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Magda Trott
 
KAMPF
UM
DIE
LIEBE

 

1

Es war ein prachtvoller Oktobertag. Die Sonne sandte ihre glitzernden Strahlen durch die hohen Bogenfenster des stattlichen Gebäudes und spiegelte sich in den Silberschalen auf dem Frühstückstische wider. Es sah aus, als huschten die Strahlen neckend über den reichgedeckten Tisch, hin zu den leeren Stühlen. Sie schienen zu fragen, weshalb um die zehnte Morgenstunde hier alles noch unbenutzt stand, obgleich die Kirchenglocken schon vor einer halben Stunde zum Gottesdienst gerufen hatten.

Im Hause des Ministers von Arbu aber benutzte man die sonntägliche Ruhe zu einem längeren Schlaf. Zwar hielten es weder Frau noch Tochter für notwendig, dem Vater, der täglich nach dem Ministerium fuhr, am Frühstückstische Gesellschaft zu leisten – sie pflegten auch an den Wochentagen den Morgenschlummer beträchtlich auszudehnen – am Sonntag aber war die Ruhezeit immerhin für sie etwas beschränkter, weil Alexander von Arbu wünschte, daß man wenigstens an diesem einen Tage das Frühstück gemeinsam einnahm.

Da er selbst erst gegen zehn Uhr am Kaffeetische erschien, brauchte man sich nicht zu sehr beeilen. Jetzt aber wanderte der Zeiger der großen Standuhr ziemlich energisch nach oben, und so dauerte es nur noch kurze Zeit, bis sich die Tür öffnete und eine junge Dame in eleganter Morgentoilette ins Zimmer trat. Auf dem hübschen Gesicht lag ein unzufriedener, gelangweilter Ausdruck; die großen braunen Augen schienen des Schlafes noch nicht genug zu haben, die Haltung zeigte Unlust und Trägheit.

Dagmar von Arbu, die zwanzigjährige Tochter des Ministers, warf sich in einen der geschnitzten Stühle, drehte an den zahlreichen Brillantringen, die die Finger schmückten, betrachtete aufmerksam die rosigen Fingernägel und ließ hin und wieder ein Gähnen hören.

Endlich erschien auch der Minister mit seiner Gattin. Beide waren hochgewachsene, elegante Erscheinungen. Man sah Frau Heloise heute noch an, daß sie einstmals geradezu eine blendende Schönheit gewesen sein mußte. Minister von Arbu wirkte auf den ersten Blick als Aristokrat; er war sorgfältig gekleidet, seine stattliche Figur geradezu imponierend. Auch auf seinem Gesicht sah man jenen unzufriedenen Ausdruck, der der Tochter eigen war. In seinen Bewegungen machte sich jedoch eine nervöse Unruhe bemerkbar, die er aber gewaltsam zu unterdrücken versuchte.

Man schellte nach dem Frühstück und begann das Morgenmahl einzunehmen. Auf der Stirn des Ministers zeigte sich eine tiefe Falte. Er wandte sich an das servierende Mädchen.

»Ist mein Sohn noch nicht fertig?«

»Heribert ist gestern sehr spät heimgekommen«, antwortete Dagmar an Stelle der Gefragten. »Er hat noch nicht ausgeschlafen.«

Der Minister warf einen Blick nach der hohen Standuhr und schwieg. Er wußte ja, daß sein Sohn ein äußerst lebenslustiger Student war, der allerdings in der Universität selten zu sehen war, den man aber auf allen Festlichkeiten fand, und der es mit seinem Verkehr nicht zu genau nahm. Er wußte auch, daß alle Ermahnungen dem Sohne gegenüber nichts fruchteten, da dieser stets einen starken Rückhalt an der Mutter hatte, die dem einzigen Sohne alles nachsah.

Wie immer, war auch heute die Stimmung ziemlich frostig. Im Hause des Ministers gab es nun einmal keine fröhliche Unterhaltung. Frau Heloise schaute von Zeit zu Zeit fragend auf den Gatten, der ihr heute besonders zerstreut erschien.

In sichtlicher Gereiztheit wandte sich der Minister plötzlich wieder dem Mädchen zu.

