Clementine Helm

Drei Erzählungen für junge Mädchen

Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2020
goodpress@okpublishing.info
EAN 4064066111793

Inhaltsverzeichnis


Esther Wieburg.
Verwaist.
Erstes Kapitel. Der Abschied.
Zweites Kapitel. Die neue Heimath.
Drittes Kapitel. Erster Morgen.
Viertes Kapitel. Schooßhund und Zughüte.
Fünftes Kapitel. Wiedersehn.
Sechstes Kapitel. Treue Hülfe.
Siebentes Kapitel. Im fremden Lande.
Achtes Kapitel. Die Heimath.
Neue Wege.

Esther Wieburg.

Inhaltsverzeichnis

»Wie gesagt, Herr Pastor, darin kann ich Ihnen nicht Recht geben, das ist keine Erziehung für ein Mädchen! Einen Jungen mögen Sie alle diese Dinge lernen lassen, meinetwegen; aber ein Mädchen kann in ihrem ganzen Leben nichts damit anfangen. Das ist meine Meinung, und dabei bleibe ich, sowahr ich Friederike Booland heiße!«

Frau Friederike Booland, die Sprecherin dieser energischen Worte, bekräftigte den Schluß ihrer Rede damit, daß sie ihre große, knochige Hand laut schallend auf den Schreibtisch niederfallen ließ, neben welchem sie stand. An diesem Schreibtische aber saß derjenige, dem ihre Rede galt, Pastor Wieburg, der Geistliche im Dorfe Rahmstedt. Seit Jahren schon lebte Frau Booland hier im Hause, nachdem ihr eigener Gatte, der Schulmeister des Dorfes, gestorben, und von jenem Tage an führte sie die Zügel des Haushaltes mit ebensoviel Energie als Gewissenhaftigkeit. Pastor Wieburg hätte keine bessere Haushälterin finden können und so überließ er ihr getrost alle Regierungssorgen. Nur ein Departement hatte er sich vorbehalten, und das war die Erziehung seines einzigen Kindes, eines kleinen, dunkeläugigen Mädchens. So großen Respect Frau Booland nun auch vor allen Meinungen und Ansichten ihres Brodherrn hatte, in diesem Punkte war sie seine stete Gegnerin, und sie scheute sich nicht, dies immer wieder gegen ihn auszusprechen, so wenig Erfolg ihre Worte auch haben mochten. Pastor Wieburg hörte ihre Reden geduldig an, ohne den Fluß derselben durch Widerspruch zu hemmen, so lange seine Pfeife brannte. War diese jedoch zu Ende, so stand er ruhig von seinem Stuhle auf, ging nach dem Ofen, die Asche aus der Pfeife zu klopfen, und dann sagte er gleichmüthig: »Schon recht, Frau Booland; aber jetzt möchte ich Ruhe haben, meine Predigt fertig zu arbeiten. Sie sind wohl so gut, und kommen ein andermal wieder.«

Frau Booland blieb alsdann freilich nichts übrig, als sich mit einem Knix zu empfehlen. Aber ihr sonst gutmüthiges Gesicht war dann durchaus nicht sonnenhell, und leise vor sich hin brummend ging sie die Treppe hinunter, um sie nach einiger Zeit von Neuem zu ersteigen und abermals ihre Vorwürfe anzubringen.

»Er ist und bleibt unverbesserlich!« rief sie auch heute voll Aerger, als sie die Thür der Studirstube etwas kräftiger als gewöhnlich geschlossen hatte und zu ihrem Haushalte zurückkehrte. »Es ist, als ob ich zur Wand redete, so wenig Eindruck machen meine Worte auf ihn! Wenn er nur wenigstens mit mir stritte oder mir seine Meinung sagte. Aber nein, steif und ruhig sitzt er in seinem Stuhle und läßt mich reden und reden, und am Ende muß ich wieder abziehen und alles bleibt beim Alten. O diese Männer!«

Als Frau Booland in ihrem gerechten Grimme das Wohnzimmer im Untergeschoß des Pfarrhauses betrat, flogen ihre Blicke nach einer Ecke in der Nähe des Fensters, wo ein niedriger Arbeitstisch stand, an dem ein kleines Mädchen schrieb. Es war Esther, ihre junge Pflegebefohlene, für deren Wohl und Wehe die brave Frau soeben vergeblich gekämpft hatte.

»Schreiben und schreiben, und nichts als lesen und schreiben den ganzen Tag!« rief Frau Booland verdrießlich. »Bist du denn noch nicht bald fertig für heute, Estherchen? Du sollst noch ein Bischen in die Luft, Kind, ich denke, du hast genug gelernt. Hast den ganzen Nachmittag schon studirt, der Kopf muß dir ja brummen von all' der grausamen Gelehrsamkeit, du armer kleiner Fisch.«

»Ich bin bald fertig, Tante, nur noch dies eine Verbum muß ich zu Ende schreiben,« entgegnete das kleine Mädchen aufsehend. »Vater schilt sonst, denn er sagt ohnehin immer, ich sei nicht fleißig genug!«

»Das Gott erbarm! Noch nicht fleißig genug!« rief die Wittwe, ihre Hände zusammenschlagend. »Es ist ein Elend, daß du kein Junge geworden bist, dann hätte dies Gelerne einen Sinn, aber so? Was in aller Welt willst du damit anfangen?«

»Ich wollte auch lieber, ich wär' ein Junge, das weißt du ja, Tante! Und Vater will gewiß einen aus mir machen, daß er mich so viel lernen läßt,« rief Esther lachend und nickte der erzürnten Frau begütigend zu. »Aber bitte, Tante, ich möchte das Bischen Tageslicht noch gern benutzen, um meine Arbeit fertig zu machen. Ich komme dann auch gleich zu dir in den Garten.« Und ohne sich weiter stören zu lassen, schrieb das Kind eifrig weiter, während die letzten Strahlen der Herbstsonne über ihr dunkles Haar forthuschten und ihre blassen Wangen vom Abendroth leise geröthet wurden.

Frau Booland hatte von ihrem Standpunkte aus allerdings guten Grund, sich über die Art und Weise zu beklagen, in welcher ihre kleine Pflegebefohlene von ihrem Vater erzogen wurde. Pastor Wieburg war ein durch und durch braver, rechtschaffener Mann und für seine Gemeinde ein trefflicher Seelsorger; außerdem aber ein ernster, ja strenger und verschlossener Gelehrter, der den Verkehr mit der Außenwelt mied und nur seinem Amte und seiner Wissenschaft lebte. So lange Esther, das einzige Kind seiner früh verstorbenen Gattin, noch zu klein war, um lernen zu können, hatte er sich sehr wenig um sie bekümmert, und sie völlig der Sorge Frau Booland's überlassen. Das schüchterne, kleine Mädchen war auch viel lieber in der Gesellschaft dieser guten Frau, als in der des ernsthaften, schweigsamen Vaters, der nur immer Ruhe gebot, wenn sie in seiner Nähe spielte und ihre Puppen stets sehr unsanft in die Ecke warf, hatte sich ja einmal eine in die Nähe seiner Bücher verirrt.

