eISBN 978-3-99025-385-4
© 2019 Freya Verlag GmbH
Alle Rechte vorbehalten
A-4020 Linz
www.freya.at
Layout: freya_art, Regina Raml-Moldovan
Lektorat: Dorothea Forster
Fotos: Peter Germann & Gudrun Zeuge-Germann, Wolf Ruzicka
weitere siehe Seite 352
printed in EU
Hinweis:
Die Angaben in diesem Buch sind von den Autoren sorgfältig geprüft worden, dennoch sind sie ohne Gewähr. Die beschriebenen Heilwirkungen und medizinischen Anwendungen von Pflanzen haben lediglich informativen Charakter, eine Durchführung der Heilanwendungen findet vom Leser eigenverantwortlich statt. Dies gilt insbesondere bei ernsthaften gesundheitlichen Problemen. Eine Haftung der Autoren, des Verlages oder seiner Beauftragten ist ausgeschlossen.
VORWORT VON DR. WOLF-DIETER STORL
EINLEITUNG
THEMEN ZUM SELBSTVERSTÄNDNIS DES MANNES
DER BEWEGTE MANN ZWISCHEN HARLEY UND ROLLATOR
DEN Mann gibt es nicht
WAS SIND MÄNNER?
ÜBER DAS ÄLTERWERDEN
DER MANN ALS VERTEIDIGER VON WEIB UND FAMILIE
DAS INDIVIDUUM MANN
IRISKONSTITUTIONEN „SCHAU MIR IN DIE AUGEN, KLEINES“
Blaue Augen, die lymphatische Konstitution
Braune Augen, die hämatogene Konstitution
Das „schmutzige“ Auge, die psorische Konstitution
DER MANN IM STRUDEL DES GESUNDHEITSSYSTEMS
WIE GEHEN MÄNNER IN DER HEUTIGEN ZEIT MIT IHRER GESUNDHEIT UM?
„Ein Indianer kennt keinen Schmerz“
DIE MÄNNLICHEN HORMONE
Testosteron
MÄNNER UND STRESS – DER HEUTIGE LEISTUNGSDRUCK
Krank im Urlaub
DER WECHSEL IN DEN (UN)-RUHE-STAND
NATURHEILKUNDLICHE STRATEGIEN UM LÄNGER JUNG ZU BLEIBEN
AUSLEITUNGSVERFAHREN IN DER ANDROPAUSE
Die Bedeutung des Darms
Die Bedeutung der Leber
Die Bedeutung der Niere
Die Bedeutung der Haut
Die Bedeutung der Lymphe
Sinn der Ausleitungsverfahren
Der Aderlass
Das Schröpfen
Das Baunscheidtverfahren
Colon-Hydro-Therapie
Bäder
Massagen
BACHBLÜTEN FÜR DIE ANDROPAUSE
DIE ERNÄHRUNG
„Bitter im Mund – dem Menschen gesund“
HOMÖOPATHIE IN DER ANDROPAUSE
Die wichtigsten homöopathischen Männertypen
Homöopathie: Mittel gegen Impotenz
SCHÜSSLER-MITTEL IN DER ANDROPAUSE
PFLANZLICHE POWER FÜR DIE MÄNNLICHKEIT
Die historische Bedeutung
Was bedeutet Aphrodisiakum?
Bedeutung in der Gegenwart
Aphrodisiaka
SUBSTANZEN ZUR SEXUELLEN STIMULATION
KÜCHENGEHEIMNISSE – LIEBE GEHT DURCH DEN MAGEN
Kräuter und Gewürze
Nahrungsmittel
VITALPILZE ZUR SEXUELLEN STIMULATION
LUSTSTEIGERNDE PSYCHOTROPE MITTEL
AMINOSÄUREN
ÄTHERISCHE ÖLE – BESONDERS MÄNNLICHE ÖLE
Rezepturen aus der Aromatherapie
VITALSTOFFE FÜR DIE ZWEITE LEBENSHÄLFTE
Vitamine
Die wichtigsten Spurenelemente
Aminosäuren
KRANKHEITEN DER ZWEITEN LEBENSHÄLFTE BEIM MANN
BLUTHOCHDRUCK
DEPRESSIVE NEIGUNG
PROBLEME MIT DER EREKTION
GEWICHTSZUNAHME
HAARAUSFALL
HAUTVERÄNDERUNGEN
HERZSENSATIONEN
HITZEWALLUNGEN
OSTEOPOROSE
DIE PROSTATA
RHEUMAERKRANKUNGEN
SCHLAFSTÖRUNGEN
SEELISCHE VERSTIMMUNGEN
BEZUGSQUELLEN & LITERATUR
ÜBER DIE AUTOREN
INDEX
Symbolerklärung:
A |
Produkt aus der Apotheke |
Phytotherapeutische Mittel |
|
Aromatherapeutische Mittel |
|
Schüßler-Mittel |
|
Homöopathica |
|
Hildegard-Mittel |
|
Bachblüten |
BEATE USE HAT ‘NE KRISE,
JETZT HAST DU SE!
WOLFGANG NEUSS
Alles was entsteht, vergeht auch wieder. Dieser zentrale Lehrsatz des Buddhismus ist eigentlich eine Binsenweisheit. Die Natur macht es uns jedes Jahr vor. In der ersten Jahreshälfte keimt, wächst und entfaltet sie sich und baut ihre Biomasse auf; in der zweiten Jahreshälfte verblühen, versamen die Pflanzen immer mehr, sie welken, verdorren und werden von den abbauenden Organismen – den Pilzen, Schnecken und Insekten – angenagt, abgetragen und aus dem Dasein befördert.
UND SO GESCHIEHT ES AUCH UNS MENSCHEN. In der ersten Lebenshälfte wachsen wir und entwickeln unsere Kräfte, in der zweiten Lebenshälfte bauen wir ab, bis wir aus dem physischen Dasein schwinden. Es ist mit dieser zweiten Lebenshälfte so, dass wir Schwierigkeiten haben: Es zwickt und zwackt im Körper, Gelenke schmerzen, das Haar wird weiß und schütter, Zähne fallen aus und die Vitalität, die einst wie eine unerschöpfliche Quelle sprudelte, versiegt allmählich. In früheren Zeiten nahm man dieses Los eher stoisch und gelassen hin.
