
Nur zu lang ist die geschichte der deutschen städte ein brach liegendes feld gewesen. Man hat wohl dann und wann dem localpatriotismus diese und jene notiz über städtische dinge zu verdanken gehabt, aber ein klarer einblick in den organismus der städtischen gemeinwesen war mit ausnahme der rechtsverhältnisse doch fast nie eröffnet worden. In neuerer zeit freilich ist, wie überall auf dem gebiete der geschichtsforschung ein reges leben eingetreten ist, auch in dieser richtung manches geschehen; namentlich hat die modische »wißenschaft der culturgeschichte« gerade hier nicht unbedeutende und nachhaltige verdienste erworben.
Von allen deutschen städten war übrigens kaum einer von den localhistorikern schon im vorigen jahrhundert so viele aufmerksamkeit geschenkt worden, als Nürnberg. Wer die litteratur der Nürnberger geschichte nur flüchtig kennt, wird über die menge von »beiträgen, untersuchungen, materialien u. s. w.« staunen, die von patriotischen bürgern der alten reichsstadt zusammengebracht wurden, um deren vergangenheit den nachkommen wenigstens im bilde gegenwärtig zu erhalten, nachdem die wirkliche größe längst dahingesunken war. Aber wer diese litteratur näher kennen lernt, wird auch eingestehen müßen, daß trotz der vielen schriften, die wir über Nürnberg haben, doch im grunde genommen, etwa mit ausnahme der urkundlichen publicationen, die freilich zum großen theil auch schlecht genug ausgefallen sind, vom wißenschaftlichen standpunkte aus die geschichte Nürnbergs noch viel zu wenig beleuchtet und erforscht worden ist. Man hat sich gröstentheils auf auszüge, auf modernisierte umschreibungen der originalen aufzeichnungen beschränkt, zum theil waren auch die archive, welche das patriziat mit großer strenge überwachte, gerade den männern, die lust und geschick zur erforschung der vaterstädtischen geschichte gehabt hätten, am schwersten zugänglich; kurz wir haben, außer den arbeiten von Murr doch sehr wenig über die frühere zeit Nürnbergs, was dem heutigen standpunkte der forschung auch nur annähernd entspräche.
Jetzt, da durch die munificenz seiner majestät des königs Maximilian von Baiern die historische commission der Münchner akademie in das leben getreten ist, die sofort die herausgabe der deutschen städtechroniken ins auge faßte und mit den Nürnbergischen begann, tritt eine reihe wichtiger aufzeichnungen zu tage, von deren dasein man, sogar wenn sie gelegentlich benutzt worden waren, (da das citieren nicht jedermanns sache ist) bisher gar keine kenntnis hatte.
Das baumeisterbuch von Endres Tucher, welches hier der öffentlichkeit übergeben wird, im jahre 1464 begonnen, 1470 abgeschlossen, mit nachträgen bis 1475 bereichert, ist eine wichtige quelle zur kenntnis der bis in das kleinste detail ausgebildeten organisation, deren sich schon im 15 jahrhundert das gemeinwesen Nürnbergs erfreute, um so wichtiger, als die beziehungen des baumeisters zu hundert dingen, deren zusammenhang mit dem baumeisteramte unser bureaukratisch geschulter sinn kaum einsieht, einen einblick in die verschiedensten verhältnisse der alten reichsstadt gewähren. Die centralisation, die heute die spitzen aller amtlichen thätigkeit zusammenfaßt, jedem einzelnen wirkungskreis nur eine höchst beschränkte entfaltung gestattet und überall und allezeit einzugreifen im stande ist, übte damals ihre allmächtige gewalt noch nicht aus wie jetzt. Dafür vereinigten sich in den einzelnen ämtern alle mit deren geschäftskreis irgendwie verwandten funktionen und der »ehrbare rath«, weit entfernt, in jeder einzelnen amtshandlung mitzusprechen, begnügte sich mit der überwachung des ganzen.
Die aufzeichnung Endres Tuchers hat nicht nur eine historische, sondern auch eine praktische tendenz. Sie soll in der erinnerung festhalten, wie er die zustände des amtes, die rechte und pflichten des baumeisters, die beziehungen nach oben und unten vorfand und seinerseits handhabte; sie soll aber auch den nachfolgern eine anleitung sein, wonach sie sich künftig zu richten haben. Daher sind mitten unter die trockene, weitschweifige aufzählung der verschiedenen funktionen des baumeisters zahlreiche rathschläge eingeflochten, zu nutz und frommen des späteren geschlechts, und das ist es, was der aufzeichnung einen eigenthümlichen reiz verleiht, daß man außer dem pflichtgetreuen beamten auch noch den kernhaften menschen auf jeder seite des buches zu erkennen im stande ist.
Der nächste untergebene des baumeisters ist der stadt schaffer und anschicker. Er hat die unmittelbare aufsicht über die städtischen arbeiter, er zahlt sie jeden samstag aus, nachdem der baumeister auf seinen vortrag freitags das geld aus der losungsstube herbeigeschafft hat, er bewahrt vorräthe und werkzeuge, gibt sie den arbeitern heraus und nimmt sie wieder in seine hut, nachdem er ihren zustand vorher aufs sorgfältigste geprüft, alles schadhafte sofort zur reparatur bei seite gelegt hat. Dafür erhält er jährlich 4 pfund, freie wohnung auf der Peunt und holz und späne, die beim zimmern abfallen, zur feuerung.
