an alle, die mich bei meiner Arbeit unterstützt haben! An erster Stelle steht meine liebe Frau, die allein bereits durch die Zurverfügungstellung von „Zeit“ massgeblich geholfen hat. Aber auch ihre kritische Prüfung des Manuskripts war für mich wesentlich! Stefan Haar und Bernd Kutsche haben mit ihrer gewissenhaften Durchsicht der Arbeit viele Punkte benannt, die dann von mir überarbeitet wurden. An sachlichen Fehlern, die vielleicht doch noch unerkannt geblieben sind, trifft sie keinerlei Schuld! Dank auch an alle fachlichen online-blogs oder die staatlichen und privaten Datenbanken, die den Zugriff auf Tausende von Tabellen, Grafiken oder sonstige Veröffentlichungen ermöglicht haben … die kritische Würdigung der Quellen verbleibt natürlich beim Autor, aber die schiere Fülle von Anregungen und Hinweisen war für mich sehr, sehr inspirierend. Fehler, die sich dabei (hoffentlich begrenzt) in die Arbeit eingeschlichen haben, sind natürlich immer dem Unvermögen des Verfassers anzulasten… . Das Gleiche gilt für die Erwähnung von Quellennamen, die mit grösstmöglicher Sorgfalt erfolgte. Sollte ich in allen diesen Punkten doch irgendwo „geflust“ haben, tut es mir aufrichtig leid und ich bitte darum, mich zu korrigieren. Sie erreichen den Autor über info@meet-the-ocean.com. Danke im Voraus!
Das Buch ist sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernimmt der Autor, der Verlag und der Herausgeber in keinem Fall für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler irgendeine Haftung
Autor : Dr. Hans-J. Dammschneider (www.meet-the-ocean.com)
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© : 2015 Dr. Hans-J. Dammschneider
Herstellung und Verlag : BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt und meet-the-ocean, Oberaegeri
ISBN : 978-3-739-29812-2
Auflage : 2019-1
QR-Code website www.meet-the-ocean.com und www.meet-the-ocean.com/video.htm
Wie viele Reiseführer/-bücher braucht die Welt? So viele, wie es Fragen zu „warum dort gerade so und nicht anders“ (die Kernfrage der Geografie) gibt? Sicher ist, es hat schon ganze Reihe an Literatur zu ´fernen Ländern´: Vom Kontinent Australien bis zur Insel Zypern ist alles bereits unzählige Male beschrieben worden und jeder Urlauber kann sich über Land und Leute aller denkbaren Regionen auf vielfältigste Weise informieren.
Allerdings, das mag uns überraschen, gibt es doch noch Lücken auf dem Globus! Denn eine Region der Erde (und ausgerechnet auch noch jene, die mit Abstand die flächenmassig grösste ist) wurde bisher nur überaus stiefmütterlich behandelt. Es sind dies die Meere und Ozeane!
Dabei werden Seereisen (und um genau die geht es ab jetzt) von immer mehr Menschen als favorisierte Urlaubsform gewählt. Kreuzfahrten ´boomen´.
Ohne Zweifel, die Passagiere deutscher Reedereien gehen meist gut informiert an Bord und für nahezu alle wichtigen Häfen und Routen werden Informationsbroschüren bzw. Reiseführer angeboten, siehe oben.
Wenn man jedoch sein Schiff betritt und die Fahrt beginnt, steht man an der Reling … und schaut doch leider eher ´ahnungslos´ ins Wasser und auf die Weite des Ozeans. Oder besser: Man schaut über Bord, ohne bisher die Möglichkeit gehabt zu haben, etwas darüber zu erfahren, was eigentlich im Wasser passiert, was sich unten am Grund befindet, sprich, was für eine ´flüssige´ Landschaft das Meer eigentlich ist.
Dabei reden wir jetzt mal ausnahmsweise nicht von der Biologie. Denn Meer ist ja vor allem auch Wasser! Und zwar jede Menge davon. Das meint, dieses Buch beschäftigt sich (für einmal) nicht mit der Lebewelt der Ozeane, sondern mit der Physis, die das Meer besitzt. Eine Betrachtung und Erklärung des Meeres an sich, vor allem aber auch eine Veranschaulichung der vorhandenen bzw. ablaufenden physischen Vorgänge in diesem fluiden Medium: Wasser ist hoch beweglich, es strömt, sein ´Spiegel´ hebt und senkt sich, sowohl rhythmisch-periodisch (Gezeiten) als auch scheinbar unkontrolliert (Wellen und Dünung) usw. … man spricht von der Ozeanographie.
Wir Menschen können uns auf diesem mobilen Medium/auf den Gewässern nur eingeschränkt bewegen. D.h. wir benötigen für die Erforschung und Besichtigung der Meere ein schwimmendes Fahrzeug. Weil das so ist und wir nicht einfach mal zu Fuss überall hin kommen, wissen wir leider auch über die ´flüssigen´ Ozeane und tiefen Meere so unendlich viel weniger als beispielsweise über den ´trockenen´ Sand und die hohen Berge an Land! Wir Kreuzfahrer bewegen uns also in Regionen, über die auch aktuell noch viel geforscht werden muss.
Ganz viel von dem, was man über das Meer weiss, werden sie als Leser nachfolgend erfahren! Egal wohin es geht, für uns Seereisende liegen alle Vorteile auf der Hand: Wir haben auf unserem Schiff immer und jederzeit alles dabei, ohne dass wir uns mit irgendetwas abschleppen müssen. Kein tägliches Hantieren mit Koffern und Taschen ist notwendig. Keine vielleicht zeitraubende Suche nach einem Restaurant oder einer Bar in fremder Umgebung wird uns zugemutet. Unser Fitnesscenter, unsere Sauna und unser Pool reisen mit. Und auch wenn man morgens mal später ´aus den Federn´ kommt … unsere MS „NN“ hat uns in dieser Zeit bereits entspannt eine gehörige Strecke weiterbefördert.
