ziemlich überall dabei gewesen, wo man dabei sein konnte. Wirklich zu dumm, dass sie ihn geschnappt hatten! Wirklich zu dumm! Er hätte sich ohrfeigen können, weil ihm dieser peinliche Fehler unterlaufen war. Ein voreiliger Entschluss, und schon saß er im Netz gefangen! Er sah die Szene noch genau vor sich: wie er aus der Post herausstürzte und sich plötzlich von allen Seiten von bewaffneten Polizisten umzingelt fand! Es war der schrecklichste Augenblick seines Lebens gewesen. Sein ganzer Stolz und Ruhm war auf einmal in sich zusammengestürzt, all seine Pläne wurden wie von einem wuchtigen Stein zerschmettert; all die riesigen, raffinierten Pläne waren mit einem Schlag vernichtet. Und Pläne hatte er massenhaft! Er wollte sich mit Hilfe seiner Bande an die Spitze der Verbrecher emporarbeiten, er wollte sich zum gefürchtetsten Mann aller Zeiten machen.
»Wartet nur«, knirschte er, »ihr werdet noch bitter büßen, was ihr mir angetan habt. Wenn ich erst mal draußen bin, zahle ich es euch heim, bis ihr auf den Knien angekrochen kommt und mich um Verzeihung bittet.« Leichter gesagt als getan. Walter wusste nur zu gut, welche Probleme sich ergaben, wenn er wieder auf freiem Fuß war. Alleine konnte er den großen Aufstieg nicht antreten, er brauchte Helfer, Kumpel wie Silvio und Tom, die ihm widerstandslos gehorchten und jeden Befehl ausführten, den er erteilte. Aber es würde nicht ganz einfach sein, die beiden Burschen wieder auf seine Seite zu bringen. In den drei Jahren Knast hatte sich Remo, sein Bruder, die Bande angeeignet, und wie den Zeitungen zu entnehmen war, verstand der Kerl sein Handwerk. Anscheinend waren ihm Silvio und Tom treu ergeben, und vielleicht hatten sie sich bereits so sehr an ihren neuen Boss gewöhnt, dass sie sich nicht mehr auf dessen Bruder umstellen wollten. Wie dem auch sei – wenn ihn die drei erst einmal herausgeholt hatten, würde sich alles von alleine regeln. Falls sich Remo freiwillig in den Hintergrund schob und ihm das Kommando überließ, wäre das Problem bereits gelöst. Und falls nicht, so gab es bestimmt einen anderen Weg, wie man den Bruder ausschalten konnte. Walter verließ sich in dieser Angelegenheit voll und ganz auf den Zufall. »Mir wird schon zur rechten Zeit etwas einfallen«, überlegte er selbstsicher, legte sich aufs Bett und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, »mir ist schon immer etwas eingefallen. Also wird mir auch diesmal etwas einfallen – sobald ich draußen bin …«
Remo warf einen Blick auf die Uhr.
»Noch acht Minuten, dann soll es losgehen.«
»Meinst du, das klappt, Boss?« fragte Tom.
»Natürlich klappt es! Wie kannst du bloß daran zweifeln‘?«
»Ich dachte nur so«, sagte Tom kleinlaut, »ich meine, was ist, wenn sie Lupo in einen anderen Wagen schleppen?«
»Halt die Schnauze!« zischte Remo. »Ich hab dir schon mal gesagt, was ich in die Hände nehme, klappt hundertprozentig. Ich kann es nicht ausstehen, wenn jemand an meinen Plänen herumnörgelt, ist das klar?«
»Sonnenklar!« Tom tippte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum.
Remo kurbelte die Scheibe herunter und spähte nach allen Richtungen. Es war stockfinster. Remos Augen hatten sich zwar bereits an die Dunkelheit gewöhnt, aber er konnte trotzdem nur mit Mühe den Wald von der Wiese unterscheiden, und der Feldweg, auf dem ihr Auto geparkt war, verlor sich im Nichts.
»Kommt er schon?« fragte Tom.
»Nein«, antwortete Remo, »es wird wohl noch ein Weilchen dauern. Von der Leitung bis hierher ist es ein ganzes Stück zu Fuß.«
»Ob er noch rechtzeitig kommt?«
Remo schlug mit der Faust aufs Armaturenbrett.
