Naturgeschichte einer Kerze.

Sechs Vorlesungen für die Jugend.

von Michael Faraday,


aus dem Englischen übertragen

von Lüdicke.

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Mit 35 Holzschnitten.

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Berlin,

Verlag von Robert Oppenheim,

1871.


Digitale Neufassung des altdeutschen Originals

von Gerik Chirlek

Reihe:  Alte Reihe / Band 11

   

Technische Anmerkungen

Die vorliegende digitale Neufassung des altdeutschen Originals erfolgte im Hinblick auf eine möglichst komfortable Verwendbarkeit auf eBook Readern. Dabei wurde versucht, den Schreibstil des Verfassers möglichst unverändert zu übernehmen, um den Sprachgebrauch der damaligen Zeit zu erhalten. 


Erste Vorlesung.

Die Naturgeschichte einer Kerze wählte ich schon bei einer früheren Gelegenheit zum Thema meines Vortrags, und stände die Wahl nur in meinem Belieben, so möchte ich dieses Thema wohl jedes Jahr zum Ausgang meiner Vorlesungen nehmen, so viel Interessantes, so mannigfache Wege zur Naturbetrachtung im Allgemeinen bietet dasselbe dar. Alle im Universum wirkenden Gesetze treten darin zu Tage oder kommen dabei wenigstens in Betracht und schwerlich möchte sich ein bequemeres Tor zum Eingang in das Studium der Natur finden lassen.

Vorweg möchte ich mir die Bitte an meine Zuhörer erlauben, bei aller Bedeutung unsres Gegenstandes und allem Ernst der wissenschaftlichen Behandlung desselben doch von den Älteren unter uns absehen zu dürfen und das Vorrecht zu beanspruchen, als junger Mann zu jungen Leuten zu sprechen, wie ich es früher bei ähnlicher Veranlassung getan; und wenn ich mir auch bewusst bin, dass meine hier gesprochenen Worte in weitere Kreise hinausdringen, so soll mich dies doch nicht abhalten, den früher gewohnten Familienton gegen die mir Nächststehenden auch in den gegenwärtigen Vorlesungen anzuschlagen.

Zuerst muss ich Euch, meine lieben Knaben und Mädchen, wohl erzählen, woraus Kerzen verfertigt werden. Da lernen wir denn ganz sonderbare Dinge kennen. Hier habe ich etwas Holz, Baumzweige, deren leichte Brennbarkeit Euch ja bekannt ist – und hier seht Ihr ein Stückchen von einem sehr merkwürdigen Stoffe, der in einigen Moor-Sümpfen Irlands gefunden wird, sogenanntes „Kerzenholz“; es ist dies ein vorzüglich hartes, festes Holz, als Nutzholz vortrefflich verwendbar, da es sich sehr dauerhaft zeigt, bei alledem aber so leicht brennend, dass man an seinen Fundorten Späne und Fackeln daraus schneidet, die wie Kerzen brennen und wirklich ausgezeichnetes Licht geben, sodass wir hierin die natürlichste Kerze, eigentlich eine Naturkerze vor uns sehen.