Mit dem baumeister steht er in sehr enger verbindung; freitags und samstags, da sie mit dem lohne der arbeiter zu thun haben, ißt er bei Endres Tucher.[1]
Den arbeiten steht eine reihe von meistern vor, die dem baumeister gehorsam geloben und versprechen, der stadt nutz und frommen getreulich zu fördern und vor schaden zu bewahren: maurer und zimmermann, steinmetz und brunnmeister, pflasterer, dachdecker, tüncher, schloßer, wagner, hafner, glaser, büttner, schreiner, seiler, schlotfeger, schleifer u. s. w., die mit ihren gesellen und lehrjungen an den bauten der stadt thätig sind. Aber nicht wie etwa heutzutage wird dem meister eine arbeit in accord gegeben, der dann seinerseits gesellen bestellt, lehrjungen beizieht und nach belieben verwendet und bezahlt; auch diese untergeordneten arbeiter stehen unmittelbar unter der aufsicht und im lohne des baumeisters, auch sie geloben, ihre kraft bestens zum nutzen der stadt anzuwenden. Es sollen aber auch, wo möglich, lauter gute Nürnberger kinder sein; wenn einheimische arbeiter zu haben sind, muß ihnen stets der vorzug vor den fremden eingeräumt werden; wenn doch ein fremder geselle, von einem Nürnberger meister an den baumeister gewiesen, arbeit begehrt, und wenn sich platz findet, soll er welche erhalten auf 8 oder 14 tage, damit er zehrung verdiene, um weiter wandern zu können; aber es sei solchen gegenüber vorsicht nöthig, meint Endres Tucher, daß sie nicht etwa handwerkszeug mit sich wegtragen oder versetzen, oder daß sie nicht etwa gar geschickt seien, um kundschaft oder noch schlimmeres zu treiben.
Durch diese unmittelbaren beziehungen des baumeisters zu den meistern, gesellen und lehrlingen erhalten wir denn eine, namentlich für den nationalökonomen höchst wichtige zusammenstellung der gebräuchlichen arbeitslöhne. In den letzten jahren, klagt Endres wiederholt, sind sie, wie die preise aller lebensbedürfnisse, merklich gestiegen. Um diese erhöhte ausgabe wenigstens einigermaßen zu paralysieren, sieht man auf der andern seite gleichzeitig eine reaction eintreten. Das baden war bekanntlich im mittelalter, namentlich in den unteren volksschichten viel mehr bedürfnis als heutzutage. In folge der lohnerhöhung wurden die badgelder, welche die arbeiter jede woche einnahmen, herabgesetzt. Natürlich, bei einer preissteigerung der nächsten bedürfnisse muß dasjenige, was in zweiter linie steht, was schon mehr zum luxus gerechnet wird, zurücktreten. Man erfährt denn auch, wie die länge der arbeitsstunden geregelt ist, wie nach den verschiedenen tageslängen auch die dauer der arbeit wechselt. Am samstag endlich wird der lohn vertheilt. Früher, erzählt Endres, hat man die auszahlung am samstag abends vorgenommen, damit kein arbeiter vor dem feierabend die arbeit verlaße, jetzt aber zahlt man am samstag früh, vor mittag aus, damit die arbeiter und die armen leute vor mittag, wenn sie zur suppe gehen, ihren weibern und kindern das geld heimbringen mögen, fleisch und brot darum zu kaufen, das man beßer früh als abends kauft. Darum kann doch keiner früher feierabend machen, denn die paliere haben acht, daß sich keiner wegstehle und ziehen einem solchen bei der nächsten löhnung den entsprechenden theil ab. Es geschah, daß leute, die forderungen an arbeiter zu machen hatten, mit dem ansinnen zu Tucher kamen, den arbeitern beim lohne zu gunsten des gläubigers abzüge zu machen. Aber dieser erklärte, daß er niemand an seinem lohn pfände oder pfänden laße; doch stehe jedem frei, am samstag um die stunde der auszahlung sich an ort und stelle einzufinden und sich an seinen mann zu halten, der dann geld bei sich habe. Der lohn aber wird in gutem gelde ausbezahlt. Endres und sein schaffer zählen die summe, die sie wochentlich aus der losungsstube erhalten, ab und vertheilen sie in die einzelnen partien, und wenn sie »böse pfennige« darunter finden, so »klauben sie diese aus« und geben sie den losungern wieder, welche sie gerne umwechseln und ausdrücklich erklärt haben, sie wollten nicht, daß man den taglöhnern und arbeitern »böses geld« gebe. Es soll dagegen auch keiner zu viel erhalten; wenn einer einmal die arbeit ausgesetzt hat, soll ihm das an seinem wochenlohn abgezogen werden. Sollte sich aber der baumeister irren und einem mehr geben, als er verdient, so darf er nicht besorgen, daß der es stillschweigend einstecke, denn, setzt Endres hinzu, wenn er auch gern schwiege, so schweigen seine gesellen nicht, die rügen je einer den andern.[2]
Aber nicht nur die arbeit hat der stadt baumeister zu überwachen, auch die beschaffung des baumaterials ist ihm übertragen. So steht er denn mit der stadt waldhauer in verbindung, bezeichnet die zum bauholz tüchtigen bäume und überwacht das fällen der stämme. Er hat dabei die bemerkung gemacht, daß das holz im märz, mai und september am besten und leichtesten zu hauen sei. Wie alles im werth gestiegen ist, so sind auch die holzpreise jetzt viel höher als noch vor wenigen jahren. Endres gibt einen genauen tarif der preise, je nach größe und beschaffenheit der hölzer.[3]
