Hermann Hager

Das Mikroskop und seine Anwendung

Ein Leitfaden bei mikroskopischen Untersuchungen
Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2020
goodpress@okpublishing.info
EAN 4064066114107

Inhaltsverzeichnis


Vorwort zur ersten Auflage.
Vorwort zur sechsten Auflage.
Das einfache Mikroskop
Das zusammengesetzte Mikroskop.
Polarisationsmikroskop.
Ankauf und Prüfung eines Mikroskops.
Gebrauch des Mikroskops.
Darstellung mikroskopischer Objecte.
Aufbewahrung mikroskopischer Objecte.
Mikroskopische Objecte.
Mehl. Stärke.
Besondere, als Verunreinigungen im Getreidemehl vorkommende Gebilde.
Gewürze.
Blut.
Schleim. Eiter.
Lymphkörperchen.
Gährpilze.
Sarcinien.
Kopfgrind. Favuspilz.
Soorpilz, Zungenbelegpilz, Vibrionen, Oscillarien.
Diatomaceen.
Milch.
Butter.
Harn. Urin.
Samenfäden. Flimmerzellen. Cercomonaden.
Parasiten des thierischen Körpers.
Räderthierchen.
Reblaus, ein Parasit der Wurzel des Weinstocks.
Alphabetisches Inhalts-Verzeichniss.
Fußnoten

Vorwort zur ersten Auflage.

Inhaltsverzeichnis

Seit ungefähr fünf Jahren hat das Mikroskop aufgehört ausschliesslich ein Instrument des Naturforschers zu sein. Es hat sich seit dieser Zeit nicht nur als ein unentbehrliches Hilfsmittel denen erwiesen, welche in ihren Berufsgeschäften in die Lage kommen, die Güte der Lebensmittel und der Waaren zu prüfen, oder welche bei ihren Studien naturwissenschaftliche Kenntnisse sammeln müssen, es hat sich sogar heutigen Tages in dem gewöhnlichen Verkehrsleben und der Hauswirthschaft unentbehrlich gemacht, indem nur durch das Mikroskop trichiniges Fleisch zu erkennen ist und wir uns damit vor der schrecklichen Trichinosis zu schützen vermögen.

Weil die Beschaffung eines Instruments, welches von ungemein verschiedener Güte und von niedrigem und hohem Preise in den Handel kommt, dem Nichtkenner Schwierigkeiten bietet, insofern diesem jede Beurtheilung abgeht, andererseits der Nichtkenner auch ein langes, zeitraubendes und anstrengendes Versuchen daran setzen muss, ehe er mit dem Mikroskop kunstgerecht umzugehen und nutzbringend zu arbeiten versteht, so habe ich es unternommen, diesen kurzen Leitfaden zum Kennenlernen, Prüfen und Gebrauch dieses Instruments der Oeffentlichkeit zu übergeben.

Da im Ganzen dieser Leitfaden nur für diejenigen bestimmt ist, welche das Mikroskop und dessen Gebrauch noch nicht verstehen und dennoch zuweilen in die nothwendige Lage kommen, dies Instrument gebrauchen zu müssen, so empfehle ich denen, welchen voraussichtlich der Gebrauch des Mikroskops einen Theil ihrer Studien ausmacht, sich mit den grösseren Werken über dasselbe Thema bekannt zu machen. Dem angehenden Naturforscher empfehle ich z. B. das Mikroskop, Theorie, Gebrauch, Geschichte und gegenwärtiger Zustand desselben von P. Harting, Prof. in Utrecht. Deutsche Original-Ausgabe von Dr. Fr. Wilh. Theile; Braunschweig, Verlag von Vieweg und Sohn; — dem Mediciner: das Mikroskop und die mikroskopische Technik von Dr. Heinrich Frey, Prof. der Medicin in Zürich; Leipzig, Verlag von Wilh. Engelmann; — dem Botaniker: das Mikroskop und seine Anwendung, insbesondere für Pflanzen-Anatomie, von Dr. Herm. Schacht; Berlin, Verlag von G. W. F. Müller.

Dass die behufs des Kennenlernens mikroskopischer Objecte am Schlusse dieses Leitfadens gegebenen Beispiele, von denen mehrere dem praktischen Leben entnommen sind, keineswegs Anspruch auf wissenschaftlichen Werth machen sollen, darf ich wohl mit Hinweis auf den geringen Umfang dieser Schrift und ihren sehr geringen Preis nicht erst versichern.

