WELTMUSICALS FÜR KINDER

My Fair Lady

nach Alan Jay Lerner
Neu erzählt von Barbara Kindermann
Mit Bildern von Silke Leffler

Wieder zuhause in der Wimpole-Street 27 A, kam sich Henry Higgins völlig verloren vor. Elizas Abwesenheit war unerträglich. Es wurde ihm erst jetzt so richtig bewusst, dass sie in den vergangenen sechs Monaten zu einem Teil seiner Welt geworden war.

»Ich bin so gewöhnt daran, sie zu sehen, sie zu hören, gewöhnt an ihr Lächeln, gewöhnt an ihr Gesicht …«, grübelte er vor sich hin. Und plötzlich rief er laut aus: »Freddy heiraten! Ha! Was für eine blödsinnige Idee! Was für ein unreifes, herzloses, hirnloses Vorhaben! Aber sie wird es bereuen! Sie wird unglücklich sein und winselnd zu mir zurück kommen, nachts an meine Tür klopfen und darum betteln, dass ich sie wieder aufnehme – ich bin ein sehr großherziger Mann, der viel verzeiht, aber SIE werde ich nie zurücknehmen – niemals!« Doch pausenlos musste er an Eliza denken. Immer wieder stand er auf und ging unruhig auf und ab. Endlich hielt er neben einem seiner Aufnahmegeräte inne und stellte es an: Elizas Stimme erklang und füllte augenblicklich den Raum. Verzückt hörte er zu. »Ick möchte Verkäuferin in eenem schicken Blumenladen sein, anstatt hier in ’ner Ecke vom Gemüsemarkt Blumen zu verkoofen.«

Er war so versunken darin, Elizas Stimme zuzuhören, dass er nicht bemerkte, wie sich die Tür öffnete und Eliza leise ins Haus trat. Gedankenverloren sagte er: »Sie war so wunderbar gewöhnlich, sie fehlt mir.« Eliza hatte das Aufnahmegerät lautlos abgestellt und sagte nun selber: »Mund und Pfoten hab’ ick mir jewaschen, bevor ick herjekommen bin …«

Henry Higgins fuhr hoch. Er wollte vor Freude zu ihr eilen, sie umarmen – doch stattdessen stand er nur da und fragte trocken: »Eliza, wo sind meine Pantoffeln?«

Eliza lächelte, stellte ihre Tasche ab und reichte ihm seine Pantoffeln. Sie war wieder zuhause angekommen.

© Kindermann Verlag, Berlin 2014

Originalausgabe My Fair Lady © 1956 Alan Jay Lerner und Frederick Loewe.

Mit freundlicher Genehmigung des Estate of Alan Jay Lerner, New York.

Deutsche Ausgabe © 1962 Alan Jay Lerner und Frederick Loewe, Frankfurt am Main.

Mit freundlicher Genehmigung des Suhrkamp Verlages.

Alle Rechte vorbehalten

1. digitale Auflage 2020

Illustrationen: Silke Leffler

Textbearbeitung: Barbara Kindermann

Gestaltung: Lena Ellermann

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2020

ISBN 978-3-934029-98-9

www.kindermannverlag.de

Wir haben uns bemüht, alle Rechteinhaber ausfindig zu machen. Sollten wir trotz gewissenhafter Suche einen der Rechteinhaber nicht berücksichtigt haben, bitten wir diesen, sich mit dem Verlag in Verbindung zu setzen.

»Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen …«

Jeder Musical-Fan trällert diese Zeile sofort mit: Es ist einer der unzähligen Übungsverse, mit denen der arrogante Phonetik-Professor Henry Higgins die einfache Blumenverkäuferin Eliza Doolittle bis zum Umfallen »quält«. Von ihrer ungehobelten, ordinären Sprache fasziniert, behauptet er selbstbewusst, aus dieser »Rinnsteinpflanze« innerhalb kurzer Zeit eine vornehme Lady machen zu können. Sein Kollege Oberst Pickering hält dagegen und schließt mit Higgins eine Wette ab: In sechs Monaten soll Eliza als noble Dame auf einem Botschafterball auftreten, ohne dass jemand ihre Herkunft errät. Eliza geht auf das Experiment ein. Wird sie es schaffen einen perfekten Auftritt hinzulegen?

Der beliebte Musical-Klassiker My Fair Lady wird in der Reihe Weltmusicals für Kinder von Barbara Kindermann amüsant und mitreißend neu erzählt und von Silke Leffler bezaubernd schön illustriert.

Es war elf Uhr abends in London und ein schwerer Sommerregen ergoss sich über die Stadt. Überall suchten Fußgänger eilig einen Unterschlupf oder winkten verzweifelt nach einem Taxi. Aus dem Theater nahe dem Gemüsemarkt strömten die Besucher in Abendkleidern auf die Straße und spannten schnell ihre Regenschirme auf.