Prof. Dr. Elisabeth Göbel lehrt an der Universität Trier und forscht zu den Themen Organisation, Neue Institutionenökonomik, Strategisches Management und Wirtschaftsethik. Sie studierte an der RWTH Aachen und an der Universität Tübingen. Dort war sie danach Assistentin am Lehrstuhl für Planung und Organisation bei Prof. Dr. F. X. Bea.

Die Vorauflage erschien bei utb.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-86764-721-2 (Print)

ISBN 978-3-7398-0133-9 (EPUB)

ISBN 978-3-7398-0134-6 (EPDF)

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2016

Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz

Einbandmotiv: iStockphoto – ilbusca

UVK Verlagsgesellschaft mbH

Schützenstr. 24 • 78462 Konstanz

Tel. 07531-9053-0 • Fax 07531-9053-98

www.uvk.de

Vorwort

Ich stelle in diesem Buch, das Sie in Händen halten, beide Zweige der Entscheidungslehre vor: die betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre sowie die tatsächliche Praxis, also wie die Menschen letztlich ihre Entscheidungen treffen.

Im ersten Teil wird der Kernbereich der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre dargestellt, nämlich die betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre. Dabei geht es nicht um spezifische Entscheidungen in bestimmten Funktionsbereichen, sondern um das Entscheiden an sich. Die BWL beschäftigt sich schwerpunktmäßig meist mit der normativen oder präskriptiven Entscheidungslehre bzw. Entscheidungstheorie, welche vorschreibt, wie ein rationaler Entscheider vorgehen sollte.

In den letzten Jahren hat die sog. deskriptive Entscheidungstheorie aber zunehmend an Bedeutung gewonnen. Diese beschreibt, wie die Menschen tatsächlich Entscheidungen treffen und welche Fehler sie dabei typischerweise machen bzw. was sie anders und teilweise auch besser machen. Für Entscheidungen in Unternehmen sind auch diese Erkenntnisse sehr wichtig. Daher werden in dem Buch beide Zweige der Entscheidungslehre vorgestellt und es wird überlegt, auf welche Weise man sie verknüpfen könnte. Schließlich wird die Entscheidungslehre in die allgemeine Managementlehre eingebettet und es wird versucht, Empfehlungen für eine gute Entscheidungsarchitektur zu geben.

Im Anhang finden sich zudem Fragestellungen, die den einzelnen Kapiteln zugeordnet sind. Das Buch kann daher sowohl als einführendes Lehrbuch als auch als vertiefendes Fachbuch für Entscheider in der Praxis herangezogen werden. Um Ihnen den größtmöglichen Nutzen zu bereiten, habe ich das Buch bewusst in einer verständlichen Sprache geschrieben und mit über 150 anschaulichen Beispielen angereichert.

Mein herzlicher Dank gilt Herrn Dr. Jürgen Schechler für die unkomplizierte und freundliche Zusammenarbeit und die gute verlegerische Betreuung.

Trier

Elisabeth Göbel

Inhalt

  1. Entscheidungsorientierung als Kennzeichen der Betriebswirtschaftslehre
  2. Präskriptive Entscheidungstheorie
  3. Deskriptive Entscheidungstheorie
  4. Relevanz der Entscheidungstheorie für die Entscheidungen in Unternehmen

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Mögliche Fachabgrenzungen der BWL

Abb. 2 Entscheidungsprozess als Interaktionsprozess

Abb. 3 Grundmodell der Entscheidung

Abb. 4 Informationsstände im Hinblick auf die Umweltdaten

Abb. 5 Informationsstände hinsichtlich Umweltentwicklungen und deren Konsequenzen

Abb. 6 Höhenpräferenzrelationen

Abb. 7 Horizontale Zielbeziehungen

Abb. 8 Überblick über unterschiedliche Entscheidungssituationen

Abb. 9 Grundmodell einer Entscheidungsmatrix mit mehreren Zielen bei Sicherheit

Abb. 10 Mögliche Wertfunktionen

Abb. 11 Entscheidungsmatrix mit Zielwerten und Gewichtungsfaktoren

Abb. 12 Entscheidungsmatrix bei einem Ziel und Ungewissheit

Abb. 13 Entscheidungsmatrix bei einem Ziel und Risiko

Abb. 14 Prinzip der Bernoulli-Befragung

Abb. 15 Risikonutzenfunktionen für risikoneutrale, risikoscheue und risikofreudige Entscheider

Abb. 16 Überblick über unterschiedliche Spielformen

Abb. 18 Grundlegende Unterschiede zwischen präskriptiver und deskriptiver Entscheidungstheorie

Abb. 19 Das viergeteilte Muster

Abb. 20 Zwei kognitive Systeme

Abb. 21 Beispiele für wissenschaftliche Erklärungen

I Entscheidungsorientierung als Kennzeichen der Betriebswirtschaftslehre

„Wenn Wirtschaften Wählen heißt, und wenn Wählen in enger Beziehung zu Entscheiden gesehen werden kann, dann hat sich die Betriebswirtschaftslehre schon immer mit Entscheidungen von Menschen in Unternehmungen befasst.“