Heute jedoch ergreift uns die Angst. Wir wollen forever young bleiben – so der Titel einer vielfach gecoverten Hymne des modernen Way of Life – und hoffen, die moderne Biowissenschaft und Kybernetik werden uns helfen. Sie werden den Gencode umschreiben und – wie es uns amerikanische Wissenschaftler versprechen – den Tod besiegen und der ewigen Jugend Bahn verschaffen.
Vor allem das Abebben der sexuellen Leidenschaft macht den älter werdenden Menschen zu schaffen, denn der Rausch der Hormone, der Kick, der Taumel, die Inbrunst des Liebeslebens gehört zum Jungsein und ermöglicht, wenigstens für einen kurzen Moment, das ans Ego gebundene Alltagsbewusstsein zu überflügeln. In einem Zeitalter, das sonst kaum Ekstase oder Transzendenz kennt, wird das Abklingen des Geschlechtslebens zum herben Verlust.
Dabei muss jedoch differenziert werden. Die Sexualität ist für den Mann anders als für die Frau. Für den Mann erschöpft sich das Liebesleben praktisch im Begattungsakt; nach dem Orgasmus, der im Durchschnitt sechs Sekunden anhält, hat der Mann sozusagen seine biologische Funktion erfüllt. Bei der Frau hingegen ist der Geschlechtsakt nur der Anfang. Die Schwangerschaft und die dazugehörigen Glückshormone, die Ekstase einer natürlichen Geburt, welche die Frau in eine Sphäre jenseits von Schmerz und Lust, in die Götterwelt, hinauskatapultieren kann, gehören ebenfalls zur weiblichen Sexualität. Das Gebären wurde bei den meisten Ethnien als eine Berührung mit transzendenten Seinssphären, als Begegnung mit der Göttin, erlebt. Die erste Geburt galt, noch mehr als die Menarche (die erste Regelblutung), als die Einweihung ins Frausein. Im Gegensatz zu den oft grausamen Mannbarkeitsriten der Knaben zur Zeit der Geschlechtsreife – Fasten, Mutproben, Kasteiungen, zuweilen auch Beschneidung, Tätowierung oder Körperverstümmlung – brauchen Frauen keine weitere Initiation.
Auch die Stillzeit ist Teil der Sexualität der Frau. Bei den meisten traditionellen Völkern wird das Kleinkind drei Jahre lang gestillt. Während dieser Zeit unterdrückt das Hormon Prolaktin den Eisprung, sodass es derweil zu keiner neuen Schwangerschaft kommt. Nach circa 500 Menstruationszyklen (bei modernen Frauen mit künstlich unterdrückter Fekundität sind es 400 bis 450 Zyklen), mit dem Rückgang des Sexualhormons Östrogen, kommt die Menopause. Dabei nimmt auch das Interesse an Sexualität ab, obwohl das Bedürfnis nach Zuneigung und Zärtlichkeit bestehen bleibt.
Beim Mann vermuten Wissenschaftler eine Art Klimakterium virile (Andropause) als Gegenstück zu den weiblichen Wechseljahren. Diese männlichen Wechseljahre kommen schleichend und nicht so plötzlich wie bei der Frau. Die Testosteron-Produktion wird allmählich geringer, die Muskelmasse nimmt ab, Bauchfett dagegen nimmt zu, aber dennoch hat die Evolution vorgesehen, dass der gesunde Mann bis ins hohe Alter zeugungsfähig bleibt.
Dass manche Ehepartnerinnen nach ihrer Menopause wenig Freude am Geschlechtsverkehr signalisieren oder das Interesse daran ganz und gar erlischt, bringt viele Männer in Bedrängnis. Erfolgreiche Alphamännchen legen sich dann oft eine junge Geliebte samt spritzigem Cabriolet zu, andere frequentieren das Freudenhaus, derweil arme Schlucker sich des Pornos oder der Gummipuppe bedienen müssen, um zur Sache kommen.
Seit Sigmund Freud glauben wir zu wissen, dass die Libido die Urtriebkraft (primum movens) des Menschen ist. Der Geschlechtstrieb, der nicht ausgelebt werden darf und den wir uns oft nicht einmal einzugestehen wagen, erlischt nicht, sondern wirkt als Störfaktor in der unbewussten Psyche; er wird zur physischen oder geistigen Krankheit. Diese Überzeugung beflügelte auch die sogenannte sexuelle Revolution der 68er: Make Love not War oder Fickt für Frieden hieß die Parole. Sex in jedem Alter wurde zur Pflicht, ja, fast zum kategorischen Imperativ. Use it or lose it! In diesem Sinn proklamierte die deutsch-amerikanische-israelische Sexologin Ruth Wertheimer (Dr. Ruth) in ihrem Bestseller Silver Sex, dass Geschlechtsverkehr im Alter nicht nur gesund sei, sondern absolut notwendig. Orgasmus wirkt tief entspannend, baut Blutdruck ab, schont – weil es entspannt – die Gelenke, stärkt das Immunsystem und wirkt gegen Depressionen. In der heutigen übersexualisierten Zeit, in der uns ohne Unterlass die Werbung und Unterhaltungsindustrie mit verführerischen, aufreizenden Rollenvorbildern überflutet, ist das, besonders für ältere Pärchen, eine Herausforderung. Aber glücklicherweise steht uns eine ganze Industrie zur Verfügung, um die Angst vor dem Versagen abzuwehren: Pornofilmchen, Vakuumpumpe, Viagra, Zäpfchen, Gleitcreme, psychologische Beratung, plastische Chirurgie.
Das männliche Älterwerden ist nicht nur ein biologisches Faktum, es hat auch eine kulturelle Dimension. Jede Kultur sieht die Welt, die Natur, das Leben überhaupt, aus einem anderen Blickwinkel. Jede hat ihre eigenen Antworten. Unsere westliche, moderne, wissenschaftliche Perspektive ist nur eine unter vielen verschiedenen kulturellen Konstruktionsmöglichkeiten.