Es ist interessant zu sehen, daß man schon damals maßregeln treffen muste, um dem verderben der wälder durch abholzen einhalt zu thun, ja daß schon ganze strecken von wäldern »sehr verhauen« waren. Man schritt deshalb streng gegen jede art von forstfrevel ein und dehnte diese vorsorge auch auf einen fall aus, der Endres, welcher mit großer pietät an dem alten herkommen hieng, höchst unangenehm berührte. Es war eine uralte sitte, daß die steinbrecher vom Reuchelberg dem baumeister am vorabende des pfingstfestes einen büschel eichenlaub schickten. Als sie dieses auch im jahre 1462 thaten, wurden sie auf requisition des waldamtmanns darüber zur rede gestellt und Endres sollte eine strafe von 20 pfund bezahlen. Mit großer mühe fand er sich mit dem amtmanne so weit ab, daß dieser gegen 30 pfennige, die er für sich behielt, der alten sitte in zukunft nichts in den weg legte.[4]
Es waren nämlich auch die städtischen steinbrüche dem baumeister untergeordnet. Er bestimmte die stellen, an denen steine gebrochen werden durften, er vermittelte den einzelnen meistern die erlaubnis, gruben anzulegen, er verfügte, wie lang an einer grube fortgearbeitet werden, wann die arbeit an einer neuen beginnen sollte, endlich stand auch die meßung der quadern, die nach der stadt gebracht wurden, »das eichen« derselben unter seiner aufsicht.[5]
Ebenso wie der baumeister für das rohmaterial zu sorgen hatte, so hatte er auch alles, wessen man sonst zu bauten bedarf, herbeizuschaffen. Er überwachte die kalköfen, er kaufte große vorräthe von ziegeln und dachsteinen, er sorgte für schloßerarbeiten aller art, wobei wir denn wieder die preise aller dieser gegenstände auf das genaueste specificiert kennen lernen. Er muß auch wagen und karren machen laßen, die man zum transport gebraucht, er schließt contracte mit hafner, glaser, büttner, nagelschmid, kurz mit allen handwerkern, deren handierung irgendwie im zusammenhange mit den bedürfnissen steht, die sich bei bauten, reparaturen u. dgl. ergeben.[6]
Wie er aber aufbaut und repariert, so muß er für die gute erhaltung des einmal aufgeführten sorgen. So liegt ihm denn auch die reinigung der gebäude ob. Wir verdanken dieser pflicht ein langes capitel über der stadt »nachtmeister«.[7]
Mit dieser conservativen verbindlichkeit hängt denn auch der antheil zusammen, den der baumeister an der feuerpolizei nimmt. Er gibt einen genauen bericht über die eintheilung der stadt in viertel, über die maßregeln, die, sehr praktisch, mit dieser eintheilung verbunden sind, um der verheerung durch brände wirksam entgegentreten zu können.
An bestimmten plätzen in allen stadtvierteln sind feuerleitern, eimer, schäffel vertheilt, eigene feuermeister sind bestellt, welche die spritzen überwachen, die müller und badstubenbesitzer sind in das system der löschordnung in geschickter weise mit hineinzogen, laternen stehen in gewissen häusern bereit, um, wenn nachts ein brand ausbricht, das dunkel wenigstens einigermaßen zu erhellen, es sind prämien auf schleunige hilfeleistung gesetzt, kurz wir treffen systematisch durchgeführte anordnungen, die es erklärlich machen, daß von dem alten Nürnberg verhältnismäßig so viel erhalten ist, während so manche andere städte durch brand fast alle erinnerungen an frühere jahrhunderte verloren haben.[8]
Das wirksamste element in der reihe der löschanstalten ist natürlich das waßer. Auch darüber handelt Endres Tucher weitläufig. Die Pegnitz fließt durch die stadt, doch ist sie schwer zugänglich, da an den meisten stellen bis hart an ihre ufer gebaut ist. Dagegen bietet ein treffliches löschmaterial der Fischbach, der durch einen großen theil der straßen der Lorenzer seite fließt, bald offen, bald bedeckt. Über diesen wird denn ausführlich nach allen beziehungen berichtet, in denen die einwohner dankbaren sinnes zu diesem waßer stehen, das der hausfrau zum waschen und fegen, den verschiedensten gewerben zum betrieb ihrer arbeit dient und noch vor seiner mündung in die Pegnitz zwei mühlen treibt.[9] Nicht minder liegt die sorge für die zahlreichen brunnen dem baumeister ob. Wir erhalten von ihm eine höchst ausführliche und so sehr ins detail eingehende beschreibung der röhrenleitungen und radbrunnen der stadt, daß wir gar nicht mehr im stande sind, sie bis in das einzelne zu verfolgen.[10]
So glücklich die stadt sich durch ihren waßerreichthum schätzen darf, so hat sie anderseits auch die gefahr von überschwemmungen zu gewärtigen, die bei dem seichten bette der Pegnitz, welche aus dem hügellande herabkommt, sehr häufig und dann sehr schnell eintreten. Da hat man denn auch vorkehrungen getroffen. Die anwohner des oberen flußes, die von Hersbruck und Lauf geben schleunig durch boten nachricht von der drohenden gefahr.[11] Da mag dann der baumeister harte tage gehabt haben, denn auch das waßerbauwesen war ihm übertragen, brücken und stege, waschbänke und gräben, kurz alles, was mit waßerbauten irgendwie zusammenhängt, hatte er zu versehen.[12] Und nicht nur in der stadt, auch in der umgebung hatte er die wege in ordnung zu halten, die brücken in stand zu setzen, die gräben zu reinigen, endlich sogar die »landwehr« (verschanzungen rings um die stadt durch schranken gegen plötzliche überfälle) war ihm zur erhaltung anvertraut.