Heinen [Ansatz] 21

1 Die schwierige Suche nach dem Erkenntnisgegenstand der Betriebswirtschaftslehre (BWL)

Womit beschäftigt sich eigentlich die Betriebswirtschaftslehre? Was unterscheidet BWL von anderen Wissenschaften? Obwohl es die Betriebswirtschaftslehre als Studienfach nun auch schon ca. 100 Jahre gibt und sie mittlerweile sogar zum beliebtesten Studienfach in Deutschland avanciert ist, sind diese grundlegenden Fragen keineswegs eindeutig geklärt. Im ersten Kapitel wollen wir versuchen, den Erkenntnisgegenstand der BWL abzugrenzen. Dabei werden verschiedene Abgrenzungsvorschläge betrachtet:

Da eine Abgrenzung als „Entscheidungslehre“ zu allgemein erscheint, werden dann zwei Präzisierungen vorgenommen:

Die entscheidungsorientierte BWL geht von der letzteren Abgrenzung aus. Als praktisch-normative BWL sieht sie ihre vorrangige Aufgabe darin, zur Verbesserung der Entscheidungen in den Unternehmen beizutragen.

Die Ergebnisse der Überlegungen werden am Ende des ersten Kapitels zusammengefasst und es wird ein Überblick gegeben über den weiteren Aufbau des Buches (1.5).

1.1 BWL als Lehre vom Betrieb

Welchen spezifischen Problemkomplex erforscht die wissenschaftliche Disziplin Betriebswirtschaftslehre? Nach welchem Auswahlprinzip kann man aus der komplexen Wirklichkeit den Gegenstand herausschälen, den die BWL untersucht? Ausgehend vom Begriff „Betriebswirtschaftslehre“ starten wir einen ersten Abgrenzungsversuch und sagen:

BWL ist eine Lehre vom Betrieb.

Daraus ergeben sich allerdings direkt Folgefragen:

Ein Betrieb ist „eine planvoll organisierte Wirtschaftseinheit“ (Wöhe [Einführung] 2) bzw. „eine Wirtschaftseinheit mit der Aufgabe der Bedarfsdeckung, mit selbständigen Entscheidungen und eigenen Risiken“ (Schweitzer [Gegenstand] 28) lauten zwei allgemein gehaltene Definitionen von Betrieb. Während bei diesen Definitionen auch die privaten Haushalte unter den Betriebsbegriff fallen können, entspricht es dem Alltagsverständnis mehr, nur solche Wirtschaftseinheiten als Betriebe zu bezeichnen, die einen Fremdbedarf decken, also Sachgüter und Dienstleistungen für den Bedarf anderer Betriebe oder privater Haushalte erzeugen und verkaufen. Die BWL konzentriert ihr Interesse ebenfalls auf die Betriebe im Sinne fremdbedarfsdeckender organisierter Wirtschaftseinheiten (vgl. Schierenbeck/ Wöhle [Grundzüge] 29). Haushalte werden also meist ausgeschlossen. Damit ist allerdings der Erkenntnisgegenstand immer noch sehr weit abgegrenzt, denn es gibt

um nur die gängigsten Klassifikationsmerkmale zu nennen. Für welche Art von Betrieben sich die BWL interessiert, wird von verschiedenen Fachvertretern unterschiedlich abgegrenzt.

Für Erich Gutenberg (1897–1984) stand im Vordergrund, dass der Betrieb ein System von Produktionsfaktoren ist, welche für die Fremdbedarfsdeckung systematisch kombiniert werden müssen (vgl. [Produktion]). Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob dieser Betrieb in einem marktwirtschaftlichen oder planwirtschaftlichen System agiert, ob er in privatem oder öffentlichem Eigentum steht und ob er Gewinn erzielen will. Gutenberg versuchte in erster Linie, allgemeingültige Zusammenhänge zwischen Inputfaktoren und Output zu finden, sog. Produktionsfunktionen, die vor allem technisch determiniert sind. Seine Leitidee einer produktionstheoretischen BWL lässt ihn den Erfahrungsgegenstand einerseits weit abgrenzen: Die planwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, die in Staatsbesitz befindlichen öffentlichen Betriebe, die gemeinnützig orientierten Non-Profit-Betriebe fallen im Prinzip ebenso unter den Blickwinkel der BWL wie die privaten Unternehmen. Andererseits engt sich der Fokus aber auch auf die (großen) Sachleistungsbetriebe, die Sachgüter produzierenden Fabriken, ein, weil nur dort in größerem Umfang die Produktionsfaktoren Maschinen, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und körperliche Arbeit zur Güterherstellung kombiniert werden. Der Sachgüter produzierende Industriebetrieb war lange Zeit der Hauptgegenstand betriebswirtschaftlicher Untersuchungen.

Einen ganz anderen Akzent setzte allerdings schon früh Wilhelm Rieger (1878–1971) (vgl. [Privatwirtschaftslehre]). Seiner Meinung nach sollte die BWL sich nur mit gewinnorientierten, privaten Betrieben in der Marktwirtschaft beschäftigen, also mit den Wirtschaftseinheiten, die im engeren Sinne „Unternehmen“ genannt werden. Sein Hauptinteresse galt dem Gewinn bezogen auf das eingesetzte Kapital, also der Rendite, und nicht der Produktion. Betriebe im öffentlichen Eigentum, planwirtschaftliche Betriebe und Non-Profit-Betriebe bleiben außen vor, was den Erfahrungsgegenstand stark einschränkt. Gleichzeitig lassen sich aber auch Dienstleistungsbetriebe zwangloser unter dem Gesichtspunkt der Renditeerzielung betrachten als unter dem Gesichtspunkt der technischen Produktion. Für eine Bank oder eine Unternehmensberatung spielen technische Produktionsfunktionen keine Rolle, sehr wohl aber die Erzielung einer ausreichenden Rendite.