Gleichzeitig ist ein Kreuzfahrtschiff fast immer so gross, dass man sich die ersten Tage an Bord vielleicht sogar schon mal verläuft?! Allerdings verliert sich wiederum selbst ein ´Riesen´-Schiff nahezu in der scheinbar grenzenlosen Weite der Ozeane. Wenn man einen treffenden Begriff mit dem >Blick über die Weite des Meeres< verbindet, dann ist es wohl das Wort unendlich. Wer mit einem Schiff z.B. über den Nordatlantik cruised, der trifft selbst in den dichter befahrenen Seegebieten nur vergleichsweise distanziert auf andere schwimmende Fahrzeuge. Und auf hoher See, abseits von Häfen und Metropolen, sichtet man oftmals sogar für Tage kein anderes Schiff. Entspannend, oder?!
Entspannung ist gut, gerade im Urlaub. Schön ist, dass geistiges ´Futter´ ebenfalls entspannend sein kann … und vor allem auch beruhigend wirkt! Denn nur wer Bescheid weiss, hat die Chance, seine (Reise-) Umwelt richtig zu beurteilen und zu geniessen. Zum Beispiel, ob die Gezeiten eines Ozeans gefährlich für ein Schiff sein könnten … was sie definitiv nicht sind! Oder ob ´Klimawandel´ zu einem weltweit steigenden Wasserspiegel führt … was theoretisch möglich ist, aber mit den Daten, die es gibt, für die mittelfristige Zukunft als eher unwahrscheinlich erscheinen muss (siehe dazu dann Kap. 5.1). Oder ob Meeresströmungen tatsächlich ein die ganze Erde umfassendes ´Förderband´ sein können, die nicht nur Wasser, sondern vor allem auch eine enorme Menge an Energie transportieren.
Kreuzfahrten erlauben bisher vor allem einen „Blick über´s Meer“, aber mit diesem Buch darüber hinaus auch in das dreidimensionale Innenleben der Ozeane. Der Autor hat sich der Bildungslücke ´Ozeane und Kreuzfahrten´ angenommen. Als Geograf und Wissenschaftler, der sich viele Jahre intensiv mit Meeren und Küsten befasst hat, besitzt er die Kenntnisse, die man auf einer Seereise gut gebrauchen kann. Was ihm aber auch wichtig ist: Er möchte vermitteln, dass Wissenschaft unabhängiges und kritisches Denken voraussetzt. Wissenschaft ist intuitiv, kaum wirklich planbar, immer voller Überraschungen und manchmal sogar chaotisch. In diesem Sinne möchte der Verfasser bei einigen Themen auch darauf hinweisen, dass Dogmen und vorgefasste Meinungen in der Wissenschaft keinen Platz haben dürfen, der Zeitgeist hier allerdings Manipulationen fast schon fördert. Dies gilt es aufzuzeigen und, wenn möglich, zu verhindern. Das betrifft nicht zuletzt die Ozeanographie und vor allem auch die Klimaforschung: „Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann das Recht, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen“ (Georg Orwell).
Da man auf keinen Fall gleich alle weltweiten Meere und Ozeane auf einmal abhandeln kann, wurden die wichtigsten und interessantesten Reiserouten jeweils zusammengefasst und dann getrennt in Angriff genommen. Der vorliegende Band 1 beschäftigt sich mit dem Nordmeer. D.h. der Autor begibt sich auf eine virtuelle Reise, die ihn zunächst mit seinem Kreuzfahrtschiff vom Starthafen Hamburg die Unterelbe hinab und über die Nordsee zum Nordatlantik führt. Die Weite des Meeresbodens wird quasi ´überfahren´, Island besucht und Grönland passiert. Weiter führt die Fahrt entlang Spitzbergen und dann in einem Bogen zur Norwegischen Küste … hin zu Fjorden und Schären (siehe Karte links).
Dabei erfährt der interessierte Seereisende u.a. sehr viel über die ´Tiden´ des Elbe-´Ästuar´s´. Der offene Ozean mit seinen ´internen´ Strömungen oder sogar untermeerischen Wasserfällen (!) wird anschliessend genauso angesprochen wie z.B. die Ursachen des Vulkanismus inmitten des Atlantiks oder die Eisdrift vor Grönlands Küste. Einen kritischen Blick richtet der Autor auf den angeblich neuen Klimawandel ... und noch viel mehr gilt es zu erkennen. Folgen sie dem Autor auf seiner Reise ´über´s Meer´ und seien Sie
„Willkommen an Bord!“
Bevor wir richtig loslegen bzw. wir mit unserem Kreuzfahrtschiff vom Kai des Hamburg Cruise-Center ablegen, betrachten wir die Fläche, auf der sich das Schiff bewegt, zunächst mal ganz formal und stellen fest: Fast 71% der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt!
Die Weltmeere und Wasserflächen sind die mit Abstand am weitesten verbreitete ´Oberflächenform´ des Globus und gleichzeitig eben jene, von der wir am wenigsten wissen ... denn das Gebiet ist zu 99,9% weit weg vom bewohnten Festland und damit für uns weitestgehend ausser Sicht.
So vieles geschieht dort draussen, d.h. unter und neben unserem Schiff im Meer. Das zu erkennen und zu erklären, dafür ist die Ozeanographie zuständig, eine Wissenschaft, die Vertrauen schafft: Wer auf dem Meer reist, der bekommt, mit ihr und durch sie, eine Ahnung davon, was der Ozean eigentlich ist und worauf sich sein Schiff bewegt. Denn das Meiste davon ist nicht mal eben so zu sehen: Verborgen im Wasserkörper „taucht es nicht auf“ (z.B. das Unterwasserrelief), „fliesst es kaum erkennbar an einem vorbei“ (Strömungen), „geht es scheinbar sinnlos rauf und runter“ (Wellen und Gezeiten), „verweht es mit dem Wind“ (Gischt), „löst es sich auf“ (z.B. Salze) oder „ändert seine Gestalt“ (z.B. bei Temperaturwechsel vom flüssigen Wasser zum festen Eis). Erst die wissenschaftlichen Untersuchungen der Geografen, Ozeanografen, Küsteningenieure und Hydrologen geben uns über Tiefenkarten, Fliessgeschwindigkeiten, Pegelaufzeichnungen (Gezeiten) oder beispielsweise Bodenentnahmen im wahrsten Sinne des Wortes Aufschluss.
Was das alles in jedem Fall besitzt, ist eine enorme innere Dynamik, nichts steht still, alles fliesst … ´panta rhei´!
Der Autor möchte versuchen, die Welt der Ozeane und deren aktive Prozesse mit (hoffentlich) verständlichen Worten und Abbildungen dem Reisenden näher zu bringen und sichtbar zu machen.