[13] Nicht minder hatte er bei feierlichen gelegenheiten, hohen festen u. dgl. die straßen der stadt reinigen, den koth hinausführen, das pflaster ausbeßern zu laßen, wie er auch die aufsicht über die ketten und schlößer[14] führte, durch die man die straßen gegen fuhrwerk abzusperren pflegte. Das geschah wohl an hohen festen, besonders am tage der heilthumsweisung, an welchem die in Nürnberg aufbewahrten reichskleinodien dem volke gezeigt wurden. Die vorbereitungen dazu nahmen seine thätigkeit mehrere tage lang in anspruch, da unter seiner leitung das schaugerüst errichtet und manche andere maßregel getroffen wurde, die bei dem zusammenströmen der großen menschenmenge, die sich da jährlich am freitag nach der osteroctav in Nürnberg einfand, nöthig sein mochte.[15] Wie das buch gar manches enthält, was Endres Tucher nebenher beobachtet hat, so gibt er auch gelegentlich die zahl der wagen und karren an, die an diesem feste im jahre 1463 durch die stadtthore hereinkamen. Es waren 1266 wagen und 608 karren.[16]
Gleichwie zu dieser feier hatte Endres Tucher auch die einrichtung der veste zu treffen, als kaiser Friedrich III im jahre 1471 in Nürnberg erwartet wurde; eine aufzählung der mannichfachen geräthschaften, die da den burgberg hinaufgeschickt wurden, gestattet einen reizenden einblick in die verhältnisse jener zeit.[17]
Daß der baumeister nicht nur für das nothwendige, sondern auch für das angenehme sorgte, zeigt ein bericht über die anpflanzung einer großen menge von linden an verschiedenen plätzen der stadt,[18] für deren schatten ihm noch manche generation zu dank verpflichtet war. Doch nicht nur der technische betrieb der bauten war in seine hände gelegt, auch die handhabung der baupolizeigesetze war mit dem amte verbunden. Er führt in gröster weitläufigkeit alle verordnungen an, die der rath in dieser richtung hat ergehen laßen,[19] und die das verhältnis der bauherrn zu ihren nachbarn, zur straße u. s. w. bestimmen. Sie sind zum theil energisch genug. Wenn einer gegen des rathes willen einen theil seines hauses zu weit in die straße hineinbaut, wird er ohne erbarmen niedergerißen; dasselbe, mit ansehnlicher geldstrafe verbunden, geschieht, wenn man näher an die stadtmauer baut, als der rath bestimmt hat. Jedes haus muß mindestens 18 schuh davon entfernt sein.
Bestrebt, seine nachfolger über nichts im unklaren zu laßen, was mit dem amte in beziehung steht, gibt Endres im verlaufe seiner aufzeichnung auch angaben über die verhältnisse der handwerker, die von höchstem interesse sind.[20]
Die meister dürfen z. b. keine vorräthe aufkaufen, sondern nur so viel, als sie zu ihren nächsten arbeiten gebrauchen; bleibt davon übrig, so ist ihnen nicht gestattet, den rest zu verkaufen ohne die erlaubnis des rathes. Sie sollen keinem fremden gesellen über 8 tage arbeit geben und stets den einheimischen dem fremden vorziehen. Sie dürfen bei 10 pfund strafe nicht eine arbeit verlaßen, die sie einmal übernommen haben; wenn ein geselle von seinem meister weggeht, ohne die begonnene arbeit vollendet zu haben, der soll 1 pfund heller zur strafe zahlen und bei keinem andern meister in der stadt aufnahme finden. Kein meister darf dem anderen durch anbietung höheren lohnes seine gesellen abspenstig machen. Ohne des raths erlaubnis soll kein meister im sommer außerhalb der stadt arbeiten bei strafe 3jähriger verbannung. Es ist den meistern bei strenger strafe untersagt, ihren gesellen hinfür kost zu geben, sie sollen ihnen lediglich den gesetzten lohn bezahlen; und kein meister oder bauherr darf mehr lohn geben, als der rath für jedes handwerk bestimmt hat; nur bei »bosselarbeiten« ist ein kleines trinkgeld zuläßig, doch nur ein paar tage lang. Kein geselle darf ohne des meisters wißen eine arbeit übernehmen u. s. w. Da es vorgekommen ist, lautet ein eingeschalteter nachtrag, daß »liederliche meister« aufgenommen wurden, die ihr handwerk nicht verstanden, hat der rath für die zukunft meisterprüfungen angeordnet, welche vor zwei vereideten meistern desselben handwerks stattfinden sollen. Auch ein minimum der lehrzeit wird wenigstens für gewisse handwerke festgesetzt. Diese normen sind natürlich in ihrer specialisierung hier nur für die gewerbe vorgeführt, mit denen Endres Tucher durch sein amt in beziehungen steht. Es wird aber ein schluß durch analogie die ausdehnung derselben principien auf die verhältnisse auch der übrigen gewerbe gestatten.
Der baumeister gelobt alle jahre dem neuen rathe gehorsam und legt jährlich seine rechnung ab. Dieß geschieht in gegenwart der losunger und zweier der älteren herrn.[21] Einnahmen und ausgaben werden dann verglichen und der baumeister ist verpflichtet, über etwaige anstände auskunft zu geben. Nach der prüfung der rechnung erhält er sein solarium, 100 pfund neu; davon gibt er dem schreiber, welcher die rechnung abgeschrieben hat, 8 pfund alt, nebst »papier und copert«, dem hausknecht aber des rathhauses 8 groschen oder 60 pfennige zu trinkgeld. Hierauf wird vor versammeltem rathe darüber referiert und wenn der baumeister im rathe ist, muß er indess aus dem sitzungssaale abtreten. Nach dem vortrage pflegt ihn der rath zu bitten, für das nächste jahr das amt wieder zu versehen. Außer seiner fixen besoldung hat er dann auch noch andere bezüge.