Als Esther jedoch älter ward und ihr Vater bemerkte, daß in dem kleinen Körperchen eine starke Seele und viel Verstand wohnte, da wuchs sein Interesse für das Kind. Er hatte sich einen Sohn gewünscht, um auf ihn all' sein Wissen und seine Gelehrsamkeit zu übertragen; nun hatte er statt dessen eine kluge kleine Tochter bekommen, sie sollte ihm den Sohn ersetzen. Wirklich lernte die kleine Esther bald mit so viel Eifer und Erfolg, daß ihr Vater immer mehr Gefallen an ihr fand und sie wie einen Knaben unterrichtete. In der Zeit, wo andere kleine Mädchen mühsam einzelne Worte zusammen buchstabiren, und mit dem Schieferstifte unsichere Kritzeleien auf die Tafel malen, konnte unsere kleine Esther schon recht geläufig lesen und schreiben, und nicht etwa nur in ihrer Muttersprache, sondern auch in den Anfangsgründen des Lateinischen, dem sich später sogar das Griechische zugesellte. Bei diesem eifrigen Lernen und Studiren blieb freilich zum steten Leidwesen der braven Frau Booland wenig Zeit übrig zur Erlernung all' der weiblichen Künste und Kenntnisse, welche diese häusliche Frau in der Erziehung eines Mädchens für unerläßlich hielt. Esther zeigte leider auch wenig Vorliebe für dergleichen Dinge, und die Geheimnisse der fünf Stricknadeln blieben ihr sehr lange Zeit ein Buch mit sieben Siegeln. Tante Booland strickte und nähte ja den ganzen Tag, was sollte Esther sich damit quälen, und die kleinen Dienste in Küche und Kammer, wozu ihre Erzieherin sie anzuleiten sich abmühte, erschienen Esther ebenfalls erstaunlich überflüssig. Was kam denn darauf an, ob ein Kleid drinnen im Schranke hing oder draußen, ob die Schuhe absolut im Kasten stecken mußten, und Kamm und Bürste nicht mit der reinen Wäsche Gemeinschaft halten durften. Wenn Esther nur fand, was sie suchte, so war sie zufrieden; für alles andere mochte Tante Booland sorgen, die immerfort hinter ihr her lief, um wieder aufzuräumen, was ihr kleiner Wildfang in Unordnung gebracht hatte. Wenn dann Frau Booland böse werden und darauf dringen wollte, daß die leichtfertige kleine Dirne selbst Ordnung schaffe, dann hatte Esther immer Nöthigeres zu thun und absolut gar keine Zeit für dergleichen.

»Aber Tante, ich muß doch jetzt lernen, Papa wird sonst zu böse! Bitte bitte, mache du es doch nur, das nächste Mal will ich es gewiß thun!« So hieß es stets, wenn das kleine Fräulein etwas vornehmen sollte, was ihr nicht behagte, und da Frau Booland nicht beurtheilen konnte, in wieweit Esther's Entschuldigung begründet war, sondern nur immer mit stillem Grauen des Kindes Gelehrsamkeit anstaunte, so wagte sie auch nie, energisch gegen Esther's Unarten einzuschreiten. Beim Vater fand die arme Frau für derartige Klagen auch kein Gehör; denn dieser hatte jene wunderlichen Ideen über Freiheit in der Erziehung, wie sie Rousseau einst lehrte, und ihm war es ganz recht, wenn seine Tochter frei und ungebunden und nicht geleckt und geschniegelt aufwuchs. »Sie soll mir ein tüchtiges Frauenzimmer werden ohne weibische Faxen und Narrheiten!« pflegte er auf Frau Booland's Klagen zu antworten. »Solche hausbackne Tugenden lernt sie noch zeitig genug! Jetzt laßt mir das Mädel damit in Ruhe, sie kann ihre Zeit besser anwenden.«

So wuchs die kleine Esther denn heran mit allen Neigungen und Beschäftigungen eines Knaben, und kräftig wie ihr Geist entwickelte sich auch ihr Körper bei dieser Lebensweise. Obwohl sie weder blühende Farben, noch besonders kräftigen Körperbau besaß, so war sie doch ein gesundes, frisches Kind, und ihre feinen Glieder besaßen eine auffallend große Gewandheit und Festigkeit. Sie sprang und turnte, lief und kletterte wie der tollste Junge, und für sie war kein Baum zu hoch und kein Graben zu breit. Freilich in welchem Zustande Kleider und Schuhwerk nach solchen Thaten vor den entsetzten Blicken der Frau Booland erschienen, das kümmerte Esther wenig, ihr thaten nie die Finger weh vom Ausbessern dieser Sachen, denn wie hätte sie dazu Zeit gehabt! Tante Booland schalt und brummte zwar stets bei jedem neuen Riß, aber im Grunde freute sie sich doch, wenn ihr blasser Schützling lieber in Feld und Wald umhersprang, statt immer über den bösen Büchern zu sitzen. Deshalb, wenn Esther ihrer Ansicht nach genug studirt hatte, nahm Frau Booland des Kindes Strohhütchen vom Nagel, drückte ihr ihn auf die schwarzen Flechten und sagte: »Basta für heute, mein kleiner Fisch! Jetzt lauf' hinüber zum Bertel. Aber zum Nachtessen sei wieder hier, du weißt, dein Vater liebt die Pünktlichkeit!«

Dann blitzten Esthers tiefschwarze Augen in heller Freude auf, und wie ein Pfeil sprang sie empor. Gewöhnlich nahm sie noch einige Bücher unter den Arm, wenn ihre Arbeiten noch nicht fertig waren, dann aber jagte sie wie ein Reh durch die Laubgänge ihres Gartens, und weiter hinaus über die Dorfstraße, Wiesen und Felder. Sie hatte nur ein Ziel und das war der Gutshof ihres Dorfes Rahmstedt.

Aus den Fenstern des Gutshofes konnte man den ganzen Weg bis zur Pfarre übersehen. Sobald nun Esthers leichte Gestalt daher geflogen kam, dauerte es nicht lange, da knarrte die Gartenthür, und ein mächtig großer schwarzer Neufundländer sprang laut bellend in langen Sätzen über Hecken und Zäune, der kleinen Esther entgegen, die er fast umrannte. Hinter dem Hunde drein aber kam athemlos ein blonder Knabe daher, der Esther fröhlich anlachte. Dann faßten die beiden Kinder sich an den Händen, und lustig ging's nun zusammen in die weite Welt hinein, bis sie zuletzt den Hafen aufsuchten, nämlich den Blumengarten im Gutshofe. Auf der Freitreppe am Hause saß dann zuweilen eine stattliche junge Frau, welcher Esther freundlich die Hand zum Gruß entgegenstreckte, und dann verließ das kleine Mädchen ihren Spielgefährten, um sich neben die Dame zu setzen, welche gern mit der Kleinen plauderte. Auch ein großer, freundlicher Herr kam dann wohl seitwärts über den Hof geschritten, wo er mit den Dienstleuten gesprochen oder in den Ställen nachgesehen hatte, und begrüßte das Kind. Das war Herr von Ihlefeld, der Gutsherr von Rahmstedt, die schöne, junge Dame aber seine Frau und Hubert, auch Bertel genannt, das einzige Kind der Beiden. Ein behagliches, glückliches Familienleben herrschte in dem Hause, und die kleine Esther war ein täglicher, gern gesehener Gast in demselben. Man rechnete sie so zur Familie, daß stets ein Gedeck mit für sie aufgelegt wurde, und jederzeit ein Bett für sie bereit stand, besonders im Winter, wenn die Kleine Abends nicht in Wind und Wetter den Weg nach Hause machen sollte. Und wie Esther hier, so war auch Bertel täglich der Gast im Pfarrhause. Pastor Wieburg hatte es übernommen, den Knaben zu unterrichten, und so war derselbe neben Esther sein täglicher Schüler. Bertel war zwei Jahr älter als Esther; das kleine Mädchen lernte aber so rasch und war so eifrig und ehrgeizig, daß sie vielen Unterricht mit dem Knaben gemeinsam hatte, und das waren für Esther die herrlichsten Stunden. »Die kleinen Gelehrten,« nannte man die Kinder in der Umgegend, denn nirgends wußten andere Kinder ihres Alters so viel, als diese Beiden.

