Die Umbettung der Könige des Neuen Reiches

Michael E. Habicht

    

Die Thebanische Nekropole

  

Die Umbettung der Könige des Neuen Reiches

Einleitung

Die vorliegende kleine Schrift basiert auf einem Referat zur Umbettung der Königsmumien des Neuen Reiches und wurde 2007 in Basel gehalten. Die hier präsentierte Schrift aktualisiert und erweitert die damalige Arbeit. Die Königsmumien selber wurden in verschiedenen Publikationen behandelt und sind an dieser Stelle unter dem Gesichtspunkt ihrer Umbettung behandelt. Grundlegende Arbeiten für die Mumien sind die anatomischen Untersuchungen von Grafton E. Smith [1] und die Studie von Bickerstaffe [2], sowie die Meta-Analysen des aktuellen Forschungsstandes für die 18. Dynastie [3] und die Ramessidenzeit [4].

 

Für die E-Buch Ausgabe wurden verschiedene technische Änderungen vorgenommen, um die Lesbarkeit auf Tablets und E-Book Readern zu verbessern. Die Referenzen wurden von Harvard Stil auf Vancouver Stil geändert.


Die Entdeckung der Cachette DB 320

Lange Zeit fehlten der Ägyptologie die Mumien der Könige des Neuen Reiches. Dies änderte sich erst 1881. Wenige Jahre zuvor, etwa 1875 hatte ein Grabräuber Namens Abd el-Rassul Ahmed, vermutlich zufällig, das Versteck entdeckt. Angeblich soll seine Ziege in den Grabschacht eingebrochen sein und beim Versuch diese zu retten fand er das Versteck von Deir el-Bahari [5,6]. Der Grabräuberfamilie war schnell klar, dass sie den „Jackpot“ geknackt hatten, als sie die Särge und Beigaben fanden. In den folgenden Jahren diente ihnen die Cachette als eine Art Bank in den Bergen. Als aber immer wieder Objekte und Papyri auf dem Antikenmarkt auftauchten, wurden die Behörden aufmerksam. Nach brutalem Polizeiverhör und Verrat innerhalb der Familie, gegen die Bezahlung von Bakschisch, erfuhren die Behörden die Lage des Verstecks. Am 6. Juli 1881 wurde die Cachette von Émile Brugsch, dem Assistenten des Antikendirektors Gaston Maspero, erforscht [5].


Die Lage von DB 320

Die Cachette DB 320 liegt in großer Höhe auf einem Felsvorsprung neben dem Talkessel von Deir el-Bahari [7]. Vom Talkessel aus ist das Grab nicht sichtbar. Durch den Eingangsschacht gelangten die Forscher in einen engen Gang. Hier fanden sie den Sarg eines Wab-Priesters und dann den Sarg der Amme Rai, welche aber die Mumie von Ahmose-Inhapi, der königlichen Gemahlin von Sequenenre Taa (17. Dyn.) enthielt. Es folgten die Särge und Mumie von Henuttaui, der Frau des Hohepriesters Pinedjem I. und der Sarg und Mumie von Sethos I. Spätestens hier wurde das Ausmaß der Sensation langsam klar.

Es wurden Kästen für Uschebtis, Kanopenkrüge und weitere Grabbeigaben gefunden, welche teilweise Henuttaui gehörten. Dann bog das langgezogene Grab um 90° nach rechts in einen sehr langen Korridor ab, der in der Mitte durch eine kleine Vorkammer D unterbrochen wird. In der ersten Korridorhälfte bis zur Vorkammer waren Sargfragmente die den Namen von Ramses I. trugen und der Sarg von Pinedjem I. mit der Mumie des angeblichen Thutmosis I. darin [5], sowie die Mumien der Könige Amenhotep I. und Thutmosis II.