Es wird dem Leser dabei auf den folgenden Seiten dann aber auch so einiges zugemutet. Das meint: Es sind recht komplexe Vorgänge, die sich im Unterwasserraum abspielen und die zu beschreiben bzw. zu deuten sind. Und leider sind die meisten, wie gesagt, nicht sichtbar, sondern lassen sich nur indirekt erschliessen.
Von der Gesamt-Wassermenge der Erde befinden sich 97,5% in den Ozeanen! Nur 2,5% sind landgebundenes Süsswasser. Und davon wiederum sind in Form von Eis bereits 80% festgelegt. Nur bei einem vergleichsweise winzigen Anteil handelt es sich um Wasser, das in Form von Seen oder Bächen auf dem Festland ´fliessend´ verfügbar ist.
Dass 80% der Süsswasservorräte der Erde in Eismassen gespeichert sind, hätte übrigens im Falle eines totalen Abschmelzens allein der polaren Eiskappen (aber nicht des Eises, welches im Meer schwimmt) zur Folge, dass es zu einem Anstieg des Meeresspiegels von mehr als 60m käme. Dies ist jedoch an dieser Stelle eine rein theoretische Zahl und dient nur dazu, die Dimension des ozeanischen Wassers ergänzend zu charakterisieren.
Für einen Schiffsreisenden wäre dies, sarkastisch betrachtet, ohnehin egal … jedenfalls auf offener See, denn dort kann niemand die Höhe des tatsächlichen Meeresspiegels per Augenschein einschätzen. Erst mit Annäherung an Festland ist dies möglich. Was natürlich nicht heisst, dass man die Wassertiefe nicht auch auf hoher See messen kann (wir kommen darauf in Kapitel 6 zurück).
Die absolute Höhe des Meereswasserspiegels ist für einen Kreuzfahrtpassagier bei der Ein- bzw. Ausfahrt seines Schiffes aus einem Hafen erkennbar: Entweder, man kommt nicht in den Hafen hinein … dann ist offenbar zu wenig Wasser vorhanden/der Wasserspiegel liegt für dieses (!) Schiff relativ zu niedrig. Oder man sieht den Hafen vielleicht gar nicht … weil er im Meer ertrunken, d.h. quasi untergegangen ist?
Aber das sind hier kleine Spässe am Rande. Was der Verfasser meint, ist, dass aktuell der weltweite/globale Meereswasserspiegel für einen Seefahrer praktisch keine Rolle spielt. Erst mit dem Blick auf denkbare langfristige Veränderungen (z.B. dem Abschmelzen des Grönlandeises oder einer Temperaturzunahme des ozeanischen Wassers) wäre dieses Thema von Bedeutung. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg, so er denn überhaupt so dramatisch passiert, was ganz sicher nicht von allen Klima- oder Meereswissenschaftlern geteilt wird.
Wir können es nicht ganz vermeiden in diesem Buch auch die der Ozeanographie zugrundeliegende Chemie bzw. Physik des Meerwassers kurz anzusprechen. Schliesslich kann es nicht sein, dass wir mit dem Kreuzfahrtschiff ´auf etwas´ schwimmen und fahren, dessen Basis-Inhalte und -funktionen wir nicht wenigstens in Grundzügen beleuchtet haben.
Betrachten sie es doch bitte als Einstimmung, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und die paar naturwissenschaftlichen Zusammenhänge haben sie auch schnell verstanden, versprochen! Was jeder Kreuzfahrtpassagier z.B. schon weiss: Meerwasser ist ´anders´ als Süsswasser, das in Flüssen und Bächen an Land vorkommt! Eine der fundamentalen Fragen ist demnach, was ´das´ ist und was für Konsequenzen es hat.
Fangen wir damit an, dass
1 Meerwasser, weltweit betrachtet, einen durchschnittlichen Salzgehalt (die Salinität) von 3,5% besitzt. Die Prozentangabe bezieht sich auf den Massenanteil, den das Salz an einer bestimmten Menge von Wasser hat, also hier 3,5 Gramm auf 100 Gramm. Das ist in der Praxis eine ganze Menge … nehmen sie ruhig mal eine kleine Meerwasser-´Probe´ in den Mund (sie müssen es ja nicht hinunter schlucken). Zu Hause würde man sagen „Die Suppe ist versalzen“. Mit anderen Worten: Für uns Menschen ist das Meerwasser ungeniessbar bzw. ohne Süsswasser an Bord würden wir auf dem Meer verdursten.
Der Gesamtsalzgehalt schwankt je nach Ozean bzw. Region. Die Ostsee beispielsweise besitzt einen Salzgehalt von nur 0,3 bis 1,9%, die Nordsee hingegen den weltweiten Mittelwert, also 3,5%. Es sei erwähnt, dass einige Binnenmeere (ohne Abfluss) weit höhere Salzanteile im Wasser haben können, so z.B. das Tote Meer mit einem Salzgehalt von 28%. In diesen Meeren reichern sich die von den Flüssen eingetragenen Salze über die Zeit an. D.h. die Salze, die im Meer gelöst sind, wurden durch Regen oder Tauwasser aus den Böden und Sedimentgesteinen der Kontinente (meist über das Grundwasser) ausgewaschen und von den ´süssen´ Flüssen letztlich in die Ozeane gespült ... woran man wieder mal sieht, das auch ganz kleine Mengen (hier: das Salz im ´Süsswasser´ der Flüsse, siehe unten 1 am Ende und über die Zeit eine beachtliche Wirkung zeigen können.
In Meeresteilen bzw. Nebenmeeren, die zwar eine Verbindung zu benachbarten, grösseren Ozeanen haben, jedoch in einer eher ariden (= niederschlagsarmen) Zone liegen, kann es ebenfalls zu höheren Salzgehalten kommen … siehe Mittelmeer mit teils >3,8%.
Meere mit einem geringeren Salzgehalt, wie die Ostsee beispielsweise, haben einerseits meist nur einen kleinen Anschluss an die Ozeane, gehören also auch zu den Nebenmeeren. Dadurch weisen sie keinen ausgeprägten Wasseraustausch mit den Ozeanen auf. Und sie liegen darüber hinaus in humiden Regionen mit höheren Niederschlägen bei gleichzeitig (meist) geringerer Verdunstung ... in diesem Fall sind sie weniger salzig als die grossen Ozeane.