»Gehen Sie hinauf zu meinem Sohne, und sagen Sie ihm, ich erwarte ihn am Frühstückstische.«

Marie stellte die silberne Kanne auf den Kredenztisch und entfernte sich.

»Ich wünsche in Zukunft dringend«, fuhr der Minister, zu seiner Gattin gewandt, energisch fort, »das sich Heribert streng nach der Hausordnung richtet. Um zehn Uhr kann er ausgeschlafen haben.«

»Du scheinst nicht gut geruht zu haben, Alexander«, gab die Gattin ein wenig spitz zurück, »daß dich eine kleine Verspätung deines Sohnes so in Harnisch bringt.«

»Ich muß dir wiederholen, Heloise, daß ich seinetwegen mit größter Sorge in die Zukunft sehe. Heribert ist nun bereits im vierten Semester Student, die Hörsäle ihm aber noch fremd. Ich verlange, daß das von nun an anders wird.«

»Heribert ist jung, ein fröhlicher Student, er will das Leben doch erst ein wenig genießen.«

»Es ist nicht richtig von dir, seine Trägheit derart zu entschuldigen.«

»Mein Lieber«, sagte die schöne Frau lächelnd, »du hast mir selbst erzählt, daß du in deiner Jugend auch ein flotter Bruder Studio warst. Heute bist du Minister. Auch in Heribert steckt viel; er wird seinen Weg schon machen. Im übrigen aber bin ich im höchsten Maße erstaunt, daß du gerade heute, am Sonntag, uns eine so unschöne Laune zeigst.«

Nervös zerbröckelte der Minister ein Brötchen zwischen den schlanken Fingern.

»Hat dir die Post vielleicht eine unangenehme Nachricht gebracht? Ich habe dir schon mehrfach geraten, die Briefschaften erst nach dem Frühstück zu lesen. Der Ärger kommt noch früh genug.«

»Du erinnerst mich tatsächlich an einen Brief, den ich mit der Morgenpost erhalten habe.« Er schwieg und wandte den Kopf zur Seite.

Frau Heloise lächelte fein. Da hatte sie also wieder das Rechte getroffen. Sie kannte den Gatten viel zu genau, um nicht zu wissen, daß ihn heute morgen etwas besonders Unangenehmes bedrückte.

»Ich nehme an, daß dieser Brief uns allen von Interesse ist«, sagte sie ruhig, »willst du ihn uns nicht vorlesen?«

Er griff in die Brusttasche und zog ein Schreiben hervor, das infolge seines eleganten Papieres die Aufmerksamkeit Dagmars in erhöhtem Maße erregte.

»Aha – eine Dame!« rief lachend das junge Mädchen. »Was für ein Parfüm?«

Frau Heloise winkte mit den Augen der Tochter ab. Sie ließ keinen Blick von dem Gesicht des Gatten, den, wie sie sah, das Schreiben sehr verstimmte.

»Soll ich es lesen?« Sie streckte die beringte Hand nach dem Briefe aus.

»Nein«, sagte er, und wieder ließ das nervöse Zittern seine Finger erbeben.

Beide Frauen waren auf das höchste gespannt. Diese Stille schien ihnen fast unerträglich zu werden. Der Minister suchte sichtlich nach einleitenden Worten. Seine Gattin kam ihm zu Hilfe.

»Ist das Schreiben von Verwandten?«

»Von Susanne Prinzen.«

Wieder war es still in dem eleganten Raum. Aber plötzlich erklang ein spöttisches Lachen von den Lippen Dagmars.

»Die ›Blechprinzessin‹ schreibt!«

Die Miene der Frau Heloise zeigte deutliche Abwehr; ihre Augen lagen mit spitzem Ausdruck auf dem eleganten Schreiben, das der Minister noch immer in den Händen hielt.

»Was will die Person?« fragte sie endlich.

»Sie fragt an, ob sie uns als Besuch angenehm ist.«

Klirrend setzte die Ministersgattin die Tasse nieder.

»Das ist ein wenig stark, Alexander. – Sie fragt an, ob sie uns besuchen darf? – Susanne Prinzen will in unser Haus, ins Haus des Ministers von Arbu? – Ja, was bildet sich dieses Mädchen eigentlich ein?«

»Die Blechprinzessin will eine gute Partie machen«, rief Dagmar. Dabei warf sie sich in den Stuhl zurück und schüttelte sich lachend.