»Wenn du nicht endlich dies ewige Zweifeln lässt, stopf ‘ ich dir dein Maul! Natürlich kommt er rechtzeitig. Silvio ist ein ausgezeichneter Läufer, auch wenn er etwas klein geraten ist.« Eine Weile schwiegen die beiden. Tom tippte auf das Lenkrad, und Remo starrte in die Nacht hinaus. Sehr wohl war es ihm in seiner Haut allerdings nicht. Er wusste nur zu genau, in welches halsbrecherische Abenteuer er sich mit seiner Bande eingelassen hatte. Eine Gefangenenbefreiung war seines Erachtens eine der kritischsten und gefährlichsten Aktionen, die man durchführen konnte. Wenn nur die kleinste Einzelheit nicht funktionierte, war damit zu rechnen, dass das ganze Unternehmen in die Hosen ging. Und das durfte auf keinen Fall geschehen! Walter musste rauskommen, koste es, was es wolle. Remo warf wieder einen Blick auf seine Armbanduhr. Vier Minuten vor eins. Sie brauchten also nicht mehr lange zu warten. In spätestens einer Minute würde Silvio aufkreuzen, und gegen ein Uhr sollte das Gas explodieren.
»Wo Silvio bloß so lange bleibt?« überlegte Tom ungeduldig.
»Spiel nicht die besorgte Mutter!« sagte Remo barsch. »Silvio ist ein zuverlässiger Bursche, das hat er schon oft genug bewiesen.«
»Natürlich«, stimmte Tom ihm ergeben zu.
»Na also«, meinte Remo, »dann hältst du jetzt endlich die Klappe. Deine Energie kannst du später besser gebrauchen.«
»Ja«, sagte Tom kleinlaut. Eine schwarze Gestalt tauchte aus dem Dunkel auf und kam direkt auf das Auto zu.
»Siehst du, da kommt er ja«, meinte Remo, aber gleichzeitig runzelte er die Stirn. Auch Tom schien etwas zu bemerken.
»Wenn das Silvio ist, fress‘ ich ‚nen Besen!« murmelte er, ohne den Mann aus den Augen zu lassen. Er kniff die Augen zu einem schmalen Spalt zusammen und schüttelte entschieden den Kopf. Nein, das konnte unmöglich Silvio sein. Der Fremde war erstens viel zu dick und torkelte zweitens wie ein Betrunkener von Baum zu Baum. In der linken Hand hielt er eine Flasche, und dazu sang er aus voller Kehle. Remo stieß einen Fluch aus.
»Ein Besoffener! Der hat uns gerade noch gefehlt.«
»Was tun wir jetzt?« fragte Tom vorsichtig.
»Abwarten«, bestimmte Remo, »wenn er nicht bis ein Uhr verschwindet, ziehst du ihm die Pistole über den Schädel. Wir können jetzt keine Störenfriede gebrauchen.«
»Okay, Boss.«
Der Mann kam näher und rülpste zufrieden vor sich hin. Er setzte die Flasche an den Mund, nahm einen großen Schluck, wobei ihm die Hälfte über das Kinn rann und von dort aufs Hemd tropfte, strich sich mit dem Handrücken die rote Flüssigkeit weg und begann wieder in allen Tonlagen zu singen.
Remo kurbelte das Fenster herauf, denn der widerliche Kerl verbreitete im Umkreis von fünf Metern einen unausstehlichen Geruch nach Schnaps und Bier. Inzwischen hatte der Fremde das Auto und seine beiden Insassen entdeckt und schien sichtlich darüber erfreut zu sein. Er wankte johlend auf sein Ziel zu, stolperte und konnte sich gerade noch am Dach des Wagens festklammern.
»Guten hick Abend die hick Herren«, sagte er und stellte sich wieder auf die Beine. Remo und Tom verzogen keine Miene und starrten wie ausgestopfte Puppen geradeaus. Der Betrunkene lachte, so dass seine verstümmelten, schwarzen Zähne sichtbar wurden, und als sich die beiden nicht rührten, presste er seine knollige rote Schnapsnase an das Seitenfenster und blickte mit weit aufgerissenen, wässrigen Augen in den Wagen.