Wir haben hier indes besonders von Kerzen zu sprechen, wie sie im Handel vorkommen. Hier sind zunächst etliche sogenannte gezogene Lichte. Dieselben werden auf folgende Weise verfertigt: Baumwollfäden werden mit einer Schlinge an einem Stab aufgehängt, in geschmolzenen Talg eingetaucht, herausgezogen und abgekühlt, dann wieder eingetaucht und dies Verfahren so lange fortgesetzt, bis die Kerze die gewünschte Dicke erhalten hat. Die große Verschiedenartigkeit könnt Ihr recht deutlich an den Kerzen sehen, die ich hier in der Hand halte; diese sind auffällig dünn, sie wurden ehedem von den Bergleuten in den Kohlenbergwerken gebraucht. In früheren Zeiten musste sich der Bergmann seine Kerzen selbst verfertigen; aus Sparsamkeit nun, besonders aber wohl, weil man der Meinung war, die Grubengase würden von einer kleinen Flamme nicht so rasch entzündet wie von einer großen, machte man die Kerzen so dünn, dass 20, 30, 40, ja 60 auf das Pfund gingen. Statt ihrer kamen die Davy’sche und verschiedene andere Sicherheitslampen in Gebrauch. – Hier seht Ihr dagegen eine Kerze, welche Oberst Pasley aus dem untergegangenen Schiff Royal-George entnommen hat. Viele Jahre lang auf dem Meeresgrund der Einwirkung des Seewassers ausgesetzt, überdies beschunden und zerknickt, zeigt sie uns, wie gut sich eine Kerze konservieren kann; denn angezündet brennt sie, wie Ihr hier seht, ganz gleichmäßig fort, und der schmelzende Talg bewährt sich völlig in seinen ursprünglichen Eigenschaften.

Herr Field in Lambeth hat mir viele sehr gute Zeichnungen und Materialien aus der Kerzenfabrikation zugestellt, mit denen ich Euch bekannt machen werde. Hier zunächst ist Nierenfett, Rindertalg, ich glaube Russischer Talg, aus dem die gezogenen Lichte gemacht werden. Dieser Talg wird nach einem von Gay-Lussac herrührenden Verfahren in die schöne Substanz verwandelt, die Ihr danebenliegen seht. Ihr wisst, dass unsre jetzigen Kerzen nicht so beschmutzend abfetten, wie diese Talglichter, sondern ganz sauber sind, und dass man herabgefallene Tropfen abkratzen und pulverisieren kann, ohne zu beschmutzen. Das Verfahren ist folgendes: Der Talg wird zuerst mit ungelöschtem Kalk gekocht, wodurch eine Seife gebildet wird; diese Seife wird dann durch Schwefelsäure zersetzt, welche den Kalk fortnimmt und das Fett als Stearinsäure zurücklässt, während sich zugleich Glycerin, eine ölig-zuckerartige Flüssigkeit, ausscheidet; durch Auspressen wird sodann alles Flüssige entfernt, und Ihr seht hier einige Presskuchen, an denen sich zeigt, dass die Unreinigkeiten je nach der Stärke des Druckes schon mehr oder weniger mit herausgeschwemmt werden; die zurückgebliebene Masse wird nun geschmolzen und zu Kerzen gegossen, wie sie hier vor uns liegen. Die ich hier in der Hand habe, ist eine auf dem beschriebenen Wege hergestellte Stearin-Kerze. Daneben habe ich eine Wallrath-Kerze, aus dem gereinigten Fett des Pottfisches verfertigt; ferner seht Ihr hier gelbes und weißes Wachs, woraus Kerzen gemacht werden; ferner hier eine merkwürdige Substanz, das aus irischen Sümpfen gewonnene Paraffin, so wie einige Paraffinkerzen, und endlich hier noch eine Substanz, die neuerdings aus Japan bei uns eingeführt wird, das sogenannte Japanische Wachs, worin wir ein neues Material für die Kerzenfabrikation gewonnen haben.

Wie werden nun diese Kerzen verfertigt? Vorhin habe ich Euch von gezogenen Lichten erzählt und will Euch nun auch sagen, wie die gegossenen gemacht werden. Nehmen wir an, irgendeine dieser Kerzen bestehe aus einem Material, das gegossen werden kann. „Gegossen“, sagt Ihr. „Nun, eine Kerze ist doch ein Ding, das schmilzt, und was sich schmelzen lässt, das lässt sich doch wohl auch gießen.“ Bewahre! Es ist gar merkwürdig wie sich im Verlauf der praktischen Arbeit Hindernisse in den Weg stellen, die man vorher durchaus nicht erwartete. Es kann nicht jede Art Kerzen gegossen werden. So ist z. B. das Wachs eine Substanz, die sehr gut brennt und in einem Lichte zwar leicht schmilzt, aber doch nicht gegossen werden kann; ich werde nachher die Fabrikation der Wachskerzen kurz angeben, jetzt aber zunächst bei den Materialien verweilen, die sich gießen lassen.