Interessant ist, dass der Salzgehalt zwar von Ozean zu Ozean etwas unterschiedlich sein kann (wegen der unterschiedlichen Süsswasser-Zuflussmengen bzw. der verschieden hohen Verdunstungsraten), die Verhältnisse der einzelnen Bestandteile des Salzes sich dabei aber nicht ändern. Ob also in der Ostsee oder dem Atlantik: Der Salzgehalt insgesamt ist zwar verschieden, die Zusammensetzung aus z.B. Na-(Natrium) oder Ka-(Kalium)Ionen ist jedoch jeweils in Relation zueinander gleich. Es ist dies das Prinzip der konstanten Proportionen, das hier gilt … unabhängig vom Gesamtsalzgehalt des jeweiligen Meeres 2.
2 Neben den Salzen sind im Meerwasser (ebenso wie in anderen Oberflächengewässern) Kohlendioxid (CO2), Sauerstoff (O2) und andere atmosphärische Gase gelöst. Die Speicherfähigkeit für das auch Treibhausgas genannte CO2 hängt unter anderem mit der Wassertemperatur zusammen und ist durchaus ein wichtiger Faktor für das Weltklima ... wenn vermutlich auch nicht unbedingt der wichtigste. Dem gegenüber ist Sauerstoff nun wirklich entscheidend: Gelöster Sauerstoff (O2) ist Grundlage für die Atmung der Wasserorganismen, so z. B. für Fische, die ihren Gasaustausch über Kiemen bewältigen.
3 Machen wir jetzt noch einen kleinen, ersten Sprung hin zu den Sedimenten und anderen Inhaltsstoffen. Schliesslich finden sich im Meerwasser organische Verbindungen aus natürlichen Quellen, aber leider auch aus Verschmutzungen. Ungefiltertes Meerwasser enthält suspendierte (= darin schwimmende) feine Teilchen, Mikroorganismen und Plankton. Und jedes Jahr gelangen beispielsweise über die grossen deutschen Flüsse i.M. rd. 41.000t Kiese und Sande in die Nordsee. Ganz klar, allein mit jedem Regenguss wird etwas an Bodenmaterial weggespült und landet früher oder später in einem kleinen Bachlauf. Von dort gelangt es in einen grösseren Fluss und von dort vielleicht in den Rhein, die Elbe, die Weser oder die Ems … jene vier abflussstärksten deutschen Flüsse, die in die Nordsee münden.
Da man ja weiss, wie gross die Einzugsgebiete von Rhein, Elbe, Weser und Ems sind (nämlich zusammen rd. 400.000km2), kann man dann auch überschlägig ausrechnen, wie viel ´Sediment´ allein schon über diese vier Flüsse aus der Fläche in die Nordsee transportiert wird und letztlich zu einer Aufhöhung des Meeresbodens führt. Das sind dann übrigens in 1000 Jahren rd. 6cm pro km2 Nordseeboden. Immerhin … .
Das ist erneut (wie schon beim Salz) die berühmte Macht der kleinen Zahlen! Man kann ja auch (hier im übertragenen Sinne) sagen „steter Tropfen höhlt den Stein“ und so muss es einen dann nicht verwundern, dass die Nordsee heute eine mittlere Sedimentmächtigkeit von vielen 100m hat (je nach Lage und Geodynamik).
Dies sind Werte, die einen Menschen immer wieder überraschen. Weil wir ´so klein´ sind! Was meint, dass wir als Menschen für solche Dimensionen weder Lebenserfahrung haben (können), noch dass wir uns solche Zahlen überhaupt vorzustellen in der Lage sind. Sie übersteigen real und im wahrsten Sinne des Wortes unseren Horizont. Wir werden das vielfach im Meer wiederfinden.
4 Neben den ´festen´ Grössen gibt es auch sogenannte flüchtige Faktoren im Meer. Dazu gehört beispielsweise, dass das Meerwasser riecht. Ja, das Wasser der Ozeane besitzt einen ganz eigenen Geruch. Die Frage ist, wonach? Im ersten Moment ist es vielleicht der ´Duft von Weite´, oder doch eher nach … . Eine Analyse zeigt, dass es primär die Atmungsprodukte von Meeresalgen sind. Sie liefern winzige Partikel an Schwefeltröpfchen, die in die Atmosphäre gelangen und dort letztlich sogar dazu beitragen, dass Wolken über dem Meer entstehen. Die ungewöhnlich grosse Zahl an Schönwetterwolken, vor allem über den Ozeanen des Südens, ist hierfür ein Zeichen.
Wir sind an dieser Stelle ja noch in der Einleitung zum eigentlichen Buch und sie, lieber Leser, mögen jetzt denken: Was brauche ich solches Wissen? Ich wollte doch nur etwas über die Ozeane und Meere erfahren!
Natürlich braucht man das nicht wirklich alles ´so´. Aber Sie sind ja auch nicht jedermann/-frau, sondern unternehmen eine Seereise und möchten genau darum eine kleine Ahnung bekommen, auf was sie sich da eingelassen haben. Der Verfasser hat es schon gelistet: Sie interessieren sich für die Fragen „WAS ist das Meer“, „WAS strömt dort“, „WAS bewegt sich“, „WAS liegt am Grund“ und ganz vieles anderes mehr … im Meer .
Und darin steckt (leider?) auch Physik. Darüber hinaus, wie wir schon bei der Zusammensetzung des Meerwassers gesehen haben, ist selbstverständlich auch die Chemie dabei. Sicher ist: In allen Fällen sind die Naturwissenschaften des Pudels Kern. Wir kommen also nicht ganz drum rum und werden daher noch weitere Beispiele kennen lernen, die in den Ozeanen von Wirkung sind.
5 Dazu gehören die Dichte des Meerwassers, die (abhängig vom Salzgehalt) zwischen 1020 und 1030kg·m-3 beträgt, oder der Gefrierpunkt des Meerwassers, der bei einem Salzgehalt von 3,5% bei -1,90C liegt.
Wasser verhält sich anders als die meisten Stoffe. Während in fast allen auf der Erde bekannten Substanzen sich Atome und Moleküle nämlich umso dichter zusammenfügen, je kälter es wird, hat Wasser seine grösste Dichte bereits bei 40C ... und da ist es noch flüssig! In der festen Phase, im Eiskristall, liegen die Wassermole erstaunlicherweise dann wieder weiter auseinander. Man spricht deshalb auch von einer Anomalie des Wassers.