Seine vorgänger hatten größere gehabt, einigen war sogar ein pferd gehalten worden; ihm gebühren nur noch späne und abfälle vom zimmerholz, die ihm auf der stadt kosten in seine behausung gefahren werden. Man verkauft sie und lost daraus jährlich etwa 60 pfund alt. Diess geld nimmt Endres Tuchers hausfrau in empfang, wie es alte sitte ist, daß die baumeisterin das einnimmt; der schaffer, der es einsammelt, erhält dafür von ihr zum neuen jahr ein geschenk, ein hemd oder dergleichen. Die trinkgelder, welche die werkleute den dienstboten des baumeisters geben, und die jährlich etwa 20 bis 24 pfund alt betragen, sammelt Endres in einer büchse. Diese gelder haben vor alters etliche baumeister selbst behalten; er behält nur die hälfte oder etwas darüber und vertheilt den rest unter die dienstboten. Von seinem theil aber muß seine hausfrau fische und wein bestellen und er lädt am weißen sonntag oder 8 tage danach drei bedienstete der stadt, die seinem amte am nächsten stehen, natürlich auch seinen getreuen schaffer darunter, zu sich, sagt ihnen, daß er rechnung abgelegt habe und gibt ihnen einen rechenwein.[22]
Ein eigenes capitel handelt von dem, »was ein baumeister in guter acht haben soll.«[23]
Er soll täglich bei den städtischen arbeiten ab und zu gehen und überall umschau halten, ob alles in ordnung vor sich gehe, denn diese unmittelbare überwachung fördert die arbeit; mindestens ein mal des jahres soll er die steinbrüche besuchen und sich durch eigenen augenschein von dem fortgang und gedeihen der arbeit überzeugen; eben so oft soll er die schlößer an allen stadtthoren untersuchen und mit baumöl schmieren laßen, daß es keinen aufenthalt gebe, wenn etwa plötzlich zur nachtzeit eines geöffnet werden müße; um Michaelis soll er jährlich alle waßerbauten, mauern und zäune besichtigen und noch bevor die kälte eintritt, die nöthigen reparaturen befehlen; er hat die pflicht von zeit zu zeit nachzusehen, ob alle vorkehrungen getroffen sind, die bei einem schnellen wachsen der Pegnitz sich als nothwendig ergeben haben; er soll oft um die stadt reiten und den zustand der ringmauern prüfen; auch zu den thürmen an der stadtmauer hat er die schlüßel und ist verbunden, sie außen und innen im stande zu halten und jeder etwaigen ausschreitung der thurner entgegenzutreten; aus den zwingern soll er im herbst allen unrath beseitigen laßen und anstalt treffen, daß im winter der schnee von den mauern weggeschaufelt werde; er soll auch dem pflaster seine aufmerksamkeit schenken und die reinigung der straßen nicht versäumen; wenn ein turnier am markt gehalten wird, so ist er es, dem die aufrichtung der schranken zusteht; nicht minder hat er die oberaufsicht über den stadtgraben, dessen gras den findelhäusern zur nutznießung gehört, und über die hirsche und rehe, die im graben hinter St. Katrein gehegt werden, denen der stadt waldhauer auf des baumeisters anordnung zu zeiten junge föhren in den graben wirft, »daran zu kiefen.«[24] Überhaupt hat er die sorge für die erhaltung der baulichkeiten der stadt, so auch für den schönen brunnen, der bei den volksfesten auf dem markte eine große anziehung auf die schaulustigen ausübt, die sich auf das gitter stellen wollen, um weitere umsicht zu genießen. Da jedoch der brunnen gefahr läuft, dadurch verdorben zu werden, so hat Endres das sinnreiche mittel erdacht, ein paar männer mit spritzen dort aufzustellen, die denn alle neugier zudringlicher mit einem kräftigen waßerstrahl erfolgreich abwehren.
Er hat ferner eine reihe von verpflichtungen gegen gewisse gewerbe und personen, die in diesem capitel alle ausführlich verzeichnet und ein neuer beweis für die bis ins kleinste ausgebildete ordnung sind, wodurch sich die organisation des nürnbergischen öffentlichen lebens auszeichnete.
Nachdem wir so den hauptinhalt des baumeisterbuches in kürze skizziert haben, wird noch einiges über den charakter dieser aufzeichnung beizufügen sein.