Berlin, im Februar 1866.

Der Verfasser.


Vorwort zur sechsten Auflage.

Inhaltsverzeichnis

Diese sechste Auflage hat eine nicht geringe Vermehrung erfahren. Unter anderem wurden den nöthigen Anweisungen zur mikroskopischen Untersuchung der Nahrungs- und Genussmittel, besonders der Gewürze und deren Verfälschungsmittel, nebst den dazu gehörigen mikroskopischen Bildern ein Platz angewiesen, um auch den Anforderungen derjenigen zu genügen, welche mit der Untersuchung der Nahrungs- und Genussmittel beauftragt werden. Dadurch erhielt diese Auflage eine Vervollständigung, welche dem praktischen Werthe des Buches nur dienen dürfte. In der Erwartung, dass diese Vermehrung des Inhaltes, obgleich nur im engen Rahmen, dennoch als eine zeitgemässe anerkannt werde, bitte ich auch für diese neue Auflage um eine nachsichtige Aufnahme.

Pulvermühle bei Fürstenberg a./Oder,
im December 1878.

Der Verfasser.


Das Instrument, dessen Einrichtung und Behandlung hier beschrieben und erklärt werden soll, ist dasjenige, welches von dem Physiker zusammengesetztes dioptrisches Mikroskop genannt wird und im gewöhnlichen Leben die einfache Bezeichnung „Mikroskop“ erhalten hat.

Mikroskop bedeutet Vergrösserungsglas, ein optisches Werkzeug, mit welchem man dem Auge Gegenstände, die wegen ihrer Kleinheit nicht sichtbar sind oder wegen ihrer Kleinheit undeutlich erscheinen, sichtbar und deutlich macht. Um für die Wirkungen und Leistungen dieses Instruments und dessen Beziehungen zum Auge, so wie für mehrere Kunstausdrücke, welche bei Besprechung der Mikroskope öftere Erwähnung finden, ein Verständniss zu erlangen, müssen wir aus der Optik einige wenige Punkte heranziehen.

Fig. 1.
Sammellinsen.
Fig. 2.
Zerstreuungslinsen.

Die Linsen werden als positive oder Sammellinsen und als negative oder Zerstreuungslinsen unterschieden. Zu den Sammellinsen gehören biconvexe (a), planconvexe (b) und der convergirende Meniscus (c); zu den Zerstreuungslinsen gehören biconcave (d), planconcave (e) und der divergirende Meniscus (f). Im Folgenden sind unter dem Namen Linsen gemeiniglich biconvexe oder planconvexe, also Sammellinsen gemeint.

Fig. 3.

Treffen die Strahlen (ac, Fig. 3) eines fernliegenden Punktes parallel mit der optischen Axe bp z. B. auf eine planconvexe Linse, so gehen sie durch diese bis zur convexen Seite ungebrochen hindurch, werden dann aber an ihrem Austrittspunkte e von dem Einfallslothe le hinweggebrochen und zwar nach der Axe bp zu und sie durchschneiden dieselbe an dem Punkte o. Dieser Punkt o heisst der Brennpunkt (Focus) der Linse und die Entfernung dieses Punktes von der Linse, also of, heisst die Brennweite (Focaldistanz) dieser Linse. Die Brennweite wurde bisher von den Optikern nach Pariser Zollen, jetzt wird sie nach Centimetern oder Millimetern gemessen.

Fig. 4.

Bei einer biconvexen Linse, wie wir sie in jeder einfachen Loupe vor uns haben, findet eine zweimalige Brechung der Strahlen statt. Die parallel mit der optischen Axe bp (Fig. 4) auf die Linse fallenden Strahlen werden beim Eintritt in dieselbe dem Einfallslothe (le) zu gebrochen, und sie würden, erführen sie weiter keine Brechung, die optische Axe in r durchschneiden, jedoch in s treffen sie auf die zweite brechende Fläche. Sie werden hier wieder gebrochen und zwar von dem Einfallslothe ms hinweg und durchschneiden die Axe in dem Punkte o, welcher der Brennpunkt dieser Linse ist. Der Abstand des Punktes o von der Linse ist also die Brennweite derselben.