»Wer gibt ihr das Recht, sich in unsere Familie einzudrängen?«

»Als unsere Verwandte«, erwiderte der Minister streng, »darf sie eine solche Anfrage an uns richten.«

Steif wie ein Stock reckte sich Frau Heloise empor. »Ich bitte dich, Alexander, diese Verwandtschaft nicht zu stark zu betonen. Deine Schwester dürfte ein für alle Male aus der Familie von Arbu gestrichen worden sein. Wenn man als eine von Arbu einen Blechzeugfabrikanten heiratet, den guten alten Adel fortwirft und einen Mann aus dem Volke wählt, hat man jeden Anspruch darauf verloren, zur Verwandtschaft des Ministers von Arbu gezählt zu werden. Im übrigen muß ich mich als geborene Baronesse von Nolken sehr energisch dagegen verwahren, mit einem Fräulein Susanne Prinzen an einem Tisch zu sitzen.«

»Das junge Mädchen steht völlig allein in der Welt. Vor kurzem ist ihr der Vater gestorben. Sie fragt in diesem Briefe an, ob sie für einige Zeit bei uns Aufnahme finden kann.«

»Sie soll in ihren Kreisen bleiben. Sie hat ja wohl irgendwo einen Blechgeschirr-Handel. In mein Haus kommt sie nicht«, rief die Ministersgattin sichtlich erregt.

Wieder bröckelte der Minister ein Brötchen auseinander. Er sah seine Gattin nicht an, als er nervös erwiderte:

»Es handelt sich hier um den letzten Wunsch meiner verstorbenen Schwester. Für mich besteht somit die moralische Verpflichtung, diesen Wunsch zu erfüllen.«

»Du hast deine verstorbene Schwester schon seit Jahren aus deinem Gedächtnis gestrichen, Alexander. Aber freilich, ich kann es jener Tochter nachfühlen, sie möchte Eintritt in die beste Gesellschaft bekommen. – Hahaha, es ist zum Lachen!«

»Mir darfst du unter keinen Umständen zumuten, Papa, mit dieser Blechprinzessin unter einem Dache zu leben. Ein Mädchen mit solchen Manieren, ein Fräulein aus dem Volke, das von morgens bis abends im Blechladen steht. – Brr, ich danke sehr!«

»Deine Stellung kann sie dir untergraben, Alexander.«

»Soll ich den Wunsch meiner toten Schwester unerfüllt lassen?«

»Was kümmert uns die verstorbene Frau Prinzen?«

»Sie war meine Schwester!«

»Lieber Alexander, sie selbst hat das Tischtuch zwischen euch zerschnitten. In dem Augenblick, da sich Mathilde entschloß, den Mann mit dem Blechhandel zu heiraten, in diesem Augenblicke mußte sie sich sagen, daß sie für dich erledigt war.«

»Wenn du ehrlich sein willst, Heloise, so mußt du zugeben, daß meine Schwester Mathilde später niemals meine Bahnen zu kreuzen versuchte.«

»Weil sie genau wußte, daß wir sie nie empfangen hätten. Nun schickt sie uns die Tochter ins Haus. – Das ist geradezu skandalös! Ich wünsche dringend, Alexander, daß du dieser dreisten Person eine gebührende Antwort gibst.«

»In diesem Falle wirst du dich meinen Wünschen fügen müssen, Heloise. Ich werde an Susanne Prinzen schreiben, daß ich dem Wunsche ihrer verstorbenen Mutter Rechnung trage. Ich selbst werde sie einladen, unser Gast zu sein.«

»So werde ich die kommende Wintersaison nicht hier verbringen. Dann führe, bitte, statt meiner die Blechprinzessin auf Bälle und Gesellschaften.«

»Du wirst dich freundlich zu deiner Base stellen, Dagmar, das verlange ich!«

»Ich begreife dich nicht mehr, Alexander. Ein solches Mädchen in unser Haus zu bringen! Alle Bekannten werden sich langsam von uns zurückziehen. Bedenke doch unserm Verkehr! Niemals haben wir deine verstorbene Schwester erwähnt, die solch eine Partie machte. Nun taucht gänzlich unvermittelt ihre Tochter auf, ein Mädchen, das sicher keine gesellschaftlichen Manieren hat, das vielleicht nicht einmal weiß, wie es sich im Hause benehmen soll.«