Wir haben schon oben angedeutet, daß an hundert stellen des buches uns die person des verfaßers entgegentritt, daß wir darin ein deutliches bild von der physiognomie der guten alten stadt erhalten. Mitten unter der trockenen, lang gedehnten verzeichnung der handwerker und ihrer pflichten, der arbeiter und ihrer löhne erscheint, gelegentlich hingeworfen, ein satz, der leben in die todte masse bringt, der unser interesse auch an der prosaischen umgebung, in der er auftritt, erhöht, um so mehr, als dieß kein künstliches experiment ist. Der wackere Endres Tucher hat wohl nie daran gedacht, daß sein werk jemals die schwelle des rathhauses oder der Peunt überschreiten werde. Es sind also keine schriftstellerischen manöver, denen wir da begegnen, sondern es ist die gesunde natürlichkeit des mannes, der wir diese reizenden einschiebsel zu verdanken haben. Er gibt darin sich und seine zeit ganz wie sie waren. Es war ein sparsamer mann, unser baumeister. Zu unnöthigen ausgaben entschließt er sich nie, dieß zeigt sich bei jeder gelegenheit, aber auch bei den unvermeidlichsten weiß er eine einrichtung zu treffen, durch die er der stadt ein paar groschen erspart. Wir erinnern uns, daß der rath vorsorglich die bewohner von Hersbruck und Lauf angieng, ihm vom steigen der Pegnitz sofort nachricht zu geben; der baumeister muß das ersuchen alle jahre um weihnachten erneuern; diesen brief schickt er jenen durch ihren bäcker hinaus, damit er keinen boten verlohnen muß und keine kosten verursacht.[25] Er scheut sich nicht, eines noch weiter als sparsamkeit gehenden verfahrens der viertelmeister erwähnung zu thun. Das gras in den zwingern ist für die findelhäuser bestimmt; aber die viertelmeister, denen die aufsicht über die zwinger zusteht, haben, erzählt er, zuweilen selbst kühe und brauchen die weide für sich, oder gönnen sie guten freunden vor der findel.[26] Mit derselben harmlosen gemüthsruhe verzeichnet er das benehmen des waldamtmannes bei dem verbot, eichenlaub zur stadt zu bringen, wovon früher die rede war. Aufgefordert, 20 pfund als strafe zu zahlen, erklärte Endres, daß er das keineswegs aus seinen mitteln bestreiten, sondern aus der losungsstube nehmen werde, dahin könne es der amtmann wieder zurückbringen. Als dieser hartnäckig auf seiner forderung stehen blieb, schickte Endres endlich die 20 pfund, von denen der amtmann 30 pfennige behielt und ihm das andere wieder zurückgab.[27] Ebenso naiv läßt er uns erkennen, wie wenig grund man hatte, sich vor dem raschen eingreifen einer hohen polizei zu fürchten. Eine anzahl unternehmender Handwerker vermuthet im vestnerberge einen schatz; sie beginnen danach zu graben und stoßen dabei auf unterirdische gänge, die von der burg herab nach verschiedenen puncten der stadt führen. Diese arbeit konnten sie sechs wochen lang betreiben, ohne daß dem rath etwas davon zu ohren kam. Endlich ward man davon in kenntnis gesetzt, Endres untersuchte den fall, man ließ die leute auf ihr ansuchen weiter graben, und da sie natürlich nichts fanden, hatte der rath noch die annehmlichkeit, die löcher, die sie da und dort geöffnet hatten, wieder verschütten zu laßen.[28]
Ein anderer passus charakterisiert nicht minder scharf die zustände der stadt in jener zeit. Ein gewisser Zeringer hatte an der steinernen brücke am neuen bau eine »marter« setzen laßen, der rath verbot ihm, daran noch ein Schild anzubringen. Er that es dennoch und da er auf wiederholte abmahnung der behörde sich nicht entschloß, dasselbe abzunehmen, fand man es eines tages mit brauner farbe überstrichen; »ob das der Zeringer befohlen, setzt Endres dieser erzählung bei, oder wer das gethan hat, das weiß gott wohl.«[29]
In seiner aufrichtigkeit verhehlt er auch nicht ein misgeschick, das ihn während seiner amtsführung getroffen. Er hat unter anderm das bohren der brunnröhren zu überwachen. Da kommt im jahre 1462 ein Jude her, des namens Josep von Ulm, der sich anheischig macht, auf der stadt kosten ein bohrzeug herstellen zu wollen, durch dessen hilfe ein mann in einem tage so viele röhren bohrt als sonst zwei gesellen in zwei oder drei tagen fertig bringen; wenn ihm der versuch mislingt, will er den schaden tragen; wenn er gut ausfällt, begehrt er, daß ihm ein ehrbarer rath das bürgerrecht schenke. Man geht darauf ein, Endres läßt umfaßende vorkehrungen treffen, ein gerüst errichten u. s. w.; als bereits 50 gulden dafür verausgabt waren, stirbt der Jude in Stuttgart und das werk bleibt in seinen anfängen wieder stehen.[30] Nicht minder aber weiß er die energie zu betonen, mit der er im nothfall die verordnungen des raths durchführt. Jeremias Holzschuher baute sich ein Haus hinter St. Egidien. Er brach deshalb etliche kleine häuser ab, die ihm im wege standen und erhielt die erlaubnis des rathes, um eine gerade linie herstellen zu können, unentgeltlich ein stückchen weit in den gemeindegrund herauszubauen. Aber er oder sein werkmeister versah es und fuhr weiter heraus, als der rath erlaubt hatte, was zu großen conflicten führte, in denen doch Endres standhaft alle nachgiebigkeit verweigerte.[31] Auch sonst berichtet er wohl einmal über die mühe, die er sich im interesse der humanität und seines dienstes gibt. Es waren bauern verpflichtet, die reinigung von gräben in der umgegend der stadt vorzunehmen. Im weigerungsfall sollten sie gepfändet und die reinigung auf ihre kosten vorgenommen werden. Aber obwohl es nie ohne weigerung von ihrer seite abging, so wuste er sie in der regel durch seine überredungskunst zum gehorsam zu bewegen, so daß es fast niemals bis zur execution kam.[32]
Der werth der aufzeichnung wird dadurch erhöht, daß sie dann und wann eine notiz über sitten und gebräuche der zeit und der stadt gibt. Eine der hübschesten stellen ist der bericht über die sulzfische, die Endres nach altem herkommen den werkmeistern und werkleuten der stadt am heiligen christabend sendet, deren bereitung, die unserem geschmack schlechterdings unbegreiflich ist, ausführlich geschildert wird. Eine auserwählte schaar derselben werkleute, der werkmeister, der maurer, der zimmermann und der schaffer erhalten außerdem am vorabend von St. Johannis tag zu sonnwenden auf der stadt kosten ein viertel guten meths und an St. Martins abend ein viertel guten Frankenweins. Endres selbst, der ersichtlich mit seinen leuten im besten einvernehmen steht, hat denselben zuweilen aus eigenem säckel zu St. Martins tag jedem eine gans und zu weihnachten einen weck geschickt, auch wohl zu Walpurgis jedem der nachtmeister einen kreuzkäse zukommen laßen.[33]