»Feine Gesellschaft hick«, meinte er, »können nicht hick nicht mal guten Tag hick sagen. Eine Sch… Schweinerei ist das!« Er lallte vor sich hin und trank dann die Flasche in einem Zug leer. In weitem Bogen warf er sie ins Gestrüpp. Remo schielte ungeduldig auf seine Uhr. Es war bereits eine Minute nach eins. Der Boss wurde wütend. »Ein Uhr und Silvio ist noch immer nicht hier! Und dieser ekelhafte Typ hat sich noch immer nicht verzogen.«
»Soll ich ihn …?« Tom griff nach seiner Pistole, und auf Remos Handzeichen stieg er aus. Remo biss sich auf den Zeigefinger und blinzelte mit zusammengekniffenen Augen in die Nacht hinaus. Sein Blick war scharf wie der eines Adlers, aber in dieser nebligen Nacht war beim besten Willen nichts deutlich zu erkennen. Langsam wurde Remo unruhig. Wo trieb sich Silvio bloß herum? Ob er sich verlaufen hatte? Nein, unmöglich, er hatte sich die Strecke genau eingeprägt. Dass er sich verirrte, war ausgeschlossen.
»Aber was ist denn sonst dazwischengekommen?« überlegte er. Hatte er sich in der Zeit geirrt? »Kann nicht sein.« Der Boss schüttelte den Kopf. Silvio war den Weg mehrere Male gerannt, er wusste genau, wie viel Zeit er dafür brauchte. Remo stieß einen Fluch aus und starrte wütend in die Nacht hinaus. Silvios Verspätung konnte gewaltige Schwierigkeiten mit sich bringen. Wenn nun das Gas früher explodierte? Wenn die Krankenwagen nun hier vorbeifuhren, ehe Silvio zurückgekommen war? Dann mussten sie wohl oder übel auf ihn verzichten. Dabei brauchten sie für das gewaltige Unternehmen jeden einzelnen! Zu zweit einen Gefangenen zu befreien war einfach zu riskant. Das Ganze war schon zu dritt kein Kinderspiel, aber zu zweit hängte man es besser gleich an den Nagel.
»Wir können es nicht ins Wasser fallen lassen! Walter nützt uns im Gefängnis einen Dreck. Er muss da raus!« In diesem Augenblick riss Tom die Tür auf.
»Er kommt, Boss, er kommt!« Remo fuhr auf und war mit einem Satz draußen. Tatsächlich, da kam er angerannt, der Winzling. Er keuchte wie eine alte Dampflokomotive und war völlig außer Atem.
»Was ist geschehen?« wollte Remo wissen. »Du bist viel zu spät.« Silvio nickte.
»Ich weiß.« Er schluckte trocken und stützte sich erschöpft aufs Auto. »Zwei Polypen waren nur ein paar Meter von der Straßenbaustelle entfernt und unterhielten sich die ganze Zeit. Ich konnte unmöglich unbemerkt an die Gasleitung herankommen, solange die Kerle dort standen.«
»Weshalb hast du sie nicht weggelockt?« fragte Tom. Der kleine Silvio japste nach Luft und rang die Hände.
»Ich hab‘ alles versucht. Die beiden ließen sich nicht von der Stelle vertreiben.”
»Keine Einzelheiten jetzt«, sagte Remo ernst und griff Silvio am Arm, »hast du das Gas in die Leitung reingelassen?« Silvio nickte.
»Ja, hab‘ ich.« Er sah von einem zum andern. »In etwa fünf Minuten muss es explodieren.« Remo klopfte ihm auf die Schulter.
»Gut, dann dürfen wir keine Zeit mehr verlieren. Jede Minute ist kostbar.«
»Was soll ich mit dem Betrunkenen machen?« fragte Tom.
»Ist er noch bei Bewusstsein?« wollte Remo wissen. Tom lachte.
»Ich denke kaum. Ich habe nicht gerade sanft zugeschlagen. Eine Stunde wird er uns bestimmt keine Schwierigkeiten mehr machen.«
»Um so besser«, meinte der Boss. »Dann leg ihn irgendwo in die Büsche. Und dann gehst du auf deinen Posten.« Tom nickte und verschwand in der Dunkelheit. Er wusste, was er zu tun hatte. Sein Posten lag etwas weiter vorne bei der Straßenverzweigung. Hier sollte er den ersten Krankenwagen, der angerast käme, auf den Weg umleiten, auf dem seine beiden Komplizen lauerten.
Silvio hatte sich bereits mitten auf die Straße gelegt, und Remo stieg ins Auto und ließ die Scheinwerfer an, so dass sie seinen am Boden liegenden Kumpel direkt beleuchteten. Dann verließ er den Wagen und lehnte sich gegen die Kühlerhaube. Jetzt konnte nichts mehr schiefgehen! Das Gas hatte die Heizkörper der Gefängnisräume bestimmt schon erreicht und würde in Kürze explodieren.