Das Auge gleicht einer biconvexen Linse. Wenn von einem entfernten Gegenstande parallele Lichtstrahlen auf dasselbe fallen, so vereinigt es diese Strahlen mittelst der Krümmung der durchsichtigen Hornhaut, der Krystalllinse und der zwischen denselben eingeschlossenen Feuchtigkeiten in einem Brennpunkte auf dem dunklen Hintergrunde, der Netzhaut, zu einem Bilde des Gegenstandes.

Fig. 5.

Die scheinbare Grösse eines Gegenstandes beurtheilen wir durch das Auge nach der Grösse des Sehwinkels, von welchem zugleich die Grösse des Bildes auf der Netzhaut abhängt. Daher kann eine dicht vor die Augen gehaltene Nähnadel eben so gross und dick erscheinen, wie eine fern aufgepflanzte Stange. Befände sich z. B. ein Gegenstand in der Linie ab (Fig. 5), so ist aob der Sehwinkel und das Bild auf der Netzhaut (retina) liegt zwischen b′ und a′. Bringt man diesen Gegenstand dem Auge so nahe, dass er sich in der Linie AB befindet, so wird das Bild B′A′ auf der Netzhaut und der Sehwinkel AoB um so viel mal grösser sein, als der Gegenstand näher gerückt ist.

Das deutliche Sehen eines Gegenstandes hat seine Grenzen je nach der Entfernung desselben vom Auge. Deutlich sieht man einen Gegenstand nur dann, wenn die von ihm ausgehenden Lichtstrahlen durch das Auge so gebrochen werden, dass sie auf der Netzhaut wieder zur Vereinigung gelangen (auf der Netzhaut ihren Brennpunkt finden) und daselbst ein Bild construiren. Da das Auge wie eine biconvexe Linse wirkt, so müsste auch nur bei einer einzigen Entfernung ein scharfes Bild auf der Netzhaut entstehen. Wie wir aber wissen, so sieht das Auge verschieden entfernte Gegenstände gleich genau. Hieraus folgt eine Eigenthümlichkeit des Auges, sein Brechungsvermögen abzuändern, und zwar nach Bedürfniss die weniger divergirenden Strahlen der entfernten Körper und die stärker divergirenden der nahen Körper zu einem Bilde (Brennpunkte) auf der Netzhaut zu vereinigen. Diese Eigenthümlichkeit des Auges heisst sein Accommodationsvermögen. Das Auge besitzt also die Fähigkeit, sich der Entfernung, in welcher sich ein Gegenstand befindet, zu accommodiren, so dass dessen Bild auf der Netzhaut zu Stande kommt. Diese Eigenschaft hat jedoch ihre Grenzen, und jedes Auge hat in der That nur eine deutliche Sehweite, die natürlich keine bestimmte ist, wie wir recht auffallend an kurz- und weitsichtigen Augen beobachten. Das kurzsichtige Auge bricht die Lichtstrahlen stärker und vereinigt daher die von einem entfernten Gegenstande parallel oder wenig divergent kommenden Strahlen zu einem Brennpunkte, der vor der Netzhaut liegt. Das weitsichtige Auge bricht die Strahlen weniger stark und vereinigt die stärker divergenten Strahlen des nahen Körpers zu einem Bilde, einem Brennpunkte, der hinter der Netzhaut liegt. In einem wie im andern Falle entsteht kein scharfes, sondern ein diffuses Bild. Die deutliche Sehweite eines gesunden Auges wird verschieden angenommen. Einige nehmen sie zu 20 Centimeter, andere zu 25 Centimeter, wieder andere aber nur zu 15 Centimeter an.

Befindet sich ein kleiner Gegenstand in der deutlichen Sehweite des Auges, so entsteht von demselben auf der Netzhaut ein scharfes Bild. Rücken wir den Gegenstand dem Auge sehr nahe, so dass seine Strahlen sehr divergent zum Auge gelangen, so fällt der Brennpunkt oder das Bild hinter die Netzhaut. Das Accommodationsvermögen des Auges hat hier also seine Grenze und vermag nicht das Bild auf der Netzhaut zu Stande zu bringen.

Diesem Umstande begegnet man auf künstliche Weise und man erzeugt dennoch ein scharfes Netzhautbild, wenn zwischen Gegenstand und Auge eine Sammellinse gestellt wird, durch welche die Strahlen des Gegenstandes weniger divergent das Auge treffen. Dann entsteht auf der Netzhaut zwar ein kleineres Bild, als das diffuse war, aber es ist um so reiner, schärfer und daher deutlicher.