Für Hans Ulrich (1919–1997) sind alle „zweckgerichteten Institutionen der menschlichen Gesellschaft“ ([Management] 133) Gegenstand betriebswirtschaftlicher Überlegungen. Darunter fallen auch Betriebe im öffentlichen Besitz (bspw. Theater, Krankenhäuser) oder private Non-Profit-Betriebe wie bspw. ein Sportverein. Entscheidend ist, dass diese Betriebe eine Führung und Steuerung, ein Management, brauchen, denn BWL ist für ihn eine Führungs- und Managementlehre. Bei jedem komplexen, offenen sozialen System, welches auf bestimmte Zwecke ausgerichtet ist, entsteht eine Steuerungs-, Lenkungs- oder Führungsproblematik, für deren Lösung die BWL sich zuständig erklärt.

Von sehr engen bis zu sehr weiten Abgrenzungen (nur private Unternehmen in der Marktwirtschaft oder alle zweckgerichteten, komplexen, offenen sozialen Systeme) der zu untersuchenden Betriebe reichen so die Vorschläge der Fachvertreter. Und die dritte Frage ist auch noch nicht beantwortet: Für welche Tatsachen in den Betrieben interessiert sich die BWL? Die Betriebe als Erfahrungsgegenstand können ja von den unterschiedlichsten Disziplinen untersucht werden.

Beispiele: Ein Psychologe untersucht die Reaktion auf bestimmte Farben im Büro. Ein Soziologe prüft die Zusammenhänge von Gruppengröße und Konfliktpotenzial. Der Mediziner erforscht, wie sich die Gestaltung der Arbeitsplätze auf die Entwicklung von Rückenleiden auswirkt. Den Techniker interessiert der Verschleiß einer Maschine in Abhängigkeit von der Drehzahl. Das Hilfswerk Misereor prangert Menschenrechtsverletzungen in philippinischen Fabriken an.

BWL als „Lehre vom Betrieb“ zu definieren, führt offenbar nicht zu einer eindeutigen Abgrenzung der Zuständigkeit, denn

Aus dem Erfahrungsgegenstand, der von vielen Disziplinen untersucht werden kann, ist der spezifische Erkenntnisgegenstand zu isolieren. Die Möglichkeit einer weiteren Eingrenzung des spezifischen Erkenntnisgegenstandes der BWL ergibt sich über den zweiten Wortteil in dem Wort „Betriebswirtschaftslehre“, nämlich das „Wirtschaften“.

1.2 BWL als Lehre vom Wirtschaften

Die BWL erklärt sich zuständig für die wirtschaftlichen Tatbestände in den Betrieben. Eine zweite Abgrenzung des Erkenntnisgegenstandes lautet demnach:

BWL ist eine Lehre vom Wirtschaften in Betrieben.

Doch was sind wirtschaftliche Tatbestände in einem Betrieb? Wann zählt eine Handlung, ein Tatbestand zum Wirtschaften? Auch darüber gibt es keine Einigkeit.

Schon seit der Antike wird über das Wirtschaften nachgedacht. Von dem griechischen Philosophen Aristoteles (384–322 v. Chr.) stammt eine frühe Definition:

(Naturgemäßes) Wirtschaften heißt: Die bestmögliche Versorgung mit Gütern anzustreben, um Bedürfnisse zu befriedigen bzw. Mängel zu beheben (vgl. [Politik] 1256b).

Solche Begriffsbestimmungen des Wirtschaftens finden sich bis heute in fast allen Lehrbüchern der BWL. Es gehe beim Wirtschaften um „ein möglichst großes Maß an Bedürfnisbefriedigung“ (Wöhe [Einführung] 1) bzw. um Mängelbeseitigung unter effizienter Verwendung knapper Güter (Weber/ Kabst [Einführung] 3f.) heißt es. Auch einer der Gründerväter der BWL als wissenschaftlicher Disziplin und Studienfach, Eugen Schmalenbach (1873–1955) sieht genau darin den Zweck des Wirtschaftens und einer eigenen Disziplin BWL: Wissen bereit zu stellen für eine optimale Versorgung der Bevölkerung mit den notwendigen Gütern bei gleichzeitig sparsamem Einsatz von Produktionsfaktoren. Schmalenbach lehnt es grundsätzlich ab, „… im Kaufmann den Profitmacher zu sehen“. Stattdessen sieht er im Kaufmann „das mit Wirtschaften betraute Organ der Gesamtwirtschaft“ ([Grundlagen] IV). Wirtschaftlichkeit im Sinne von Sparsamkeit und Güterversorgung sollen die zentralen Ziele des Unternehmers sein. Eine mögliche Definition von BWL lautet demnach:

BWL ist die Lehre von der optimalen Güterversorgung durch die wirtschaftliche (sparsame) Herstellung von Gütern und Dienstleistungen in Betrieben.