Therapiebedürftige Leiden, Symptomatologie und Ätiologie werden kulturell unterschiedlich gedeutet und definiert. Krankheitsbilder wie Penisdiebstahl in Westafrika, Susto (durch Schreck ausgelöste Krankheit) in Lateinamerika, Windigo bei den kanadischen Ureinwohnern, Seelenverlust, magische Intrusionen und dergleichen kennt unsere Biomedizin (Schulmedizin) nicht. In nichtwestlichen Kulturen dagegen sind medikamentös zu behandelnde Zustände, wie etwa PMS, Bulimie, Magersucht oder ADHS, unbekannt. Auch natürliche Vorgänge wie Schwangerschaft, Geburt, Menopause, Andropause und Alterserscheinungen werden in unserer Gesellschaft als medizinische Probleme definiert.
Ethnomediziner wie Bruno Latour und Steve Woolgar (Laboratory Life: The Social Construction of Scientific Facts. Beverly Hills, 1979) untersuchten, mit denselben ethnografischen Methoden, die bei traditionellen, nativen Heilern angewendet werden, einen modernen medizinischen Laborbetrieb. Ihr Schluss: Das Ritual der Versuchsanordnung erzeugt facts (Fakten), die dann als zeitlos, objektiv und bewiesen gelten. Beim Klimakterium virile handelt es sich um eine solche Verdinglichung im Rahmen unseres kulturellen Paradigmas.
Menschen werden älter. Andere Gesellschaften oder kulturelle Traditionen gehen mit dieser biologischen Tatsache anders um als wir.
HIER EINIGE BEISPIELE
Bei den Pueblo-Indianern gehen die alten Männer in die Maisfelder und singen den Maiskindern zu, damit diese gut wachsen und gedeihen. Die Lebenskraft, die nicht mehr in der sexuellen Zeugung verausgabt wird, fließt nun in den Gesängen dem Maisfeld zu.
Die afrikanischen Bantu-Völker kennen für die Männer die Institution der Altersstufen (age grades). Der Übergang von einer Altersstufe zur anderen bedeutete eine Statustransition mit neuen Rechten und Pflichten und wird mit formellen Übergangsriten zelebriert. Bei den Betagten nimmt die sexuelle Macht zwar ab, Blut und Samen werden kälter und trockener, die magische Kraft jedoch nimmt zu. Die Ältesten werden verehrt, denn sie sind auf dem Weg, Ahnen zu werden.
In der konfuzianistischen Kultur Chinas genießen die Alten ebenfalls großen Respekt. Auch hier verwandelt sich die Lebenskraft und wird zur Segenskraft, vorausgesetzt die von den Eltern geerbte Urkraft (Jing), deren Sitz die Niere ist, wird nicht vergeudet. Wie beim Wachs einer Kerze steht dem Menschen nur so viel dieser Jing-Essenz zur Verfügung. Es gilt diese nicht unnötigerweise zu verbrennen, etwa durch übermäßigen Sex oder häufiger Ejakulation. Wenn die Jing-Essenz geschwächt ist, leidet der Mensch am Ergrauen der Haare, an Knie-Schmerzen, Gedächtnisverlust, Ohrenklingeln, Rückenschmerzen, Impotenz, Müdigkeit, Arthrosen und dem Nachlassen der Sehkraft und des Gehörs. Der Rat für die Alten lautet also sorgsames Haushalten mit den Lebenskräften.
Im traditionellen Indien wird der Lebenslauf durch die Institution der Ashramas, der vier Lebensstadien, rituell geregelt:
1.Brahmacharya: Als Schüler und Jugendlicher lebt man in Keuschheit, dient seinem Lehrmeister (Guru) und findet seine Lebensaufgabe (Dharma).
2.Grihastha: Als verheirateter Haushälter erfüllt man seine Pflicht den Ahnen und der Gesellschaft gegenüber, indem man die sexuellen Freuden (Kama) genießt, Kinder zeugt und den materiellen Wohlstand (Artha) der Familie mehrt.
3.Vanaprastha: Wenn die Kinder erwachsen sind und der Wohlstand gesichert ist, zieht man sich als Waldeinsiedler – oft in Begleitung seiner Frau – vom aktiven Leben zurück und widmet sich dem Yoga, der Meditation und dem spirituellen Leben.
4.Sannjasa: Als heimatloser Wandermönch legt man seine weltlichen Verstrickungen und Ich-Bezogenheit ab und strebt nach der Erlösung (Moksha).
Die indische Philosophie stellt einen Bezug der vier Lebensstadien mit der Kundalini-Energie und den sieben Lebenszentren (Chakren) im Leib her: Das Licht der Sonne nährt die Pflanzen, die uns wiederum nähren. Indem wir Nahrungsstoffe zerkauen, mit Magensäften auflösen und im Darm verdauen, wird faecis als Schlacke ausgeschieden, zugleich aber die Sonnenenergie freigesetzt und in Lebensenergie verwandelt. Die Freisetzung macht den Unterleib zum heißesten und lebendigsten Pol des Leibes. Diese umgewandelte Sonnenenergie steigt – als Kundalini-Schlange imaginiert – das Rückgrat hinauf. Ein großes Quantum dieser Energie nehmen die unteren Chakren (Wurzel-Chakra oder Muladhara; Svadhisthana) in Anspruch; hier befinden sich die Fortpflanzungsorgane, sodass der Lebensfunke auf eine neue Generation überspringen kann. Viel Energie wird in das etwas höher, beim Sonnengeflecht gelegene Manipurna-Chakra investiert, das mit der Durchsetzung von Machtansprüchen zu tun hat. Das darüberliegende Herz-Chakra (Anahata) macht Mitempfinden und Gemeinschaftssinn möglich. Es ist die Brücke zu den drei Höheren Chakren, dem Kehl-Chakra (Vishuddha), wo die Energie zur Kraft des schöpferischen Wortes wird; dem Stirn-Chakra (Ajna), wo das Erkennen des Göttlichen möglich wird, und dem Kronen-Chakra (Sahasrara), wobei – wenn genügend Energie zur Verfügung steht – die Erleuchtung, das Eins-Werden mit Gott, mit dem wahren Selbst möglich wird.