In der Vorkammer D waren die Mumien von Ahmose I. (dem ersten Pharao der 18. Dynastie), seines Sohnes Siamun, Pharao Sequenenre Taa, des Hohepriester Pinedjem I., der Königin Ahmose Nefertari in einem gewaltig großen Sarg und auch Thutmosis III. und Ramses II. aufgestapelt Der Korridor führt weiter zur eigentlichen Grabkammer. Hier lagen die Besitzer der Cachette, der Hohepriester Pinedjem II., seine Frau Neschons, Djed-ptah-hui-ef-anch und seine Frau Nesitanebaschru, welche als letzte hier etwa im Jahr 935 v. Chr. am Anfang der 22. Dynastie bestattet wurden [5].


Aus Furcht vor Diebstählen durch die Einheimischen, wurde die Cachette von Émile Brugsch in großer Eile geräumt. Gewisse Details der Ausgrabungssorgfalt blieben dabei auf der Strecke, die wertvollen Mumien wurden aber alle gerettet [5]. Die insgesamt 40 königlichen und priesterlichen Mumien warfen aber viele Fragen auf. Warum waren die großen Könige des Neuen Reiches in zum Teil erbärmlichem Zustand in irgendwelchen Holzsärgen in dem Hohepriestergrab aufgestapelt? Gaston Maspero konnte bald die Mumien in zwei Gruppen aufteilen. Die Mumien der späten 2. Zwischenzeit und des Neuen Reiches, welche alle nur notdürftig eingesargt waren und die mit Grabbeigaben ausgestatteten, viel besser mumifizierten Toten der Dritten Zwischenzeit [5]. Die Ergebnisse der Ausgrabung wurden sofort publiziert [8]. Eine Untersuchung der Mumien und der Beschriftungen wurden ebenfalls vorgenommen [9], ist aber bis heute Gegenstand der Diskussion geblieben [1–4,10–12]. Lange galt das Grab DB 320 als ursprüngliches Grab von Königin Ahmose Inhapi, ehe es als Familiengruft von Pinedjem II. erkannt wurde [5].


Die Probleme bei der Interpretation von DB 320

Die Grabstruktur von DB 320 erinnert an das Grab Bab el-Gusus, bei Deir el-Bahari, welches 1969 erneut von einer polnischen Mission untersucht wurde [13]. Bei beiden Gräbern sind Fragen zur Entstehung, Belegungsgeschichte und zum ursprünglichen Besitzer aufgetaucht. Handelt es sich um Gräber der frühen 18. Dynastie oder um Anlagen, welche erst in der 21. Dynastie als Gräber der Hohepriester errichtet wurden? Die Ursache des Problems scheint die konzeptionelle Grabidee zu sein. Sowohl zu Beginn des Neuen Reiches, als auch in der Dritten Zwischenzeit wurden Bestattungsformen bevorzugt, welche einen verborgenen Eingang, schlanke Korridore und eine kleine Grabkammer aufweisen. Auch die Lage an verborgenen Stellen wurde in beiden Geschichtsperioden angestrebt.

Eine 1998 von Erhart Graefe durchgeführte Nachgrabung hat zudem neue Erkenntnisse und einen stark veränderten Grundriss von DB 320 ergeben [14]. Dabei stellte man fest, dass die Grabanlage viel stärker gekrümmt und unregelmäßiger im Grundriss ist. Aufgrund der Beschreibung von Brugsch und Maspero glaubte man an einen horizontal verlaufenden, ebenen Boden im Eingangsbereich. In Wirklichkeit besitzt der Eingang Steinstufen und ist stark geneigt [14]. Die sogenannte Kammer E hat einen anders beschaffenen Boden und die Kammer E ist nur eine Nische in der Wand. Es können daher viel weniger Särge als zuvor angenommen dort abgestellt worden sein. Gaston Maspero spricht von mehr als 5 Särgen, welche

dort gestanden haben sollen. Graefe hält dies für absolut unmöglich [14]. Auch die Grabkammer G besitzt keine überhöhte Decke, wie Brugsch behauptete, sondern hat die gleiche Höhe wie der Korridor F. Jedoch ist die Decke auf 2/3 der Fläche hinabgestürzt, so dass die Decke jetzt rund 1 Meter höher erscheint. Die Grabkammer besitzt zudem eine umlaufende Bank zum Abstellen von Grabausstattung [14].