Das klingt ja auch ganz gut und vernünftig, lässt aber eine Reihe neuer Fragen entstehen. Wenn es den Betrieben und der BWL tatsächlich in erster Linie um optimale Güterversorgung bei sparsamer Mittelverwendung geht, dann verwundert:

Schon von Zeitgenossen Schmalenbachs wurde seine Definition des Gegenstandes der BWL im Sinne der Güterversorgung bei sparsamer Ressourcenverwendung teilweise geradezu hämisch kritisiert. Vor allem das Konzept Wilhelm Riegers definiert das Wirtschaften ganz anders.

Wirtschaften heißt, aus Geld mehr Geld machen.

Die Befriedigung von Bedürfnissen ist nur eine Art unvermeidlicher Nebeneffekt des Wunsches nach Gewinn bzw. Rendite. Rieger bemerkt treffend, für einen Unternehmer gäbe es doch keine schlechtere Nachricht als die, dass die Bedürfnisse befriedigt seien und der Markt gesättigt sei ([Privatwirtschaftslehre] 46). Auch Sparsamkeit im Umgang mit Ressourcen sei kein originäres Ziel von Unternehmen. Wenn „Verschwendung“ zu Gewinn führe, dann sei es durchaus wirtschaftlich, Ressourcen zu verschwenden. Als Beispiel führt er die aufwändige Verpackung von Pralinen an, die ja den Nährwert der Schokolade in keiner Weise erhöht und die nur weggeworfen wird ([Privatwirtschaftslehre] 62). Trotzdem ist eine solche Verschwendung wirtschaftlich, wenn die Kunden für die schöne Verpackung der Pralinen mehr zu zahlen bereit sind, als die Verpackung gekostet hat. Damit ist auch die BWL – von Rieger bezeichnenderweise „Privatwirtschaftslehre“ genannt – anders abzugrenzen:

BWL ist die Lehre von der Gewinnmaximierung in privaten Unternehmen in der Marktwirtschaft.

Das trifft den Kern der heutigen BWL sicher besser als die Definition von Schmalenbach, denn damit lassen sich viele der oben genannten Phänomene in Einklang bringen. Wenn es um Gewinnmaximierung geht, dann ist logisch, dass man den kaufkräftigen Luxusbedarf befriedigt und die existenziellen Bedürfnisse der Armen nicht beachtet, weil sie die Güter nicht bezahlen können. Oder dass man Ressourcen verschwendet, solange der verschwendete Geldbetrag über den Preis wieder reinkommt. Die (langfristige) Gewinnmaximierung in Betrieben bzw. Unternehmen werde von den meisten Fachvertretern als Auswahlprinzip der BWL anerkannt, heißt es denn auch in einem der Standardlehrbücher der BWL (vgl. Wöhe [Einführung] 17). Dass trotzdem eine gute Versorgung mit Gütern stattfindet, ist dem Marktmechanismus zu verdanken. Wie Rieger formuliert: „Die Unternehmung kann es leider nicht verhindern, dass sie im Verfolg ihres Strebens nach Gewinn den Markt versorgen muss.“ (Rieger [Privatwirtschaftslehre] 47).

So ganz zufriedenstellend ist die obige Abgrenzung des Erkenntnisgegenstandes der BWL aber auch nicht. Denn zum einen fühlt man sich als Betriebswirt nicht wohl damit, Vertreter einer „öden Profitlehre“ zu sein. Zum anderen lehrt die Erfahrung, dass sehr vieles von dem, was man im Laufe eines BWL-Studiums lernt, durchaus auch in nicht-gewinnorientierten sozialen Systemen gebraucht wird. Wer sich bspw. durch den Deutschen Sportbund zum Vereinsmanager ausbilden lässt, der muss sehr viele Dinge lernen, die typischerweise zum BWL-Studium gehören, etwa Personalwirtschaft, Steuern, Buchhaltung, Finanzplanung, Führung. Auch gemeinnützige Vereine müssen wirtschaften. Gibt es vielleicht hinter den bisherigen Bestimmungen vom Wirtschaften noch ein allgemeineres Prinzip, das noch abstrakter ist und von dem die beiden oben genannten Bestimmungen sozusagen Spezialfälle sind?

Ja, eine solche noch allgemeinere Bestimmung des Wirtschaftens gibt es, nämlich:

„Wirtschaften ist nichts anderes als die fortgesetzte Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten“... (Röpke [Lehre] 32). Wirtschaften heißt also entscheiden und BWL ist die Lehre vom Entscheiden.

Nun liegt der Einwand nahe, dass jeder jeden Tag Entscheidungen treffen muss. Ob die Wahl zwischen Kinobesuch oder Kneipenabend, Kartoffeln oder Nudeln zum Mittagessen, Wander- oder Badeurlaub, ständig wählen wir zwischen Möglichkeiten. Das kann ja nicht alles Gegenstand der BWL sein. Es muss also wiederum Präzisierungen geben, welche die Zuständigkeit der BWL einschränken.

Es gibt zwei unterschiedliche Präzisierungen:

Beiden Präzisierungen wollen wir nun nachgehen.