In den ersten Lebensstadien, in denen man um seinen Platz im Leben kämpft und sich sexuell fortpflanzt, spielen die unteren Chakren eine wichtige Rolle. In den späteren Lebensstadien, als Waldeinsiedler oder Wandermönch, versucht man die Kundalini-Energie – mit Hilfe des Yogas und der Meditation – in die oberen Chakren zu leiten, damit das Ziel des Lebens, die Verschmelzung mit dem Göttlichen erreicht werden kann.
Damit der Weg durch die MÄNNERZEIT sich nicht als zu steinig und dornenübersät erweist, haben Gudrun und Peter (Pitt) Germann dieses schöne Buch für die betroffenen Männer und auch für die Musen, die sie begleiten, geschrieben. Ein notwendiges Buch in der heutigen Zeit. Gudrun und Pitt sind Praktiker, Gründer und Leiter der renommierten Heilpflanzenschule PhytAro. Die vielen Jahre therapeutischer Erfahrung finden hier angemessenen Ausdruck.
MAG. DR. WOLF-DIETER STORL
ETHNOLOGE
Meine Frau Gudrun und ich haben vor geraumer Zeit ein Buch mit dem Titel FRAUENZEITEN veröffentlicht. Es handelt von der Lebensphase der sogenannten Wechseljahre, in denen eine nicht zu verachtende Prägung des weiteren Lebens vonstattengeht.
Bei einer kleinen Auseinandersetzung, einem sogenannten Beziehungsscharmützel, welches nach über 30 Jahren Ehe schon mal vorkommt, reifte ein neuer Gedanke in mir. Ich hatte in dieser Situation nicht nur nicht verstanden, was ich falsch gemacht haben sollte, sondern ich verstand gar nicht, um was es überhaupt ging! Hier kam die Situationserkenntnis: Lass uns ein Buch über MÄNNERZEITEN schreiben. Dies wurde sofort von beiden Parteien aufgegriffen, die kleine Auseinandersetzung, bei der ich bis heute nicht verstanden habe, worum es ging, war auch schnell beseitigt. Der Grundgedanke für das vorliegende Buch war gelegt.
Nach der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) laufen die besonderen Prägungsphasen einer Frau in Siebener-Jahresschritten ab, die des Mannes im Achtjahres-Rhythmus. Bei sieben mal sieben Jahren wird das weibliche Klimakterium definiert, bei acht mal acht Jahren das männliche. Der Begriff Wechseljahre trifft auf den Mann nicht korrekt zu, da er bis ins hohe Alter zeugungsfähig ist. Aber ein klimakterisch ähnlicher Zustand findet auf jeden Fall statt. In diesen Lebensphasen, welche neben der Pubertät die prägendsten im Leben eines Menschen sind, geschieht eine Neuordnung von Lebensvorstellung auf allen Ebenen. Das ist je nach Typus unterschiedlich stark ausgeprägt. Verschlimmernd kommt dazu, dass viele Männer zwischen dem 55. und 65. Lebensjahr oft noch einmal in eine postpubertäre Phase fallen. Dazu gehören der nachträglich erworbene Motorradführerschein, die Harley-Davidson, das Drachen-Tattoo oder das Spielen in einer Rockband. Letzteres habe ich mal als Stones-Syndrom definiert, da die Rolling Stones mit weit über 70 Jahren mit ihren Konzerten immer noch propagieren: Vom Alter völlig unabhängig, Rock’n Roll will never die!
Diese plötzlich auseinanderklaffende Schere der Lebenswerte von Mann und Frau können auch bei alteingesessenen Paaren noch mal zu erheblichen Konflikten führen.
Victor von Bülow alias Loriot sagte einmal: „Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen.“ Und von dem israelischen Schriftsteller Ephraim Kishon stammt der Ausspruch: „Frauen sollten heiraten, Männer nicht.“
Ich stecke seit einigen Jahren selbst in dieser Lebensphase und kann bestätigen: ES MACHT EINFACH SPASS! Meine Frau ist allerdings nicht immer der gleichen Meinung. Hier ist es wichtig, auch in langer Beziehung neu aufeinander zuzugehen.
Mit 60 bin ich mir erstmalig der Endlichkeit bewusst geworden. So kann es sein, dass die beschriebenen Männerallüren, die eigentlich in weitaus früheren Lebensphasen eine prägende Rolle spielten, noch mal aktiviert werden. Man stellt fest, dass man beruflich ersetzbar ist, dass durchaus sehr gutes Material nachgewachsen ist, dass man nicht mehr als Koryphäe bei jedem Kongress als Referent eingeladen wird oder dass die körperliche Energie nicht mehr die gleiche ist wie vor 20 Jahren.
Als ich vor Kurzem mit einer zehn Jahre jüngeren Bekannten eine Höhlentour machte und dabei böse abgestürzt bin, schimpfte meine Frau: „Wann lernst du endlich, dass du nicht mehr 30 bist!“
ICH ARBEITE DARAN,
ABER BISHER NUR MIT MÄSSIGEM ERFOLG.
Symbolerklärung:
A |
A Produkt aus der Apotheke |
Phytotherapeutische Mittel |
|
Aromatherapeutische Mittel |
|
Schüßler-Mittel |
|
Homöopathica |
|
Hildegard-Mittel |
|
Bachblüten |
Die sogenannten BESTEN Jahre des Mannes sind oftmals geprägt von einer inneren Zerrissenheit. Sich entscheiden zu müssen zwischen BRUNFT UND VERNUNFT und zwischen RENNRAD UND ROLLATOR bringt viele Männer in eine seelische Krise.
Am Rande des Haltbarkeitsdatums möchte es sich ein Großteil der deutschen Männer eigentlich gemütlich machen, doch leider werden ihm die Altersgenossen Brad Pitt, Til Schweiger oder George Clooney vor Augen geführt. So quält er sich im Hamsterrad und nicht immer hat der Partner für das Auf und Ab Verständnis.