Hier ist ein Rahmen mit einigen Gießformen, in die zunächst der Docht eingefügt wird. Hier habe ich einen geflochtenen Docht, der nicht geputzt zu werden braucht, an einem kleinen Draht hängen; er reicht bis unten hinab, wo er angepflöckt wird, sodass das Pflöckchen ihn zugleich straff hält und die untere Öffnung völlig schließt, damit nichts Flüssiges hindurch kann. Oben hat die Form einen Quersteg, der den Docht richtig in der Mitte gespannt hält. Nun werden die Formen mit der geschmolzenen Talgmasse vollgegossen. Nach dem Erkalten der Formen wird der oben überstehende Talg glatt abgeputzt und die Enden des Dochtes abgeschnitten, sodass nun bloß die Kerzen in den Formen bleiben, und um sie heraus zu bekommen, braucht man diese nur umzudrehen, wie ich's hier tue. Die Formen sind nämlich kegelförmig, d. h. oben enger als unten, und da die Kerzen beim Erkalten noch dazu ein wenig einschrumpfen, fallen sie schon bei geringem Schütteln heraus.

Ganz ebenso werden auch die Stearin- und Paraffin-Kerzen gemacht.

Eigentümlich ist die Fabrikation der Wachskerzen. Baumwollene Dochte werden, wie Ihr es hier seht, an einen Rahmen aufgehängt und ihre Enden mit Metallstiften belegt, damit sie von Wachs frei bleiben. Wie Ihr seht, kann das Gestell gedreht werden, und letzteres geschieht während ein Arbeiter das geschmolzene Wachs an einem Docht nach dem anderen hinabgießt; die so gebildete erste Schicht um den Docht herum wird nach dem Erstarren mit einer zweiten überzogen und so lange auf diese Weise fortgefahren, bis die Kerzen die gewünschte Dicke erlangt haben; alsdann werden sie abgenommen und auf einer polierten Steinplatte glatt gerollt, die Enden beschnitten und abgeputzt. Die Arbeiter erlangen dabei eine solche Fertigkeit, dass genau 4 oder 6 Kerzen, oder wie viel beliebig verlangt werden; auf das Pfund gehen.

Ich will beiläufig auch einen Luxus erwähnen, der in der Kerzenfabrikation getrieben wird, teils in Farben, teils in Formen. Seht, wie wunderschön diese Kerzen hier gefärbt sind! Malvenblau, Magenta und alle die neu erfundenen prächtigen Farben sind hier zur Verschönerung verwendet. In dieser Kerze hier zeigt sich in wundervoller Form eine gekehlte Säule, und hier habe ich mit bunten Blumen schön bemalte Kerzen, die angezündet oben eine strahlende Sonne und darunter einen blühenden Garten darstellen. Indes, nicht alles Schöne ist, auch nützlich, und diese gekehlten Kerzen z. B. sind bei ihrem schönen Ansehen doch schlechte Kerzen, und zwar gerade infolge ihrer äußern Form; durch dergleichen Verfeinerungen wird meistens die Brauchbarkeit beeinträchtigt; indes wollte ich Euch der Vollständigkeit halber doch zeigen, was auch in dieser Hinsicht geleistet wird.