1.3 Rationales Entscheiden als Erkenntnisgegenstand der BWL

Eine Möglichkeit der näheren Kennzeichnung dessen, was die Ökonomie und damit auch die BWL interessiert, ist ein bestimmter Entscheidungsstil, nämlich das Entscheiden nach dem Rationalprinzip.

BWL ist die Lehre vom Entscheiden nach dem Rationalprinzip.

In einer allgemeinen Form lautet das Rationalprinzip als Imperativ formuliert: Versuche ein möglichst günstiges Verhältnis zwischen Aufwand bzw. Kosten und Ertrag bzw. Leistung zu realisieren. Meist wird das ökonomische Prinzip noch näher bestimmt als Maximumprinzip und Minimumprinzip.

Handle so, dass du mit einem gegebenen Aufwand an Wirtschaftsgütern einen möglichst hohen Ertrag erzielst (Maximumprinzip).

Handle so, dass du einen bestimmten Ertrag mit einem möglichst geringen Aufwand an Wirtschaftsgütern erzielst (Minimumprinzip).

Beispiel: Versuche, mit einer gegebenen Menge an Rohstoffen möglichst viele Endprodukte herzustellen (Maximumprinzip). Versuche, 100 Endprodukte mit dem geringstmöglichen Rohstoffverbrauch zu produzieren (Minimumprinzip).

Am leichtesten lässt sich das ökonomische Prinzip verwirklichen, wenn – wie im obigen Beispiel – Input und Output mengenmäßig gemessen werden können. Bei vielen Entscheidungen ist es bei weitem nicht so leicht zu beurteilen, ob das ökonomische Prinzip eingehalten wurde.

Beispiele: Frau A möchte für maximal 100 € ein möglichst schönes Kleid finden. Herr B sucht einen Gebrauchtwagen möglichst billig. Studentin C sucht einen Ferienjob, der möglichst wenig anstrengend ist, dabei aber genug einbringt.

Im Beispiel von Frau A ist nicht objektiv zu bestimmen, ob und um wie viel ein Kleid schöner ist als ein anderes. Und ist es rationaler, für 50 € ein recht hübsches Kleid zu kaufen oder für den doppelten Betrag ein Kleid, das ihr nur etwas besser gefällt? Herr B muss neben dem Preis auch die Qualität der angebotenen Autos vergleichen, denn ein gut erhaltenes Auto für 3000 € kann für seine Zwecke besser geeignet sein als ein mangelhaftes Auto für 500 €. Bei Studentin C ist nicht klar, was „genug“ bedeutet und was sie als „anstrengend“ empfindet.

Da weder der „Aufwand“ noch der „Ertrag“ einer Entscheidung immer in Euro und Cent zu messen sind, lautet die allgemeinere Formulierung des ökonomischen Prinzips: Wähle die Alternative, in welcher Input und Output in der besten Relation zueinander stehen bzw. die dir den höchsten Nutzen bringt. Dieses Streben nach dem maximalen Nutzen gilt als typisch ökonomisch und als eines der Grundmerkmale ökonomischen Denkens.

Nach Mag [Denken] ist das ökonomische Denken durch folgende Grundmerkmale zu charakterisieren:

Der beschriebene Denk- oder Entscheidungsstil ist so allgemein, dass er zu den verschiedensten konkreten Entscheidungen und Präferenzen passt. Man kann eine optimale Güterversorgung und Sparsamkeit ebenso anstreben wie eine Gewinnmaximierung. Die systematische Wahl der nach den Maßstäben des Entscheiders nutzenmaximalen Alternative kennzeichnet den Typus des ökonomischen Menschen, den Homo oeconomicus (vgl. Kirchgässner [Homo] 12ff.).

Diese Art des Denkens findet man in den verschiedensten Zusammenhängen: Ein Mediziner wählt zwischen zwei Behandlungsmethoden, ein Politiker entscheidet sich für oder gegen einen Gesetzentwurf, ein Jurist wählt eine Verteidigungsstrategie, eine Frau entscheidet sich für oder gegen ein Kind usw. Ein solches „ökonomisches Denken in fremden Gefilden“ (Mag [Denken] 774) hat auch schon zum Vorwurf des „ökonomischen Imperialismus“ geführt. Gemeint ist damit ein Bestreben der Ökonomen, ihren Einflussbereich ständig auszudehnen. Ausgeprägt findet sich diese Ausweitung des ökonomischen Denkens auf sämtliche Bereiche des Lebens bei dem Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Gary S. Becker. Unter der Prämisse, dass Menschen grundsätzlich versuchen, ihre Lage zu ihrem eigenen Vorteil zu verändern, untersucht er unter anderem Diskriminierung, Kriminalität, Drogensucht, Familienplanung, Justiz, Steuern, Kartelle und Umweltpolitik. Seine grundsätzliche Empfehlung: Wenn die Menschen etwas tun oder auch nicht tun sollen, dann verändere die Input-Output-Relation. Mache unerwünschtes Verhalten unvorteilhaft und mache erwünschtes Verhalten attraktiv, dann werden die Menschen die gewünschten Entscheidungen treffen. Er empfiehlt bspw. härtere Strafen gegen Kriminelle um Verbrechen „teurer“ zu machen oder er kritisiert die „soziale Hängematte“ der Sozialhilfe, weil dadurch die Bequemlichkeit zu attraktiv würde (vgl. Becker/Becker [Ökonomik] 117, 166).