»Ich werde einmal ein Gelehrter, wie du, Onkel Pastor,« pflegte Bertel zu sagen, und wirklich schien er auch dauernd Freude am Lernen zu haben. Esther aber lernte eigentlich nur darum so eifrig, weil Bertel lernte und sie eben nichts thun und denken mochte, was dieser nicht auch that. Hätte ihr junger Spielgefährte angefangen, Seil zu tanzen oder Schuhe zu nähen, Esther wäre ohne Zögern auch mit auf das Seil gestiegen, oder hätte sich hingesetzt, Schuhe zu flicken, denn Bertel that es ja. Wenn sie früh aufwachte, so flogen ihre Gedanken hinüber nach dem Gutshofe, und ihre Blicke wanderten beim Ankleiden fortwährend nach dem Gartensteg woher Bertel ja nun kommen mußte. Der Tag bestand für sie eigentlich nur aus zwei Hälften: der, wo sie mit Bertel, und der, wo sie ohne ihn war. Die letzte Hälfte suchte sie immer möglichst abzukürzen, denn es war ja die Schattenseite ihres Tages, die Zeit mit Bertel aber das Licht, die Sonne, dem ihre junge Seele zustrebte mit allem Denken und Fühlen. Und wie Esther, so ging es ihrem kleinen Freunde. Auch er kannte keine Freude, keinen Genuß ohne seine junge Gespielin, und am liebsten wäre er oft den ganzen Tag auf dem Pfarrhofe geblieben. Er nannte Esther seinen besten Kameraden, und wie Kameraden verkehrten die beiden Kinder auch mit einander.

Man konnte nicht schöner und liebenswürdiger sein, als es der schlanke Bertel war, das gestand Jeder, der den Knaben sah, und für Esther aber war ihr Kamerad der Inbegriff alles Schönen, Guten und Ausgezeichneten. Das dunkeläugige und tief brünette Mädchen bildete einen ganz eigenthümlichen Contrast zu dem rosigen Knaben, dessen feines, mädchenhaft zartes Gesicht von einer Fülle dichter blonder Locken umgeben wurde. Esther war kaum hübsch zu nennen; denn etwas scharfe, unregelmäßige Züge und die bräunliche Haut hätten sie wenig anziehend gemacht, wenn nicht die großen schwarzen Augen mit strahlendem Feuer aus diesem Gesichtchen geleuchtet und dicke, seidenweiche schwarze Flechten den kleinen Kopf umkränzt hätten. Und verschieden wie im Aeußeren waren die beiden Kinder auch an Charakter und Temperament. Die braune Esther war Feuer und Leben bis in die kleinste Fingerspitze hinein, furchtlos und unternehmend, rasch und leicht erregbar. Ihr warmes Herz bestand harte Kämpfe mit ihrem Eigensinn und ihrem sehr energischen Willen; aber wenn dieser Wille sich beugte, dann war sie sanft und weich und gut. Der blonde Hubert hingegen hatte bei einem äußerst scharfen Verstande ruhigere Besonnenheit und Ueberlegung und einen weichen, fügsamen Sinn, der sich durch fremde Einflüsse sogar allzuleicht bestimmen ließ. Etwas Scheues und Abgeschlossenes im Charakter des Knaben wurde durch die eigenthümliche Erziehung, welche der ernste Pastor Wieburg ihm ertheilte, noch vermehrt, und außer Esther besaß der kleine Gelehrte eigentlich keinen nennenswerthen Umgang. Aber lebendig und kraftvoll wie sein kleiner Kamerad Esther war auch Hubert trotz dieser Gelehrsamkeit und trotz seines schlanken, mädchenhaften Körpers. Doch war er nicht so wild und ungestüm als jene, ja zuweilen erschien er mit dieser Besonnenheit sogar feige und zaghaft. Erreichte seine Geduld aber die Grenze, dann konnte er heftig und leidenschaftlich aufflammen mit Esther um die Wette.

Esther hingegen gab sich der augenblicklichen Regung ganz hin, und besonders, wenn es galt, für Bertel etwas zu thun, da gab es kein Ueberlegen. Die Liebe zu ihrem kleinen Freunde war für sie schon in den ersten Jahren ihres Beisammenseins der Punkt, um den sich alles bewegte, was sie dachte und that, und für ihn schien ihr kein Opfer zu schwer. Das Beste, was sie bekam an Naschwerk, oder Obst oder sonstigen Dingen legte sie stets für ihn zurück; alles was ihm lästig oder unangenehm war, nahm sie in ihre Hand, und wo sie dem älteren Knaben mit ihren schwachen Kräften Hülfe leisten konnte, that sie es ohne Zagen. Bekam er Schelte, so klagte sie sich oft auch als Missethäterin an, um ihn nicht allein leiden zu lassen, und sie konnte ganz außer sich gerathen, wenn er Schmerzen litt und sie ihm nicht helfen konnte. In den Unterrichtsstunden, die sie gemeinsam hatten, freute sie sich vielmehr über ein Lob, das Bertel gespendet wurde, als über ihr eigenes, und wenn Bertel, wie es in den Naturwissenschaftsstunden oft geschah, für die der Knabe am wenigsten Interesse zeigte, eine Arbeit schlecht gemacht hatte oder Fragen verfehlte, da setzte Esther oft absichtlich in ihre nächste Arbeit auch Fehler, oder stellte sich unwissend, nur um nicht besser zu sein als Bertel.