»Und dann wird Alarm geschlagen, und Sanitäter und Feuerwehr werden alarmiert, und wir warten schön brav, bis der erste Krankenwagen hier ankommt.« Er lachte sich ins Fäustchen. Wie raffiniert hatte er sich doch alles ausgedacht! Seine langjährige Gaunererfahrung machte sich langsam bezahlt. Ein breites Grinsen huschte über sein Gesicht. Ob die Autos schon unterwegs waren? Er lauschte. Außer dem Rauschen der Bäume und dem Plätschern eines Baches war nichts zu vernehmen. Nein, halt, was war das? Remo spitzte die Ohren. Aus weiter Ferne vernahm er ein heulendes Geräusch, das rasch näher kam. Das mussten sie sein!
»Jungs, es geht los!« sagte Remo zu sich selbst und trat auf die Straße. Das Sirenengeheul kam näher und näher. In den folgenden Minuten ging es Schlag auf Schlag. Alles verlief nach Plan: das erste Auto wurde von Tom umgeleitet und bog in vollem Schuss in den kleinen Feldweg ein. Dort wurde es bereits von Remo und Silvio erwartet. Remo fuchtelte wild mit den Armen in der Luft herum und deutete immer wieder aufgeregt auf seinen Kameraden, der am Boden lag und sich nicht rührte. Unweigerlich bremste das Auto. Der Beifahrer stieg sofort aus und wollte sich um den Verletzten kümmern.
»Haben wir aber ein Glück«, bemerkte Remo mit gekünstelt erleichterter Stimme, »ich glaube, er ist sehr schwer verletzt …«
»Nur keine Panik«, entgegnete der Mann, »ich werde tun, was ich kann.« Er kniete neben Silvio nieder, um ihn genauer zu untersuchen. In diesem Augenblick richtete Silvio sich auf und versetzte seinem Retter einen gewaltigen Schlag auf den Kopf, so dass der Sanitäter der Länge nach hinfiel. Im selben Moment packte Remo seine Pistole und richtete sie auf den Fahrer des Wagens.
»Los, aussteigen!« befahl er und gab ihm mit der Waffe einen Wink. Der Fahrer stieg zögernd aus.
»Pfoten hoch!« Der Mann gehorchte notgedrungen. Er . hatte die Augen weit aufgerissen und brachte vor Schreck keinen Ton heraus.
»Zieh deine Kleider aus! Na los, wird‘s bald?!« kommandierte Remo.
»Was wollt ihr von uns?« fragte der Mann wie erstarrt.
»Deine Sanitätskleider, mehr nicht, alter Opa. Nun mach schon! Oder soll ich härtere Seiten aufziehen?”
»Das … das können Sie doch nicht machen!« stotterte der Mann.
»Doch, können wir«, schaltete sich Silvio ein und hielt die Kleider, die er seinem Opfer bereits abgenommen hatte. »Mantel, Hemd, Hose und Schuhe, wenn ich bitten darf?« sagte er und warf dem Fahrer ein Stück nach dem andern vor die Füße.
»Aber ein bisschen plötzlich!« schnarrte Remo. Dem Fahrer blieb nichts anderes übrig, als zu tun, was man von ihm verlangte. Als er schließlich nur noch in langen Unterhosen und im Unterhemd dastand, schlug ihm Remo mit seinem Schießeisen auf den Kopf, so dass er bewusstlos zusammenklappte. Dann fesselten die zwei Komplizen die beiden Sanitäter an den nächstbesten Baum und schlüpften in die Kleider. Sie waren zwar Silvio etwas zu groß und Remo zu schmal, aber zu diesem Zweck ging es.
In der Zwischenzeit tauchte auch Tom auf, ebenfalls in vollständiger Uniform. Er hatte sich den dritten vorgenommen, der hinten im Wagen saß.
Remo nickte seinen Kumpeln anerkennend zu.
»Ihr habt gute Arbeit geleistet. Jetzt aber nichts wie los!« Sie kletterten ins Krankenauto. Tom ließ den Motor an, fuhr rückwärts auf die Hauptstraße zurück und sauste dann mit einem Höllentempo Richtung Gefängnis.