Ich wende mich nunmehr zu unsrem eigentlichen Thema; zunächst zur Flamme der Kerze. Wir wollen eine oder zwei anzünden und so in Ausübung ihrer eigentümlichen Funktionen setzen. Ihr bemerkt, wie ganz verschieden eine Kerze von einer Lampe ist. Bei einer Lampe hat man den mit Öl gefüllten Behälter, worin der aus Moos oder Baumwolle zubereitete Docht gebracht wird; das Dochtende zündet man an; und wenn die Flamme bis zum Öl hinabgekommen, verlöscht sie dort, brennt aber in dem höher gelegenen Teil des Dochtes fort. Nun werdet Ihr unzweifelhaft fragen, wie es kommt, dass das an und für sich nicht brennende Öl zur Spitze des Dochtes gelangt, wo es brennt; wir werden das gleich untersuchen. Viel merkwürdiger aber geht es bei dem Brennen einer Kerze zu. Hier haben wir eine feste Masse, die keinen Behälter braucht – wie kann denn diese Masse da hinaufgelangen, wo die Flamme brennt, da sie doch nicht flüssig ist? Oder, wenn sie zur Flüssigkeit verwandelt wird, wie kann sie dabei doch in festem Zusammenhalt bleiben? Wahrlich ein merkwürdiges Ding, so eine Kerze!

Wir haben hier starken Luftzug, der uns bei manchen Experimenten förderlich ist, bei anderen aber schädlich sein kann. Um darin eine Regelmäßigkeit zu erlangen und die Sache zu vereinfachen, werde ich eine ganz ruhige Flamme herstellen; denn wie kann man einen Gegenstand untersuchen, wenn Schwierigkeiten in den Weg treten, die gar nicht zu demselben gehören? Hier können wir von den Hökerweibern lernen, die des Abends auf offenem Markt feilhalten. Sie setzen das Licht in einen Zylinder, der von einer Art Galerie getragen wird, welche ihn umklammert und nach Bedürfnis höher oder niedriger gestellt werden kann. Mittelst dieses Zylinders erhält man eine beständige Flamme, die man genau besehen und sorgsam studieren kann, wie Ihr es hoffentlich zu Haufe tun werdet.

Da bemerken wir denn zunächst, wie die oberste Schicht der Kerze gleich unter der Flamme sich einsenkt zu einer hübschen Schale; die zur Kerze gelangende Luft nämlich steigt infolge der Strömung, welche die Flammenhitze bewirkt; nach oben und kühlt dadurch den Mantel der Kerze ab; also, dass der Rand des Schälchens kühler bleibt und weniger einschmilzt als die Mitte, während auf diese die Flamme am meisten einwirkt, da sie so weit als möglich am Docht herabzulaufen strebt. So lange die Luft von allen Seiten gleichmäßig zuströmt, bleibt unser Schälchen vollkommen waagrecht, sodass die darin schwimmende geschmolzene Kerzenmasse ebenfalls waagrecht darin stehen bleiben muss; stelle ich aber einen seitlichen Luftstrom her, so wird alsbald das Schälchen schief und läuft die flüssige Masse an der Seite herab – jenes wie dieses nach demselben Gesetz der Schwere, welches die Welten treibt und zusammenhält. Aus dieser ersten Beobachtung können wir uns schon einen wichtigen Schluss ziehen: nur solche Stoffe können zu Kerzen verwendet werden, welche die Eigenschaft besitzen; beim Brennen ein solches Schälchen zu bilden. Ausgenommen von dieser Regel ist das vorhin gezeigte irische Kerzenholz, dessen Materie selbst gleich einem Schwamm seinen eigenen Brennstoff festhält. Ferner könnt Ihr Euch nun selbst erklären; weshalb ich vorhin von der praktischen Brauchbarkeit dieser schön geformten gekehlten Kerzen so ungünstig sprach; bei ihnen kann ja das Schälchen nicht den vollkommenen Rand haben, sondern muss abwechselnd Hebung und Einsenkung nach den Riesen erhalten. Diese schön aussehenden Kerzen brennen schlecht, sie träufeln ab, weil durch die Unebenheit des Mantels die Gleichmäßigkeit des Luftstromes gestört und dadurch wieder die regelmäßige Form des Schälchens verhindert wird. Also nicht schönes Aussehen, sondern praktische Brauchbarkeit ist in solchen Dingen für uns das Vorteilhaftere.

