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Berlin, 10. März 2020

Edition Graugans, Berlin

Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand GmbH, Nordertedt

ISBN: 9783751961240

GG Wissenschaft ist ein Imprint der Edition Graugans, Berlin

Inhaltsverzeichnis

Himmlisches Jerusalem
unter dem Nationalsozialismus

Man denkt zunächst, dass das Himmlische Jerusalem und der Nationalsozialismus kaum gegensätzlicher sein könnten: hier eine harmonische Utopie von Frieden und Barmherzigkeit, dort eine menschenverachtende Dystopie von Selbstherrlichkeit und Größenwahn; hier ein Ort aller Völker und Rassen, dort ein Reich eines Herrenvolkes über eine versklavte Welt.

Doch das ist nur der erste Eindruck. Bei genauerer Betrachtung wird man feststellen müssen, dass auch in der Größe, dem Absolutheitsanspruch und der Trennung zwischen angeblich "guten" und den "bösen" Menschen Ansätze liegen, die sich im Nationalsozialismus pervertieren und missbrauchen ließen und Werke entstehen ließen, die Wehrhaftigkeit, germanische Wurzeln oder Mittelalterromantik betonten, am ehesten sicherlich in der Druckgrafik.

Das geht zurück bis an die Schwelle des 19. Jahrhunderts. Wenige wissen heute, mit was der rassistische und nationalistische Film "Birth of a Nation" endet: mit dem Erscheinen des Neuen Jerusalem, in dem dann ausschließlich weiße arische Krieger herrschen.

In der Architektur lassen sich leichter nationalsozialistische Einflüsse zeigen als in der Malerei und der Glaskunst, die die Mehrheit der Darstellungen des Neuen Jerusalems ausmachen. Doch wollen wir zunächst einen Blick werfen auf das schwierige Verhältnis von Kunst und Kirche ab 1933. Bedauerlicherweise gibt es heute eine starke Tendenz in der Wissenschaft (und Pseudowissenschaft), die christliche Kirche in Opposition zum Nationalsozialismus darzustellen. Das hat seinen Hauptgrund in zwei Ursachen: zum einen forschen christliche Wissenschaftler über die Vergangenheit ihrer Kirche bzw. Gemeinde und unterliegen oftmals der Tendenz, positive, sprich anti-nationalsozialistische Merkmale, die es durchaus gab, bevorzugt wahrzunehmen, kurz: die Geschichte der eigenen Glaubensrichtung tendenziell zu legitimieren. Der zweite Grund ist jedoch folgenschwerer: seit 1945 werden unermüdlich Forschungsprojekte, Stipendien, sogar Lehrstühle von Seiten der Kirchen mitfinanziert, die dem Postulat der Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre widersprechen. Meist im vorauseilenden Gehorsam produzieren dann junge Wissenschaftler unkritisch Legenden oder liefern am Fließband Biographien von angeblich oder tatsächlich Widerstandsleistenden. Die Werke haben dann Überschriften wie "Die Ökumene und der Widerstand gegen Diktaturen, Nationalsozialismus und Kommunismus", "Der Widerstand von Kirchen und Christen gegen den Nationalsozialismus" oder "Verfolgung, Widerstand und Zeugnis: Kirche im Nationalsozialismus" – hier nehmen bereits die Titel das Ergebnis vorweg.

Besonders problematisch wird es, wenn noch direkte Nachkommen des Künstlers oder der Künstlerin am Leben sind. Die Parteizugehörigkeit des Vaters bzw. der Mutter wird dann als Belanglosigkeit hinweggetan, indem die Rechtfertigung umgedreht wird ("Weshalb erwähnen Sie dies extra? Im Dritten Reich war doch so gut wie jeder in der Partei.") oder der Fronteinsatz als pazifistische Tat umgebogen wird ("Ja, er mag ein Gewehr getragen haben, doch in seinem Herzen ist er immer Pazifist geblieben"). Gräbt man in Deutschland im 21. Jahrhundert zum Nationalsozialismus tiefer, sieht man sich schnell vor Gericht gestellt – das wurde zuletzt einer größeren Öffentlichkeit bekannt, als um