WERFEN WIR ERST EINMAL EINEN BLICK AUF DIE EVOLUTIONÄRE ENTWICKLUNG DES MANNES.
Den größten Teil seiner Stammesgeschichte hat der Mensch als Jäger und Sammler in der Steinzeit verbracht. Unsere Urverwandten lebten in Sippen und hier bildeten sich bereits die unterschiedlichen Rollen von Mann und Frau aus, die noch heute unser Verhalten bestimmen. Während die Frau die Hüterin des Feuers und der Kinder war, lag der Aufgabenbereich des Mannes in der Nahrungsbeschaffung, der Jagd. Damals entwickelten sich der Rund-um-Blick der Frau und der Tunnelblick des Mannes. Beide Strategien waren zu der Zeit überlebensnotwendig. Während das weibliche Geschlecht dafür verantwortlich war, dass die Kleinkinder nicht ins Feuer plumpsten, standen die Männer in Erwartung einer Beute stundenlang vor einem Kaninchenloch oder mussten im Sprint einem Hirsch hinterherjagen. Kamen sie von der Jagd erfolgreich nach Hause, ließen sie sich feiern und durften sich erholen.
Aufgrund gefundener Skelettformen des weiblichen und männlichen Geschlechts geht man davon aus, dass diese Arbeitsteilung in der Steinzeit wirklich bestand und sich daher ein unterschiedlicher Körperbau bei Mann und Frau entwickelt hat. Dafür spricht, dass die gefundenen Stoßspeere hauptsächlich von den Männern eingesetzt wurden, da sie einen Körper hatten, der hierfür geeignet war. Dabei spielt natürlich auch die damalige Ernährung eine große Rolle (siehe Seite 129). Evolutionswissenschaftler hegen die Vermutung, dass sich unser Gehirn über Jahrtausende an diese längst verschwundene Lebensweise bedingt angepasst hat und uns heute noch steinzeitlich prägt. Die kurze Zeit von Ackerbau, Farbfernsehen und Verhütungsmitteln sind bisher auf unser Gehirn ohne großen Einfluss geblieben. Und so sind Frauen mit anderen Mustern ausgestattet als Männer.
DEN MANN GIBT ES NICHT
SONGTEXTE
MÄNNER NEHMEN IN DEN ARM,
MÄNNER GEBEN GEBORGENHEIT.
MÄNNER WEINEN HEIMLICH,
MÄNNER BRAUCHEN VIEL ZÄRTLICHKEIT.
MÄNNER SIND SO VERLETZLICH,
MÄNNER SIND AUF DIESER WELT EINFACH
UNERSETZLICH!
(HERBERT GRÖNEMEYER, MÄNNER)
ICH BIN UMGEBEN VON INTELLEKTUELLEN,
DIE IMMER VERSUCHEN, SICH DUMM ZU STELLEN.
WO SIND DIE EINFACHEN MÄNNER HIN,
DIE SCHLICHTEN GEMÜTER MIT DEM KRÄFTIGEN KINN,
ETWAS UNTERBELICHTET, ABER COOL UND SO NETT,
DIE NICHT SO GANZ HELLE SIND,
ABER ECHT GUT IM BETT.
(INA MÜLLER, DUMM KICKT GUT)
MÄNNER SIND SCHWEINE,
FRAGE NICHT NACH SONNENSCHEIN.
AUSNAHMEN GIBT’S LEIDER KEINE.
IN JEDEN MANN STECKT DOCH IMMER EIN SCHWEIN.
(DIE ÄRZTE, MÄNNER SIND SCHWEINE)
MÄNNER WEINEN NICHT,
MÄNNER WEINEN NICHT,
SIE SCHREIEN DEN SCHMERZ IN SICH HINEIN,
WIE SOLLT ES ANDERS SEIN.
MÄNNER WEINEN NICHT,
HAM’ FÜR GEFÜHLE KEINE ZEIT…
(ADESSE RÖSSNER, MÄNNER WEINEN NICHT)
Biologisch gesehen ist diese Frage sehr einfach zu beantworten, aber in ihrer allumfassenden Gesamtheit fast gar nicht.
Die dargestellten Songtexte lassen erahnen, wie viele Herzen in einer Männerbrust schlagen können und dies je nach Lebensabschnitt auch tun.
Geboren aus dem Weiblichen werden die Erziehungskonzepte in den ersten zehn Jahren seines Lebens primär von Frauen geprägt. Dies ändert sich langsam, ist aber noch längere Zeit dominant. Aufgewachsen unter der Obhut der Mutter – der Vater kommt in der alten Struktur des Abends als Familienanhängsel dazu –, weiterhin weiblich geprägt durch die Kindergärtnerin und oft Lehrerinnen in der Grundschule, nehmen die männlichen Prägungen erst mit den weiterführenden Ausbildungsformen überhand. Die Schulklassen sind heute in der Regel gemischt, sodass ein gemeinsames Erwachsenwerden nicht mehr nur mit dem eigenen Geschlecht stattfindet. Da die gleichaltrigen Mädchen oft eher in die Pubertät kommen als die Jungen, hinkt das männliche Prinzip in dieser Lebensphase erst einmal hinterher. Dies tut es in der zeitverzögerten Sprech-, Krabbel- oder Zahnphase auch schon, hat aber nicht eine solche Auffälligkeit. Interessieren sich die Mädels deshalb erst einmal für Jungs aus den Klassen über ihnen, gleicht sich dies in kurzer Zeit an. Beim gemeinsamen Schulabgang spielt es schon keine Rolle mehr.