Die Ursache für diese Anomalie sind die besonderen Eigenschaften des Wassermoleküls (H2O). Sein Sauerstoffatom (O) und die beiden Wasserstoffatome (H) sind asymmetrisch angeordnet. Das Wassermolekül wird damit zum Dipol, zu einem Molekül mit einem negativ und einem positiv geladenen Ende. Je nach Temperatur ordnen sich diese Dipole nach ihren Ladungen zu Aggregaten zusammen, beispielsweise zu einem Eiskristall.
Der Dipolcharakter des Wassers ist ein ganz entscheidender Faktor: Da die Wasserdipole wie kleine Magnete zusammenhalten, reagiert Wasser relativ träge auf Erwärmung oder Abkühlung. Tatsächlich besitzt Wasser die höchste Wärmekapazität unter den flüssigen und festen Stoffen (einzige Ausnahme: Ammoniak). Das bedeutet, dass Wasser grosse Mengen Wärme aufnehmen kann, bevor es verdampft. Damit sind die Ozeane sozusagen Energiespeicher und können eventuelle klimabedingte atmosphärische Temperaturänderungen deutlich abpuffern. Wir sehen diese Besonderheit in Kapitel 7.
Wir kommen jetzt nochmals auf eine bereits angesprochene Eigenschaft des Wassers zurück, nämlich, dass es Salze löst. Der Salzgehalt des Meeres beträgt durchschnittlich 3,5%, was sich aber auch lokal verändern kann. Diese Änderungen schlagen sich in den Eigenschaften des Wassers nieder. So verschiebt sich das Dichtemaximum von plus 40C beim Süsswasser auf minus 3,80C bei Salzwasser. Dieser Wert liegt sogar unter dem Gefrierpunkt von Meerwasser, der -1,90C beträgt.
Anders als im Süsswasser nimmt die Dichte des Salzwassers also zu, wenn es unter +40C abkühlt. So bildet sich dichtes Wasser, bis schliesslich die Eisbildung einsetzt. Diese Dichteeigenart ist der Motor für eines der wichtigsten Elemente des Klimasystems, die Konvektion: Abgekühltes dichtes und damit schweres Salzwasser sinkt in die Tiefe ab. An der Meeresoberfläche strömt relativ warmes Wasser nach. Wir werden das vor allem in Kapitel 8 ganz plastisch sehen.
6 Was noch wichtig ist: Der pH-Wert des Meeres. Er ist leicht basisch und besitzt einen Wert zwischen 7,5 und 8,4 (<7 = sauer/>7 = basisch). Durch die zunehmende Konzentration an Kohlendioxid in der Atmosphäre ist es nicht auszuschliessen, dass über die nächsten Jahrzehnte der pH-Wert langsam abnimmt … wir sprechen dann von der ´Versauerung der Meere´. Darauf kommen wir in Kapitel 5.
Der Verfasser hat diese, zugegeben im ersten Moment unanschaulichen, Prozent- bzw. Gewichtsangaben aufgeführt, weil sie unverzichtbare Bestandteile und Kerninhalte des Wassers und damit der Meere sind! Die vorgenannten ´technischen Daten´ sollen schlicht und einfach nur andeuten, dass das Meer und die Ozeane hochkomplexe Räume sind, in denen sich fast unbemerkt von der Öffentlichkeit Dinge abspielen, die für die Welt insgesamt sehr, sehr wichtig sind. Das ganze Leben der Erde auf dem Festland ist ohne die Vorgänge im Meer nicht vorstellbar. Und deshalb sollte man ein ganz wenig von der „Physik der Ozeane“ gehört haben. Die Werte und ihre regionale Verteilung bestimmen letztendlich entschieden mit, ob und wie es insgesamt im Meer rundläuft … oder vielleicht auch mal nicht?
Die Beispiele, derer es noch unendlich viele weitere gäbe, sollen Sie, liebe Leser aber bitte nicht einschüchtern … sondern, wie zu Beginn schon gesagt, einstimmen. Sie müssen sich diese Details, von denen es sogar noch viele mehr gibt, ja auch nicht alle merken. Wichtig ist dem Autor, dass der Leser die aus der Physik und Chemie resultierenden geodynamischen Vorgänge in Meeren und Ozeanen versucht nachzuvollziehen, z.B. Strömungen (wg. der Faktoren Dichte, Gefälle, Wind usw.) oder Wasserspiegelveränderungen (wg. Gezeiten, Volumen, Klima etc.). Und zu diesen Zusammenhängen kommen wir dann mit anschaulichen Beispielen in den Kapiteln 3 bis 9 … siehe „Golfstrom“ und vieles anderes mehr. Unsere virtuelle Seereise wird ihnen nun ab der nächsten Seite viel davon zeigen, so weit wie möglich auch bildhaft.
Sie werden auf dieser Kreuzfahrt etwas lernen. Selbst wenn sie von vielen Vorgängen und Naturprozessen schon gehört haben sollten, manches trat bisher vielleicht doch noch nicht in ihr Bewusstsein. Dass jedoch ein Kreuzfahrtschiff nicht nur dazu da ist, mit ihnen an Bord Häfen und Länder anzusteuern, das werden sie am Ende der Reise und der Lektüre dieses Buches ganz gewiss verinnerlicht haben. Und darauf kommt es dem Verfasser an … .
1 Auch Süsswasser hat einen Salzgehalt. Zwar sind es nur 0,1%, aber das sind immerhin auch rd. 0,8 Gramm/l. Der mittlere Abfluss der Ober-Elbe beispielsweise beträgt 720m3/s. Daraus folgt, dass ca. 570kg Salz pro Sekunde allein in diesem Süsswasserfluss transportiert werden!