Wir können einige hübsche Belege für die Wirkung des aufsteigenden Luftstroms beobachten, die Ihr Euch wohl gern merken werdet. Hier ist ein wenig Abgeträufeltes an der Seite der Kerze herabgeflossen und hat sie da etwas dicker gemacht als an anderen Stellen; während nun die Kerze ruhig weiter herabbrennt, bleibt jenes an seiner Stelle und bildet eine kleine, über den Rand der Schale hervorragende Säule; da es immer höher zu stehen kommt als das übrige Wachs und weiter von der Mitte entfernt ist, so kann die Luft besser dazu gelangen, es also auch mehr abkühlen und somit geeigneter machen, der schmelzenden Hitze in so kleiner Entfernung zu widerstehen. So führen, wie in vielen anderen Fällen, auch bei unserer Kerze die größten Missgriffe und Fehler zu unserer Belehrung, die wir auf anderen Wegen wohl schwerlich erlangt hätten. Und so werden wir unwillkürlich zu Philosophen; wie Ihr Euch jedenfalls erinnern werdet, bei irgendwelchem zu Tage kommenden Resultate; besonders wenn es überraschend neu war, gefragt zu haben: „Was ist die Ursache? Wie geht das zu?“ und im Lauf der Zeit wird dann der Grund gefunden.

Einen anderen Teil unsres Thema hat die Beantwortung der Frage zu bilden: Wie gelangt der Brennstoff der Kerze aus dem Schälchen den Docht hinauf an den Verbrennungsort? Ihr wisst, dass bei Wachs-, Stearin-, Wallrathkerzen die Flamme am brennenden Docht nicht herunterläuft zum Brennstoff und diesen ganz fortschmilzt, sondern dass sie an ihrem Platze oben bleibt, abgetrennt von dem Flüssigen darunter und ohne sich an dem Rand der Schale zu vergreifen. Ich kann mir kein schöneres Beispiel eines Rechtsverhältnisses denken: um ihre beste Wirkung zu üben, ist in der Kerze jeder Teil dem anderen wechselseitig gleich dienstbar. Es ist mir ein wundervoller Anblick; diesen brennbaren Stoff so allmählich abbrennen zu sehen, ohne je von der Flamme ergriffen zu werden, zumal wenn man dabei erwägt, welche Kraft der Flamme innewohnt; das Wachs zu zerstören und seine eigentümliche Form umzuändern, wenn sie es in ihre Gewalt bekommt.

Wie aber erfasst nun die Flamme den Brennstoff? Durch kapillare Anziehung! „Kapillare Anziehung?“ fragt Ihr. „Haarröhrchen-Anziehung?” Nun, der Name tut nichts zur Sache – man hat ihn zu Zeiten gegeben, wo man noch gar kein rechtes Verständnis von der Kraft hatte, die er bezeichnen sollte. Hier ist damit gemeint: der Brennstoff wird an den Verbrennungsort hingeleitet und abgesetzt, und zwar nicht fahrlässig, sondern hübsch ordentlich gerade in die Mitte des Herdes, auf dem der Prozess vor sich geht. Um Euch den Vorgang deutlicher zu machen, will ich etliche Beispiele von kapillarer Attraktion anführen.