Eines Tages war Hubert krank geworden und konnte nicht zum Pfarrhause kommen. Esther wollte natürlich gleich zu ihm eilen, Tante Booland aber ließ sie nicht fort, denn der Arzt hatte ihr gesagt, Bertel werde das Scharlachfieber bekommen, sie möge Esther's Zusammensein mit dem Kranken verhüten, damit sie nicht angesteckt würde. Esther war außer sich, daß man sie nicht zu Bertel lassen wollte. Drei Tage hielt sie es aus, ging aber jammernd und klagend umher; als sie nun aber hörte, Bertel läge im Fieber, sie dürfe unter Wochen nicht zu ihm, sonst bekomme sie auch diese Krankheit, da sah sie Frau Booland stumm und thränenlos an. Dann ging sie hinaus in den Garten, in der Dämmerung aber rannte sie in einem unbewachten Augenblicke mit Blitzeseile nach dem Gutshofe. Hier schlich sie leise die Treppe hinauf, ohne gesehen zu werden und versteckte sich hinter einem Schranke, der neben der Thür von Bertels Krankenstube stand. Dort wartete sie lange geduldig, bis sie sah, daß die Wärterin und dann auch Frau von Ihlefeld das Zimmer verlassen hatten; da huschte sie zur Thür hinein. Wirklich war in diesem Augenblicke niemand als der Kranke in der Stube, und mit einem leisen Jubelrufe stürzte Esther zu Bertel hin, der ihr voll Entzücken die Arme entgegenstreckte. »Nun bleibe ich bei dir, Bertel!« sagte Esther, ihm das heiße Gesicht streichelnd, »ich halte es nicht aus ohne dich, und wenn du krank bist, will ich es auch werden!«

Frau von Ihlefeld sah bei ihrem Eintritt voll Schrecken, wer an Bertels Bett saß. »Kind,« sagte sie, Esther zurückziehend, »wer hat dir erlaubt, herzukommen, und wer hat dich hier hereingelassen? Willst du auch das Scharlachfieber bekommen?«

»Ja, wenn Bertel krank ist mag ich nicht gesund sein,« rief Esther und schmiegte sich an den Kranken. In demselben Augenblicke kam Frau Booland herein, ganz außer sich vor Angst und Schrecken. Sie schalt Esther wegen ihres Ungehorsams und wollte sie sogleich wieder mit sich fort nehmen. Esther aber weinte und sträubte sich und wollte bei Bertel bleiben, den sie umschlungen hielt. Da trat der Arzt herein und Esther flog auf ihn zu und bat, er möge erlauben, daß sie hier bleibe.

Frau Booland aber rief angstvoll: »Nein, ich leide es nicht! Wenn du noch länger bei dem Kranken bleibst, wirst du unfehlbar angesteckt, und mich trifft dann die Verantwortung für deine Thorheiten. Gleich komm mit mir, ehe es zu spät ist!«

»Es ist schon zu spät, Frau Booland,« sagte der Arzt leise. »Esther hielt den Kranken umschlungen, als ich eintrat, da ist der Krankheitsstoff bereits in sie übergegangen, wenn sie überhaupt dafür empfänglich ist. Ein längeres Bleiben schadet jetzt nicht, lassen wir die Kinder ruhig beisammen; Bertel kann es nur zuträglich sein, Esther um sich zu haben.«

Frau Booland war leichenblaß geworden, denn sie sah schon ihren Liebling von der Krankheit ergriffen in Fieberphantasien liegen; aber zu ändern war hier nichts mehr. Esther erhielt die Erlaubniß, auf dem Gutshofe zu bleiben und war glückselig. Sie wich nicht von Bertels Lager, und sobald der Kranke nur wieder Unterhaltung haben durfte, war sie unermüdlich, ihm vorzulesen, mit ihm zu spielen, oder ihm sonst wie die Zeit zu vertreiben. Freilich dauerte es nicht lange, da mußte auch sie sich legen, von der Krankheit ergriffen, und nun stellte man die Betten der Kinder neben einander. Frau Booland kam, ihren kleinen Liebling zu pflegen, und nach kurzer Zeit war es dann der genesene Hubert, der Esther unterhielt, wie sie es erst an seinem Bette gethan. Aber so sehr Esther auch zu leiden hatte, denn sie wurde bedeutend kränker als Bertel, keine Klage kam über ihre Lippen. Sie hatte es ja so gewollt und war bei Bertel, da war alles gut!

Und wie sie hier keine Furcht kannte, so zeigte sie kurze Zeit darauf abermals ihre muthige, selbstvergessende Liebe zu Hubert. Pastor Wieburg kam eines Tages sehr erregt in das Zimmer und sagte: »Frau Booland, lassen Sie Esther nicht auf die Straße; ich höre soeben von unserem Knechte, daß sich ein fremder, toller Hund auf dem Felde vor dem Gutshofe herumtreiben soll. Die Bauern sammeln sich eben im Dorfe, Jagd auf ihn zu machen.« Esther blickte bei diesen Worten nach der Uhr. Die Zeit war ganz nahe, in der Bertel zu den Stunden kommen mußte. Wenn er nun von dem tollen Hunde nichts wußte und ihm vielleicht gerade in den Weg lief! Auf dem Felde beim Gutshofe trieb sich das Thier herum, er mußte es ja treffen! Kaum hatte Pastor Wieburg und Frau Booland den Rücken gewendet, als Esther in den Garten flog und durch den Garten hindurch auf die Landstraße, den Weg nach dem Gutshofe einschlagend. In athemloser Hast stürzte sie vorwärts, damit sie noch auf dem Gutshofe ankam, ehe Bertel ihn verließ. Und wenn nun gar vielleicht Hector mit ihm kam, wie gewöhnlich, dann war die Gefahr eine doppelte; denn dieser würde unfehlbar den fremden Hund angreifen, wenn er in der Nähe war.

Schon war Esther über ein Stück jenes Feldes gelaufen, auf dem der Hund sich heruntertreiben sollte. Sie sah nichts Verdächtiges und rannte dem Hofthore zu, das vor ihr lag und aus dem jeden Augenblick Bertel treten konnte. Da plötzlich hörte sie es hinter sich schnaufen und röcheln, und als sie sich umblickte, rannte der tolle Hund hinter ihr drein. Zur Seite springen, einen dicken Pfahl ergreifen, der am Wege lag, und mit diesem dem Hunde einen wuchtigen Hieb über den Kopf versetzen, war das Werk eines Augenblickes. Der Hund taumelte, bellte dumpf und schlich dann in der Richtung fort, in der er gekommen, Esther aber stürzte in Todesangst ohne umzuschauen nach dem Hofthore, das sie aufriß und blitzschnell hinter sich wieder zuwarf. Die Leute des Gutes, die hier auf dem Hofe versammelt waren, um sich zur Jagd auf den Hund zu rüsten, sahen voll Schrecken auf Esther, deren einzige Worte beim Hereinfliegen waren: »Ist Bertel noch zu Haus?« Erst als er ihr selbst entgegentrat gab sie sich zufrieden und sank erschöpft auf eine Bank im Hofe, sich den Angstschweis von der Stirn trocknend. Nun umringte man sie und ließ sich von ihr erzählen, daß der tolle Hund ihr ganz in der Nähe des Hauses begegnet sei, und während die Knechte hinauseilten, Jagd auf das unglückliche Geschöpf zu machen, zog Bertel sie in das Haus hinein, sie mit Vorwürfen überschüttend, daß sie sich um seinetwillen solcher Gefahr ausgesetzt habe.