2 Das Salz ist im Meerwasser dissoziiert (= auf mehrere Bestandteile verteilt) und in positiv und negativ geladene Ionen gespalten. Letztere werden erst beim Eindampfen des Wassers zu eigentlichen „Salzen“, die sich entsprechend ihrer Löslichkeit bilden. Der Hauptanteil der Anionen (negative Ionen) sind die Chloride, gefolgt vom den Sulfaten. Bei den Kationen (positive Ionen) überwiegt das Natrium-Ion, weshalb die Hauptmenge der auskristallisierten (eingedampften) Meeressalze aus Natriumchlorid (das ist unser „Kochsalz“) besteht. Magnesium-, Calcium- und Kalium-Ionen sind mit geringeren Anteilen vertreten. In Spuren sind noch weitere Ionen enthalten, davon ist das Spurenelement Jod erwähnenswert, weil infolgedessen in früheren Zeiten in Küstennähe weniger Menschen an Jodmangel („Kropf“) litten als im Inland. Auch ein Grund das Meer zu lieben … .
Unsere Reise beginnt in Hamburg am Kreuzfahrtterminal der Hafen-City (Cruise Center Hafen-City, siehe Abb. 6). Betrachtet man die An- bzw. Ablegestelle unseres Schiffes zunächst nur hydrologisch-formal, so befindet sie sich bei Elbestrom-Kilometer 621. Eine Info, die wenig anschaulich ist ... . Menschlich-reisetechnisch gesehen ist das zum Glück aber ziemlich inmitten des Hafens und gleichzeitig sehr nahe zum Stadtzentrum. Eine prima Ausgangslage!
Während von hier die Hamburger Innenstadt (Rathausmarkt) fussläufig in rd. 20 Minuten (1,5km) erreichbar ist, sind es mit dem Schiff bis Cuxhaven bzw. zur Elbmündung doch mehr als 100 Kilometer. Es sind dies viele Kilometer eines Wasserweges, der zunächst entlang einer Grund- bzw. Endmoränenlandschaft (steiles Geest-Ufer zwischen Hamburg-Altona und Wedel) und dann im weiteren Verlauf durch das flache sogenannte Marschenland führt. D.h., die Geografie ist insgesamt geprägt durch die letzte Eiszeit und die heutige Unterelbe damit quasi das Gestaltungs-Resultat der ehemals gewaltigen Schmelzwasserströme, die mit dem Abtauen des mächtigen Inlandeises bis vor rd. 10tsd. Jahren gen Nordsee flossen.
Fraglos, wenn auch in diesem Buch nicht im Vordergrund stehend, ist das Gebiet entlang der Unterelbe kulturlandschaftlich sehr interessant. Schliesslich werden wir mit unserem Kreuzfahrtschiff so bekannte Orte wie Hamburg-Nienstedten (z.B. mit der Elbchaussee oder dem berühmten Hotel Jacob) passieren, dann im weiteren Verlauf Hamburg-Blankenese (wunderschön mit vielen alten Häusern im Steilhang sowie natürlich dem bekannten Süllberg), Schulau (Schiffsbegrüssungsanlage), Glückstadt (die alte dänischstämmige „Matjesstadt“) oder Brunsbüttel (Beginn bzw. Einfahrt zu den Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals) 3 .
Auf der gesamten Strecke, soweit sie nicht zu Beginn der Reise von der steilen Geestkante flankiert wird, findet sich hinter der Deichlinie das bereits erwähnte Marschenland. Teils ist es unter NN/unter dem Meeresspiegel gelegen und bei Sturmfluten vor Überschwemmungen nicht 100%ig sicher. Jedenfalls in früheren Zeiten … . Gerade wegen der episodischen Überflutungen in der Vergangenheit und dem damit verbundenen Eintrag ´frischer´, nährstoffreicher Sedimente, kann dieses Land heute landwirtschaftlich intensiv genutzt werden und ist ertragreich: Direkt stromab der Hamburger Landesgrenze liegt beispielsweise auf der linken (südlichen) Seite des Flusses (natürlich ebenfalls per Deich vom Strom der Unterelbe abgetrennt) das „Alte Land“, Europas grösstes und bekannteste Obstanbaugebiet.
Und rechtsseitig, flussabwärts von Schulau, dann die Haseldorfer Marsch, ebenso ein landwirtschaftlich intensiv bewirtschaftetes Gebiet. Hierbei spielt übrigens auch das sogenannte Mikroklima der tiefliegenden Marschen eine grosse Rolle und dabei vor allem der Temperatur-„Puffer“ der in die Elbe entwässernden Gräben 4 .
Diese Marschgebiete wurden sämtlichst dem Elbe-Strom abgerungen, d.h. vor dem Bau der Deiche waren die Marschen mehr oder weniger regelmässig bei Hochwasser bzw. Sturmtiden überflutet. Spätestens mit Errichtung der jetzigen Deichlinien allerdings sind die Marschlande nicht mehr wirklich ein Gefahrengebiet … wobei man vielleicht niemals nie sagen sollte, denn wer weiss schon, wie hoch eine zukünftige Sturmflut wirklich werden kann?!
Was uns Kreuzfahrer nun aber auch interessiert und wofür dies Buch ja da sein soll, ist die Aufdeckung von Vorgängen und Prozessen, die innerhalb des Wasserkörpers der Elbe ablaufen bzw. die ´da unten´ und bereits gleich zu Beginn der Kreuzfahrt (noch im Hafen) stattfinden. In einer Welt „ausser Sicht“ … .
Diese dem Passagier zum allergrössten Teil unbekannte terra incognita, die da unter dem Rumpf des Schiffes liegt und deren Wasser-´Füllung´ man als erstes beim boarding des Kreuzfahrtschiffes auch am Rumpf plätschernd hört, ist, das sei vorweg gesagt, nicht bunt. Farben, vor allem in der trüben Strömung eines Tideflusses wie der Elbe, gibt es in dieser Unterwasserwelt, in die nahezu kein Licht dringt, eher nicht bzw. wir können sie nicht wahrnehmen. Denn der auf natürliche Weise sehr hohe Gehalt an feinsten Schweb-Stoffen bildet im Wasser eines Tideflusses im wahrsten Sinne des Wortes eine undurchdringliche Wolke.
Der Schwebstoff, der in einem Tidefluss jederzeit und praktisch überall präsent ist, erscheint uns im ersten Moment leider auch mehr als ´Dreck´, dem wir intuitiv misstrauen. Wir vermuten fast sofort, diese ´schmutzige Brühe´ müsse wohl irgendwelche Schadstoffe enthalten … und möchten da weder hinein fassen, geschweige denn hinein springen.