Fig. 6.

Wenn der Pfeil AB ein kleiner Gegenstand ist vor der Linse L, so werden die Strahlen beim Austritt aus der Linse gebrochen weniger divergent das Auge treffen und gleichsam von dem entfernteren Pfeile a′b′ herzukommen scheinen. Entspricht die Entfernung dieses Pfeiles der mittleren Sehweite des Auges, so werden sich die Strahlen auf der Netzhaut zu einem bestimmten klaren Bilde vereinigen. Der Gegenstand AB scheint also gleichsam in eine grössere Entfernung versetzt zu sein, und der Sehwinkel aob ist ein grösserer geworden. Daher scheint der Gegenstand vergrössert.

Sammellinsen dieser Art nennt man Loupen, wenn ihre vergrössernde Kraft nicht über das 10- bis 20fache hinausgeht. Ist die vergrössernde Kraft eine stärkere und wird die Sammellinse zum Gebrauch mit einem feststehenden Gestell verbunden, so ist damit die Construction des einfachen Mikroskops gegeben.


Das einfache Mikroskop

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ist nur noch ein unentbehrliches Instrument für den Naturforscher, welches er beim Präpariren mikroskopischer Gegenstände anwendet. Das Gestell kann verschiedene Formen haben, dennoch ist die Construction im Wesentlichen ziemlich immer dieselbe. An einem Arm, der um ein Stativ beweglich ist, ist ein Ring zur Aufnahme der Loupe oder Linse. In Stelle der einfachen Linse kann man auch die gering vergrössernden Linsensysteme eines zusammengesetzten Mikroskops verwenden. An dem Stativ, welches auf einem Holzklotz feststeht, befindet sich unter der Linse eine Platte oder Tisch, welcher durch eine Schraube (Triebwerk) höher und niedriger gestellt werden kann. Senkrecht unter der Linse ist in diesem Tische ein Loch und unter dem Tische ein beweglicher Spiegel. An dem Zeiss’schen Instrument hat der Holzklotz zwei Wangen, zwischen welchen das Stativ steht und auf welche der präparirende Mikroskopiker die Hände stützt. Die bekanntesten einfachen Mikroskope sind die von Chevalier, Nachet, Pritchard, Plössl, Körner, das anatomische Mikroskop von Lebaillif. Das bei uns am meisten gehaltene ist das Zeiss’sche.

Das einfache Mikroskop kann zu einer stärkeren als 40fachen Vergrösserung kaum verwendet werden. Beim Gebrauch ist es für das Auge wegen des kleinen Gesichtsfeldes, der verminderten Helligkeit und des kurzen Abstandes der Linse vom Untersuchungsobjekt äusserst anstrengend. Seit der grossen Vervollkommnung des zusammengesetzten Mikroskops ist das einfache fast ganz ausser Gebrauch gekommen und wird es eben, wie schon bemerkt ist, nur noch als Präparirinstrument angewendet.

Bei den sogenannten Spiegelmikroskopen oder katoptrischen Mikroskopen wird die Vergrösserung durch Hohlspiegel bewirkt. Diese Mikroskope sind gegenüber jenen dioptrischen, bei welchen die Vergrösserung durch Glaslinsen geschieht, für jetzt noch theure Instrumente.


Das zusammengesetzte Mikroskop.

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Wenn man der Linse des einfachen Mikroskops ein innen geschwärztes Rohr aufsetzt, so entsteht im Innern des Rohres von einem nahe dem Brennpunkte der Linse befindlichen Gegenstande ein Bild und zwar vergrössert und umgekehrt. Wird nun dem Rohre eine Sammellinse (Ocular) aufgesetzt, durch welche man dieses Luftbild abermals vergrössert sehen kann, so ist damit die Construction des zusammengesetzten Mikroskops gegeben. Durch das einfache Mikroskop oder die Loupe betrachten wir also den Gegenstand selbst, durch das zusammengesetzte dioptrische Mikroskop sehen wir aber das vergrösserte (und umgekehrte) Bild des Gegenstandes.