Für die Abgrenzung eines speziellen Erkenntnisgegenstandes der BWL ist eine solche Allzuständigkeit für rationale Entscheidungen allerdings nicht sehr hilfreich. Zumal, wenn man sich bei den Nutzenvorstellungen inhaltlich nicht festlegen will und sogar das höchste Wohl der Allgemeinheit als Ziel eines altruistischen Nutzenmaximierers in Frage kommt (vgl. Kichgässner [Homo] 16). Das Nutzenkonzept wird dann zu einer Leerformel, denn es wird kein Fall mehr ausgeschlossen (vgl. Raffée [Grundprobleme] 40f.). In der Regel wird man daher den „Homo oeconomicus“ als den Menschen verstehen, der seinen eigenen materiellen Nutzen maximiert, um den Typus genauer und trennschärfer zu charakterisieren. Der Homo oeconomicus wird das tun, was ihm mehr Geld einbringt bzw. was ihn weniger kostet.

Beispiel: Eine Ärztin entscheidet ökonomisch, wenn sie die Behandlungsmethode wählt, die ihr selbst das höchste Einkommen einbringt. Und sie entscheidet nicht ökonomisch, wenn sie ehrenamtlich kostenlose medizinische Hilfe für Menschen anbietet, die sich illegal in Deutschland aufhalten. Auch wenn sie diese Entscheidung sorgfältig auf der Grundlage ihrer persönlichen Werte trifft und insofern rational entscheidet, fällt es schwer, darin eine ökonomische Entscheidung zu sehen.

Die Gleichsetzung eines bestimmten Entscheidungsstils mit dem Erkenntnisgegenstand der Ökonomie im Allgemeinen und der BWL im Speziellen ist jedenfalls nicht unproblematisch. Einen anderen Weg geht die „entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre“, welche nun vorgestellt werden soll.

1.4 Entscheiden in Betrieben als Erkenntnisgegenstand der BWL

Der entscheidungsorientierte Ansatz der BWL wurde maßgeblich von Edmund Heinen (1919–1996) geprägt. Programmatisch heißt es bei ihm: „Wenn Wirtschaften Wählen heißt, und wenn Wählen in enger Beziehung zu Entscheiden gesehen werden kann, dann hat sich die Betriebswirtschaftslehre schon immer mit Entscheidungen von Menschen in Unternehmungen befasst.“ ([Ansatz] 21). Später spricht er meistens nicht mehr von Unternehmungen sondern allgemeiner von Betrieben oder Betriebswirtschaften. Die Abgrenzung und Eigenständigkeit der BWL leitet sich aus dem Erkenntnisobjekt „Betriebswirtschaft“ ab (vgl. Heinen [Ansatz] 32). In der Regel ist allerdings das private, gewinnorientierte Unternehmen das spezifische Untersuchungsobjekt.

BWL ist die Lehre vom Entscheiden in Betrieben, speziell in Unternehmen.

Explizit geht er dabei nicht vom Modell rationaler Entscheidung aus. „Die entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre entlässt … den Homo oeconomicus der klassischen Mikroökonomie in das Reich der Fabel.“ ([Denkansätze] 395). Er will „ein realistisches Modell des wirtschaftenden Menschen“ und seines Entscheidungsverhaltens entwerfen und dabei systematisch Erkenntnisse „… der Psychologie, der Soziologie, der Politikwissenschaften, der Anthropologie …“ einbeziehen ([Wissenschaftsprogramm] 212f., 215). Das reale Entscheidungsverhalten ist allenfalls beschränkt rational. Außerdem bedenkt er, dass die Menschen in Betrieben nicht isoliert entscheiden, sondern in Organisationen, und dass sie damit in vielfältige Kommunikations-, Kooperations- und Machtbeziehungen eingebettet sind (vgl. ebenda, 217). Schließlich interessiert ihn nicht nur die Entscheidung an sich, sondern auch die vorangehende Phase der Willensbildung bzw. Zielfindung und die nachfolgende Phase der Willensdurchsetzung bzw. Realisierung einer Entscheidung. Damit erweitert er den Entscheidungsprozess zum Führungs- und Steuerungsprozess, zum Management. „Die Entscheidungslehre schließt jene Sachgebiete in systematischer Weise ein, die beispielsweise unter der Bezeichnung „Management Science“ … behandelt werden.“ ([Wissenschaftsprogramm] 213). Damit steht der entscheidungsorientierte Ansatz dem Konzept von Hans Ulrich nahe, der die BWL als allgemeine Führungs- und Managementlehre für komplexe soziale Systeme begreift.

Abb. 1: Mögliche Fachabgrenzungen der BWL

Die beiden möglichen Fachabgrenzungen sind in der vorstehenden Abbildung noch einmal visualisiert.

Das Nachsinnen über wissenschaftliche Zuständigkeiten und Fachabgrenzungen kann also erstens zu der These führen, dass die BWL immer zuständig ist, wenn es um rationales Entscheiden geht. Problematisch erscheint die Ausdehnung der Zuständigkeit auf alle möglichen Entscheidungen, Ziele und Institutionen.