»Mmm! Ist das herrlich!« Thomas verzog genüsslich die Augen und küsste sein Butterbrot. »Ein Gedicht, dieses knusprige, frischgebackene, köstlich duftende Butterbrot. Einfach herrlich!« Ruedi blickte seinen dicken Freund schief an.
»Ich hoffe, du platzt eines Tages vom vielen Essen«, meinte er, »das würde dir jedenfalls nicht schaden.«
»Tatsächlich nicht«, lachte Bärbel, die mit verschränkten Armen und Beinen auf ihrem Badetuch saß, »für dein Gewicht bist du nämlich viel zu klein geraten.« Der Dicke kaute genüsslich an seinem Brot herum und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Ich finde es ja reizend, wie ihr um meine Linie besorgt seid«, grinste er, nachdem er alles hinuntergeschluckt hatte, »ihr vergesst dabei nur eins: Ich will gar nicht abnehmen.«
»Dein Pech«, seufzte Bärbel.
Es war der letzte Mittwoch vor den Sommerferien. Der Schulstress hatte kurz vor den Ferien merklich nachgelassen, und so fanden die meisten Schüler Zeit, einen gemütlichen Nachmittag im Halwilersee zu verbringen.
Bärbel und ihre Klassenkameraden hatten sich an ihrem sogenannten Stammplätzchen niedergelassen. Sie ergatterten es sich jedes Mal, wenn sie hier baden gingen, denn so wussten die Nachzügler, die im Laufe des Nachmittags noch aufkreuzten, stets, wo sie ihre Kameraden antrafen.
»He, kommt doch auch wieder ins Wasser!« rief Hans den dreien vom See her zu. »Das Wasser ist richtig erfrischend.«
»Später!« entgegnete Ruedi, ohne aufzusehen.
»Spielverderber!« kam es zurück.
»Wenn ihr wollt, dass wir kommen, müsst ihr uns schon holen!« meinte Bärbel provozierend.
»Ist in Ordnung!« entschied Hans und gab Daniel, der ebenfalls im Wasser planschte, mit dem Kopf einen Wink. Die zwei Burschen wateten langsam aus dem See, während sich Bärbel und Ruedi auf den Angriff vorbereiteten. Einzig Thomas aß seelenruhig sein Butterbrot weiter und kümmerte sich nicht um die anderen.
»Na, auf wen haben wir es abgesehen?« fragte Daniel schmunzelnd.
»Bärbel zuerst«, antwortete Hans, und wie auf Kommando sprangen die beiden auf das Mädchen zu und packten es an Armen und Beinen. Doch Bärbel strampelte vergnügt und riss sich mit einem Ruck von den Kameraden los.
»Na warte, du kleines Biest«, lachte Hans, »dich kriegen wir schon.« Und sogleich hatte er sie wieder am rechten Bein geschnappt. Aber ehe er etwas unternehmen konnte, entschlüpfte das Mädchen seinen starken Armen wieder. Es wich Daniel, der sich ebenfalls bemühte, sie festzuhalten, geschickt aus und rannte kichernd ans andere Ende der Wiese. Natürlich machte es ihr großen Spaß, sich einfangen zu lassen, um gleich darauf wieder zu entkommen, und erst, als Daniel und Hans schließlich Ruedi zu Hilfe holten, gab sie sich geschlagen und wurde mit einem lauten ,Hau ruck‘ ins Wasser geworfen. Schallendes Gelächter ertönte, als das Mädchen aufs Wasser klatschte.
»So, die hätten wir«, lachte Ruedi, »und jetzt ist der nächste dran. Dicker, was hältst du davon?« Dem Jungen blieb beinahe ein Bissen im Hals stecken.
»Ihr habt doch nicht etwa vor …« sagte er entsetzt.
»Erraten«, grinste Daniel, nahm ihm sachte das Butterbrot aus der Hand und legte es auf die Wiese. Die drei packten ihren rundlichen Freund und zerrten ihn ans Wasser.
»Aber«, wandte Thomas ein, »man sollte nach dem Essen mindestens zwei Stunden warten, ehe man schwimmen geht.«
»Keine Sorge«, entgegnete Ruedi schmunzelnd, »ertrinken wirst du bestimmt nicht. Noch nie etwas davon gehört, dass Fett oben schwimmt?«
»Aber …« protestierte der Dicke. Doch er kam nicht mehr dazu, ein zweites Argument anzubringen, denn schon flog er durch die Luft und plumpste mit viel Lärm und spritzendem Wasser in den See.