Vermöge dieser Kraft können zwei Körper, die nicht ineinander übergehen, doch aneinander gehen und zusammenhaften. Wenn Ihr Euch z. B. die Hände waschen wollt, so macht Ihr sie ganz und gar nass, reibt sie dann mit einem Stückchen Seife und findet, dass nun die Hände nass bleiben. Dies wird durch die Art der Attraktion bewirkt, von welcher ich hier spreche. Ferner, wenn Eure Hände nicht schmutzig sind – was sie freilich bei den gewöhnlichen Verrichtungen meistens sein werden –, und Ihr steckt also einen reinen Finger in warmes Wasser, so werdet Ihr bei ganz sorgfältigem Hinsehen bemerken, wie das Wasser höher, als es im Gefäß steht, an dem Finger emporkriecht. Hier habe ich auf dem Teller eine ganz poröse Substanz, eine Salzsäule, und auf den Boden des Tellers gieße ich nicht etwa, wie es Euch scheinen möchte, reines Wasser, sondern eine gesättigte Salzlösung, die gar nichts mehr absorbieren kann; sodass die Erscheinung, die Ihr beobachten werdet, also unmöglich auf fernerem Lösen der Bestandteile der Salzsäule beruhen kann. Nehmen wir an, der Teller sei die Kerze oder vielmehr das Schälchen oben an ihr, die Salzsäule der Docht und diese Lösung das geschmolzene, im Schälchen schwimmende Wachs. Damit Ihr den Vorgang besser sehen könnt, habe ich die Lösung blau gefärbt. Ich gieße sie nun herein und Ihr seht, wie sie in dem Salz nach und nach emporsteigt, wie sie höher und höher hinaufkriecht, und sie wird sicherlich bis zur Spitze gelangen, wenn die Säule unterdessen nur nicht umfällt. 

Fig. 1


Wäre diese blaue Lösung eine brennbare Flüssigkeit, so würde sie – wenn in die Spitze der Säule ein Docht eingesetzt wäre – beim Eintritt in diesen sich anbrennen lassen. Es ist gewiss höchst interessant, einen derartigen Vorgang mit all seinen eigentümlichen Umständen zu beobachten. Wie Ihr nun nach dem Händewaschen ein Handtuch nehmt, das die Nässe von den Händen in sich zieht, so zieht der Docht in folge derselben Attraktion das Wachs, Stearin etc. in sich hinein und bis zur Flamme hinauf.

Ich kannte einige unordentliche Kinder (indessen passiert so etwas manchmal auch ordentlichen Leuten), die nach dem Abtrocknen der Hände das Handtuch nachlässig über den Waschbeckenrand hinwarfen, und nach kurzer Zeit hatte das Tuch alles Wasser aus dem Becken auf die Dielen geleitet, weil es zufällig so auf den Rand zu liegen gekommen war, dass es als Heber wirken konnte. Damit Ihr deutlicher seht, in welcher Weise dergleichen Wirkungen der Körper aufeinander vor sich gehen, habe ich hier ein Gefäß aus engmaschiger Drahtgaze mit Wasser angefüllt, das Ihr in seinem Verhalten einerseits mit Baumwolle, andrerseits mit einem Stück Kaliko vergleichen mögt, und man hat auch wirklich Dochte, die aus einer derartigen Gaze angefertigt sind. Ihr seht, das Gefäß ist porös; denn, wenn ich oben etwas Wasser hineingieße, so läuft es unten gleich wieder heraus; es ist voll Wasser, und doch sieht man das Wasser zu gleicher Zeit hinein und herausfließen, als ob es leer wäre. Ihr würdet wohl in Verlegenheit kommen, wenn Ihr dieses auffällige Verhalten meines Gefäßes erklären solltet.

Der Grund ist folgender: Die einmal nass gewordenen Fäden der Gaze bleiben nass, und da die Maschen sehr eng sind; so wird das Wasser von der einen zur anderen Seite so kräftig hingezogen und auf diese Weise ganz festgehalten; dass es nicht hindurch entrinnen kann, wie wohl das Gefäß an sich porös ist. In gleicher Weise nun steigen beim Brennen die geschmolzenen Talgteilchen im Docht empor und gelangen in die Spitze; andre Teilchen wandern in folge ihrer gegenseitigen Anziehung ihnen nach, und die einen nach den anderen werden, wie sie nach und nach in die Flamme eintreten, so von dieser verzehrt.