Ein andere stelle belehrt uns über die art und weise, in der gewisse amtliche ankündigungen proclamiert wurden. Jährlich ein mal muß der Fischbach gereinigt, also das waßer auf etliche tage abgesperrt werden. Dieß läßt der baumeister auf des raths geheiß am sonntag, vor die arbeit beginnt, in der St. Lorenzkirche von der kanzel herab durch einen büttel oder einen schreiber ausrufen, nach dem der segen gegeben ist und ehe man den weihbrunnen gibt, während der priester in der sacristei die heiligen gewänder ablegt; denn da ist das meiste volk in der kirche.[34]
Anderswo wird berichtet, daß eine arme dorfschaft, der das hochwaßer eine brücke weggerißen hat, die erlaubnis erhält, an gewissen tagen vor u. l. frauen kirche auf dem markt beiträge zur aufführung einer neuen sammeln zu laßen, und wieder an einer andern stelle, daß jungfrauen und »geisterinnen« im criminalgefängnis, im »loch« eine truhe stehen haben, in der sie kissen, laken, polster und anderes geräthe bewahren, das benützt wird, wenn man den gefangenen das leben absagt und ihnen die heiligen sacramente spendet, und daß ein »ewiges geld« zur erhaltung dieser sitte gestiftet ist.[35]
Sollen wir endlich noch die genauigkeit der aufzeichnung constatieren, so wird genügen, wenn wir als probe anführen, wie Endres sogar nöthig findet, zu notieren, daß er zu zeiten dem Ludwig Pfinzing, der stadt weiermeister, ein paar waßerstiefel aus der Peunt geliehen habe, aber sofort, um ja kein präjudiz für seine nachfolger zu bilden, beisetzt, daß er dazu keineswegs verpflichtet gewesen sei.[36]
Wenn wir uns nach den quellen umsehen, welche der bearbeitung des baumeisterbuches zu grunde liegen, so finden wir die schriftlichen bedeutend in der minderheit. Verträge, rathsverläße u. s. w. hat Endres Tucher ohne zweifel vorliegen gehabt, dann und wann weist er direct auf solche hin, namentlich im nachtrag ist eine reihe in den text aufgenommen; er hat auch die schrift eines vetters, Berthold Tucher über die gräben um die stadt, benutzt[37] und die bücher seines vorgängers im amte, Hans Graser durchgesehen.[38] Diese letzteren hat er freilich nicht in der besten ordnung gefunden, aber er gibt doch etliches daraus im auszug und gerade das ist für uns von der höchsten wichtigkeit, da es die unterschiede der preise, arbeitslöhne u. s. w. zu Grasers zeiten und etwa 20 jahre später in der klarsten weise darlegt. Die hauptquelle aber, die Endres Tucher seiner darstellung zu grunde legte, war die mündliche überlieferung. Und da hat er einen trefflichen dolmetscher zur seite gehabt an dem schaffer und anschicker auf der Peunt, Conrad Gürtler. Als Tucher das material zu seiner aufzeichnung zu sammeln begann, war Gürtler schon 27 jahre lang in seiner stelle und hatte vier baumeistern hinter einander verständig und treu gedient. Endres hat ihn aber auch fest ins herz geschloßen und unterläßt nie, seinen rath zu erholen und in zweifelhaften fällen seine ansicht gewißenhaft zu verzeichnen.
Um aber noch einmal auf die urkunden zurückzukommen, die Endres Tucher benutzt hat, so möchten wir nicht versäumen, zum troste neuerer forscher, die mit getäuschten hoffnungen ein archiv verlaßen, zu constatieren, daß auch dem städtischen baumeister zu Nürnberg im 15 jahrhundert diese schriftstellerische calamität nicht erspart war. Er berichtet mit großem kummer, daß er lange zeit nach einem vertrage gefahndet habe, aber die losunger hätten ihn nicht finden können und ihm gesagt, nachdem sie noch viele briefe hätten, die nicht registriert seien, so wüsten sie die verlangte urkunde nicht zu finden. Sie möge wohl auch unter den unregistrierten liegen.[39]
Nachdem wir uns so lange mit dem baumeisterbuche Endres Tuchers beschäftigt haben, bleibt uns noch übrig, einen blick auf die person des verfaßers zu werfen. Wir erhalten über ihn kurze auskunft in dem »Tucherbuch«, dem prachtvoll ausgestatten pergamentnen geschlechtsbuche der noch in Nürnberg blühenden familie der freiherrn von Tucher, dessen einsicht mit freundlichster liberalität gestattet wurde. Im anfage des 17 jahrhunderts angefertigt, liegen diesem geschlechtsbuch zum grösten theil die materialien zu grunde, welche dr. Christoph Scheurl, der berühmte Nürnberger gelehrte, und sammler für die familie zusammengestellt hatte. Über Endres wird bl. 51 folgendermaßen berichtet:
Herr Endres Tucher, der ander diß namens, Endressen Tuchers und Margaretha Baumbgartnerin sohn ward geborn den funften aprilis am andern ostertag und negsten tag nach Ambrosii [5 April] umb ein ur auf den tag anno 1423; Wilhelm Scheuhenpflug hueb ihn auß der tauff; hielt hochzeit mit junckfrawen Adelheit Gundlachin von Bamberg mittwoch nach deß hailigen creutz erfindungs tag 1446 [4 Mai], ward deß raths an stadt seines vaters brudern Bertholden Tuchers anno 1454, der vorderst alt genant und paumeister, beschrieb ein ordentlich, nutzlich buch von gemainer statt gebewen, von rath vnd ordnungen, das er einem erbern rath zuletzt schencket und heutiges tags in der peundt gebraucht wird, thailet mit seinen dreyen brüdern Bertholden, Hannßen und Sebalden donerstag nach Urbani 1462 [27 Mai], ubergab Bertholden und Hannßen, seinen brudern sein antheil an ihrem vaterlichen hauß und andern seinen guettern freytags nach Urbani 1476 [31 Mai] und ward mit bewilligung seines unfruchtbaren weibs ein convers bruder zu den cartheusern an s. Ambrosii tag 1476 [4 April], als er zwei und zwaintzig jar in rath gangen war, und ward Hannß Volckhaimer an sein statt baumeister. .. .. Er lebet im orden ain und dreißig jar, ward alt vier und achtzig jar und neun tag, starb den vierzehnten aprilis anno 1507 daselbsten (in s. Sebalds kirche) im chor vor dem hohen altar begraben.