Dass der Schwebstoff der Unterelbe allerdings gefährlich sein könnte, ist nicht mehr der Fall. Dies bedeutet keineswegs, dass wir das Elbwasser unbedenklich trinken oder spontan zu einem Badespass im Hafenbecken starten sollten. Die Zeiten jedoch, in denen das Elbwasser durchaus in Teilen als giftig gelten konnte, sind vorbei.
Nicht ungewöhnlich und ebenso wenig bedenklich ist, dass das Wasser im Hamburger Hafen ganz speziell riecht. Denn die im Wasser vorhandenen Teilchen bestehen neben anorganischen Mineralstoffen ´natürlich´ auch aus organischen Resten, die es in jedem Fluss gibt und die hier zusätzlich mit geringen Anteilen von winzigen eingeschleppten tierischen und pflanzlichen Meeres-/Nordseepartikeln versetzt sind. Und diese leisten eben einen sehr speziellen Beitrag zur Gesamtgemenge- und damit auch Geruchslage.
Trotzdem und tatsächlich haben wir den bereits benannten Respekt vor diesem trüben Wasser. Sei´s drum, wir wollen sie da nicht mit Gewalt belehren. Dieser Schweb besteht aber wirklich und primär nur aus ungefährlichen Tonpartikeln und sogenannten Schluffen! Die Teilchen sind also überwiegend anorganisch und letztlich nichts weiter als zu ´Staub´ zerriebene Gesteinsreste und in´s Wasser gespülte Bodenbestandteile. Material, das eine Korngrösse von unter 0,063mm Durchmesser besitzt und somit feiner als Feinsand ist (wie die Geomorphologen das Material bezeichnen). Es ist damit so leicht, dass es geradezu schwebt. Mit ihrer Substanz bildet die Gesamtheit der Teilchen dann im turbulenten Wasser die an der Wasseroberfläche gut sichtbar dahinziehenden dunkel-braunen bis -grauen Wolken ... sie werden das im Verlauf der Reise von Bord aus sehen!
Bestandteile dieser Trübungswolken sind, wie schon angedeutet, natürlich auch organische Flocken. Meist handelt es sich um Bruchstücke abgestorbener Pflanzenreste oder Überbleibsel von Kleinstlebewesen. Unter einem Mikroskop kann man mittels einer Wasserprobe diese Vermengung unterschiedlichster Partikel gut erkennen. Wenn man zum Beispiel im Watt (auch in der Unterelbe gibt es Wattflächen!) den dort abgesetzten „Schlick“ in die Hand nimmt, dann sieht man genau das, was im Wasser der Elbe die Trübung hervorruft. Beziehungsweise umgekehrt: Man sieht im Watt den Schlick, der überwiegend aus genau jenem Schweb besteht, der sich hier in grosser Menge abgesetzt hat, d.h. sedimentiert wurde.
Was auch immer da in der Unterelbe letztendlich quasi schwebend treiben mag: Selbst mit technischen Hilfsmitteln können Menschen in diesem trüben Wasser nichts sehen! Der Einsatz von Tauchern, sollte er denn für bestimmte Zwecke nötig werden (z.B. aufgrund der schnellen Kontrolle eines Schiffsrumpfes o.ä.), ist daher nur sehr eingeschränkt möglich und sinnvoll. Denn Taucher können sich hier nur mit den Händen voran tasten. Die Optik ist in einem Tidefluss praktisch blind und selbst stärkste Handlampen bringen nur so wenig Licht in´s dunkle Treiben der Schwebstoffwolke, dass vielleicht gerade mal (auf wenige Zentimeter Distanz) Oberflächen diffus erkennbar werden. Der Verfasser weiss, wovon er spricht … er hat es bei wissenschaftlichen Messprogrammen zu seinem Leidwesen immer wieder und selbst feststellen müssen.
Wobei übrigens zu erwähnen ist, dass für menschliche Unterwasserarbeiten in einem Tidefluss ohnehin und generell nur ganz kurze Zeitfenster zur Verfügung stehen. Es sind dies nur rd. 25 Minuten um den „Kenterpunkt“ der Strömung herum. Das ist der Zeitpunkt im Tideverlauf, an dem die (Tide-)Strömung von Ebbe auf Flut bzw. von Flut auf Ebbe dreht, d.h. die vorübergehende Fliessrichtung wechselt und die Strömungsgeschwindigkeit in dieser Phase relativ kurz einmal auf (fast) Null fällt. Das ist nur maximal 4x am Tag der Fall! Nur dann kann beispielsweise ein Taucher sich kurzzeitig überhaupt in einem Tidestrom halten, da ansonsten im Ebb- oder Flutstrom das Wasser viel zu schnell fliesst und jeden frei schwimmenden Körper mit sich nimmt oder (zumindest) so ´aus der Richtung´ dreht, dass an Arbeit ganz gewiss nicht zu denken ist. Und die ´fliessende´ Schwebstoffwolke ist sogar noch undurchdringlicher als die ´stehende´ beim sogenannten Stauwasser bei Kenterpunkt ... .
Aber wir eilen den Dingen voraus. Denn erstens benötigen wir als Kreuzfahrer jetzt und hier ohnehin keinen Taucher und zum zweiten wollen wir zunächst überhaupt erst einmal vom Kai des Kreuzfahrtterminals ablegen und uns ´auf die Reise´ begeben.
Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt … . Beim ´Gang an Bord´ nutzen wir eine besondere Treppe, die (ähnlich denen auf Flughäfen) eine „Gangway“ ist. Mit Gangway meint man eine kleine Brücke, die von Land zum Schiff führt und die sowohl landseitig, ebenso wie am Schiff, beweglich angesetzt ist. Wozu diese Flexibilität gut ist? Nun, wir werden auf das dahinter stehende Phänomen noch sehr viel genauer eingehen. Hier nur so viel: Der Wasserspiegel im Hamburger Hafen ist niemals gleichbleibend! Im Gegenteil „steigt“ und „fällt“ das Schiff mit der ´Tide´, ein Begriff, von dem die meisten über Ebbe und Flut sicher schon gehört haben. Und damit man jederzeit, egal wie hoch oder tief das Schiff über die Kaimauer ragt, sicher an Bord kommen kann, gibt es eine bewegliche, sich mit dem auf und ab des Schiffes jeweils an die aktuelle Höhe anpassende Fussgängerbrücke. Eben die Gangway.