Jungs spielen mit Baukästen und Autos, Mädchen mit Kaufladen und Puppen; dieses Thema ist heute auch nicht mehr zu halten. Die geschlechtsspezifischen Kinderspiele bröseln immer mehr, gehen ineinander über. Aus falsch verstandener Interpretation von Gewaltverherrlichung und Anstiftung zur Aggressivität dürfen Kinder oft nicht mit Schwertern, Pfeil und Bogen oder Pistolen spielen. Wie archaisch waren doch unsere Ritter-, Indianer- und Cowboy-Inszenierungen! Das spielerische Ausleben uralter Prägungsmuster von Verteidigung und Erhalt der Lebensgemeinschaft ist nicht durch eine wenn auch noch so gut gemeinte intellektuelle Interpretation von Gut und Böse zu verbieten. Wird die kindliche Waffe verweigert, muss der Stock als Schwert oder die Banane als Pistole herhalten. Wieso erleben Bücher wie Herr der Ringe oder ein Fantasy-Epos eine solche Renaissance? Oft liegt es an einer unterdrückten Auslebung dieses uralten Prinzips. Obwohl ich sehr gerne Ritter und Indianer gespielt habe, war ich trotzdem Wehrdienstverweigerer und bin auch kein Waffennarr geworden.
Ich kann mich aber sehr gut daran erinnern, was für ein erhabenes Gefühl es war, zum ersten Mal ein richtiges Schwert in der Hand gehalten zu haben. Unwillkürlich geht man damit in nicht erlernte Haltungen sowie Kampfstellungen und ist von dem Rauschen der Klinge beim Schlag durch die Luft fasziniert. Dieses Prinzip ist bei Jungen und Männern eindeutig mehr ausgeprägt als bei Mädchen und Frauen. Es scheint in der männlichen Genetik, nur bedingt abhängig von der Erziehung, dominanter verankert zu sein.
Auch die typisch männlichen oder weiblichen Berufe mischen sich heutzutage. Krankenpfleger und Geburtshelfer sind nun ebenso alltäglich wie Kfz-Mechanikerin oder Schreinerin.
Trotzdem gibt es bestimmte männliche Typen, die von richtigen Männern belächelt werden. Sie heißen eventuell mit Vornamen Helge, tragen einen Doppelhausnamen, sind beispielsweise Pfarrer oder Sozialarbeiter und haben für nahezu alles Verständnis. Den Namen ihrer Gattin haben sie mit übernommen, um darauf hinzuweisen, was die Männer den armen Frauen in den letzten Generationen angetan haben. Ina Müller in ihrem Songtext „Wo sind die einfachen Männer hin“ hätte ihre helle Freude an diesen Typen.
Auch der nächste beschriebene Mann wird im klimakterischen Alter in der Regel nicht aufmüpfig. Er besitzt als Schulabschluss die Mittlere Reife, hat eine Lehre als kaufmännischer Angestellter absolviert und seine zukünftige Frau auf der firmeneigenen Weihnachtsfeier kennengelernt. Er ist langjähriger erster Kassierer in einem Sparklub und fährt mit den männlichen Mitgliedern ein Mal im Jahr nach Mallorca. Den Urlaub mit seiner Familie verbringt er immer an der gleichen Stelle, alles Neue und Unregelmäßigkeiten sieht er als Stress oder gar persönlichen Angriff. In der Regel wechselt dieser Typus langsam ins Senium, wo sich dann seine sowieso schon starre Struktur noch mehr verfestigt bis zur kristallinen Unbeweglichkeit, körperlich sowie geistig.
WELCHER MANN WIRD DENN NUN IN DEN MASKULINEN WECHSELJAHREN AUFFÄLLIG, UNZUFRIEDEN UND SUCHEND?
Es handelt sich häufig um Typen, die vielfältiges Interesse zeigen. Ihr Werdegang ist oft nicht gradlinig, sondern schlägt Kapriolen. Mehrere angefangene Studiengänge oder Ausbildungen haben sie häufig in ihrer Historie, weil sie nicht wissen, welchen Weg ihrer Vielseitigkeit sie einschlagen sollen. Dadurch haben sie viele Kontakte nicht nur in ihrem eigentlichen Beruf erworben, sondern durch die Suche viele Randgebiete kennengelernt. Entweder ist ihr weiterer beruflicher Werdegang trotz der beschriebenen Zeitverluste durchaus von Karriere geprägt oder sie ecken immer wieder mit der vorgegebenen Struktur an. In der Selbstständigkeit sind sie eigentlich besser aufgehoben. Sie können viel und ausdauernd arbeiten, sind kreativ und bemüht, Neues auszuprobieren und zu integrieren. Auch privat zeigt sich diese Kreativität. Diese Männer brauchen ihren Auslauf, ihre vermeintliche Freiheit. Da sie auch häufig eine starke Partnerin haben, andere Frauen sind ihnen oft auf die Dauer zu langweilig, kann es bei dieser Alpha-Tier-Konstellation vermehrt zu Reibereien kommen. Langweilig sind die Beziehungen in der Regel nicht! Je länger sie bestehen, desto gefestigter werden sie, da sie schon viel mitgemacht haben – das schweißt zusammen.
Wird diesem Typus sein Alter oder das männliche Klimakterium bewusst, zeigt er sich irritiert, reagiert oft mit Endzeitgedanken und redet nicht mehr von irgendwann müsste man mal. Er versucht einfach umzusetzen. Abenteuerlust kommt hoch. Da er immer schon zu verrückten Handlungen neigte, werden diese jetzt noch auffälliger. Auch das verstärkte Interesse an jüngeren Frauen kann dazugehören. Er hat etwas von dem alten Platzhirschen, der noch mal seine Genetik unter die empfangsbereiten Kühe bringen möchte – bildlich gesehen. In der Regel gehen solche Seitensprünge nicht gut aus, das interessiert ihn aber momentan nur peripher. Auch das Motorrad oder der Sportwagen gehören dazu. Was er sich mit Anfang 20 in der Regel gar nicht leisten konnte, ist jetzt oft möglich und wird umgesetzt. Eine kopfschüttelnde Gattin zeigt nur bedingt Interesse und macht ihrem postpubertierenden Mann klar, dass sie diese Phasen schon vor 30 Jahren abgeschlossen habe. Meine Frau drückte es so aus: „Der Mann mit Anfang 60, hin- und hergerissen zwischen Harley und Rollator.“
Im Grunde stirbt der Körper mit 30, auch wenn es erschreckend klingt! Aber ab diesem Alter gehen mehr Zellen zugrunde, als der Körper neu produzieren kann. Trotzdem ist ein durchaus angenehmes Alter bis circa 120 theoretisch möglich. Stress, Umweltbelastungen, Existenzängste und ein Nicht-eingebettet-Sein in die gesamte Natur wirken diesem biblischen Alter allerdings entgegen.