Esther blickte den Knaben lachend an und sagte: »Daran, daß mich der Hund beißen konnte, habe ich gar nicht gedacht, als ich vom Hause fortgerannt bin. Aber jetzt wird sich Tante Booland schön um mich ängstigen, nun will ich nur schnell wieder nach Haus laufen.« »Nicht eher, als bis der Hund unschädlich gemacht ist!« rief Bertel sie zurückhaltend. Da aber hörte man einen Schuß in der Nähe, und gleich darauf kamen die Leute zurück und erzählten, daß man den Hund getödet habe, der wie betrunken umher getaumelt sei. »Daran ist der Schlag Schuld, den ich ihm mit dem Pfahle gegeben habe,« lachte Esther, und dann lief sie eiligen Schrittes wieder zu Frau Booland zurück, die in Todesangst nach ihr ausschaute. —

So wuchsen die beiden Kinder mit einander auf Jahr um Jahr, und von Liebe umgeben und glücklich durch stetes Beisammensein, vergingen ihnen die sorglos frohen Jugendjahre wie ein heller Sommertag. Während der blonde Bertel zu einem schönen schlanken Burschen emporwuchs, war Esther noch immer das braune Mädchen mit den feurigen Augen und dunklem Haar; aber ihre Gesichtszüge wurden weicher und anmuthiger, und mit ihrem schlanken, graziösen Körperchen war sie ein allerliebstes Mädel geworden. Aber ein Wildfang blieb sie trotz ihrer 13 Jahre, und Frau Booland hatte oft ihre Noth mit ihr; böse freilich konnte niemand ihr sein. Aber auch geistig entwickelten sich beide Kinder sehr zur Zufriedenheit der Ihren, und den »kleinen Professor« besonders, wie man Bertel nannte, war Pastor Wieburg mit unermüdlichem Eifer bestrebt, immer mehr zu fördern, so lange er seiner Leitung anvertraut blieb, denn er war ein selten begabter Knabe. Aber endlich mußte man sich doch zu einer Aenderung entschließen, um so mehr, da Pastor Wieburg anfing zu kränkeln und den Unterricht oft unterbrechen mußte. Das Gymnasium der nächsten Stadt war vortrefflich, und so entschlossen sich Hubert's Eltern schweren Herzens, den Knaben künftige Ostern dorthin zu geben.

Das war das erste große Ereigniß in dem Leben der beiden Kinder. Sie hatten die Trennung, so oft auch davon die Rede war, doch immer in so ferne Zeiten verschoben, daß es wie ein entsetzlicher Donnerschlag über sie kam, als sie erfuhren, daß in wenig Wochen Hubert's Abreise erfolgen sollte.

»Ich gehe mit dir nach H..,« sagte Esther entschlossen und stellte sich an Bertel's Seite. »Vater hat gewiß nichts dagegen; ich werde ja dann studiren wie du, und ohne dich lerne ich hier keine Zeile mehr, das weiß ich. Was sollst du denn ohne mich anfangen, Bertel?«

Hubert sah das kecke Mädchen nachdenklich an.

»Ich glaube, das wird doch nicht gehen, Esther,« sagte er traurig, »denn ich werde ja auf ein Gymnasium kommen, wo lauter Knaben sind, da paßt kein Mädchen hinein.«

»So ziehe ich Knabenkleider an, das ist köstlich, das habe ich mir ja immer gewünscht!« jubelte Esther und klatschte in die Hände.

»Aber deine langen Zöpfe?« sagte Bertel kopfschüttelnd.

»O die schneide ich ab,« rief Esther fröhlich. »Da habe ich doch endlich Ruhe vor Tante Booland, die früh Morgens immer so lange daran kämmt und flicht, daß mir die Geduld oft ausgeht und ich ihr davon laufe. Da sieh', das ist bald geschehen!« Rasch ergriff sie eine Scheere und that einen tiefen Schnitt in ihr prachtvolles Haar. Aber da trat Frau Booland in das Zimmer und riß ihr die Scheere aus der Hand.

»Bist du unklug, Kind? Was treibst du denn wieder?« rief sie heftig.

»Ich gehe mit Bertel auf das Gymnasium nach H., da kann ich die dummen Zöpfe nicht brauchen,« entgegnete Esther, an den Flechten reißend.

»Mit auf's Gymnasium?« sagte Frau Booland lachend. »Nun damit hat es gute Wege, da laß nur deine Zöpfe in Ruhe, mein Kind. Mädchen kommen da nicht hin.«

»Ich gehe auch als Junge mit, versteht sich!« rief Esther rasch. »Tante Ihlefeld giebt mir gewiß von Bertels Kleidern, damit ich gleich mit kommen kann.« Frau Booland fing herzlich an zu lachen über Esthers Pläne, die sie für Scherz hielt. Als sie dann aber sah, daß ihr junger Wildfang wirklich im Ernst solchen Gedanken Raum gab, war sie still und sagte leise vor sich hin: »Im Stande wäre sie's, glaub' ich. Das hat ihr Vater von der Erziehung!«

Als sie mit ihrem Schützling dann am Abend allein im Schlafzimmer war, zog sie Esther auf ihre Knie, was sie selten that und sprach mild und freundlich: »Mein liebes Mädchen, ich muß dir einmal etwas sagen. Du bist jetzt schon 13 Jahre alt, da wird es wirklich Zeit, daß du den Jungen ausziehst. Thust du es nicht selbst, so thun es dir andere Leute, und das ist ein schlimmes Ding. Dein Vater hat dich studiren und aufwachsen lassen, wie einen Knaben; aber du bist und bleibst trotz alledem doch ein Mädchen. Siehst du, ich bin nur eine einfache Frau; aber das, was sich schickt, besonders für ein junges Mädchen, das du nun bald sein wirst, weiß ich so gut als jede große Dame, da folge mir nur getrost. Bertel geht fort, er ist eben ein Knabe und muß sich für seine zukünftige Laufbahn vorbereiten; aber mit ihm gehen kannst du nicht, denn das schickt sich nicht. Wozu auch? Ein Mädchen hat einen anderen Lebenslauf vor sich, als ein Knabe. Er muß in die Welt, das Mädchen gehört in das Haus. Bis jetzt warst du ein Kind, da paßte sich alles; aber nun wird das anders, das hilft einmal nichts und mußt du dir gefallen lassen. Für junge Mädchen schickt sich vieles nicht, was sich für junge Männer schickt; so will es die Sitte, und ihr müssen wir uns Alle beugen. Ueber kurz oder lang mußten sich eure Wege doch scheiden, das ist so der Lauf der Welt und die Bestimmung des Menschen. Und nun sei verständig und mache Bertel das Herz nicht schwer mit Weinen und Klagen; denn dann wird ihm das Fortgehen noch viel saurer. Nicht wahr, Esther, daran willst du denken, ihm zu lieb?«

Esther hatte schweigend zugehört, denn Tante Booland sprach selten so ernst und zusammenhängend mit ihr. Sie machte zuerst ein finsteres Gesicht, denn ihr Eigenwille bäumte sich arg in ihr empor; nach und nach aber wurde sie nachdenklich, und ein tiefes Roth zog sich ihr über Stirn und Nacken. Sie biß die Lippen fest auf einander, wie sie immer that, wenn sie von einem neuen Gedanken überrascht wurde, sagte aber kein Wort. Auf die letzte Frage von Tante Booland nickte sie rasch und ernst mit dem Kopfe; dann lehnte sie ihre Stirn eine lange Weile still an die Brust ihrer treuen Pflegerin, die ihr leise über das Haar strich. Endlich aber brach sie in einen Strom von Thränen aus und rief jammernd: »Ach Tante Booland, ohne Bertel kann ich ja aber nicht leben!«

»Einmal mußt du es lernen, Kind, es geht nicht anders,« sagte Frau Booland sanft. »Der liebe Gott giebt uns so manches Schwere zu tragen, und du wirst noch manchesmal in deinem Leben sagen: >ich kann es nicht!< Und doch wirst du es lernen; denn der himmlische Vater legt uns keine größere Last auf die Schultern, als wir zu tragen im Stande sind. Dir hat Gott ein starkes Herz gegeben, deshalb wirst du dem armen Bertel die Trennung leicht machen, wozu wärst du sonst seine brave, kleine Esther?«

Das kindliche Mädchen wischte sich entschlossen die Thränen aus den Augen und lächelte zuversichtlich. »Ich will ihm helfen, Tante!« sagte sie fest, und dann legte sie sich still und ergeben in ihr Bettchen. Lange noch bewegten sich ihre Lippen im Gebet und baten um Muth und Kraft für die schwere vor ihr liegende Zeit, dann aber schloß der Schlaf ihr die müden Augen.