Es sei ab der Durchmesser des Gegenstandes, welcher unterhalb der Brennweite, aber doch nahe am Brennpunkte der Linse l liegt. Es werden dann alle von a ausgehenden Strahlen in A, und alle von b ausgehenden in B, überhaupt alle Strahlen des Gegenstandes ab durch die Linse l so gebrochen, dass sie in der Ebene AB sich durchschneiden oder vereinigen und hier ein umgekehrtes vergrössertes Luftbild von dem Gegenstande erzeugen, welches wir durch die Linse L wiederum so vergrössert sehen, als läge es in der mittleren Sehweite w′. Die Strahlen, welche durch die Linse L gehen, erlangen nämlich den Grad der Divergenz, den die Strahlen eines in b″a″ liegenden Gegenstandes haben würden. Wie aus der Figur 7 hervorgeht, kann nur der Abschnitt des Bildes, welcher zwischen b′a′ liegt, übersehen werden, denn die Strahlen von bB und aA gehen an den Rändern der Linse L vorbei.

Fig. 7.

Fig. 8 stellt den Längsdurchschnitt eines zusammengesetzten Mikroskops vor. ob ist die Linse oder das Objectiv, hier ein aus zwei Linsen zusammengesetztes Linsensystem, an den unteren Rand des inwendig geschwärzten Rohres r angeschraubt. o ist das Ocular in Form eines kurzen Cylinders, eingeschoben in das Rohr r. Die mit dem Ocular verbundene Sammellinse c möge vorläufig ausser Betracht bleiben. Der kleine Pfeil vertritt den Untersuchungsgegenstand oder das Object und liegt auf einem Glasstreifen, dem Objectglase. Wird der Gegenstand mit einer dünnen Glasplatte bedeckt, so ist diese das Deckglas. Das Objectglas hat eine Platte oder einen Tisch t zur Unterlage, Objecttisch genannt, welcher senkrecht unter dem Objective ein Loch hat. Das Objectglas liegt so auf diesem Tische, dass sich das Object gerade über dem Loche befindet. s ist ein hohlgeschliffener Spiegel, dem beim Gebrauch des Mikroskops eine solche Stellung gegeben wird, dass sein Brennpunkt über dem Objecte zu liegen kommt, oder mit anderen Worten, dass sich die von ihm zurückgeworfenen Lichtstrahlen über dem Objecte durchschneiden. Dadurch wird das Object beleuchtet, natürlich wenn dieses durchsichtig ist oder doch einen gewissen Grad von Durchsichtigkeit hat. Undurchsichtige Objecte werden durch besondere Vorrichtungen von Oben, z. B. durch einen Lieberkühn’schen Spiegel oder durch Linsen, beleuchtet.

Fig. 8.
Ein zusammengesetztes Mikroskop im Durchschnitt.

Diese wesentlichen Theile eines Mikroskops sind mit einer Säule mit Fuss in der Art verbunden, dass das Rohr oder der Tubus r in einer sich ihm dicht anschliessenden (federnden) Metallhülse gehalten wird, dass der Tisch t mit dem Objecte dem Objective ob beliebig genähert und der Spiegel s in Lagen gebracht werden kann, in welchen er das Object beleuchtet. Letzteres wird in der Weise ausgeführt, dass man in das Ocular schauend den Spiegel gegen das Fenster oder ein Licht gekehrt so lange wendet, bis sich dem Auge ein helles Lichtfeld darbietet.

Das Objectiv und das Untersuchungsobject müssen je nach Erforderniss der optischen Verhältnisse des Auges und des Objectivs einander genähert oder von einander entfernt werden können. Jedes zusammengesetzte Mikroskop hat hierzu eigene Vorrichtungen, Einstellungsvorrichtungen. Man unterscheidet eine grobe und eine feine Einstellung. Die grobe besteht in Verschiebung und zwar darin, dass der Tubus r in der Hülse, die ihn hält, aus freier Hand auf- und abwärts geschoben wird. Man stellt hiernach das Object grob ein, wenn man den Tubus r in der Hülse langsam so lange abwärts schiebt, bis das Auge von dem Objecte, welches über dem Tischloche liegt und von dem Spiegel beleuchtet ist, ein undeutliches Bild gewinnt. Hierauf folgt die feine Einstellung des Objectes, d. h. der Objecttisch wird um unbedeutende Distanzen dem Objective oder das Objectiv dem Objecte näher gerückt oder von demselben entfernt, bis das Auge ein scharfes Bild des Objectes erblickt.