Zweitens ist eine Abgrenzung über die Entscheidungen in einer bestimmten Art von Institutionen möglich. Es geht der BWL dann um Entscheidungen in Betrieben und speziell in Unternehmen. So geht die entscheidungsorientierte BWL vor. Diese Herangehensweise ist pragmatisch an den realen Problemen von Führungskräften orientiert, die sich bei ihren Entscheidungen auch mit beschränkt rationalem Verhalten und der unwägbaren sozialen Dynamik in Organisationen auseinandersetzen müssen. Als Manko dieser pragmatischen Definition einer betrieblichen Entscheidungslehre kann die schwierige Abgrenzung zu anderen wissenschaftlichen Disziplinen, bspw. der Soziologie und Psychologie, angeführt werden (vgl. Heinen [Ansatz] 32).

Klarere Konturen gewinnt die entscheidungsorientierte BWL durch die Unterscheidung von deskriptiver und normativer Entscheidungstheorie. Aus der Psychologie und Soziologie und neuerdings den Neurowissenschaften gewinnt man empirische Beschreibungen des realen Entscheidungsverhaltens. Die Ergebnisse solcher Forschungen belegen bspw.

Solche Erkenntnisse der deskriptiven Theorie sind in dem Sinne „betriebswirtschaftlich auswertbar“ als man mit ihnen die rationalen Entscheidungen der Führungskräfte „verbessern“ kann. „Das Bemühen der Betriebswirtschaftslehre ist letztlich darauf gerichtet … zur Verbesserung der Entscheidungen in der Betriebswirtschaft …“ beizutragen (Heinen [Wissenschaftsprogramm] 209). Die BWL soll „praktisch-normativ“ Aussagen dazu machen, „… wie das Entscheidungsverhalten der Menschen in der Betriebswirtschaft sein soll, wenn diese bestimmte Ziele bestmöglich erreichen wollen.“ (ebenda). Der Terminus „praktisch-normativ“ verweist darauf, dass die Ziele als gegeben hingenommen werden und insofern keine ethischnormative Diskussion der Ziele stattfindet. Es geht um „praktische Rationalität“ und nicht um „evaluative Rationalität“ (vgl. Rescher [Rationalität] 4). Als typische „betriebswirtschaftliche Ziele“ und auch wichtigste Ziele gelten Gewinn, Rendite und Umsatz. Aber auch nicht monetäre Ziele wie Unabhängigkeit oder Macht oder soziale Verantwortung beeinflussen die Unternehmensentscheidungen (vgl. Heinen [Zielfunktion] 23ff.). Zugleich ist die BWL aber durchaus normativ (vorschreibend, präskriptiv), weil sie Aussagen darüber macht, wie der Entscheider im Unternehmen bei seinen Entscheidungen vorgehen soll.

Als Ideal steht also auch in der entscheidungsorientierten BWL das rationale Entscheiden vor Augen. Die Fachabgrenzung erfolgt aber über die Zuständigkeit für Entscheidungen in Betrieben, speziell in Unternehmen. Zur Rationalität der Entscheidung in Unternehmen gehört es gerade dazu, Erkenntnisse der anderen Sozialwissenschaften über die faktische Begrenztheit des Entscheidungsvermögens wahrzunehmen. Die BWL bedient sich pragmatisch der Erkenntnisse ihrer Nachbardisziplinen über das reale Entscheidungsverhalten, um Entscheidungen in Unternehmen zu verbessern.

1.5 Zusammenfassung und Überblick

Zusammenfassend geht es in der BWL also im Kern um das rationale Entscheiden in Betrieben. Erweitert man den reinen Entscheidungsprozess um die Willensbildung und Willensdurchsetzung, dann geht es um das rationale, zielgerichtete Management von Betrieben. Im Vordergrund steht in der Regel der spezifische Betriebstyp der privaten Unternehmung mit dem obersten Ziel der Gewinn- oder Renditemaximierung. Prinzipiell sind die Erkenntnisse aber auch in anderen Betrieben, bei anderen Zielsetzungen und in anderen Bereichen nutzbar. Dabei geht es zum einen darum aufzuzeigen, wie das Entscheidungsverhalten idealerweise sein soll (präskriptive oder normative Entscheidungstheorie). Zum anderen ist es im Hinblick auf die Praxis aber auch wichtig zu wissen, wie Entscheidungen in Organisationen bei beschränkter Rationalität tatsächlich ablaufen (deskriptive Theorie).

Weil die rationalen Entscheidungen das Ideal bilden, war betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre in der Vergangenheit ganz überwiegend auf die normative oder präskriptive Entscheidungstheorie konzentriert. Im folgenden zweiten Teil wird dieser Entscheidungstyp behandelt. Es beginnt mit relativ einfachen Entscheidungsmodellen. Nach und nach werden die Modelle realitätsnäher und komplizierter: Wie entscheidet man rational, wenn man nicht ein Ziel sondern mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt? Wie geht man rational damit um, dass die Ergebnisse der Alternativen häufig unsicher sind? Was bedeutet es, ob man zumindest die Eintrittswahrscheinlichkeiten der Ergebnisse kennt? Was passiert, wenn die Ergebnisse der eigenen Entscheidung wesentlich vom Entscheidungsverhalten anderer Menschen bestimmt werden? Und wie trifft man Entscheidungen in Gremien?