Am andern Tage war mit Esther sichtlich eine Veränderung vorgegangen. Sie war bleicher und ruhiger als sonst, und auf ihrem Gesicht lag ein nachdenklicher Zug. Als Hubert zum Unterricht kam, und Esther ihm im Garten entgegen lief, geschah es mit etwas zögernden Schritten, und ein brennendes Roth flog einen Augenblick über ihre Stirn. Dann aber rief sie in ihrer alten muntern Weise: »Ach Bertel, unsere schönen Pläne werden doch zu Wasser, mit dir ziehen kann ich nicht. Die andern Jungens würden doch merken, daß ich ein Mädchen bin, und dann bissen sie mich sicher zum Neste hinaus, wo ich mich einschleichen wollte, wie's neulich die Schwalben mit dem Spatz machten, weißt du wohl noch?«

Hubert sah sehr bleich aus. Er nickte still mit dem Kopfe und sagte: »Ich wußte es gleich und wollte es dir nur nicht sagen, Esther. Aber ich glaube, ich komme bald wieder; denn so allein ohne dich und ohne euch alle, — ich kann es nicht ertragen!«

Mit einem lauten Stöhnen warf er sich auf eine Bank nieder und weinte so ungestüm und leidenschaftlich, wie Esther es noch nie von ihm gesehen hatte. Erschrocken setzte sie sich zu ihm und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Dicke Thränen rollten auch über ihr Gesicht, und ihre Brust arbeitete heftig. Aber entschlossen richtete sie sich bald empor, preßte die Hände fest aufeinander und sagte leise: »Bertel, sei ruhig, einmal mußtest du ja fort, hier auf unserem Dorfe kannst du ja doch kein großer Gelehrter werden. Aber das sollst du, denn ich will stolz auf dich sein, und alle sollen es.« Und nun malte sie dem Knaben in heiterer Weise aus, wie schön es sein müsse, wenn er nun zu den Ferien nach Hause kommen und ihnen erzählen werde, wie er dort in der Stadt lebe, wie viel er jetzt lerne und studire, und welches seine Kameraden sein würden. Bertel hatte das Gesicht mit den Händen bedeckt und schluchzte leise.

»Kameraden?« rief er jetzt heftig. »Sprich mir nicht von Kameraden! Bis jetzt habe ich noch keinen Jungen gefunden, der mir zugesagt hätte, und ich werde sicher auch keinen finden. Du bist mein liebster und einziger Kamerad, Esther, und du sollst es mir bleiben, das gelobe ich dir, wenn auch tausend andere um mich sein werden; dich ersetzt mir keiner!«

Er ergriff Esthers Hand und blickte finster vor sich nieder, Esther aber saß strahlenden Auges neben ihm. Ihre Lippen zitterten, aber sie sprach nicht. Sie sah ihren blonden Bertel im Geiste unter der Schaar anderer Knaben, und wie viel schöner er sein würde, als alle anderen, und wie viel klüger. Und doch war und blieb er ihr Bertel, ihr Kamerad wie bisher. Nun wollte sie auch nicht mehr daran denken, wie allein, ach so trostlos allein sie sein würde!

Esther hatte in Gedanken einen Zweig des Fliederbusches herabgezogen, unter dem sie saßen und dessen Büschel noch kahl und ohne Knospen standen.

»Wenn die blühen, bist du wieder hier, Bertel,« rief sie plötzlich und schüttelte den Zweig. »Ostern ist in diesem Jahr so früh, gerade zu Pfingsten wird dann alles blühen, Flieder, Goldregen, Schneeballen, alles, alles. Und die ersten Veilchen schicke ich dir in die Stadt, Bertel, denn da kannst du gewiß keine pflücken. Von den Erdbeeren aber und den Stachel- und Himbeeren in unserem Garten soll kein Mensch etwas bekommen, die schicke ich dir auch alle oder hebe sie dir auf, und auch die Haselnüsse unten am Wasser. Komm, wir wollen geschwind einmal nachsehen, Bertel, am Ende sind unten am Wasser schon Veilchen heraus, oder Primula veris. Weißt du auch noch, wie die braune Pflanze heißt, die zuerst im Frühjahr auf der Wiese blüht?«

Bertel's trübes Gesicht war unter dem Plaudern Esthers wieder hell geworden; jetzt lachte er und sagte: »Ach was, Botanik ist einmal nicht mein Steckenpferd, ich kann mir das Zeug nicht merken. Verrathe mich aber nicht bei deinem Vater.«

»So komm, ich will dein Mentor sein, Tussilago heißt das Pflänzchen, mein kluger Herr,« rief Esther lustig und zog ihn mit sich fort; denn was sie gewollt, hatte sie durch ihr Plaudern erreicht, Bertel vergaß seine trüben Gedanken. Und in dieser Weise gelang es ihr von jetzt an stets, ihren Kameraden zu erheitern, ob ihr selbst auch oft das arme junge Herz zerspringen wollte vor Weh. Bertel durfte nicht sehen, wie schwer ihr die Trennung wurde, sonst wäre er mit noch traurigerem Herzen von ihnen gegangen. Und wie gut hatte sie es doch im Vergleich mit ihm: Sie blieb zurück in ihrem schönen Garten und traulichen Hause, hatte Vater und Tante Booland um sich, und dort drüben den Gutshof mit Onkel und Tante Ihlefeld. Alles, ihre Blumen und Bücher, ihre Hühner, Hunde, Katzen, die Ziegen und Kaninchen im Stall und die Vögel im Walde draußen, alles blieb ihr, während der arme Bertel alles verlassen und allein hinaus mußte unter lauter fremde Menschen. War es da nicht ihre Pflicht, heiter zu sein und ihm das Herz nicht auch noch schwer zu machen? O Tante Booland hatte recht, sie durfte Bertel nichts vorklagen!