»Weder dir noch mir ist Susanne Prinzen bekannt. Nach dem Schreiben zu urteilen, bin ich überzeugt, daß die Eltern der Tochter eine vorzügliche Erziehung zukommen ließen.«

»Italienisch hat sie gelernt!« rief lachend Dagmar. »Sie muß doch die Kundschaft bedienen und sich mit italienischen Topfstrickern verständigen können. Hat sie nicht einen Engros-Vertrieb für Mausefallen? – Vielleicht kann sie auch Geige spielen! Das braucht man, wenn man Blechzeug verkauft.«

»Ich bitte dich, derartige höhnische Reden zu unterlassen, Dagmar«, herrschte der Vater sie an. »Susanne ist sehr zu bedauern, daß sie mit zweiundzwanzig Jahren elternlos in der Welt steht. Es ist also erledigt, sie kommt in unser Haus.«

»Willst du mir nicht wenigstens den Brief einmal zeigen, Alexander?«

Zögernd reichte er der Gattin das Schreiben. Frau Heloise überflog es, dann stieß sie zischend hervor:

»Das ist eine Impertinenz! Hat man je solch einen Brief gelesen! Wie klingt dieses Schreiben überhaupt! – Ist dir denn schon klar geworden, Alexander, daß dieses Mädchen jeden Respekt außer acht läßt?«

»Ich habe nichts zwischen den Zeilen gelesen, ich habe dem Schreiben einzig den Wunsch entnommen …«

Frau Heloise ließ den Gatten nicht aussprechen. Sie wandte sich der Tochter zu und las mit vibrierender Stimme das Schreiben vor.

»Lieber Onkel Alexander! Beim Ordnen des Nachlasses meines geliebten Vaters, der mir, wie Du weißt, vor vier Monaten entrissen wurde, finde ich ein von ihm an mich gerichtetes Schreiben, in dem er mich bittet, mich mit Dir in Verbindung zu setzen und bei Dir anzufragen, ob Du mich für einige Monate in Dein Haus aufnehmen willst. Dir wird dieses Anliegen etwas eigenartig erscheinen, denn ich bin Dir und Deinen Angehörigen eine Fremde. Da es aber der letzte Wunsch meines Vaters war, der mir diesen Besuch bei Euch dringend ans Herz legt, so habe ich mich entschlossen, Dir diese Bitte zu unterbreiten, zumal mir mein toter Vater mitteilte, daß meine Mutter immer den Wunsch geäußert habe, ich möchte einige Zeit bei Euch verleben, da dies zu meinem Besten sei. Mein Vormund, Herr Wilhelmy, hat mir ebenfalls mitgeteilt, daß meine geliebte, tote Mutter immer wieder den brennenden Wunsch geäußert habe, ich möchte einige Wochen bei Euch verleben. Die Gründe würde ich später einmal erfahren. Ich selbst habe mich ehrlich über diese Wünsche meiner Eltern gewundert, halte es aber für meine Pflicht, sie nach Möglichkeit zu erfüllen, und so wende ich mich an Dich. Sollte es Dir freilich widerstreben, die Tochter Deiner Schwester in Dein Haus aufzunehmen, so lehne meine Bitte ab, und es bleibt alles, wie es bisher gewesen ist. Ich werde Euch weiterhin nicht wieder belästigen, da ich weiß, daß Ihr meine Mutter aus Eurem Gedächtnis gestrichen habt.«

Frau Heloise schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, daß die feinen Tassen klirrten.

»Dieses Schreiben ist eine fein durchdachte Lüge. Sie will ins Haus des Ministers Arbu, die Blechprinzessin will sich feiern und bewundern lassen, will die gute Gesellschaft kennenlernen.«

»Ich finde den Brief geradezu unverschämt. – Was kümmert uns der Wunsch des Blechfabrikanten?«

Der Minister schleuderte die Frühstücksserviette auf den Tisch und erhob sich.