Dass Menschen auch in Betrieben längst nicht so rational entscheiden, wie es dem normativen Ideal entspricht, ist vor allem in der pragmatisch orientierten amerikanischen Managementlehre schon lange thematisiert worden. Vor allem Herbert A. Simon (1916–2001), James G. March und Richard M. Cyert stehen für frühe Forschungen zur „begrenzten Rationalität“ und zu den Besonderheiten von Entscheidungen in Organisationen. Für die Entscheidungstheorie blieben ihre Forschungsergebnisse aber jahrzehntelang nahezu folgenlos. Diskutiert wurden sie eher in der Organisationstheorie und der Managementlehre. Erst seit dem Aufschwung der empirisch forschenden Verhaltensökonomik und dem Wirtschafts-Nobelpreis für den Psychologen Daniel Kahnemann und den Pionier der experimentellen Wirtschaftsforschung Vernon L. Smith im Jahr 2002 finden die Ergebnisse der empirischen Entscheidungsforschung deutlich mehr Beachtung. Im dritten Teil werden die wichtigsten Ergebnisse der deskriptiven Entscheidungstheorie vorgestellt.

Der vierte Teil ist der Frage gewidmet, welche Relevanz die Entscheidungstheorie – in beiden Ausprägungen – für die Entscheidungen in Unternehmen hat. Zunächst wird überlegt, wie man das Verhältnis zwischen normativer und deskriptiver Theorie modellieren kann. Im Ergebnis wird eine Verbesserung der Entscheidungen gerade dadurch angestrebt, dass man die Erkenntnisse der deskriptiven Entscheidungstheorie beachtet. Es erscheint wenig rational, die realen Probleme bei Entscheidungen in Unternehmen zu ignorieren. Stattdessen sollte man sich Gedanken machen über die Gestaltung einer klugen Entscheidungsarchitektur.

II. Präskriptive Entscheidungstheorie

„Das Problem zu erkennen ist wichtiger, als die Lösung zu erkennen, denn die genaue Darstellung des Problems führt zur Lösung.“

Albert Einstein

Betriebswirtschaftslehre wurde im ersten Kapitel charakterisiert als Lehre vom Entscheiden in Betrieben, insbesondere Unternehmen. Dabei stehen meistens das rationale Entscheiden im Vordergrund und damit die präskriptive oder normative Entscheidungstheorie.

Die präskriptive Entscheidungstheorie gibt vor, wie rationale Akteure Entscheidungen treffen sollten.

Damit wollen wir uns im Teil II beschäftigen und zunächst im Kapitel 2 das Grundmodell rationaler Entscheidung erarbeiten. Dazu wird als Erstes der Begriff der Entscheidung geklärt (2.1) und typische Entscheidungen im Unternehmen werden kurz umrissen (2.2). Anschließend wird überlegt, was Entscheidungen so schwierig machen kann (2.3). Da die präskriptive Entscheidungstheorie die Rationalität der Entscheidung fordert, wird sodann erwogen, was Rationalität bei einer Entscheidung überhaupt bedeutet (2.4). Danach wird die Grundstruktur eines Entscheidungsmodells ausführlich vorgestellt (2.5) sowie ein Ausblick auf die unterschiedlichen Entscheidungssituationen gegeben (2.6).

2 Das Grundmodell rationaler Entscheidung

2.1 Was ist eine Entscheidung?

Entscheiden kann allgemein definiert werden als Auswählen zwischen Möglichkeiten.

Entscheidungen begegnen uns überall, sie sind alltäglich. Es gibt im Alltag jedes Menschen einfachere Entscheidungen, wie die Wahl zwischen Döner oder Currywurst, und sehr schwierige und komplexe Entscheidungen, wie bspw. die Wahl eines Berufes oder eines Lebenspartners.

Damit echte Entscheidungen vorliegen, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:

Eine ausführlichere Definition von Entscheidungen lautet also:

Entscheidungen sind das Ergebnis eines Wahlprozesses. Eine Entscheidungssituation liegt vor, wenn unter bestimmten Umweltzuständen (Daten) aus mehreren Handlungsalternativen diejenige Alternative zu wählen ist, die am besten zur Zielerfüllung beiträgt.

Dass zu einer Entscheidung Alternativen, Ziele und Ergebnisse gehören ist schnell klar. Bspw. kann man zwischen mehreren Angeboten von Autos wählen (Alternativen), die im Hinblick auf Preis, Alter, Verbrauch und Kilometerstand (Zielkriterien) bestimmte Ergebnisse aufweisen. Aber wie wirken sich die Umweltzustände auf die Entscheidung aus?

Die Umweltzustände haben verschiedene Auswirkungen:

Beispiele: Frau A muss sich zwischen einem neuen PC und einer Urlaubsreise entscheiden, weil das Budget nicht für beides reicht. Herr B muss sich zwischen Kino und einer Einladung am Samstagabend entscheiden, weil beides zur gleichen Zeit stattfindet. Unternehmerin C kann nicht Produkt X und Produkt Y gleichzeitig produzieren, weil sie nur eine Maschine hat.