Dieser erste Schritt auf einem weiten Weg durch die noch folgenden Gewässerabschnitte, Ozeane und Meere ist bereits lehrreich, denn er beginnt darüber hinaus auch gleich mit zwei Fragen, die geradezu typisch sind für einen Hafen, der von einem Fluss durchströmt wird, welcher den ´Gezeiten´ (Tiden) mit wechselnden Strömungs- und Wasserstandsbedingungen unterliegt:
Uns Passagieren zeigen die Fragen beispielhaft, dass wir im Unterschied zu einem Binnenfluss/Binnenhafen mit Dingen konfrontiert werden, die so ganz anders sind … und sich auch anders auswirken können.
Frage 1 und 2 belegen regionaltypisch, dass die Ausrichtung des Schiffes bei einem zum Meer hin ´offenen´ Tidehafen, wie jenem von Hamburg, meist keine willkürliche Entscheidung des Kapitäns ist. Vielmehr spielt dabei die Strömungsrichtung, die während des vorhergehenden Anlegemanövers herrschte, eine Rolle: Am einfachsten nämlich legt ein Schiff ´gegen den Strom´ an! Und je nachdem, welche Strömungsrichtung bei der Ankunft des Kreuzfahrtschiffes herrschte, haben wir jetzt zum Start unserer Reise entweder noch ein Drehmanöver vor uns … oder können unmittelbar und ´ohne Umstände´ in Richtung Nordsee ablegen.
Sollte tatsächlich ein Drehmanöver notwendig werden, müssen eventuell sogar Schlepper assistieren. Aber das ist eine Entscheidung des Kapitäns bzw. (auch) eine Frage der aktuell vorherrschenden Windrichtung und -stärke. Schlepperhilfe anzunehmen ist jedenfalls nicht ehrenrührig, sondern eine willkommene Unterstützung, die dann auch mal nautische Manöver erlaubt, die das Kreuzfahrtschiff aus eigener Kraft nur begrenzt selbst ausführen kann. Sogar das Anlegen mit dem laufenden Strom/der jeweils herrschenden Strömungsrichtung ist dann übrigens möglich ... 5 .
Wie auch immer, ob nun ihr Schiff schon ´richtig herum´ liegt oder noch drehen muss: Die Reise geht los und die weitere Deutung dessen, was sich hier am Beispiel der Richtung des Ablegens bereits so ungewöhnlich anhört, erfahren Sie ausführlich auf den folgenden Seiten!
Jetzt geniessen wir erst einmal den Blick auf die vorbeiziehende Kulisse der Hafencity, der Elbphilharmonie und dann gleich darauf der sogenannten Landungsbrücken. Wetten, dass Sie mindestens einen Menschen auf den schwimmenden Anlegern der „St.Pauli Landungsbrücken“ sehen werden, der ihnen zuwinkt?! In Hamburg wird KEIN Kreuzfahrtschiff entlassen ohne dass jemand von Land mit grossen Armbewegungen ´gute Reise´ wünscht!
Die Barkassen und Fährschiffe wimmeln zeitweise in recht dichter Formation um unser Schiff herum und auf der linken Seite haben wir zudem einen spannenden Einblick in ein Schwimmdock … in dem hoffentlich auch heute ein Schiff trocken-aufgeschwommen liegt und uns seinen mit „antifouling“-Farbe (meist rot) gestrichenen Rumpf anschaulich werden lässt (Lage siehe Abb. 8).
In Fahrtrichtung rechts haben wir dann nahezu gleichzeitig (quasi am Ende der Landungsbrücken) das markante Gebäude des nördlichen Elbtunnelportals. Es ist dies der alte Elbtunnel, der im Jahr 1911 eröffnet wurde und es bis heute ermöglicht, trockenen Fusses vom Nordufer der Elbe zur Insel Steinwerder zu kommen 6 . Richtig gelesen: Das, was wir zur linken bei den Schwimmdocks sehen, ist keineswegs das linke Elbufer, sondern nur eine der vielen ursprünglichen Inseln im sogenannten Hamburger Stromspaltungsgebiet.
Immer wieder sehen wir im Verlauf der ersten Kilometer Anleger für Hafenfähren oder Schlepper. Diese Anleger sind fast alle schwimmend konstruiert. Natürlich gibt es landseitig auch Kaimauern, an denen (meist grössere) Schiffe liegen. Aber die kleineren Fahrzeuge gehen zum ´Festmachen´, wenn irgend möglich und bevorzugt an diese schwimmenden Pontons. Warum? Nun, wir hatten es schon mit den beiden vorstehenden Fragen eingeläutet, es ist dies quasi der Kern des Hamburger Hafens! Die Hamburger Hafenelbe ist nämlich, im Unterschied beispielsweise zum Londoner Dockhafen (Themse) oder auch dem Hafen von Bremen (Weser), ein offen zugängliches Revier. D.h., es gibt im Verlauf der Unterelbe keine Absperrung von Ebbe und Flut gegen die Nordsee. Kein Schiff muss auf seinem Weg von See nach Hamburg (zeitraubend) eine Schleuse passieren. Der Preis dafür ist, dass zwar die Schiffe hindernisfrei nach Hamburg gelangen können … aber auch die Gezeiten! Ebbe und Flut, steigendes und fallendes ´Wasser´, ihre Richtung täglich mehrfach wechselnde Tideströmungen usw. sind das Merkmal eines Tidehafens, wie ihn Hamburg besitzt. Und dass das Thema sogar einen Seereisenden berührt, haben wir in gewisser Weise schon beim Thema ´Gangway´ erfahren … .
Wir sehen die oben beschriebenen schwimmenden Pontons entlang der gesamten Strecke, z.B. bei den Fähranlegern von Neumühlen, Teufelsbrück, Finkenwerder, Blankenese (siehe Abb. 10), Wittenbergen oder Schulau. Je nachdem wann wir (bezogen auf Ebbe und Flut) an diesen Pontons vorbeifahren, zeigen die Landanbindungen dieser ´Brücken´ mehr oder weniger steil uferaufwärts. Haben wir zufällig gerade einen tieferen Wasserstand, dann müssen die Fussgänger von Land kommend ´abwärts´ gehen, haben wir einen sehr hohen Wasserstand, kann es zum Ponton hin auch mal ein wenig ´nach oben´ gehen.