»Los, hinterher!« rief Hans, und stürzte sich ins Wasser. Die beiden andern taten es ihm gleich, und kaum erschien Thomas schimpfend und prustend an der Oberfläche, drückten ihn die Kameraden wieder unter Wasser. Eine wilde Seeschlacht begann. Bärbel näherte sich den Jungen von hinten, fasste einen von ihnen an den Schultern und zwang ihn zu tauchen. Sofort ließen die andern von Thomas ab und warfen sich mit lautem Gejohle wieder auf das Mädchen. Nach fünfmaligem Tauchen fanden es Hans und Daniel an der Zeit, Ruedi auch einmal etwas außer Atem zu bringen, und so musste dieser für ein paar Minuten dran glauben. Erst nach einer Viertelstunde, als alle mindestens zehnmal das Seegras aus der Nähe hatten betrachten dürfen, beendeten die fünf das Wasserspiel und schwammen an Land.
»Puh! Das hat vielleicht gut getan«, meinte Ruedi erschöpft, während er sich abtrocknete.
»Und jetzt habe ich einen Höllenhunger«, sagte Thomas und griff nach seinem halben Butterbrot. Die anderen schmunzelten, gaben aber ausnahmsweise keinen Kommentar.
»Was haltet ihr von einer Partie Karten?« fragte Bärbel nach einer Weile. Die Knaben waren einverstanden, und Bärbel begann, die Karten zu mischen. Sie wollten eben zu spielen beginnen, als es im nahen Gebüsch raschelte und ein Mädchen auftauchte. Es war schlank, hatte kurzes, dunkelbraunes Haar und große, graublaue Augen.
»Hallo allerseits!« begrüßte es die fünf.
»Hallo, Conny!« riefen sie zurück. »Spielst du mit uns eine Runde?«
»Klar«, antwortete Conny und gesellte sich zu ihren Kameraden, »seid ihr schon lange hier?«
»Den ganzen Nachmittag«, gab Bärbel Auskunft.
»Und wo habt ihr Britta und Paula gelassen?« fragte Conny weiter. Hans lachte.
»Denen war es langweilig. Sie sind zum Kiosk gegangen, um sich einen Comic zu kaufen. Du kennst die beiden ja, bei denen muss immer was los sein.«
»Sie kommen bestimmt gleich zurück«, fügte Bärbel hinzu. Sie hatte kaum ausgesprochen, da kamen die beiden Mädchen auch schon angelaufen. Sie hatten feuerrote Köpfe, waren völlig außer Atem und ließen sich erschöpft auf ihre Badetücher fallen.
»Was ist denn in euch gefahren?« lachte Bärbel. »Werdet ihr von Banditen verfolgt?«
»Stellt euch vor«, begann Paula dramatisch, »das Regensdorfer Gefängnis ist explodiert!«
»Ist ja grauenhaft!« stellte Daniel fest und schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
»Schrecklich!«, rief Hans genauso gekünstelt aus. »Furchtbar!«
»Hört doch mit dem Theater auf!« schimpfte Bärbel, die es nicht ausstehen konnte, wenn sich jemand auf diese Art über einen andern lustig machte. »Mit solchen Dingen ist nicht zu spaßen!«
»Da, seht!« fuhr Britta aufgeregt fort und streckte den andern eine Zeitung unter die Nase. »,Explosion im Regensdorfer Gefängnis!‘ Soll ich euch den Bericht vorlesen?«
»Und dafür habt ihr eine ganze Zeitung gekauft!« grinste Daniel kopfschüttelnd. »Nun ja, ist schließlich nicht mein Geld.« Die andern überhörten diese Bemerkung. Sie bildeten einen Halbkreis um Britta, und diese begann zu lesen:
»Explosion im Regensdorfer Gefängnis. Gegen ein Uhr in der Nacht vom 18. auf den 19. Juli explodierten im Regensdorfer Gefängnis in sämtlichen Räumen und Zellen aus bisher noch unerklärlichen Gründen die Heizkörper. Die über 30 Verletzten wurden sofort ins Krankenhaus gefahren. Tote gab es keine. Zahlreiche Häftlinge nutzten das allgemeine Chaos zu einem Fluchtversuch, konnten aber mit einigen Ausnahmen wieder gefasst werden. Unter den entkommenen Flüchtlingen befindet sich einer der berüchtigsten Verbrecher, Walter Wolf, Lupo genannt, der zu neun Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Die Polizei vermutet, dass es sich bei diesem nächtlichen Ereignis um ein Attentat handelt, denn einige Stunden nach der Explosion wurden in nicht allzu weiter Entfernung drei geknebelte Sanitäter aufgefunden, die auf dem Weg zur Unfallstelle von drei ihnen unbekannten Männern überfallen und ihrer Sanitätskleider beraubt worden waren. Möglicherweise wurde also mindestens eine Person mit einem gestohlenen Krankenwagen und durch Komplizen, die sich als Sanitäter ausgaben, unauffällig aus dem Gefängnis geschmuggelt.«
»Das ist ja allerhand!« meinte Conny nachdenklich.