Für eine Gesellschaft, die in einem Jugendwahn lebt, muss das Altern negativ belegt sein. Für viele ist dies der Anfang vom Ende: NUN BEGINNT DAS SENIUM, DAS MIT DEM GESCHLOSSENEN SARGDECKEL ENDET. Was für eine blasphemische Einstellung!
Und was entgeht nicht alles denen, die sich von solchen Gedankengängen tyrannisieren lassen, an der Schwelle einer neuen Lebensphase mit einem facettenreichen neuen Erleben von Möglichkeiten einer positiven, geerdeten und starken Lebensführung!
Im menschlichen Leben verläuft alles in Phasen. Wir gehen vom Säuglingsalter über zum Kleinkind, weiter zum Schulpflichtigen und Jugendlichen, über den jungen Erwachsenen zur vollen Schaffensperiode des erwachsenen Menschen und dann ins Klimakterium und Senium.
Alle Phasen haben ihre Besonderheiten und Vorteile. Allerdings halten diese einzelnen Lebensabschnitte auch neue Fakten für uns bereit, auf die wir uns einstellen müssen, und dies fällt uns im Übergang nicht immer leicht. Natürlich spielt da auch die Gewohnheit eine Rolle: Bisher war es doch auch so!
Diese Meinung, alles muss im Leben so bleiben, wie es war, wird erst mit dem Beginn der Familiengründung manifestiert. Man kann sagen, dass wir in unserem Leben eine Nomadenphase und dann eine Zeit der Sesshaftigkeit durchmachen. Das ist aus der Historie der Menschheit nachzuvollziehen, wird aber von den einzelnen Temperamenten unterschiedlich empfunden.
Mit Aufregung sehen wir dem ersten Kindergartentag entgegen, dann folgt die Einschulung. Ein vollkommen neues Umgebungsfeld erwartet uns nach der Grundschule, die weiterführenden Lehranstalten müssen häufig mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden und weisen in der Regel eine völlig andere Struktur auf als die bisher gewohnte. Wird ein Studium angehängt, sollte der Ort der Universität möglichst weit von der Heimatstadt entfernt sein. Man nabelt sich, im Sinne einer Nestflucht, von der Familie ab.
Bis zu diesem Zeitpunkt ist das Neue zwar mit teilweise leicht ängstlicher Erwartung belegt, aber die Neugier und die Bereitschaft, sich auf andere Strukturen einzulassen, gewinnen. WIR GEHEN BIS DAHIN IN EINER ART NOMADENTUM DURCH DAS LEBEN.
Dann folgen Berufsbeginn und Familiengründung. Ab diesem Zeitpunkt sind wir der Meinung, alles müsse jetzt über langen Zeitraum mit möglichst wenig Veränderung so bleiben. Deshalb tun wir uns mit Neuem schwerer als in der Nomadenphase, die Sesshaftigkeit triumphiert über die Neugier zum Unbekannten. Maximal wird diese noch im Urlaub rudimentär ausgelebt; aber man kommt ja glücklicherweise in die alte Struktur wieder zurück.
Allerdings weist das Leben Entwicklungsphasen auf, die mit unserem persönlichen Sesshaftwerden nicht unbedingt konform laufen. Die Veränderungsrhythmen sind immer vorhanden, aber in keiner Zeit so auffällig und prägend wie in der Pubertät und der Andropause. Fällt die Pubertät in die Nomadenphase und bringt etwas ersehnbar Neues, werden die männlichen Wechseljahre oft als lästiger Umbruch im normalen Alltag empfunden.
Dies ist sicherlich auch ein gesellschaftlicher Aspekt. In einer ständig nach vorne preschenden Form des Zusammenlebens wird das Älterwerden oft als der Anfang vom Ende empfunden. Viele meinen, es ist die Vorstufe vom Greisendasein mit Vergesslichkeit, Demenz und der Unfähigkeit, mit technischen und gesellschaftlichen Erneuerungen umzugehen. Dies ist eine sehr einseitige Sichtweise!
Die Überschrift lässt schon erahnen, dass es sich bei diesem Thema um imaginäre Begehren des Mannes handelt. Natürlich haben auch Frauen das Bedürfnis, ihren vagen Ängsten ein Gesicht zu geben. Damit versucht man, mit diesem Thema durch Visualisierung besser umgehen zu können. Aber gerade der Mann hat sich im Laufe der Kulturgeschichte viele Angstfetische aufgebaut, die jeder seines Geschlechts nachvollziehen kann.
Schon steinzeitliche Darstellungen sind nicht nur im Sinne einer versuchten Machtausübung auf das zu jagende Tier zu sehen, sondern sie stellen auch visuell imaginäre Ängste in Form von Fabelwesen dar. Mit unseren heutigen eher rational gesteuerten Gedankengängen werden diese oft zu Unrecht als Außerirdische, Raumschiffe oder Gottheiten interpretiert. Nicht selten werden sie als tatsächlicher Kontakt mit Weltraumwesen angesehen und damit als Beweis ihrer Existenz herangezogen. Ob es sie wirklich gibt, weiß ich nicht, aber diese uralten Darstellungen sind doch eher als Verarbeitungsmechanismen des steinzeitlichen Weltbildes und der daraus resultierenden Ängste zu sehen, die dann in der bildlichen Darstellung manifestiert sind.