Diese letzteren Bewegungen geschehen vermittelst eines Schraubengetriebes, Mikrometerschraube genannt, welches entweder den Tisch unverändert in seiner horizontalen Lage hebt und senkt, oder der Tisch besteht aus zwei übereinander liegenden Platten, welche beide an der einen Kante durch eine angenietete Leiste fest mit einander verbunden sind, die obere Platte kann aber durch ein auf der entgegengesetzten Kante der Nietung befindliches Schraubengetriebe gehoben und gesenkt werden; oder endlich der Objecttisch sitzt beweglich wie eine Klappe an der Säule des Stativs und ist unterwärts mit einer Hervorragung versehen, gegen welche ein Schraubengetriebe stösst, so dass durch letzteres der Tisch gehoben werden kann. In den beiden letzteren Fällen wird der Tisch in eine schiefe Ebene verlegt, was sich allerdings für den vorliegenden Zweck theoretisch nicht vertheidigen lässt, in der Praxis aber völlig genügt.

Bei den grösseren Mikroskopen geschieht die grobe Einstellung in der Regel durch Zahn und Trieb, wodurch der Tubus sammt seiner Hülse auf- und abwärts geschoben werden kann, die feinere aber in vorher angegebener Weise, oder es befindet sich ein Schlitten am Tubus, welcher durch eine Mikrometerschraube und Feder gehoben und gesenkt wird. Ueberhaupt soll sich an jedem besseren Mikroskope unter allen Umständen eine feinere Einstellungsvorrichtung befinden. Bei den kleineren und billigeren Instrumenten ist man gewöhnlich nur auf eine grobe Einstellung angewiesen.

Wie bereits gesagt ist, entsteht das zusammengesetzte Mikroskop aus dem einfachen Mikroskop, wenn man dem Objectiv oder dem Linsensystem (einem aus 2 oder 3 Linsen combinirten Objectiv) einen Tubus mit Ocular aufsetzt. Diese Zusammensetzung bietet jedoch so viele Unvollkommenheiten und Mängel, dass sie Verbesserungen erfordert, um brauchbar zu sein. Die beiden hauptsächlichsten Unvollkommenheiten sind die sphärische und chromatische Aberration.

Unter Oeffnungswinkel oder Oeffnung einer Linse versteht man den Winkel, welcher sich aus ihrem Brennpunkte mit den beiden Enden des Linsendurchmessers ergiebt. xrv ist der Oeffnungswinkel. So lange der Oeffnungswinkel der Linse klein ist, gelangen die Rand- und Centralstrahlen in einem Punkte zur Vereinigung. Ist er aber grösser, so vereinigen sich die um und durch das Centrum der Linse gehenden Lichtstrahlen (c, e, d) in dem Brennpunkte R, während die am Rande durchgehenden Strahlen eine stärkere Brechung erfahren und schon in r ihren Brennpunkt erreichen. In Folge dieser stärkeren Abweichung der Randstrahlen und der sphärischen Aberration (Abweichung der Strahlen wegen Kugelgestalt der Linse) sehen wir das Bild eines Körpers, welches mit der Linse aufgefangen wird, in R, aber nicht deutlich und scharf, sondern von einem durch die Randstrahlen der Linse erzeugten Bilde undeutlich umschimmert. Bringt man die Randstrahlen durch eine Blendung, z. B. durch einen Blechring B in Wegfall, so wird das Bild in R deutlich. Eine solche ringförmige Blendung zur Beseitigung der Randstrahlen finden wir jetzt in den Mikroskopen immer und zwar im Ocular angebracht, wie in Fig. 8 mit bb angedeutet ist. Zuweilen findet man ausserdem noch in dem Tubus eine ähnliche Blendung.

Fig. 9.
Sphärische Aberration.