»Tatsächlich!« gab ihr Bärbel recht.
»Grässlich, nicht?« begann Paula zu plappern. »Wenn ich mir nur vorstelle, dass dieser Walter Wolf, oder wie er heißt, plötzlich hier auftaucht und jemanden von uns entführt … ein schrecklicher Gedanke. Stellt euch doch mal vor, was da alles passieren könnte, nicht auszudenken. Meine Güte, wenn ich mir das alles vorstelle …«
»Ach, halt die Klappe«, fuhr ihr Hans ins Wort, »ewige Schwatztante!« Paula presste wütend die Lippen zusammen, konnte ihr Mundwerk aber beherrschen.
»Wenn ihr euch nur gegenseitig auffressen könntet!« entrüstete sich Bärbel und sah die beiden vorwurfsvoll an. »Aber lassen wir dieses Thema. Sprechen wir besser über etwas anderes. Weil wir gerade alle beisammen sind: Was habt ihr für Ferienpläne?« Diese Frage änderte die Stimmung im Nu. Sogar Thomas, der sonst sehr selten für ein Thema – Essen und Geruhsamkeit ausgenommen – zu begeistern war, rückte mit seinem Badetuch näher und spitzte die Ohren.
»Habt ihr in der ersten Woche schon etwas vor?« fragte Bärbel geheimnisvoll. Die meisten schüttelten den Kopf. Nur Britta und Paula erklärten, sie gingen für einige Tage zu einer Bauernfamilie, um dort im Haushalt zu helfen. »Am Mittwoch oder Donnerstag sind wir aber bereits wieder zurück«, sagte Paula, »weshalb fragst du?«
»Mein Onkel hat mich zu sich eingeladen«, berichtete Bärbel, »er hat ein großes Haus in Wetzikon am Wildbach. Falls ihr Lust habt mitzukommen, seid ihr alle herzlich willkommen.« Den Kameraden blieb für einen Augenblick die Spucke weg.
»Aber Bärbel«, wandte Conny ein, »dann wären wir ja zu sechst, wenn alle dürfen. Bist du sicher, dass dein Onkel für so viele Personen Platz hat? Ich meine, darfst du denn so viele Freunde mitnehmen, wie du willst?« Bärbel winkte ab.
»Ihr solltet mal an Silvester dort sein. Da wimmelt es nur so von Gästen, und die meisten übernachten auch gleich noch im Haus. Nein, ihr braucht euch keine Sorgen zu machen. Mein Onkel ist ein gastfreundlicher Mensch, wenn‘s sein muss, bringt er sogar ein Dutzend Elefanten in seinem Haus unter. Er sagte mir übrigens wörtlich, dass er sich riesig freuen würde, wenn ich meine ganze Klasse mitbrächte.«
»Das ist ja toll«, meinte Hans, »ich bin sofort dabei.«
»Ich auch«, ertönte es von allen Seiten.
»Fein«, sagte Bärbel, »und was ist mit euch, Britta und Paula? Ihr seid auch am Mittwoch oder Donnerstag noch herzlich eingeladen.«
»Ehrlich?« fragte Paula unsicher.
»Natürlich«, versicherte ihnen Bärbel.
»Und wir werden auch bestimmt alle Abenteuer aufsparen, bis ihr da seid«, fügte Daniel spöttelnd hinzu.
»Seid ihr also dabei?« wiederholte Bärbel ihre Einladung.
»Klar!« kam es wie aus einem Munde. Die Kinder konnten ja nicht ahnen, welche Aufregung diese Ferienwoche noch mit sich bringen würde …