Aber trotz alledem wurden ihre Wangen immer blässer, und ihre Augen blickten immer angstvoller um sich, je näher der Tag der Abreise kam. Endlich hatten die beiden Kinder den letzten Unterricht beim Vater gehabt, und Bertel hatte Abschied genommen. In einigen Stunden fuhren seine Eltern mit ihm nach der Stadt. Esther hatte mitfahren sollen; aber Frau Booland meinte, für Bertel sei es besser, sie thäte es nicht, und so blieb sie zurück, willig und sanft, wie sonst nie, wenn etwas gegen ihren Willen war. Sie setzte sich mit einem Buche in die Fliederlaube, in der sie neulich mit Bertel gesessen, ihre Augen waren aber so roth, als sie dann zum Essen in das Zimmer kam, daß Frau Booland sie mit innigem Mitleiden anblickte. Vor ihrem Vater aber verbarg Esther, daß sie geweint, denn er konnte »weinerliche Frauenzimmer« nicht leiden. Es war gut, daß er viel von der Schule und den Lehrern sprach, wo Bertel jetzt Unterricht haben werde, da bemerkte er doch Esthers Kummer nicht, von dessen Größe er keine Idee hatte. Die einfache Frau Booland wußte das besser, als der gelehrte Herr Pastor.

Es waren traurige Tage für Esther, diese ersten nach Bertel's Abreise. Wohl hatte sie sich alles vorgeführt, was sie an Glück vor Bertel voraus habe, da sie zu Hause blieb, während er unter fremde Menschen und Verhältnisse kam; aber jetzt, nachdem er fort war, fühlte sie erst, was sie verloren. Wie im wachen Traume ging sie daher, sie meinte immer, jetzt müsse jemand kommen und sie wecken. War denn die Sonne nicht mehr am Himmel, daß so wenig Glanz über Garten und Wiese lag? Und waren denn das ihre lieben Blumen, die so wenig Farbe und Duft hatten, das ihre lustigen Thiere, die mit ihr sonst so fröhlich durch den Hof und Garten sprangen? Und ihre Bücher, wie langweilig sahen diese Buchstaben sie an, das Lernen war ja eine Strafe statt wie bisher eine Lust. Und wie endlos war so ein Tag! Sonst kamen die Mittag- und Abendstunden, wo sie zum Essen gerufen wurde, immer viel zu früh, jetzt sah sie fort und fort nach der Uhr, ob denn die Stunden noch immer nicht rascher davongehen wollten. Nach dem Stege aber, auf dem Bertel jeden Morgen gekommen war, konnte sie vor Jammer gar nicht mehr hinsehen, und nach dem Gutshofe zog sie jetzt so wenig. Onkel und Tante Ihlefeld waren zwar sehr gut und lieb zu ihr, wie bisher; aber es war so öde in dem Hause und Hofe, und auch Bertel's Neufundländer sah so traurig aus und heulte laut auf, wenn Esther ihn streichelte und leise sagte: »Ach Hektor, unser Bertel ist fort!«

Hubert war jetzt unter eine ziemlich große Zahl von Pensionairen aufgenommen, welche bei einem der Professoren des Gymnasiums wohnten. Der zarte, scheue Knabe fühlte sich anfangs unsäglich unbehaglich unter all' den fremden Gesichtern, und das laute Treiben seiner Stubengenossen war ihm sehr zuwider. Auch in der Klasse, unter deren Schülern er einer der jüngsten war, kam er sich wie verloren vor; denn niemand achtete weiter auf ihn, und die Lehrer hatten ihre Aufmerksamkeit der ganzen Klasse zu schenken. Wie anders war das, als bisher bei seinem Lehrer! Aber eigentlich lernte es sich gut in Gemeinschaft mit so vielen, die alle dasselbe Ziel verfolgten. Und hier waren einige so kluge, eifrige Mitschüler in der Klasse, da galt es fleißig sein, wenn er es ihnen gleich thun wollte! Und das wollte und mußte er, das war ohne Frage.

So lernte er denn mit unverdrossenem Eifer und vergaß dabei, wie einsam er unter den vielen Mitschülern dastand, denen er sich, wie es seine Neigung war und wie er Esther versprochen, nicht anschließen mochte. Aber dieses Abschließen reizte die andren Knaben zu Neckereien und Spottreden und bereitete ihm bald manchen Verdruß. Man gab ihm allerlei Spitznamen, nannte ihn Jungfer Bertel, Muttersöhnchen, Blondel, Mehlweißchen und suchte ihn zu Zank und Streit aufzustacheln. Bertel that, als merke er nichts und kämpfte seinen Aerger tapfer nieder; denn ihm war aller wüste Zank und Lärm in der Seele verhaßt. Das reizte seine Kameraden doppelt, die solche Selbstüberwindung für Feigheit hielten. Mit einem Feigling aber meinte man sich ungestraft alles erlauben zu können. Nun erhielt Bertel eines Tages einen langen Brief von Esther. Zwei seiner Stubenkameraden, die dabei zugegen waren, sahen, wie freudig er denselben las.

»Von wem ist der Brief?« fragte Franz Reichard.

»Von Esther!« entgegnete Bertel zerstreut und las eifrig weiter.

»Esther? Wer ist Esther?« forschte Franz weiter. »Ist das eine Schwester von dir?«

»Nein doch, laß mich in Ruh'! Esther ist — nun Esther ist Esther!« sagte Bertel kurz abweisend und kehrte Franz den Rücken.

»Esther ist Esther! Eine schöne Erklärung!« rief dieser spöttisch. »Du, Walter,« fuhr er dann lachend fort und winkte seinem Kameraden verständnißvoll zu, »weißt du schon, Jungfer Bertel ist mit einer alttestamentarischen Freundschaft behaftet. Königin Esther heißt seine Coeurdame.«

»I was tausend, Mehlweißchen!« rief Walter. »Du bist ja ein Mordskerl! Und ein Jüdchen hast du zur Freundin? Da heißt's wohl:

Ihrer Augen schwarze Kohlen
Haben mir das Herz gestohlen?

Wahrhaftig, du bist ja ganz vernarrt in ihren Brief, laß doch 'mal sehen, was die schwarzhaarige Schöne dir schreibt!« Und dabei blickte er frech in Esthers Brief, als wollte er ihn lesen. Bertel wurde dunkelroth vor Aerger, bekämpfte seinen Verdruß aber und sagte nur, sich rasch abwendend: »Ach Unsinn, Esther ist eine Predigertochter und keine Jüdin.« Unwillkürlich aber blickten ihn dabei seiner Freundin schwarze Augen aus dem Briefe an, die allerdings einer kleinen Jüdin alle Ehre gemacht hätten, und er achtete bei diesem Gedankengange so wenig auf seine Umgebung, daß er nicht bemerkte, wie Franz sich herbeischlich und plötzlich einen raschen Griff nach dem Briefe that. Bertel jedoch hielt fest, und so bekam der Brief einen großen Riß. Nun aber war Huberts Geduld zu Ende. Mit dem Rufe: »Wart', das sollst du büßen!« flog er wie ein Pfeil auf den schlechten Kameraden los, faßte ihn um den Leib und warf ihn zu Boden. Franz war einer der stärksten Burschen der Stube, und nachdem er sich von der ersten Ueberraschung erholt hatte, fing er an mit Bertel zu ringen. Ein heißer Kampf entspann sich, denn Franz war stärker als sein Angreifer; Bertel aber besaß trotz seines zarten, schlanken Körpers eine große Zähigkeit und Gewandtheit, und mit Vorsicht wußte er sich stets gegen alle Angriffe zu decken. Er hatte zu Hause viel geturnt und oft mit den Dorfkindern gerungen, denn sein Vater pflegte zu sagen, ohne richtige Balgerei wird keiner ein rechter Junge. So gelang es ihm endlich, den Gegner zu bezwingen und ihm das Knie auf die Brust zu setzen.