Wir können noch hinzufügen, daß eine chronikalische aufzeichnung, welche von Endres vater herrührt, vorhanden ist und in dem 1 bande der Nürnberger chroniken gedruckt vorliegt, daß Endres selbst seit 1454 bis zu seinem rücktritt aus der welt alter genannter blieb, und seit 1459 ein jahr um das andere elector war, endlich daß er seine stelle als der stadt baumeister im jahr 1461 antrat. (Raths- und ämterbücher der genannten jahre im Nürnberger archiv.)
Sein bild in dem Tucherbuch, welches freilich kaum auf porträtähnlichkeit wird anspruch machen dürfen, in doch ganz in der weise aufgefaßt, wie wir ihn uns denken, nachdem wir sein buch gelesen haben. Ein ernster, wohlwollender mann steht er da vor uns, wie wir ihn auf jeder seite des baumeisterbuches finden.
Ich habe zum schluße noch wenige worte über meine bearbeitung zu sagen, die sich fast einzig auf topographische und die nöthigsten sachlichen erläuterungen beschränkt, und nur an ein paar stellen durch notizen aus dem Nürnberger k. archiv bereichert worden ist. Was die topographischen anmerkungen betrifft, so bin ich mir wohl bewust, daß sie an zahlreichen und nicht unbedeutenden mängeln leiden. Wenn die publication eine Nürnberger im eigentlichsten sinne des wortes wäre, so würde wohl eine reihe sehr eingehender untersuchungen in dieser richtung nothwendig gewesen sein, die unter den verhältnissen, unter denen diese edition erscheint, unterbleiben konnten und musten. Hier galt es nur, so viel zu erklären, als man mit den vorhandenen hilfsmitteln erklären konnte. Da hat sich freilich schnell und empfindlich genug gezeigt, wie sehr die topographie Nürnbergs noch im argen liegt. Das büchlein von Nopitsch (Wegweiser für fremde in Nürnberg. 1801) erwies sich noch immer als das brauchbarste, um so mehr, als der verfaßer es zu einer zeit niederschrieb, in der die alten bezeichnungen der straßen, häuser, höfe, etc. noch in aller mund waren, während sie täglich mehr den modernen namen, die man ihnen zu substituieren beliebte, weichen und so nach und nach ganz der vergeßenheit anheimzufallen drohen. Manche hilfe gewährte auch die kleine schrift: »Die noch vorhandenen abzeichen Nürnberger häuser von einem forscher in alten dingen.« Nürnberg 1855, die eine reiche menge von andeutungen gibt, die ich dankbar benuzte. Wenn der verfaßer dieses werkchens, der sich so lang und viel mit Nürnberger geschichte beschäftigt hat, sich nur angewöhnen wollte, seine behauptungen nicht immer lediglich in die luft zu stellen, sondern sich herbei ließe, sie durch citate zu stützen. Um wie viel verdienstlicher würde dadurch dieses schriftchen, das freilich nicht einmal das erfüllt, was es in seiner jetzigen gestalt verspricht, da es nicht die vollständigkeit aufzuweisen hat, die man doch wohl fordern darf. Man könnte dem verfaßer eine anzahl von häusern mit abzeichen und gerade in belebten straßen bezeichnen, die man in seinem buche vergebens gesucht hat.
In dem alphabetischen verzeichnis am schluße, das die topographischen anmerkungen enthält, sind die namen von straßen, welche heute noch dieselben sind, wie ehedem, nicht verzeichnet worden. Man kann sie leicht auf jedem plane der stadt Nürnberg, deren eine große zahl existiert, finden. Für solche, die sich eingehender für diesen theil der arbeit interessieren, darf auf den stadtplan verwiesen werden, der dem 1 bande der Nürnberger chroniken beigegeben ist.
Zum schluße erlaube ich mir noch einen wunsch auszusprechen. Möchte doch das baumeisterbuch Endres Tuchers, das so viel werthvolles material enthält, einen berufenen mann anregen, seine kräfte der erforschung der Nürnbergischen topographie zuzuwenden. Unsere philologen haben sich so viele mühe gegeben, die topographien Roms und Athens bis in die kleinsten einzelheiten zu ergründen und festzustellen; sollte unser altehrwürdiges Nürnberg nicht einer gleichen mühe werth sein? Das wäre eine aufgabe für die localhistoriker, die hier eine arbeit fänden, durch welche sie sich wirkliche und nachhaltige verdienste um die wißenschaft erwerben könnten und zu der sie sicher mehr beruf und geschick hätten, ab zu den elaboraten, womit ihre mehrzahl in der regel die gelehrte weit heimsucht.
Dr. Friedrich von Weech.