Ein Strahl des weissen Lichtes wird beim Durchgang durch eine Sammellinse nicht als Ganzes gebrochen, sondern in verschiedene farbige Strahlen zerlegt, welche eine verschiedene Ablenkung in der Richtung der Brechungsebene erleiden. Der violette Strahl i (Fig. 10) wird stärker gebrochen als der rothe k. (Zwischen i und k liegen die übrigen farbigen Strahlen des Spectrums.) Daher erscheint der Gegenstand nicht nur nicht scharf begrenzt, sondern auch farbig umsäumt. Diesen Uebelstand der chromatischen Aberration zu beseitigen, gebraucht man achromatische Linsen, d. h. solche, bei welchen die verschiedenen farbigen Strahlen in nur einem Brennpunkte zusammenfallen. Man combinirt dergleichen Linsen aus verschiedenem Material, wie z. B. aus Kron- (Crown-) und Flintglas, weil bei verschiedenen strahlenbrechenden Medien Brechungsvermögen und Farbenzerstreuung einander nicht parallel gehen und Linsen aus zwei verschiedenen Medien sich in der Art combiniren lassen, dass die rothen und violetten Strahlen genau im mittleren Brennpunkte der Linse zusammenfallen. In der nachstehenden Fig. 11 ist eine Sammellinse (s) mit einer Zerstreuungslinse (z) verbunden. s ist das Kronglas, z das Flintglas, beide zusammengekittet durch Canadabalsam. Eine solche engere Combination zweier Linsen wird Doppellinse genannt. Sie kann nicht nur fast achromatisch gemacht werden, sie erlaubt auch, wenn sie aus einer Sammellinse und einer Zerstreuungslinse zusammengesetzt wird, die sphärische Aberration abzuschwächen. Die Linsen in den Objectiven sind immer bei guten Mikroskopen in der Art combinirt, dass die Aberration der einen Linse zu der Correction der entgegengesetzten Aberration der anderen Linse dient. Ein vollständiger Achromatismus der Linsen ist übrigens nicht zu erreichen. Ist die Vereinigung der rothen und violetten Strahlen in einem Brennpunkte erzielt, so ist dies nicht der Fall für die anderen farbigen Strahlen, welche zwischen jenen liegen. Daher erhält man bei achromatischen Doppellinsen Bilder, an deren Rändern Spuren der mittleren Farben sichtbar sind und welche einen grünlichgelben Ton haben. Weil diese Farbe dem Auge weniger angenehm ist, als lichtblau, so giebt man in den Objectivlinsen der Flintglaslinse ein geringes Uebergewicht, wodurch der Rand des Bildes von einem zarten hellblauen Saume umfasst wird. Eine solche Doppellinse nennt man überverbesserte, dagegen heisst diejenige, welche Bilder mit einem röthlichen Saume giebt, unterverbesserte.

Fig. 10.
Chromatische Aberration.

Eine Doppellinse, bei welcher im möglichst erreichbaren Grade die sphärische und chromatische Aberration aufgehoben ist, heisst eine aplanatische.

Fig. 11.
Doppellinse.

Es sind zwei Methoden in der Combination der Objectivlinsen gebräuchlich. Nach der älteren sind die einzelnen Doppellinsen mit 1, 2, 3, 4 etc. numerirt, und sie werden so auf einander geschraubt, dass 1 und 2, 1 und 2 und 3, 2 und 3 und 4 etc. Linsensysteme bilden. Jetzt verbinden die Optiker die Linsen zu fest zusammenhängenden Systemen, in welchen die Linse mit der kleinsten Oeffnung zu unterst, die anderen Linsen je nach der Zunahme ihrer Durchmesser darüber folgen. Durch diese letztere Zusammensetzung der Linsensysteme und durch Verwendung aplanatischer Linsen erreichen unsere jetzigen Mikroskope jene penetrirende oder resolvirende Kraft genannte Eigenschaft, durch welche bei möglichst grossem Oeffnungswinkel die feinsten Details, wie Strichelchen und Pünktchen, sehr minutiöser Objecte, wahrnehmbar werden, z. B. die Längs- und Querstreifen auf den Schuppen der Schmetterlinge.

Fig. 12.
Wirkung der Collectivlinse.

Ist nun das zusammengesetzte Mikroskop schon durch achromatische Linsen und durch Blendung bedeutend verbessert, so ist dennoch das Gesichts- oder Sehfeld (die mit dem Ocular zu übersehende Fläche) zu klein und zu dunkel, und das Bild zeigt sich dem Auge in einer krummen Fläche. Zur Beseitigung dieser Uebelstände ist dem Ocular eine zweite Linse, Collectivlinse oder Collectivc′a′b′oc″a″b″c′a′b′c″a″b″c″a″b″c′a′b′