Durch alle Zeitalter zieht sich dieses Phänomen. Ob die griechische Götterwelt, die den Menschen nach Lust und Laune drangsaliert, oder die für ein Reich in anderer Dimension kämpfenden Kreuzritter – die Ängste, das Erwarten von Naturkatastrophen oder Angriffen aus dem Weltall, all diese Ängste versucht man begreifbarer zu machen, indem man ihnen Gestalt gibt. Man kann sagen, das Schaffen von Ungeheuern in Literatur oder Film ist durchaus hilfreich für unseren unruhigen Geist. Auch die Wissenschaft sagt: „Menschen brauchen Monster“ – und der Mann mehr als die Frau. Warum? Geschichtlich gesehen steht der Mann für die Verteidigung nach außen, wobei die Frau die Struktur im Inneren des Hauses und der Familie übernimmt. Draußen ist Udgart, das Wilde, Ungezähmte, auch Unbegreifbare, dem man versucht, Form zu geben, um es besser zu verstehen und eventuell im Kampf ausschalten zu können. Trotz des Aufweichens dieser alten Strukturen in unserer heutigen westlichen Gesellschaftsordnung sind diese archaischen Muster im Unterbewusstsein immer noch verankert. Äußere Veränderungen gehen rasant vonstatten, aber die alten Informationsstrukturen sind immer noch die gleichen.
Märchen setzen sich ebenfalls mit diesem Thema auseinander. Ausgesetzte Kinder im Wald, wie bei Hänsel und Gretel, Wölfe als Symbol von fressenden Ungeheuern oder bitterböse Stiefmütter sind im Sinne von archaischen Angstbildern zu sehen. Der Wissenschaftsjournalist Hubert Filser beschreibt in seinem Buch Menschen brauchen Monster, warum sich die Menschen seit der Steinzeit Wesen ausdenken, die sie gleichermaßen beängstigen und faszinieren. Man versucht, das Unbewusste in die Welt des rationalen Tagesbewusstseins zu holen, um besser damit umgehen zu können.
Die Literatur und in heutiger Zeit auch der Film sind voll von diesen Phänomenen. Monster aus unberührter, noch archaischer Naturstruktur werden bedrohlich, wenn sie in unsere zivilisierte Welt geholt werden, wie bei King Kong. In Alien kommt der Angriff aus dem undurchsichtigen Weltall und bei den japanischen Godzillafilmen werden Wesen aus den unbekannten Tiefen des Ozeans durch entgleiste Atomenergie zu wütenden, alles zerstörenden Monstern. Es sind tatsächlich erschreckende Parallelen zu der Naturkatastrophe in Fukushima und der Freisetzung von entfesselter Kernenergie zu erkennen! Die Angst vor dem eigenen, inneren Unbezähmbaren wird bei Dr. Jekyll und Mr. Hyde dargestellt, wobei die Zombiefilme das Überleben von monsterhaften Wesen nach Umweltzerstörungen zeigen. All diese Kreaturen bieten die Möglichkeit, sich mit den jeweiligen Ängsten auseinanderzusetzen. Die Entgleisung einer immer weiter wuchernden Technologie wird mit der Erschaffung des Frankenstein-Monsters verarbeitet und Filme wie Tarantula oder Formicula lassen durch Umweltvergiftung bisher harmlose Wesen wie Ameisen oder Spinnen zu riesigen, menschenfressenden Ungeheuern heranwachsen. Auch diese modernen Mythen helfen den Menschen, sich den Sinn ihres Handelns auf einem einfachen Niveau vor Augen zu führen. Sie zeigen Grenzen des Fortschritts auf und geben Hinweis auf ein Jenseits.
DER MENSCH/MANN BRAUCHT SINNSTRUKTUREN, DIE DER ALLTAG ALLEINE NICHT LIEFERT.
„Der Mensch lebt ständig in der Angst, sein Alltag könne in Gefahrgeraten: Der Boden bricht weg, und wir purzeln geradewegs in die Hölle. Berichte über Katastrophen oder Tragödien sorgen dafür, dass wir diese Angst nie verlieren, weil sie uns daran erinnert, dass unsere Sicherheit trügerisch ist. Unsere Welt ist durchtechnisiert, aber wir ahnen: es gibt noch eine zweite Ebene; und dieser Ebene geben Romane, Filme oder Computerspiele ein Monstergesicht.“
Das schrieb Tilman Gangloff in seinem Artikel Ungeheuer hilfreich. Die beschriebene Angst, dass unser ganz alltäglicher Tagesablauf entgleisen kann, zeigt Alfred Hitchcock in seinem Film Die Vögel auf. Ohne erkennbaren Grund rasten vollkommen harmlose Alltagsstrukturen plötzlich aus und werden lebensbedrohlich.
Warum können gerade Männer sich mit Themen wie Ritterfilmen, Western, wo eine neue Existenz aufgebaut und gleichzeitig verteidigt wird, oder Inhalten wie bei Herr der Ringe so schnell identifizieren? Was machen Schlachtszenen zwischen Gut und Böse für sie so attraktiv?
Es sind ihre alten, archaischen Muster der Verteidigung von Frau und Familie sowie Hab und Gut. Diese Verteidigung nach außen gibt es heute immer noch, hat aber ein ganz anderes Gesicht angenommen. Konnten in früheren Zeiten Familienstrukturen am besten überleben, wenn der Mann eine gute Schwertführung hatte und geschickt und ausdauernd das Feld bestellen und das Haus in Stand setzen konnte, so wird heute ein gut gefülltes Konto verlangt. Wer genug Geld hat, kann den Seinen etwas bieten und für ein weitgehend sorgenfreies Leben aufkommen. Im tiefsten Inneren aber existiert immer noch das geschichtlich gesehen weitaus dominierende Muster des archaischen Kampfes. Dies ist auch mit Sport und Fitnessstudio nur bedingt zu kompensieren.
Geld regiert die Welt! Viele Männer sehen sich, wenn sie zu wenig verdienen, als Versager beziehungsweise nicht in der Lage, Frau und Familie vor die Unbilden der modernen Zivilisation zu schützen. Diese sind heute nicht mehr Überfall, Naturkatastrophe oder Fehlernte, sondern Arbeitsplatzverlust, Gehaltskürzung oder Wohnungsverlust durch beispielsweise Eigenbedarf des Vermieters. Habe ich genug Geld, kann ich für mich und die Meinen ein eigenes Heim kaufen. Was früher gute Schwertführung war, ist heute Geld. Warum hat ein hässlicher Zahnarzt in der Regel trotzdem eine attraktive Frau? Hat hier bei der Entscheidung der Partnerwahl der gute Kontostand auf der Bank eine Rolle gespielt?