»Ich werde Susanne Prinzen schon für die nächste Zeit einladen. Bitte, richtet euch danach!«

Heloise winkte der Tochter verstohlen zu. Sie nahm sich vor, nachher mit dem Gatten nochmals unter vier Augen über diese Angelegenheit zu sprechen. Er würde sich gewiß überzeugen lassen, daß dieser Besuch geradezu undenkbar sei. Jetzt war es nicht ratsam, noch länger zu widersprechen, denn zwischen seinen Brauen zeigte sich bereits jene finstere Falte, die nichts Gutes verhieß. Frau Heloise wußte viel zu genau, daß ihr Gatte, wenn er einmal gereizt wurde, sich zu temperamentvollen Äußerungen hinreißen ließ. Niemals aber wollte sie dem Dienstpersonal ein solches Schauspiel geben.

So ließ man schweigend geschehen, daß der Minister sich in sein Zimmer zurückzog. Nachdem er jedoch die Tür hinter sich geschlossen hatte, brach die Empörung um so sprudelnder von Dagmars Lippen.

»Ich würde mich zu Tode schämen, Mama, sollte ich diese Person öffentlich als meine Base anerkennen.«

»Beruhige dich, Dagmar! Sie kommt nicht in unser Haus. Ich werde das zu verhindern wissen.«

»Wenn es aber wirklich dahin käme, Mama, würde ich alles aufbieten, ihr das Leben in unserem Hause zu erschweren. Dann wird sie hoffentlich selbst einsehen, daß sie nicht in unsere Kreise gehört.«

Die Augen des jungen Mädchens hatten sich mit Tränen des Zornes gefüllt; unmutig stampfte der kleine Fuß den Boden.

In diesem Augenblick wurde die Tür geöffnet, ein junger Mann betrat das Zimmer. Man sah ihm an, daß er seine Toilette hastig beendet hatte. Das Gesicht mit den schlaffen Zügen war blaß und übernächtigt; tiefe, dunkle Ringe lagen um die ausdruckslosen Augen.

»Morgen!«

Er schlenderte auf einen Stuhl zu, griff selbst nach der silbernen Kaffeekanne und stürzte den Inhalt der gefüllten Tasse hastig hinunter.

»Wenn dich die Blechprinzessin in diesem Zustande sieht, Bruderherz, verliebt sie sich sicherlich nicht in dich!«

»Ach …«

»Du scheinst noch zu schlafen, Heribert. Hast du nicht gehört, was ich sagte? – Die Blechprinzessin hat sich bei uns angesagt, und Papa nimmt sie auf.«

Es dauerte geraume Zeit, ehe der verschlafene Student begriff, um was es sich handelte. Aber nun war plötzlich alles Schlaffe aus seinem Gesicht fortgewischt.

»Das ist doch ’ne Jemeinheit! Was will denn das Mädel hier?«

»Eine gute Partie machen.«

»Hahaha – das Ladenfräulein! War’s nicht so, Mama? Hat sie nicht irgendwo ’nen Blechladen?«

»Einen Laden gerade nicht«, erwiderte die Ministersgattin. »Aber schließlich kommt es auf eins heraus. Der Prinzen fabrizierte Emailletöpfe, und die Tochter wird ihm dabei geholfen haben.«

»Will das Mädel vielleicht Jagd auf mich machen?«

»Vielleicht auf den Baron Menkwitz. Von der Blechprinzessin zur Baronin! Ein köstlicher Spaß! – Diese aufgeputzte Vogelscheuche mit Blumenhut und weißen, baumwollenen Handschuhen.«

»Und einem roten Flanellunterrock«, lachte der Student.

»Heribert, besinne dich, du bist nicht in der Studentenkneipe.«

»Verzeih, Mama …«

»Warum hat denn eigentlich Papas Schwester diesen Mann geheiratet?« fragte Dagmar.

»Gott – ich habe mich niemals darum gekümmert. Mathilde von Arbu hat von jeher den Zug nach unten gehabt. Auf einer Reise hat sie diesen Blechfabrikanten kennengelernt. Es ging mit der Heirat dann sehr schnell.«

»Aha!« näselte der Student.