»Jetzt versprichst du mir, mich ungeschoren zu lassen!« rief er mit funkelnden Augen. »Ich dulde eure Flegeleien nicht länger, daß ihr es nur wißt. Wer mich nicht in Ruhe läßt, dem zeige ich, daß ich Fäuste habe.« Und damit schlug er auf den großen Burschen so tapfer los, daß es schallte, und Walter ganz verblüfft daneben stand. Franz knirschte vor Aerger, konnte sich aber nicht rühren, und da er ein weicher Junge war trotz seiner groben Glieder, so bat er schließlich himmelhoch, Bertel möchte ihn loslassen, er verspräche auch alles, was er verlange. Hubert sprang auf und ließ ihn frei, Franz aber schüttelte sich, strich sich die Haare glatt und dann trat er zu seinem Gegner heran. »Du hast mich gut verarbeitet, Bertel,« sagte er stöhnend und reckte seine langen Glieder. »Bis jetzt dachte ich, du wärst feige, weil du dir alles gefallen ließest; aber nun habe ich Respect vor dir. Wer Courage hat, den lasse ich in Ruhe. Wollen wir Frieden schließen?«

Hubert sah dem ehrlichen Burschen ganz erstaunt in das feuerrothe Gesicht; es war ein guter Zug darin, und Bertel ergriff ohne Zögern die dargebotene Hand. »Recht gern, Franz«, sagte er herzlich, »mir soll's recht sein; ich bin kein Freund von Zank und Streit.«

So hatte die Schlägerei ein gutes Ende und in ihren Folgen trug sie vortreffliche Früchte. »Bertel hat den Franz gezwungen!« hieß es bald in der ganzen Anstalt, und das war wie ein Orden; denn Franz war für einen tüchtigen Raufer bekannt und also nicht gut mit ihm anzubinden. Niemand hielt den blonden Bertel ferner für einen Feigling und wagte ihn böswillig zu foppen; hatte derselbe doch auch jetzt an dem älteren Franz einen Kameraden zur Seite, der sich des jüngeren in allen Dingen annahm, denn er hing dem neuen Schüler mit immer wachsender Freundschaft an. Hubert war diese Freundschaft zwar ganz angenehm und schmeichelhaft, eigentlich aber wagte er nicht recht, dieselbe anzunehmen; hatte er nicht Esther gelobt, sie allein solle sein Kamerad sein und bleiben? Und war es nicht Wortbruch, wenn er hier nun doch eine neue Freundschaft schloß? Lange aber hielten solche Gedanken nicht vor; es war doch eben gar zu angenehm, nicht allein dazustehen unter so viel Schülern, und Esther selbst hatte sicher nichts dagegen. Sie konnte doch einmal nicht bei ihm sein, warum sollte er sich da nicht an jemand aus seiner jetzigen Umgebung anschließen? Esther blieb ihm ja doch immer so lieb, als sie ihm je gewesen war, das verstand sich von selbst. —

Trotz dieser Ueberzeugung sprach er in seinen Briefen an Esther doch nicht viel von seinem neuen Freunde. Die Scene aber, welche ihr Brief veranlaßt hatte, berichtete er ihr getreulich, und Esther glühte vor Wonne und Stolz, daß ihr Bertel sich so tapfer gehalten hatte, und tief innen im Herzen regte sich etwas, wie ein Jauchzen, daß sie der Anlaß zu diesem ersten Kampfe Bertels gewesen war. Davon sagte sie aber Tante Booland nichts, als sie den Brief vorgelesen, sie wußte selbst nicht warum. Freilich ahnte Esther nicht, daß Bertel gerade in Folge davon, daß sie es war, die jenen Kampf veranlaßt hatte, von jetzt an sorgfältig vermied, wieder von ihr zu sprechen. Er fürchtete abermalige Neckereien seiner Kameraden, die ohnehin nicht ganz ausblieben; denn ab und zu erkundigte man sich nach seiner jungen Freundin, welche für die Knaben durch jene Schlägerei einen geheimnißvollen Reiz erhalten hatte. Bertel gab aber immer verlegene ausweichende Antworten, und wenn er Esther auch nicht völlig verleugnete, so wünschte er doch, die Sache todt zu schweigen, um die Neckereien der Jungens los zu werden. »Mädchen passen einmal nicht in eine Jungenpension, nicht einmal in Gedanken!« entschuldigte er sich heimlich, und wirklich verging jetzt mancher Tag, wo Bertel so von seinen Arbeiten und seinen Kameraden in Anspruch genommen wurde, daß er seiner kleinen Esther gar nicht gedachte. Dann aber fiel ihm sein Unrecht plötzlich wieder schwer auf die Seele, und nun schickte er ihr, wie um vor sich selbst sein Erkalten wieder gut zu machen, einen so herzlichen, kameradschaftlichen Brief, erzählte ihr so getreulich von seinem Lernen und Leben und Treiben, daß Esther voll Entzücken ihres lieben getreuen Kameraden gedachte, der sie unter all' den neuen Verhältnissen nicht vernachlässigte. Sie wollte ihm auch zeigen, daß sie seiner in treuer Anhänglichkeit gedachte, und trotz ihrer Abneigung gegen weibliche Handarbeiten mühte sie sich jetzt häufig ab, um für Bertel irgend etwas anzufertigen. Zum ersten Male im Leben zeigte sie Geduld und Ausdauer bei diesen Arbeiten. Die Knaben in der Pension trugen hellblaue Mützen mit roth und silbernen Bändern, und wenn das Band besonders schön war, so bestanden die silbernen Streifen aus kleinen gestickten Blätterchen. Eine solche Mütze hatte Bertel sich gewünscht, und Esther saß nun mit eiserner Geduld und nähte mit ihren kleinen ungeschickten Fingern unermüdlich Blättchen um Blättchen, so sauer ihr auch die ungewohnte Arbeit wurde. Endlich war das Werk vollendet und zu seinem nächsten Geburtstage prangte die Mütze unter Bertels Geschenken, die ihm nach der Pension gesandt wurden. Ein feuriger Dankesbrief lohnte Esther die gewaltige Mühe, und von nun an war sie immer mit irgend einer Arbeit für ihren kleinen Freund beschäftigt, zur stillen Freude Tante Boolands, die ihr getreulich beistand, wo die Schwierigkeiten gar zu groß wurden. Aber gut war es, daß Esther nicht erfuhr, wie Bertel alle solche Arbeiten vor seinen Schulkameraden verleugnete, um sich nicht neuen Neckereien auszusetzen. Die Mütze machte den Anfang. Als seine Geburtstagsgeschenke bewundert wurden, betrachtete sein neuer Freund Franz mit etwas neidischen Blicken den zierlichen Streifen an der Mütze.

»Wer hat dies gestickt, Bertel?« fragte er neugierig. Bertel wurde roth und wandte sich ab. »Deine Mutter?« forschte Franz weiter. »Ja!« sagte Bertel kurz und fing ein anderes Gespräch an. Aber die Lüge brannte wie Feuer auf seiner Seele, und er schalt sich selbst wegen seiner Feigheit, die ihm nicht erlaubte, dem Spotte der Mit