»Euer Vater war damals sehr verstört. Er hat sich niemals näher über diese Mesalliance ausgelassen. Du, Heribert, warst damals bereits zwei Jahre alt. Ich weiß nur, daß es deinem Vater sehr nahe ging. So habe ich ihn nicht weiter mit Fragen darüber belästigt.«

»Er hätte seiner Schwester diese Heirat verbieten müssen. Es ist doch geradezu eine Schande für unsere Familie.«

»Was hat er denn eigentlich fabriziert, dieser Herr Prinzen?«

»Auch darum habe ich mich nicht gekümmert. Er soll irgendwo eine unbedeutende Fabrik für Blech- und Emaillewaren gehabt haben. Aber er hat wohl gut verstanden, Geld zu verdienen; man sagte, daß dieser Prinzen in besten Verhältnissen lebte.«

»Ganz bestimmt, Mama«, näselte Heribert, »er hat manchmal von sich reden gemacht. Einer meiner Korpsbrüder stammt aus der dortigen Gegend. Er hat oft genug erzählt, daß der Prinzen für Stiftungen große Summen gegeben hat. Ich habe mich natürlich gehütet, auch nur anzudeuten, daß der Kerl mit uns verwandt ist.«

»Am Ende hat die Blechprinzessin Vermögen«, warf Dagmar dazwischen, »und nun glaubt sie mit ihrem Golde einen Aristokraten fangen zu können.«

»Hahaha – die Tochter vom Blechprinzen! Ich will sie schon ausreichend lächerlich machen.«

»Sie kommt gar nicht erst in mein Haus«, unterbrach Frau von Arbu das Gespräch. »Ich werde nochmals zu eurem Vater gehen und ihm vorstellen, daß dieser Besuch ein Ding der Unmöglichkeit ist.«

»Wenn er aber dickköpfig ist?«

»Mein Sohn, du scheinst wirklich noch nicht ausgeschlafen zu haben.«

»Nee, Mama, hab’ ich auch noch nicht!«

»Papa ist sehr ungehalten über dein Betragen, und auch ich möchte dich bitten, seine Geduld auf keine zu harte Probe zu stellen, mein Sohn!«

»Lieber Gott, der Papa braucht sich über meinen Lebenswandel doch nicht aufzuregen; auch er hat das Studentenleben ausgekostet.«

Frau Heloise ließ nur einen Seufzer hören. Gegen den Sohn war sie machtlos. Dagegen nahm jetzt Dagmar das Wort.

»Mama hat wirklich recht, Heribert. Was soll Major von Rotkirch von dir denken, wenn er nachher zum Tennis kommt?«

»Dein verrücktes Tennis! Wie soll ich denn heute mitmachen! Beißt er denn immer noch nicht an.«

»Er scheint es nicht zu wagen.«

»Na freilich, er hat ja nischt. Major a.D. ohne Vermögen! Du hättest deine schönen Augen auch auf einen Besseren werfen können, Dagmar. Reiche Knöppe gibt es doch genug.«

»Zieh dich an deiner eigenen Nase, Heribert. Man erzählt von dir ganz andere Dinge.«

»Ich will ja auch die schöne Lindenwirtin nicht heiraten.«

»Was für Gespräche sind das nun wieder!« entrüstete sich Frau von Arbu. »In meinem Elternhause wäre derartiges undenkbar gewesen. Meine Mutter, die Baronin Nolken, hätte eine solche Unterhaltung niemals geduldet.«

»Na, sei nur friedlich, Mamachen! Wenn die Blechprinzessin erst hier ist, reden wir noch von ganz anderen Dingen. Sollst mal hören, wie dann die Unterhaltung hin und her fliegt: vor ’n Sechser Kitt vor ’n Emaillepott! Jibt’s ooch bei Sie Badewannen? Na, dann legen Se sich selbst mal rin!«

Frau von Arbu erhob sich, warf einen geradezu vernichtenden Blick auf den Sprecher und verließ das Zimmer.

»Du bist frech, Heribert!«

»Meinst du, daß ich mich mit der Blechprinzessin vielleicht über ihre Ahnen unterhalten kann? Nu, sag mal im Ernst, wann erklärt sich denn dein Schafskopp?«